TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/10 I414 2189294-2

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Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I414 2189294-2/3.E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch RA Alexander FUCHS, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden als BF bezeichnet) ist Staatsangehöriger der Republik Irak und stellte am 24.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 01.02.2018, Zl. XXXX, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des BF auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde, und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.01.2019, Zl. G305 2189294-1/11E als unbegründet abgewiesen.

Am 23.07.2019 stellte der BF gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.

Mit Bescheid vom 29.08.2019, Zl. XXXX, wies das BFA den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.

Mit fristgerecht eingebrachtem Beschwerdeschriftsatz erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 04.11.2019 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit dem Bescheid vom 02.12.2019, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht. Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab. Ferner wurde dem BF aufgetragen von 04.11.2019 bis zum 11.11.2018 in der BS West AIBE Unterkunft zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2019, Zl. I417 2189294-3/3Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Dieser Asylantrag ist noch offen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Irak und sohin Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Am 23.07.2019 stellte der BF gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK. Dieser wurde mit Bescheid vom 29.08.2019 als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen erhob der BF Beschwerde.

Der BF stellte am 04.11.2019 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Asylantrag ist noch offen.

2. Beweiswürdigung:

Der dargestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie der Akte des Bundesverwaltungsgerichtes zum ersten Asylverfahren zu Zl. G305 2189294-1 sowie im Verfahren des BF hinsichtlich seines noch offenen Antrages auf internationalen Schutz zu Zl. I417 2189294-3.

Die Feststellung, wonach der BF Staatsangehöriger der Republik Irak ist, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellung, wonach der BF am 23.07.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK stellte und dieser mit Bescheid des BFA als unzulässig zurückgewiesen wurde, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellung, wonach der BF am 04.11.2019 einen wiederholten Antrag auf internationalen Schutz stellte und dieser Asylantrag noch offen ist, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt und aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. I417 2189294-3.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung aber nicht zulässig (vgl. dazu insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162-4): Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden", nach § 52 Abs. 2 FPG hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. zum Verhältnis der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu einem Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 das Erkenntnis des VwGH vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG kommt hingegen - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 1. Jänner 2014 geschaffenen Systems nicht in Betracht (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/21/0101).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist daher nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine - wie hier - bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist.

Im vorliegenden Fall ist daher der Bescheid ersatzlos zu heben, weil der Antrag des BF auf internationalen Schutz noch offen bzw. anhängig ist. Über die Rückkehrentscheidung des BF wird letztlich im anhängigen Verfahren zu Zl. I417 2189294-3 über den am 04.11.2019 gestellten wiederholten Antrag auf internationalen Schutz - so es nicht zur Gewährung von Asyl oder subsidiären Schutz kommt - zu entscheiden sein.

Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG zu nennen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Folgeantrag geklärt erscheint. Zudem kann gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Aussetzung Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe ersatzlose Behebung Kassation offenes Verfahren Rückkehrentscheidung Wohnsitzauflage Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2189294.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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