TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 I422 2206956-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2206958-1/12E

I422 2206960-1/12E

I422 2206957-1/12E

I422 2206956-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX alias XXXX (Erstbeschwerdeführer), geb. am XXXX, StA. Irak, der XXXX alias XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), geb. am XXXX, StA. Irak, der XXXX alias XXXX (Drittbeschwerdeführerin), geb. am XXXX, StA. Irak, des XXXX alias XXXX (Viertbeschwerdeführer), geb. am XXXX, StA. jeweils Irak, alle vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien und durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, Reichsratsstraße 13, 1010 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, jeweils vom 03.09.2018, Zl. 1094024806/151731448, Zl. 1094023809/151731485, Zl. 1094026201/151731545 und Zl. 1094025509/151731529, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer reisten im November 2015 gemeinsam in das Bundesgebiet ein und stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin bzw. diese stellvertretend für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und den minderjährigen Viertbeschwerdeführer am 09.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ihren Asylantrag begründeten die Erst- und Zweitbeschwerdeführer mit einer religiös motivierten Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam. Der Erstbeschwerdeführer habe mit seiner Familie und seinem Bruder - der für die örtliche Moschee zuständig gewesen sei - in einem Haus gelebt, welches sich in einem schiitischen Gebiet befunden habe. Sie seien von der schiitischen Miliz zum Verlassen der Region aufgefordert worden. Da sie dem nicht Folge geleistet hätten, sei der Bruder des Erstbeschwerdeführers erschossen worden. Der Erstbeschwerdeführer und seine Familie seien weiterhin bedroht worden und hätten sie sich daraufhin zur Flucht entschieden.

2. Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden, jeweils vom 03.09.2018, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie den Beschwerdeführen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

3. Gegen die Bescheide richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Begründend führten die Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass sie eine konkrete individuelle Verfolgung vorgebracht hätten, da sie aufgrund ihrer Tätigkeit und ihrer Herkunft mit dem Umbringen bedroht worden seien und hätte sie bereits konkrete Verfolgungshandlungen erlitten, die sie und ihre Familie in ihrer Sicherheit erschüttert hätten. Außerdem hätten sie sich bereits in beeindruckender Weise in Österreich integriert.

4. Am 30.10.2019 erfolgte in Anwesenheit ihres Rechtsanwaltes eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Die Verfahren der Beschwerdeführer werden im Sinne des § 34 AsylG gemeinsam als Familienverfahren geführt und werden darüber hinaus folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die volljährigen Erst- und Zweitbeschwerdeführer und die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Araber, sprechen Arabisch als Muttersprache und bekennen sich zum sunnitisch muslimischen Glauben. Ihre Identitäten stehen fest.

Die Beschwerdeführer reisten im November 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellten am 09.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind und miteinander verheiratet. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind die minderjährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Der Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin sind gesund und leiden an keinen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen.

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an Asthma und verwendet einen Asthmaspray. Nach der Geburt des Viertbeschwerdeführers bekam die Zweitbeschwerdeführerin Probleme mit der Gebärmutter. Des Weiteren leidet sie an einer Depression, nimmt jedoch nur unregelmäßig die ihr in Österreich verschriebenen Medikamente ein und unterzieht sich keiner regelmäßigen psychologischen Behandlung. Die Zweitbeschwerdeführer ließ sich ihre psychischen Leiden im Irak bei einem Psychologen behandeln. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zweitbeschwerdeführer sind im Irak behandelbar und stehen einer Rückkehr nicht entgegen.

Der Viertbeschwerdeführer leidet seit seiner Geburt an einer Autismus-Spektrum-Störung. Diese Erkrankung wurde bei ihm im Alter von zwei Jahren diagnostiziert. Bereits im Irak unterzog sich der Viertbeschwerdeführer einer medizinischen Behandlung hinsichtlich seiner Autismus-Erkrankung. Diesbezüglich erhielt er im Irak über einen längeren Zeitraum eine Stammzelleninfusion. Des Weiteren leidet er an Verstopfung (habituelle Obstipation) und resultieren daraus wiederkehrende Bauchschmerzen. Er ist adipös und leidet an nächtlichem Schnarchen (Rhonchopathie). In Österreich unterzieht er sich bezüglich seiner Autismus-Spektrum-Störung derzeit einer Stammzellentherapie und werden ihm zudem Tropfen für den Magen und Medikamente für einen Stuhlgang verabreicht bzw. steht er bezüglich seiner physischen und physischen Beeinträchtigung in medizinischer Behandlung. Die physischen und physischen Beeinträchtigungen des Viertbeschwerdeführers stehen einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht entgegen.

Der Erstbeschwerdeführer wurde in Basra geboren, wuchs dort auf und besuchte zwölf Jahre lang die Grundschule und eine allgemeinbildende höhere Schule. Anschließend war der Erstbeschwerdeführer an einer Universität inskribiert. Das Studium brach der Erstbeschwerdeführer nach rund einem Jahr ab. Er arbeitete als Automechaniker und betrieb im Irak ein Autoteilegeschäft mit dem er im Irak bis zu seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt verdiente. Der Erstbeschwerdeführer ist erwerbsfähig.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in Basra geboren, wuchs dort auf und besuchte die Grundschule und eine allgemeinbildende höhere Schule, welche sie abbrach. Über eine Berufsausbildung verfügt die Zweitbeschwerdeführerin nicht. Ihr Lebensunterhalt wurde vor ihrer Eheschließung von ihrer Mutter sichergestellt. Nach ihrer Eheschließung kam der Erstbeschwerdeführer für ihren Lebensunterhalt auf.

Die Drittbeschwerdeführerin wurde ebenfalls in Basra geboren, wuchs dort auf und besuchte im Irak sechs Jahre die Grundschule und zwei Jahre die Mittelschule. Die Drittbeschwerdeführerin wurde durch ihre Familie versorgt und kam der Erstbeschwerdeführer bislang für ihren Lebensunterhalt auf.

Der Viertbeschwerdeführer stammt ebenfalls aus Basra. Er besuchte im Irak bislang keine Schule und wurde bislang von seiner Familie betreut und versorgt.

Im Irak leben nach wie vor Verwandte der Beschwerdeführer, zu welchen die Beschwerdeführer jedoch derzeit keinen Kontakt halten.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gehen keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach und beziehen die Beschwerdeführer Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der Erstbeschwerdeführer arbeitet einmal wöchentlich ehrenamtlich in einem Altenheim. Er absolvierte die Integrations- und die A2-Deutsch-Prüfung erfolgreich und besucht derzeit einen Deutschkurs auf B1-Niveau. Die Zweitbeschwerdeführerin nimmt seit zwei Jahren an Deutschkursen teil und absolvierte die Deutschprüfung im Niveau A1. Sie arbeitet an einem Gemeinschaftsgarten in der Gemeinde N[...] mit und interessiert sich für ein Seminar mit dem Thema "Vielfalt Nutzen Lernen". Die Drittbeschwerdeführerin besucht die Höhere Bundeslehranstalt Fachschule für wirtschaftliche Berufe - Dienstleistungsmanagement. Sie verfügt über altersadäquate freundschaftliche Kontakte und besucht gelegentlich ein Jugendzentrum. Sie war im Rahmen der Beschäftigungsmöglichkeit für Asylwerber vom 08.07.2019 bis zum 08.08.2019 im Bezirksalten- und Pflegeheim in K[...] beschäftigt. Der Viertbeschwerdeführer besucht infolge seiner Autismus-Spektrum-Störung eine sonderpädagogische Einrichtung, in der auf seine besonderen Bedürfnisse eingegangen wird. Die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführer sind unterschiedlich ausgeprägt: Die Deutschkenntnisse bei der Zweitbeschwerdeführerin sind am wenigsten fortgeschritten. Sie versteht die Fragen und kann in rudimentärem Deutsch auf die Fragen antworten. Ausgeprägter sind die Deutschkenntnisse des Erstbeschwerdeführers, der auf einfachem Niveau Deutsch spricht, wohingegen die Drittbeschwerdeführerin am besten Deutsch spricht. Mit dem Viertbeschwerdeführer war eine Kommunikation nicht möglich. In einer Gesamtbetrachtung weisen die Beschwerdeführer keine maßgebliche Integration in Merkmale in beruflicher, kultureller und sozialer Hinsicht auf.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden.

Insbesondere werden die Beschwerdeführer wegen ihrer Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam nicht von den schiitischen Milizen verfolgt.

Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer machten keine eigenen Fluchtgründe geltend und schlossen sich den Fluchtmotiven des Erstbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin an.

Die Beschwerdeführer werden im Fall ihrer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Seit dem Sieg über den IS kehrt der Irak nach Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen und Übergriffen und einer damit verbunden tiefen ethnische und konfessionelle Spaltung des Landes langsam zur Normalität zurück und widmet sich verstärkt dem Wiederaufbau, der auch international unterstützt wird.

Die Bekämpfung der Korruption, das Wiedererlangen von Vertrauen innerhalb der gespaltenen Gesellschaft, die Beseitigung der Zerstörungen an der Infrastruktur und die Eingliederung der Milizen in die staatlichen Strukturen gehen langsam vor sich, vielen Menschen geht dieser Prozess zu langsam und das findet in Übergriffen unterschiedlichster Ausprägungen ihren Niederschlag. (IS zeigen in Form von gezielten Anschlägen ihre Präsenz, Milizen durch vereinzelte Übergriffe; Bevölkerungsgruppen demonstrieren und bringen so ihren Unmut und ihre Unzufriedenheit über die aktuelle Lage zum Ausdruck, etc.).

Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben sich aber zuletzt auf einem Niveau eingependelt, dass für Personen, die keine besondere Vulnerabilität aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse aufweisen, eine Rückkehr zumutbar und vertretbar ist.

Zur Sicherheitslage im Süden:

In Bezug auf die kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre - insbesondere der Machtergreifung durch den IS und deren Zurückdrängung und Vertreibung aus dem Irak - blieb der gesamte südliche Teil des Irak weitgehend verschont. Allerdings sah sich die irakische Regierung in den letzten Jahren gezwungen, dem Kampf gegen den IS Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in militärischen Konfliktgebiete des Nord- und Zentraliraks zu entsenden. Auch wenn der IS aus dem Irak als vertrieben gilt, spielen Terrorismus und Terrorismusbekämpfung - auch im Süden - nach wie vor eine Rolle, wenn auch in weit geringerem Ausmaß als im Norden des Landes und gibt es im Süden auch nach wie vor vereinzelte Terroranschläge. Vor diesem Hintergrund etablierten sich im Süden Stammeskonflikte, Gesetzlosigkeiten und Kriminalität, die - ebenso wie die Übergriffe durch Milizen - in ihrer Intensität Schwankungen unterworfen und unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein und scheinen die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Hinzu kommen der schleppende Wiederaufbau des Landes, die Korruption der Regierung, die hohe Arbeitslosigkeit, die ungerechte Verteilung der Erdöleinnahmen und die desolate Infrastruktur. Die daraus resultierende Unzufriedenheit der Bevölkerung spiegelt sich in den anhaltenden Protestbewegungen des Landes wieder, die 2015 im Südirak ihren Ursprung hatten, immer wieder Schwankungen ausgesetzt waren und zuletzt landesweit im Herbst 2019 in einen Höhepunkt mit mehreren Hunderten Toten gipfelten.

Zu Situation von Menschen mit besonderen Bedürfnissen/Behinderungen:

Obwohl rund 15 % der irakischen Kinder von zwei bis 15 Jahre eine Behinderung aufweisen, gibt es in der irakischen Gesellschaft allgemein wenig Bewusstsein für Behinderungen. Ungeachtet der von der irakischen Regierung, als auch die kurdische Regionalregierung verabschiedeten Gesetze zur Versorgung von Personen mit Behinderungen verabschiedeten Gesetzen - welche unter anderem Integrationsmaßnahmen enthalten und Antidiskriminierungsbestimmungen vorsehen - erleben Menschen mit Behinderungen im Irak Diskriminierung aufgrund des sozialem Stigma und sind sie häufig gesellschaftlich, sozial und auch am Arbeitsmarkt benachteiligt. Hinsichtlich der Situation von Kindern mit Behinderungen finden vor allem Kinder aus ländlichen Gebieten einen schwierigeren Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und spezialisierten Diensten vor. Zur Thematik Autismus bzw. Autismus-Spektrum-Störungen ist anzumerken, dass die Ärzte im Irak nur eingeschränkt in der Lage seien Autismus bzw. Autismus-Spektrum-Störungen zu diagnostizieren bzw. zu behandeln, eine Behandlungsmöglichkeit von Autismus ist jedoch möglich. Offiziell liegt die Zahl bei 7.000 Autismus-Erkrankungen im Irak, welche in den 16 staatlichen Zentren für Menschen mit Behinderungen und Autismus-Spektrum-Störungen in den irakischen Provinzen und der Region Kurdistan registriert sind. Zudem gibt es auch private Einrichtungen, die Menschen mit Behinderungen betreuen. Die tatsächliche Zahl der Autismus-Erkrankungen ist jedoch weit höher einzuschätzen. In der Region Kurdistan gibt es ein spezielles und einzigartiges Zentrum für Autismus-Spektrum-Störungen, in der die Kinder getestet und ihrer Einschränkung angepasst betreut werden und denkt die Zentralregierung in Bagdad über Errichtung ähnlicher Einrichtungen nach. Zur medizinischen Versorgung der psychischen Beeinträchtigung ist auszuführen, dass sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungen durch Psychiater und Psychologen im Irak verfügbar sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme, in die bekämpften Bescheide und in den Beschwerdeschriftsatz der Beschwerdeführer, den von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen, in die niederschriftlichen Angaben des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation". Zum Gesundheitszustand der Zweit- und Viertbeschwerdeführer wurden zusätzlich eine ACCORD Anfrage zum Thema "Überblick zur Lage von Menschen mit besonderen Bedürfnissens/Behinderungen" [a-10457-v2], datierend vom 02.02.2018, die Country Policy and Information Note des Home Office "Iraq: Medical and healthcare issues" datiert vom Mai 2019, sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema "Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen (z.B. bei posttraumatischen Belastungsstörungen, Verfügbarkeit von Antidepressiva und (sedierenden) Antipsychotika, Verfügbarkeit von Medikamenten gegen Bluthochdruck bzw. Herzproblemen) [a-10861]" datierend vom 12.02.2019; und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema "Irak Wirkstoffe: Sertralin und Quetiapin" datierend vom 29.12.2017 und eine Anfragebeantwortung zum Thema "Verfügbarkeit von Medikamenten - Escitalopram, Trazodon", datierend vom 14.02.2018 berücksichtigt. Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) eingeholt.

2.2. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Volljährigkeit der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, der Minderjährigkeit der Dritt- und Viertbeschwerdeführer, ihrer Staatsangehörigkeit sowie ihrer Sprach-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Identität der Beschwerdeführer steht aufgrund der Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten in Form von Personalausweisen fest.

Die Einreise der Beschwerdeführer und deren Antragstellung im Bundesgebiet leitet sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde ab.

Dass der Erstbeschwerdeführer sowie die Drittbeschwerdeführerin gesund sind und sie an keinen psychischen oder physischen Gebrechen leiden, ergibt sich aus deren glaubhaften Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Zweitbeschwerdeführerin ergeben aus ihren glaubhaften Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den von ihr vorgelegten Unterlagen. In einem im Verwaltungsakt befindlichen ärztlichen Attest eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.08.2018 wird zudem bestätigt, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin seit 2015 bei Dr. Walter B[...] in medizinischer Behandlung befindet und sie an einer schweren somatisierenden Depression mit rezidivierenden körperlichen Beschwerden (Schlafstörungen und nächtlichen Atemnotfällen) leidet. Ebenso führte die Zweitbeschwerdeführerin im Zuge ihrer Verhandlung aus, dass sie hinsichtlich ihrer psychischen Beeinträchtigung von ihrem betreuenden Arzt Medikamente verschrieben bekommen habe. Diese nehme sie allerdings nicht regelmäßig ein und setze sie die verschriebenen Medikamente immer wieder ab, da sie davon müde werde und sie den Haushalt machen und lernen wolle. Auch bestätigte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie bezüglich ihrer Depression bereits im Irak einen Psychologen besucht habe, dieser sei allerdings nicht gut gewesen.

Die Feststellungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Viertbeschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere bestehend aus dem ärztlichen Attest von Dr. Walter B[...] vom 17.10.2019, dem Arztbrief des K[...] Universitätsklinikum vom 07.07.2017 und einem entwicklungsdiagnostischen Befund des Konventionsspital Barmherzige Brüder L[...] vom 20.11.2017 sowie aus den Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht. Laut den Ausführungen des entwicklungsdiagnostischen Befundes sei beim Viertbeschwerdeführer im Alter von zwei Jahren eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert worden und habe er diesbezüglich im Alter von drei Jahren in Bagdad eine Stammzellentherapie begonnen. Dies wird auch relativ übereinstimmend von den Erst- und Zweitbeschwerdeführern bestätigt, die angaben, dass sie über einen Zeitraum von rund einem Jahr mit dem Viertbeschwerdeführer zu einer Stammzellentherapie nach Bagdad gefahren sind. Die gesundheitliche Beeinträchtigung des Viertbeschwerdeführers ist offenkundig und konnte sich der erkennende Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Ausprägung der Autismus-Spektrum-Störung des Viertbeschwerdeführers machen. Dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer Rückkehr des Viertbeschwerdeführers nicht entgegenstehen, ergibt sich aus der Überlegung, dass die Erkrankung des Viertbeschwerdeführers an Autismus-Spektrum-Störung, die für sich gesehen nicht lebensbedrohlich ist und vermochte der Viertbeschwerdeführer bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 mit der Erkrankung in seinem Herkunftsstaat offenbar ohne Probleme dort zu leben. Auch seine physischen Leiden (primär Adipositas und Verstopfung und die mit ihr einhergehenden Begleiterscheinungen wie Bauchschmerzen und Schnarchen) sind als solches im Irak behandelbar.

Die Feststellungen hinsichtlich der Schulbildung, der Arbeitserfahrungen und dem Verdienstes des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat basieren auf den Angaben der Erst- bis Drittbeschwerdeführer vor der belangten Behörde und deren gleichlautenden und glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die vorliegenden familiären Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsstaat sind durch die Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer im Administrativverfahren belegt. Zudem brachte der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner Verhandlung vor, dass er lediglich zu seinen Freunden im Irak, aber nicht zu seiner Familie Kontakt habe. Auch die Zweitbeschwerdeführerin verneinte bei der mündlichen Verhandlung jeglichen Kontakt zu ihren dort lebenden Familienangehörigen. Bis vor zwei Jahren hätte sie noch Kontakt zu ihrer Schwester gehabt, aber jetzt gäbe es keinen Kontakt mehr. Den Grund dafür wisse sie nicht.

Dass der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen, ergibt sich aus ihren Aussagen bei der mündlichen Verhandlung und einer Einsichtnahme in einen Auszug des GVS. Mit diesem Auszug ist ebenfalls belegt, dass die Beschwerdeführer Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung beziehen, ergibt sich aus Auszügen aus dem Betreuungsinformationssystem.

Dass die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer in Österreich die Schule besuchen, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der Erst- bis Drittbeschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht. Belegt ist deren Schulbesuch auch durch eine zuletzt vorgelegte Schulbesuchsbestätigung der Drittbeschwerdeführerin sowie einer Schulnachricht und einem aktuellen Entwicklungs- (Anm. und Tätigkeits)bericht der Volksschule A[...] betreffend den Viertbeschwerdeführer.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer über keine maßgeblichen Merkmale einer Integration in beruflicher, sozialer oder sprachlicher Hinsicht verfügen, ergibt sich aus den in einem überschaubaren Maß erschöpfenden integrativen Bemühungen der Beschwerdeführer, welche sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführerin in ihren Einvernahmen und den von ihnen vorgelegten Unterlagen ergaben. Diese umfassten betreffend den Erstbeschwerdeführer eine Bestätigung des Bezirksalten- und Pflegeheim K[...] datierend vom 22.08.2019, einer Bestätigung über den Fahrtkostenersatz für den Besuch eines Deutschkurses der WKÖ datierend vom 07.10.2019, der Kursbesuchsbestätigung der WKÖ datierend vom 18.06.2019 und einem Zeugnis des Österreichischen Integrationsfons vom 11.07.2019. Betreffend der Zweitbeschwerdeführerin wurden ein Schreiben der WKÖ vom 19.12.2018 und einem darin enthaltenen ÖSD Zertifikat über die bestandene Deutschprüfung vom 14.12.2018 sowie eine Unterstützungserklärung ihrer Deutschlehrerin datierend vom 10.10.2019 vorgelegt und brachte sie bei der mündlichen Verhandlung einen Flyer für das Seminar "Vielfalt Nutzen Lernen" in Vorlage. Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin wurde eine Bestätigung des Bezirksalten- und Pflegeheim K[...] datierend vom 22.08.2019 und fünf Unterstützungserklärungen von Schulfreundinnen vorgelegt. Der erkennende Richter konnte sich von den unterschiedlich stark ausgeprägten Deutschkenntnissen der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung persönlich einen Eindruck machen.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben hinsichtlich ihres Fluchtvorbringens zusammengefasst an, dass sie von einer schiitischen Miliz bedroht und aufgefordert worden seien, das Land zu verlassen. Die Drohbriefe seien an sie und an den Bruder des Erstbeschwerdeführers gerichtet gewesen. Schließlich sei der Bruder des Beschwerdeführers erschossen worden und hätten die Beschwerdeführer daraufhin die Flucht ergriffen.

Im angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde zum Schluss, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsland Irak eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung muss sich das Bundesverwaltungsgericht den beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde anschließen und diesem dahingehend zustimmen, dass das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin den genannten Anforderungen nicht entsprach und somit nicht glaubhaft ist.

Die mangelnde Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens ergibt sich vor allem auch daraus, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich des Fluchtvorbringens teilweise unterschiedliche Angaben tätigten und sich widersprachen. Der erkennende Richter lässt nicht außer Acht, dass Widersprüche in nicht maßgeblichen Dateilaspekten nicht geeignet sind, den übereinstimmenden Kern einer gemeinsamen Aussage der Asylwerber zu erschüttern (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303). Wie nachstehend aufgezeigt, ergaben sich Widersprüche und Unstimmigkeit vor allem in den wesentlichen Punkten des Fluchtvorbringens.

So gab der Erstbeschwerdeführer vor der belangten Behörde etwa an, mehrere Drohbriefe erhalten zu haben [BF1, AS 54], während die Zweitbeschwerdeführerin lediglich von einem Drohbrief sprach und die Anzahl von einem Drohbrief auf neuerliches Nachfragen explizit bestätigte [BF2, AS 50]. Andere Drohbriefe seien nach Angabe der Zweitbeschwerdeführerin an die Moschee ergangen und hätten der Allgemeinheit gegolten, damit die Moschee zusperren würde [BF2, AS 50].

Ebenso widersprechen sich die Beschwerdeführer in der Tatsache, an wen der Drohbrief bzw. die Drohbriefe gerichtet gewesen seien. Laut Erstbeschwerdeführer wären die Drohbriefe an ihn und seinen Bruder gerichtet gewesen [BF1, AS 53]. Demgegenüber gibt die Zweitbeschwerdeführerin an, dass der Drohbrief an die gesamte Familie gerichtet gewesen sei [BF2, AS 50]. In diesem Zusammenhäng verkennt der erkennende Richter auch nicht, dass der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht schließlich diametral zu seinem bisherigen Vorbringen vor der belangten Behörde erstmals angab, dass er mehrfach telefonisch bedroht worden sei und er abschließenden einen Drohbrief erhalten zu haben, woraufhin er mit seiner Familie das Land verlassen hätten [Verhandlungsprotokoll S 7, S 8 und S 9].

Ein weiteres Indiz für die mangelnde Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens ist der Umstand, dass die Erst- und die Zweitbeschwerdeführer auch über den Ort, wo der Bruder des Erstbeschwerdeführers erschossen worden sei, abweichende Angaben tätigten. So sei sein Bruder außerhalb der Wohnung erschossen worden [BF1, AS 53]. Im Zuge mündlichen Verhandlung konkretisierte der Erstbeschwerdeführer dies dahingehend, dass sein Bruder für eine Organisation gearbeitet habe, die für die Betreuung von [Anm. gemeint wohl sunnitische] Moscheen zuständig gewesen sei. Als er eines Tages gegen 16 Uhr von der Arbeit nach Hause gekommen sei, sei er in der Nähe des Wohnhauses erschossen worden [Verhandlungsprotokoll S 10 und S 11]. Vollkommen diametral schildert die Zweitbeschwerdeführer den Tod des Bruders des Erstbeschwerdeführers und führt sie aus, dass dieser in Basra in der Moschee getötet worden sei, wobei sie nicht konkretisieren könne, ob vor oder in der Moschee. Dies habe sie von Nachbarn erfahren [BF2, S 50]. Es nicht nachvollziehbar, dass es in diesem nicht unwesentlichen Punkt zu einer derartigen Abweichung kommt. Selbst wenn die Zweitbeschwerdeführer vom Tod ihres Schwagers nur mittelbar "über Dritte" erfahren habe, erscheint es nicht plausibel, dass ein derart gravierendes Ereignis und die genauen Umstände des Todes nicht mit dem Erstbeschwerdeführer überredet und dabei aufkommende "Fehlinformationen durch Dritte" aufgelöst werden.

Die widersprüchlichen Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer setzten sich auch in den Ausführungen darüber fort, wer wen über den Tod des Bruders des Erstbeschwerdeführers informiert habe. Dahingehend vermeint der Erstbeschwerdeführer, dass er vom Tod seines Bruders über die Zweitbeschwerdeführerin erfahren habe. Sie habe ihn angerufen und ihm dieses Ereignis mitgeteilt. Zudem hätten ihn auch einige Nachbarn von diesem Vorfall unterrichtet [BF1, AS 55]. Dahingehend gibt der Erstbeschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung abweichend an, dass ihn seine Freunde und Leute, die sie gekannt hätten, angerufen und ihn vom Tod seines Bruders informiert haben. Die Kontaktaufnahme durch seine Frau bleibt vollkommen unerwähnt [Verhandlungsprotokoll S 7]. Völlig diametral führt die Zweitbeschwerdeführerin im Administrativverfahren danach befragt aus, dass der Erstbeschwerdeführer sie vom Tod seines Bruders informiert habe. Sie sei zu dem Zeitpunkt zu Hause gewesen und habe er sie angerufen [BF2, AS 50]. Im Rahmen der Rückübersetzung bestätigt sie dies vermeinte korrigierend, dass ihr Mann nach Hause gekommen sei und ihr mitgeteilt habe, dass der Bruder verstorben sei [BF2, AS 51.]

Schließlich macht die belangte Behörde auch zu Recht auf Widersprüchlichkeiten zwischen den Angaben des Erstbeschwerdeführers und den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich deren Konfession aufmerksam. So gab der Erstbeschwerdeführer diesbezüglich an, dass er mit schiitischem Glauben geboren worden sei, seinen Glauben jedoch zu Saddam Husseins Zeiten gemeinsam mit seinem Bruder geändert habe. Dies insbesondere deswegen, um seine Frau, welche dem sunnitischen Glauben angehöre, heiraten zu können [BF1, AS 55]. Dem widersprechend gab die Zweitbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde jedoch an, dass der Erstbeschwerdeführer bereits Sunnit gewesen sei, weswegen sie ihn auch geheiratet habe [BF2, AS 50].

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass sich die allgemein mangelnde Stringenz der Ausführungen des Erstbeschwerdeführers auch darin zeigen, dass er vor der belangten Behörde angibt, dass er gemeinsam mit seiner Familie und seinem ledigen Bruder in einem Haus gewohnt habe, welches ihm, dem Erstbeschwerdeführer, gehört habe [BF1, AS 52]. Demgegenüber führt er vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass sein Bruder von der Regierung ein Grundstück erhalten habe. Sein Bruder habe darauf ein großes Haus gebaut und hätten der Erstbeschwerdeführer und seine Familie bei dessen Bruder gewohnt [Verhandlungsprotokoll S 10].

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009). In diesem Zusammenhang erhärtet auch das Verhalten des Erstbeschwerdeführers im Hinblick auf das Beibringen eines geeigneten Beweismittels zum Nachweis des Todes seines Bruders den Verdacht eines konstruierten Fluchtvorbringens. Diesbezüglich von den Behörden auf die Vorlage einer Sterbeurkunde seines Bruders befragt, gab der Erstbeschwerdeführer lapidar an, dass er nicht dazu gekommen sei, diese mitzunehmen. Auf den Hinweis der belangten Behörde, dass er sich diese Unterlagen von seinen im Irak lebenden Familienmitglieder hätte schicken lassen können, vermeint der Erstbeschwerdeführer erstmals unsubstantiiert, dass er Probleme mit seinen Geschwistern habe [BF1, AS 54]. Der erkennende Richter lässt dahingehend nicht außer Acht, dass der Erstbeschwerdeführer zuvor in derselben Einvernahme ausführt, dass er mit seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat einmal im Monat Kontakt habe [BF1, AS 52]. Das Vorbringen, dass sein ältester Bruder die Sterbeurkunde habe und er nicht glaube, dass ihm dieser die Sterbeurkunde übersenden werde, da er für den Tod des Bruders verantwortlich gemacht werde, wird als Schutzbehauptung gewertet. In diesem Zusammenhang ist auch auszuführen, dass es dem Erstbeschwerdeführer auch offen gestanden wäre, den Nachweis des Todes seines Bruders direkt bei den irakischen Behörden anzufordern.

Hinsichtlich des vom Erstbeschwerdeführe erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Fluchtgrundes, dass sie als Nachfolger des alten Regimes angesehen worden wären [Verhandlungsprotokoll S 9] bzw. des von der Zweitbeschwerdeführerin erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergänzend vorgebrachten Fluchtgrundes, dass sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft zur Partei "Al Baath" Probleme im Irak gehabt habe [Verhandlungsprotokoll S 21], ist zunächst auszuführen, dass es dem erkennenden Gericht in keiner Weise nachvollziehbar ist, weshalb die Erst- und Zweitbeschwerdeführer diesen Umstand im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde mit keinem Wort erwähnte und erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht darauf zu sprechen kommen. Zudem geht auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

Darüber hinaus blieben die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Probleme aufgrund ihrer Mitgliedschaft zur Partei "Al Baath" - selbst auf Nachfrage durch den erkennenden Richter - im äußerst vagen und unkonkreten Bereich, gab sie doch etwa lediglich an, das letzte Mal vor dem Golfkrieg oder während des Golfkrieges für die Baath-Partei gearbeitet zu haben, an ein genaues Datum der letzten Versammlung könne sie sich nicht erinnern, sei sie kein hochrangiges Mitglied gewesen und könnte sie die Probleme aufgrund ihrer Mitgliedschaft "nicht rüberbringen" [Verhandlungsprotokoll S 22]. Das ergänzende Fluchtvorbringen der Zweitbeschwerdeführerin entbehrt daher jeglicher Glaubhaftigkeit.

Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen erweist sich das gesamte Vorbringen rund um die Verfolgung der Beschwerdeführer aufgrund ihrer sunnitischen Glaubenszugehörigkeit als nicht glaubhaft.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation; zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Ergänzend wurde bezüglich des Gesundheitszustandes der Zweit- und Viertbeschwerdeführer wurden zusätzlich eine ACCORD Anfrage zum Thema "Überblick zur Lage von Menschen mit besonderen Bedürfnissens/Behinderungen" [a-10457-v2], datierend vom 02.02.2018, die Country Policy and Information Note des Home Office "Iraq: Medical and healthcare issues" datiert vom Mai 2019, sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema "Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen (z.B. bei posttraumatischen Belastungsstörungen, Verfügbarkeit von Antidepressiva und (sedierenden) Antipsychotika, Verfügbarkeit von Medikamenten gegen Bluthochdruck bzw. Herzproblemen) [a-10861]" datierend vom 12.02.2019; eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema "Irak Wirkstoffe: Sertralin und Quetiapin" datierend vom 29.12.2017 sowie eine Anfragebeantwortung zum Thema "Verfügbarkeit von Medikamenten - Escitalopram, Trazodon", datierend vom 14.02.2018 berücksichtigt.

Der wesentliche Inhalt der Länderberichte und die ergänzenden Dokumente wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert. Hiezu führten der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer in der ihnen eingeräumten Stellungnahmen aus, dass eine Behandlung der Autismus-Spektrum des Viertbeschwerdeführers im Irak grundsätzlich möglich sei, diese aber nicht unentgeltlich und nicht kostenlos sei. Die Behandlungskosten des Viertbeschwerdeführers in Bagdad seien sehr hoch gewesen. Der Erstbeschwerdeführer habe nur wenig verdient und haben sie den Viertbeschwerdeführer dort nicht mehr behandeln lassen können. Erst in Österreich habe der Viertbeschwerdeführer eine reguläre Behandlung erhalten und komme hierfür der Staat auf. Eine Behandlung im kurdischen Gebiet sei ebenfalls nicht möglich. Einerseits wegen der ebenfalls hohen Behandlungskosten und andererseits sei ihnen als Araber aus dem Süden des Iraks der Zugang und Aufenthalt im kurdischen Autonomiegebiet nur eingeschränkt möglich. Die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer verwies darauf, dass die ACCORD-Anfrage selbst darauf Bezug nehme, dass sich die verschriebenen Medikamente und Diäten oftmals negativ auf das körperliche und geistige Wachstum der Kinder auswirke. Bezüglich der Beeinträchtigung des Viertbeschwerdeführers gäbe es nur in der autonomen Region Kurdistans eine adäquate Behandlung und hätten die Beschwerdeführer bereits darauf verwiesen, dass ihnen aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit der Zugang dorthin verwehrt. Dem Rechtsvertreter sei die höchstgerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf die Behandlung von Krankheiten bekannt, allerdings sei diese im gegenständlichen Fall - insbesondere auch unter Berücksichtigung des Kindeswohles - gänzlich unmöglich. Des Weiteren verwies die Rechtsvertretung darauf, dass die Beschwerdeführer aufgrund der Konvertierung des Erstbeschwerdeführers vom schiitischen zum sunnitischen Islam einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sei, da dies als Todsünde erachtet werde.

Weder die Beschwerdeführer, noch deren Rechtsvertreter sind den getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, substantiiert entgegengetreten. Das bloße Aufzeigen von spezifischen Problemlagen im Herkunftsstaat vermag die Glaubwürdigkeit der Länderfeststellungen nicht zu erschüttern. Vielmehr sparen die Länderfeststellungen die im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer vorherrschenden Schwierigkeiten und Probleme, wie im gegenständlichen Fall insbesondere im Bereich der konfessionellen Spannungen, dem Situation von Menschen mit Behinderungen und der medizinischen Versorgung nicht nur nicht aus, sondern legen diese ebenfalls offen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits dargelegt, vermochten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft machen.

Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer schlossen sich dem Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers an und machten keine eigenen Fluchtmotive geltend.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, waren die Beschwerden gemäß Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):

3.2.1. Rechtslage:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie umseits bereits dargelegt wurde, droht den Beschwerdeführern im Irak keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, dies zumal die finanzielle Situation der Beschwerdeführer im Irak zuletzt nach eigenen Angaben gut (bis mittel) war. Überdies verfügt der Erstbeschwerdeführer über eine Schulbildung sowie langjährige Arbeitserfahrung im Irak. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erst- und Zweitbeschwerdeführer dazu in der Lage sind ihren Lebensunterhalt und den der Dritt- bis Viertbeschwerdeführer auch im Irak sicherzustellen, dies zumal es auch der Zweitbeschwerdeführerin freisteht, durch eine Erwerbstätigkeit zum Familieneinkommen beizutragen.

Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin, welche insbesondere an psychischen Beeinträchtigungen in Form einer Depression leidet, ist darauf hinzuweisen, dass diese nach eigenen Angaben die ihr in Österreich verschriebenen Medikamente nur unregelmäßig einnimmt sowie darüber hinaus keine regelmäßige psychologische Behandlung in Anspruch nimmt. Eine dringende Behandlung ihrer Beschwerden scheint daher nicht unbedingt notwendig zu sein und steht es der Zweitbeschwerdeführerin darüber hinaus frei, sich auch im Irak einer psychologischen Behandlung zu unterziehen sowie geeignete Medikamente einzunehmen.

Hinsichtlich der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Viertbeschwerdeführers ist auszuführen, dass sich der Beschwerdeführer gegenwärtig therapiert wird und Medikamente einnimmt.

Diesbezüglich ist auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach - aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist - vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809 bis 0812, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139 bis 0143).

Im gegenständlichen Fall ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich der Viertbeschwerdeführer in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Durch eine Abschiebung des Viertbeschwerdeführers wird Art. 3 EMRK nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung grundsätzlich verfügbar sind, was im Herkunftsstaat jedenfalls der Fall ist. Dass die Behandlung im Herkunftsstaat nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant. Wie den aktuellen Länderfeststellungen entnommen werden kann, ist die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat grundsätzlich gewährleistet. Zudem ergibt sich aus der Anamnese der vorgelegten medizinischen Unterlagen und der Ausführungen die Erst- und Zweitbeschwerdeführer, dass der Viertbeschwerdeführer bezüglich seiner Autismus-Spektrum-Störung bereits in seinem Herkunftsstaat mittels einer Stammzellen-Therapie behandelt wurde.

Auch wenn die im Irak mögliche medizinische Behandlung daher hinter den in Österreich zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten zurückbleibt und überdies der Besuch einer Schule, in welcher auf die besonderen Bedürfnisse des Viertbeschwerdeführers eingegangen wird, nicht möglich sein könnte, so ist doch von einer ausreichenden Behandlung des Viertbeschwerdeführers im Irak auszugehen, zumal dieser bereits vor seiner Ausreise aus dem Irak dort entsprechend medizinisch behandelt wurde.

Damit sind die Beschwerdeführer durch die Abschiebung in den Irak nicht in ihrem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass die Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation im Irak bessergestellt sind, genügt nicht für die Annahme, sie würden im Irak keine Lebensgrundlage vorfinden und somit ihre Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für den Irak, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerden erweisen sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuweisen waren.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide):

3.3.1. Rechtslage:

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Indizien dafür, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht haben, bei dem ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der Beschwerdeführer seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch sind die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerden erweisen sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III., der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG abzuweisen waren.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide):

3.4.1. Rechtslage:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Wie unter Punkt 3.3.2. ausgeführt, ist den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen. Daher ist zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0371; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).

Die Beschwerdeführer sind seit ihrer illegalen Einreise am 09.11.2015 ca. vier Jahre und drei Monate in Österreich aufhältig. Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289). Zudem beruht der seit November 2015 andauernde Aufenthalt der Beschwerdeführer auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb diese während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass sie sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen können und ihnen dies spätestens mit der Entscheidung der belangten Behörde vom September 2018 - somit bereits nach rund drei Jahren - auch bewusst war.

Das Gewicht ihrer privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Us

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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