TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/11 W161 2228050-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.2020
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Entscheidungsdatum

11.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W161 2228047-1/2E

W161 2228050-1/2E

W161 2228048-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerden

1.) der XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2020, Zl. 1240233202-190765548;

2.) des mj. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2020, Zl. 1240232706-190765645;

3.) des mj. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2020, Zl. 1240232902-190765670;

2.) und 3.) gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , alle staatenlos, alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z. 1, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und

§ 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, eine Mutter und ihre beiden minderjährigen Söhne, alle staatenlos, stellten am 29.07.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

EURODAC-Abfragen ergaben jeweils einen Treffer der Kategorie 1 mit Griechenland (23.09.2016) und mit Deutschland (21.12.2018).

Am 05.08.2019 wurden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge kurz: "BFA") bezüglich der Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EV) Nr. 604/2013 (in Folge kurz: "Dublin-III-VO") Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland gestellt.

Mit Schreiben vom 07.08.2019 teilten die deutschen Behörden mit, dass der Wiederaufnahme der Beschwerdeführer nicht zugestimmt werde. Die Beschwerdeführer hätten in Griechenland seit 22.09.2017 Flüchtlingsschutz.

In der Folge wurden Konsultationen in Form eine Anfrage gemäß Art. 34 Dublin III-VO mit Griechenland geführt.

Mit Schreiben vom 06.09.2019 teilte Griechenland mit, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihre beiden Kinder am 23.09.2016 in Griechenland um Asyl angesucht hätten und seit 22.09.2017 anerkannte Flüchtlinge in Griechenland seien. Diese hätten auch eine gültige Aufenthaltserlaubnis (gültig 25.09.2017 bis 24.09.2020) und Reisedokumente (gültig 28.03.2018 bis 27.03.2021) erhalten.

2.1. Die Erstbeschwerdeführerin gab in ihrer Erstbefragung vom 29.07.2019 an, sie habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die sie an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Sie sei Anfang Mai 2016 zu Fuß mit ihren beiden Kindern illegal mit Schlepperhilfe in die Türkei gereist. Nach ca. zehn Tagen seien sie weiter mit dem Schlauchboot nach Griechenland gekommen, wo sie in Flüchtlingslagern in XXXX und XXXX gelebt hätten. Danach seien sie mit gefälschten Reisepässen weiter schlepperunterstützt mit dem Flugzeug bis Deutschland gereist. Dort hätten sie in einem Flüchtlingslager in XXXX gelebt. Am 28.07.2019 seien sie ohne Schlepperhilfe mit dem Zug nach Österreich gefahren. In Griechenland hätten sie sich von Mai 2016 bis Jänner 2019 aufgehalten, in Deutschland von Jänner 2019 bis 28.07.2019. In Griechenland habe es keine medizinische Behandlung für ihren Sohn gegeben, welcher sich am Arm und Bein verletzt habe. Sie seien nicht gut behandelt worden. In Deutschland wären sie nur im Flüchtlingslager gewesen, also könne sie nicht viel über Deutschland angeben. In Deutschland habe sie um Asyl angesucht. In Griechenland seien ihr zwar die Fingerabdrücke abgenommen worden, aber sie habe nicht um Asyl angesucht. Sie könne nicht auf die beiden Kinder alleine aufpassen. Sie brauche ihren Ehemann und dieser lebe in Österreich. Sie möchte hierbleiben.

Als Fluchtgrund gab die Erstbeschwerdeführerin den in ihrer Heimat Syrien herrschenden Krieg an.

2.2. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, EAST Ost am 29.10.2019 gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie habe eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen und fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren. Ihr und ihrem Sohn XXXX gehe es gut. Ihr Sohn XXXX habe eine chronische Erkrankung: Er habe unterschiedlich lange Beine und sei momentan in Behandlung. Er nehme Schmerzmittel und fiebersenkende Mittel bei Bedarf, wenn Schmerzen auftreten. Sie wisse nicht, wie die Medikamente heißen. Die Beschwerden seien mit 1,5 Jahren bei ihrem Sohn aufgetreten. Eigentlich seien die Probleme in Griechenland aufgetreten, weil man den Kleinen schlecht therapiert habe. Die unterschiedlich langen Beine seien durch Muskelschwund entstanden. Ihr Kind sei medizinisch behandelt worden, es sei eine pro forma Untersuchung, aber keine Therapie gewesen. Es gebe keine Befunde dafür. Sie habe bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt. Sie sei nicht bereit, freiwillig in ihr Heimatland zurückzureisen und habe keine Beweismittel oder identitätsbezeugenden Dokumente, die sie bisher noch nicht vorgelegt hätte. Sie sei traditionell und standesamtlich verheiratet mit XXXX . Sie lebe mit ihrer Familie derzeit in der Asylwerberunterkunft in der Betreuungsstelle Ost XXXX . Sie habe ihren Ehemann am XXXX traditionell und standesamtlich geheiratet. Im Jahr 2015 habe sie alles beglaubigen lassen, bevor sie abgereist sei. Sie seien vier Jahre voneinander getrennt gewesen. Sie hätten per Whats App jeden Tag Kontakt gehabt und über Video telefoniert. Sie habe das letzte Mal mit ihrem Mann im Juni 2016 zusammengelebt. Danach sei er aus Griechenland weitergereist. Ihr Ehemann habe sie 2018 in Griechenland besucht, nachdem sein Asylverfahren in Österreich positiv abgeschlossen gewesen wäre. Über Vorhalt, dass für den Ehemann zwei Eheverträge mit zwei verschiedenen Personen bestünden, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie wisse, dass sie seine Frau sein. Sie habe ein Gerücht gehört, dass er mit einer anderen Dame liiert gewesen oder eventuell verheiratet gewesen wäre, aber konkret wisse sie nicht, ob es stimme oder nicht. Dem Gerücht nach wäre das während seiner Abwesenheit gewesen. Sie habe Cousins in Deutschland. In Österreich lebe sie nur mit ihren Kindern in einer Familiengemeinschaft. Sie sehe ihren Ehemann regelmäßig. Sie würden ihn jeden Samstag und Sonntag den ganzen Tag sehen. Ihr Ehemann gebe ihr ab und zu Geld und bringe den Kindern Kleider. Sie bekomme pro Woche ca. 50,-- bis 100,-- Euro. Mit dem, was sie hier auch noch bekomme, könne sie dann überleben. Es sei richtig, dass sie am 23.09.2016 in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, weil sie in Griechenland keinen Aufenthaltstitel bekommen konnte. Ihr Asylverfahren in Griechenland sei positiv erledigt worden und habe sie einen Aufenthaltstitel erhalten. Es sei richtig, dass sie in Griechenland seit 22.09.2017 Flüchtlingsstatus habe. In Griechenland sei die Struktur für eine alleinerziehende Frau mit zwei minderjährigen Kindern sehr miserabel. Ihr Sohn sei durch medizinische Vernachlässigung krank geworden. Sie habe in Griechenland für den Alltag stark kämpfen müssen und nicht einmal die Grundbedürfnisse ihrer Kinder befriedigen können, wenn sie dann gleichzeitig arbeiten und auf die Kinder habe aufpassen müssen. Sie sei mit ihren Kindern neun Monate in einem Plastikzelt gewesen. Sie hätten in XXXX gelebt. Aus Verzweiflung sei sie weiter nach Athen gegangen und dort sei nicht einmal eine Grundversorgung möglich gewesen. Anschließend seien sie außerhalb von Athen in einem Wohnwagen untergebracht worden. In diesem Camp sei sie von einem betrunkenen Mann überfallen worden, der die Absicht gehabt hätte, sie zu vergewaltigen. Sie habe sich gerade noch wehren können. Nachbarn hätten im letzten Moment eingegriffen und sie dann gerettet. In diesem Camp sei sie daraufhin psychotherapeutisch und von einem Psychiater parallel behandelt worden. Danach sei sie mit den Kindern in ein Kloster versetzt worden. Während ihres Aufenthaltes von drei Jahren habe sie keine Möglichkeit bekommen, die Sprache zu erlernen, dadurch sei ihr Zugang zum Arbeitsmarkt in Griechenland unmöglich gewesen. Sie sie auf gute medizinische Versorgung angewiesen, die sie in Griechenland nicht bekommen könne. Weder in einer Großstadt noch sonst wo. Sie möchte nicht, dass ihre Kinder ohne ihren Vater aufwachsen, weil ihr als Kind das Gleiche passiert sei. Befragt ob sie während ihres Aufenthaltes in Griechenland von ihrem Ehemann zwischenzeitlich finanziell unterstützt worden wäre, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dies sei ab und zu geschehen, aber nicht regelmäßig. Durch einen gemeinsamen Freund habe sie Geld erhalten. Sie habe die Möglichkeit gehabt, alles Wichtige vorzubringen und den Dolmetsch einwandfrei verstanden. Es sei alles vollständig und richtig protokolliert worden.

3.1. Der von der Erstbeschwerdeführerin als Ehemann angegebene XXXX wurde am 26.09.2019 vor dem Bundesamt als Zeuge einvernommen und gab im Wesentlichen an, er sei mit XXXX seit September 2011 verheiratet. Sie hätten ordnungsgemäß geheiratet, sowohl standesamtlich als auch traditionell. Sie hätten einen Ehevertrag beim Sheikh unterfertigt und ihre Ehe zwischen den beiden Familien besiegelt. Befragt nach Dokumenten zur Bezeugung der Ehe gab der Zeuge an, es gäbe den Ehevertrag und das Familienbuch, wobei er anmerken müsse, dass sie an einem Kriegstag geheiratet hätten, sodass er zu einem bestimmten Ort nicht habe fahren können, um sämtliche Unterlagen ausstellen lassen. Zudem sei er ca. fünf Jahre eingesperrt gewesen. Er habe seine Frau in Syrien, in ihrer Ortschaft kennengelernt, er kenne sie seit ca. 15 Jahren. Er habe mit seiner Frau in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt. Derzeit jedoch nicht, da er in einer Wohnung in XXXX und sie in einem Camp wohne. Er könne keine Heiratsurkunde nachweisen. Es gebe niemanden auf der Welt, der die ganze Zeit seine Eheunterlagen mit sich führe. Er habe diese nicht mehr. Er sei aktuell in keiner Beziehung. Auf Befragen nach Frau XXXX gab der Zeuge an, sie sei nur seine Freundin. Er habe Kontakt zu ihr. Er täte ihr einen Gefallen und sie tue ihm einen Gefallen. Jeder könne mit dem anderen reden. Er sei mit ihr nicht verheiratet, sie sei gar nicht einmal hier. Befragt, warum diese Frau als seine Ehefrau geführt werde, gab der Zeuge an:

"Ich wurde nach ihr gefragt. Das war seitens der Polizei und ich gab damals an, dass sie meine Freundin ist und sie zu mir fährt und ich zu ihr. Damals war meine Frau in Griechenland und ich habe der Polizei gesagt, dass sie meine Freundin ist. Nachgefragt, ja beziehungstechnisch, als meine Frau in Griechenland war."

Er habe Frau XXXX in Syrien kennengelernt. Er habe sie während eines längeren Aufenthaltes von ihm in Deutschland besser kennengelernt und sei sie seine Freundin geworden. Nachgefragt gebe er an, sie seien nicht verheiratet. Hätte er sie geheiratet, hätte er mit ihr zusammengelebt. Er hätte auch keine Angst davor, dies zu tun, weil er Moslem sei und es ihm zustehe, vier Frauen zu heiraten, wenn er nicht in Österreich leben würde. Hier könne er das nicht. Er habe sie nicht geheiratet. Befragt nach dem Kontakt zu seiner Frau während der Zeit, als sie getrennt voneinander gelebt hätten, gab der Zeuge an, sie hätten ständig Kontakt miteinander gehabt und nachdem er den Aufenthaltstitel erteilt bekommen hätte, habe er sie mehrmals in Griechenland besucht. Erst nach mehr als zwei Jahren sei sein Aufenthaltstitel gekommen und könne man hier vorher keine Familienzusammenführung beantragen. Erst nachdem seine Ehefrau in Griechenland die Unterlagen für die Familie zusammenbekommen hätte, hätten sie nachkommen können.

3.2. Bei einer weiteren Befragung vor dem BFA am 22.10.2019 gab XXXX neuerlich als Zeuge befragt an, er sei zum Zeitpunkt seiner Einvernahme am 26.09.2019 mit Frau XXXX verheiratet gewesen. Die Frage, ob er bei der letzten Einvernahme bewusst falsche Angaben getätigt hätte, wurde von ihm bejaht. Er gab an, er habe nicht gewollt, dass seine Frau davon in Kenntnis gesetzt werde und habe er seine Ehefrau nicht verlieren wollen. Über Vorhalt, dass zwei Eheverträge mit beiden Frauen vorlägen, gab der Zeuge an, das sei richtig, momentan schon. XXXX habe jetzt die Scheidungsklage in Deutschland eingereicht. Er habe nur ihre Aussage darüber, kein offizielles Schreiben. Das sei vor ca. einem Jahr gewesen. Zuerst wäre er mit XXXX verheiratet gewesen, das wäre im Oktober 2011 gewesen. Lama habe er im Jahr 2016 geheiratet. Die Frage, ob er schon von Frau XXXX geschieden wäre, wurde vom Zeugen verneint und angegeben, ganz konkret, wisse er nicht, ob die Scheidung durch sei, weil er keinen Kontakt mehr mit Lama habe. Islamisch hätten sie sich scheiden lassen, aber standesamtlich wisse er es noch nicht. Sie hätten sich vor ca. fünf Monaten scheiden lassen. Die Scheidung wäre am Telefon durchgeführt worden, nachdem sie ihm zugesichert hätte, dass sie ihn nicht mehr wolle und sich von ihm scheiden lassen wolle.

4. In der Folge wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin eingeholt. Demnach liege bei der Erstbeschwerdeführerin aus aktueller Sicht eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vor. Differentialdiagnostisch sei an F32.1 bzw. F42.21, längere depressive Reaktion zu denken. Der Diagnose F43.21 sei der Vorrang zu geben. Sonstige psychische und/oder neurologische Krankheitssymptome würden nicht vorliegen. Therapeutische und medizinische Maßnahmen werden nicht angeraten. Bei einer Überstellung sei eine Verschlechterung des psychischen und physischen Zustandes nicht sicher auszuschließen. Eine akute Suizidalität finde sich zur Zeit der Befundaufnahme nicht.

Aus den Angaben zur Eigenanamnese in der gutachterlichen Stellungnahme folgt, dass sie die Erstbeschwerdeführerin bei der Sachverständigen angegeben hat, sie wisse nicht, wo der Mann derzeit lebe, sie hätte nur telefonischen Kontakt. Sie seien von Syrien in die Türkei, von der Türkei nach Griechenland geflüchtet. Dort sei sie mit den Kindern verblieben, der Mann sei weiter nach Österreich gereist. Sie habe mit den Kindern drei Jahre in Griechenland gelebt. Wie sie jetzt erfahren habe, habe ihr Mann jetzt eine zweite Frau in Österreich geheiratet.

5. Im Akt erliegen zwei Eheverträge. Einer betrifft die Ehe des XXXX mit XXXX . Daraus folgt, dass diese Ehe am XXXX vor dem Bezirksgericht XXXX /Syrien geschlossen wurde. Ein weiterer Ehevertrag bezieht sich auf eine Ehe, die XXXX mit XXXX am XXXX ebenfalls vor dem Bezirksgericht XXXX geschlossen hat.

6. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 09.01.2020 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die beschwerdeführenden Parteien nach Griechenland zurück zu begeben haben (Spruchpunkt I). Weiters wurde den beschwerdeführenden Parteien ein Aufenthaltstitel als berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 2 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II).

Die Bescheide legen in ihrer Begründung und den aktuellen Feststellungen insbesondere ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Konkret traf das Bundesamt folgende Länderfeststellungen mit Stand 4.10.2019 zu Griechenland:

Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Humanitär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Die Aufenthaltserlaubnis wird in der Regel ein bis zwei Monate nach der Entscheidung ausgestellt. In der Zwischenzeit gilt die Asylwerberkarte mit dem Stempel "Pending Residence Permit". Nach fünf Jahren Aufenthalt kommt ein Flüchtling für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung infrage, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt (AIDA 3.2019). Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. Sie erhalten außerdem nur dann international gültige Reisedokumente, wenn sie keine Reisedokumente ihres Heimatstaats erlangen können. Darüber hinaus bestehen keine rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede bei der Behandlung der genannten Personengruppen (AA 26.9.2018a; vgl. AIDA 3.2019).

NGOs bezeichnen die Lebensbedingungen für Menschen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland als alarmierend. Schutzberechtigte sehen sich nicht nur mit fehlenden Möglichkeiten zur Integration in die griechische Gesellschaft konfrontiert, sondern auch oft mit unzulänglichen Lebensumständen und humanitären Standards, einer äußerst prekären sozioökonomischen Situation und kämpfen oft um ihr bloßes Überleben. Es bestehen weiterhin flächendeckende Defizite bezogen auf die Aufnahme, Versorgung und Integration von Schutzberechtigten. In der Praxis besteht für Flüchtlinge immer noch kein gesicherter Zugang zu Unterbringung, Lebensmittelversorgung, medizinischer und psychologischer Behandlung oder zum Arbeitsmarkt. Auf dem Festland sind Fälle bekannt, in denen anerkannte Flüchtlinge inoffiziell für einige Monate weiter in den Unterbringungszentren bleiben durften und Bargeld erhielten wie Asylbewerber. Jedoch wurden für sie keine weiteren Integrationsmaßnahmen ergriffen. Sie erhielten keinen Zugang zu entsprechenden Informationen oder Unterstützung bei der Integration (Pro Asyl/RSA 8.2018).

Besondere staatliche Hilfsangebote für anerkannte Schutzberechtigte neben dem allgemeinen staatlichen Sozialsystem bestehen nicht. Konzepte für eine speziell zugeschnittene Information durch öffentliche Behörden sowie Zugangserleichterungen zu staatlichen Leistungen für anerkannte Schutzberechtigte befinden sich im Aufbau (AA 26.9.2018a; vgl. Pro Asyl/RSA 8.2018).

Integrationsplan

Die sogenannte Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen ist nur teilweise umgesetzt. Maßnahmen und Projekte des Ministeriums für Arbeit und Sozialfürsorge sind zwar für diejenigen, die unter der Armutsgrenze leben, vorgesehen, aber nicht für Personen, die kein Griechisch sprechen oder verstehen (Pro Asyl/RSA 8.2018).

In der Praxis werden konkrete Integrationsprogramme (z.B. Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA)) weitgehend von einer EU-Finanzierung abhängig sein, da weder auf nationaler noch auf kommunaler Ebene nennenswerte Ressourcen zur Verfügung stehen. Positiver gestaltet sich die Integration der etwa 12.000 schulpflichtigen Flüchtlingskinder in Griechenland, von denen im Schuljahr 2017/2018 ca. 8.000 eingeschult waren (AA 6.12.2018).

Sozialleistungen

Gemäß Gesetz haben Flüchtlinge in Griechenland dieselben sozialen Rechte wie griechische Staatsbürger, aber bürokratische Hürden, staatliche Handlungsdefizite, mangelnde Umsetzung des Gesetzes und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise können den Genuss dieser Rechte schmälern (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA 30.8.2018; UNHCR 4.2019). Das neue System der sozialen Grundsicherung vom Februar 2017 befindet sich noch im Aufbau und wird schrittweise eingeführt. Es sieht Geldleistungen (erste Säule) sowie Sachleistungen (zweite Säule) und Arbeitsvermittlung (dritte Säule) vor. Eine etablierte Verwaltungspraxis besteht bislang nicht. Allerdings wurde der Zugang im Rahmen einer Gesetzesänderung im Juni 2018 für jene Personen eingeschränkt, die in EU-finanzierten Aufnahmelagern und Apartments wohnen. Die überwiegende Mehrheit der anerkannten Schutzberechtigten bezieht bisher keine soziale Grundsicherung (AA 6.12.2018). Voraussetzung für den Leistungsbezug allgemeiner Sozialhilfe ist das Einreichen verschiedener Dokumente (Aufenthaltserlaubnis, Sozialversicherungsnummer, Bankverbindung, Steuererklärung über das Online-Portal Taxis-Net), wobei der Nachweis des dauerhaften einjährigen Mindestaufenthalts im Inland durch die inländische Steuererklärung des Vorjahres nachzuweisen ist. Dabei sind Unterlagen grundsätzlich online und in griechischer Sprache einzureichen, staatlicherseits werden keine Dolmetscher gestellt (AA 7.2.2018). Bei der Beschaffung der genannten Dokumente stoßen jedoch die Betroffenen in der Praxis auf zahlreiche Schwierigkeiten (Pro Asyl/RSA 30.8.2018; vgl. UNHCR 4.2019). Einige NGOs bieten punktuell Programme zur Unterstützung bei der Beantragung von Sozialleistungen an. Erster Anlaufpunkt ist die HELP-Webseite des UNHCR. Es beraten z. B. der Arbeiter- Samariter-Bund, die Diakonie und der Greek Refugee Council (AA 6.12.2018; vgl. UNHCR 4.2019). Im Juli 2019 gab es 72.290 Bezieher der EU-finanzierten Geldleistungen im Rahmen sogenannter Cash-Card Programm des UNHCR, darunter 13.800 anerkannte Schutzberechtigte (UNHCR 7.2019). Es besteht kein Anspruch auf Teilnahme an dem Cash-Card-Programm, es handelt sich nicht um einen Sozialhilfeanspruch, sondern um humanitäre Hilfe. Der Bezugszeitraum endet grundsätzlich nach Anerkennung bzw. nach einer Übergangsfrist von 6 bis 12 Monaten. In der Praxis wurden bisher keine Asylwerber nach ihrem Statuswechsel von dem Bezug ausgeschlossen. Für bereits anerkannte Schutzberechtigte ist ein Neueintritt in das Cash-Card-Programm allerdings nicht möglich (AA 6.12.2018). Der Auszahlungsbetrag beträgt zwischen 90 ? für eine Einzelperson mit Unterkunft und Verpflegung und bis zu 550 ? für eine Familie mit sieben oder mehr Personen (AIDA 3.2019; vgl. UNHCR 7.2019).

Medizinische Versorgung

Anerkannte Schutzberechtigte haben durch Gesetz vom 20. Februar 2016, umgesetzt seit Ende 2016, einen gesetzlichen Anspruch auf unentgeltliche medizinische Behandlung (auch in Krankenhäusern) und sind in die staatliche Krankenversicherung mit einbezogen. Das Gesundheitssystem erfüllt diesen Anspruch auch in der Praxis, insbesondere im Rahmen der Notfallversorgung (AA 7.2.2018). Trotz des günstigen Rechtsrahmens wird der tatsächliche Zugang zu medizinischer Versorgung in der Praxis durch einen erheblichen Ressourcen- und Kapazitätsmangel sowohl für Fremde als auch für die einheimische Bevölkerung erschwert. Der von verschiedenen Sparmaßnahmen stark betroffene öffentliche Gesundheitssektor steht unter enormem Druck und ist nicht in der Lage, den gesamten Bedarf an Gesundheitsleistungen weder für die einheimische Bevölkerung noch für Migranten zu decken. Ein weiteres Problem stellt die Ausstellung der Sozialversicherungsnummer (AMKA) dar (AIDA 3.2019). Kosten fallen bei Medikamenten im ambulanten Bereich an, da der staatlich festgesetzte erstattete Preis in Apotheken teilweise unterhalb des realen Verkaufspreises gilt. Mit Blick auf die allgemein begrenzten Haushaltsmittel sind Schutzberechtigte wie die griechische Bevölkerung auch hierbei Budgetierungen und restriktiver Medikamentenausgabe insbesondere bei teuren Krebsmedikamenten unterworfen. Seit Anfang 2017 werden Medikamente für Bedürftige nicht mehr kostenlos in Krankenhausapotheken abgegeben, sondern sind über Apotheken zu beziehen. Dabei wird ein staatlich festgesetzter Preis erstattet, der z. T. unterhalb des üblichen Abgabepreises in Apotheken liegt. Der Differenzbetrag ist privat zu tragen. An einigen Orten unterstützen private Sozialkliniken Bedürftige mit kostenloser Medikamentenabgabe. Fälle von Behandlungsverweigerung sind seltene Ausnahmen (AA 6.12.2018; vgl. AA 7.2.2018).

Wohnmöglichkeiten

Anerkannte Schutzberechtigte haben seit 2013 Zugang zu Unterbringung unter den gleichen Bedingungen wie Drittstaatsangehörige, die sich legal in Griechenland aufhalten. Eine staatliche Sozialleistung zur Wohnungsunterstützung besteht derzeit auch für die griechische Bevölkerung noch nicht (AA 26.9.2018a; vgl. AIDA 3.2019). In der Praxis wird Schutzberechtigten, die als Asylwerber in einem Flüchtlingslager oder in einer Wohnung des UNHCR-Unterbringungsprogramms (ESTIA) untergebracht waren, gestattet, nach ihrer Anerkennung für weitere 6 Monate in der gleichen Unterkunft zu bleiben (Pro Asyl/RSA 8.2018). Wohnraum wäre grundsätzlich auf dem freien Wohnungsmarkt zu beschaffen (AA 6.12.2018). Das private Anmieten von Wohnraum für bzw. durch anerkannte Schutzberechtigte wird durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte und Studenten, sowie gelegentlich durch Vorurteile erschwert (AA 26.9.2018a). Personen, die keine Unterkunft haben und nicht das Geld besitzen, eine zu mieten, leben oft in überfüllten Wohnungen, verlassenen Häusern ohne Zugang zu Strom oder Wasser oder werden obdachlos (AIDA 3.2019; Pro Asyl/RSA 8.2018). Schutzberechtigte haben Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Obdachlose, die jedoch nur begrenzt vorhanden sind. Eigene Unterbringungsplätze für anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte existieren nicht. Es gibt auch keine eigene Unterstützung für ihre Lebenshaltungskosten. In Athen etwa gibt es vier Asyle für Obdachlose (zugänglich für griechische Staatsbürger und legal aufhältige Drittstaatsangehörige). Aber es ist äußerst schwierig, dort zugelassen zu werden, da sie chronisch überfüllt sind und Wartelisten führen (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA).

Die Aufnahme ins ESTIA-Programm ist nur für diejenigen anerkannten Schutzberechtigten möglich, welche die Kriterien der Vulnerabilität erfüllen und bereits als Asylwerber an dem Programm teilgenommen haben. Im Rahmen des Programms werden hauptsächlich Familien untergebracht (AIDA 3.2019). Prioritäre Kriterien sind das Vorliegen einer medizinischen Indikation, bevorstehende Geburt oder Neugeborene, alleinerziehende Mütter sowie Unterbringung der vulnerablen Personen von den Erstaufnahmeeinrichtungen auf den ostägäischen Inseln (AA 6.12.2018). Im Rahmen des ESTIA-Programms waren im März 2019 6.790 anerkannte Schutzberechtigte untergebracht (UNHCR 4.2019). Die Auslastungsquote lag Ende August 2019 mit 21.622 Einwohnern (Asylwerber und anerkannte Schutzberechtigte) bei 98,2% der Kapazitäten (ESTIA 28.8.2019). Anerkannte Schutzberechtigte sind dazu aufgerufen, die Wohnungen innerhalb einer Übergangsphase von 6 bzw. 12 Monaten nach ihrer Anerkennung zu verlassen. In der Praxis ist es bisher aber nicht zu erzwungenen Räumungen gekommen (AA 6.12.2018). Personen, die nach Zuerkennung ihres Schutzstatus in Griechenland ESTIA verlassen und einen Zweitantrag in einem anderen EU-Staat stellen, verzichten in eigener Verantwortung auf diesen sozialen Vorteil (AA 6.12.2018).

Einige NGOs bieten punktuell Wohnraum an. Hierzu gehören z.B. Caritas Hellas, Orange House und PRAKSIS. Insbesondere Caritas Hellas unterhält einen sogenannten "Social Spot" in Athen. Hier werden täglich Hilfestellungen zu verschiedenen Themen angeboten. Zudem verfügt Caritas Hellas über Wohnräumlichkeiten sowie Kooperationen mit der armenischen Kirchengemeinde, welche u. a. auch für kurzfristige Unterbringungen zur Verfügung stehen. Weitere gemischte Wohnprojekte der Caritas Hellas im Stadtteil Neos Kosmos werden von den römisch-katholischen Bischöfen in Griechenland unterstützt. Die Zahl der Unterkünfte in Athen ist insgesamt nicht ausreichend. Die vorbezeichneten Stellen arbeiten mit Bedürftigen direkt und unmittelbar zusammen. Bedürftige können sich nach Ankunft in Griechenland unmittelbar an die vorgenannten Organisationen wenden (AA 6.12.2018).

Arbeitsmarkt

Ein Zugang zum Arbeitsmarkt steht rechtlich dauerhaft und legal im Land lebenden Personen zu, damit grundsätzlich auch Schutzberechtigten. Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten nur Personen mit entsprechenden Vorversicherungszeiten für eine Dauer von maximal einem Jahr. Die griechische Arbeitsagentur ODEA stellt nunmehr seit Juni 2018 für alle Schutzberechtigten eine Arbeitslosenkarte aus. Eine Registrierung bei der Arbeitsagentur, welche Voraussetzung für weitere Sozialleistungen ist, war zuvor in der Praxis für Schutzberechtigte kaum möglich, da als Voraussetzung ein Wohnungsnachweis auf den Namen der Person vorgelegt werden musste. Nachdem diese Hürde weggefallen ist, wurden innerhalb weniger Monate über 4.000 Personen aus dem EU-finanzierten Unterkunftsprogramm ESTIA registriert. Die Arbeitslosenkarte berechtigt zu folgenden Leistungen: kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs; kostenloser Eintritt in Museen; Ermäßigungen für Gas-, Wasser-, und Stromrechnungen, Rabatte in einigen Fast-Food-Restaurants, Mobilfunkangebote und ermäßigte berufliche Fortbildungsmaßnahmen. Einige NGOs bieten punktuell Programme zur Fortbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche an. Hierzu gehören z. B. Arbeiter- Samariter-Bund, Diakonie und Greek Refugee Council (AA 6.12.2018). Die Chancen zur Vermittlung eines Arbeitsplatzes sind gering. Die staatliche Arbeitsagentur OAED hat bereits für Griechen kaum Ressourcen für die aktive Arbeitsvermittlung (Betreuungsschlüssel: 1 Mitarbeiter für über 1.000 Arbeitslose) und noch kein Programm zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen aufgelegt. Migration in den griechischen Arbeitsmarkt hat in der Vergangenheit vor allem in den Branchen Landwirtschaft, Bauwesen, haushaltsnahe und sonstige Dienstleistungen stattgefunden. Allerdings haben sich die Arbeitschancen durch die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise allgemein deutlich verschlechtert. Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme bestehen z. T. bei NGOs etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (AA 26.9.2018a).

Bildung

Ein Zugang zum Bildungssystem wird faktisch durch Sprachbarrieren und die stark akademisch ausgerichtete Bildungslandschaft in Griechenland erschwert. Es bestehen einzelne Projekte einer dualen Berufsausbildung etwa im Bereich der Landwirtschaft. Das griechische Bildungsministerium konzentriert sich in seinen Bemühungen bisher auf die Beschulung der 5 bis 17-jährigen schulpflichtigen Flüchtlingskinder, von denen im Schuljahr 2017/2018 ca. 62% eingeschult waren. Zahlreiche NGOs bieten Sprachkurse für Griechisch und Englisch an (AA 26.9.2018b).

Unterstützung durch NGOs

NGOs spielen bei der Integration Schutzberechtigter eine wichtige Rolle. Es gibt sowohl in Griechenland aktive internationale wie auch lokale NGOs. Die Angebote sind vielfältig, allerdings mit Schwerpunkt in den Ballungsräumen Athen und Thessaloniki, wo sich auch die meisten Schutzberechtigten befinden. Die NGOs sind Umsetzungspartner der internationalen Hilfsprojekte, finanziert von der EU und in weiten Teilen koordiniert vom UNHCR. Die Programme werden genutzt (AA 26.9.2018a). Bekannte Organisationen sind unter anderem: Society for the care of minors (sma-athens.org), Apostoli, eine Organisation der griechisch-orthodoxen Kirche (mkoapostoli.com), Arsis (arsis.gr), National Centre for Solidarity (ekka.org.gr) Hellenic Red Cross (redcross.gr), Positive Voice - Greek Association of HIV Positive Persons (positivevoice.gr), Klimaka (klimaka.org.gr), Nostos (nostos.org.gr), Doctors of the World (mdmgreece.gr), Medical Intervention (medin.gr), Praksis (praksis.gr) sowie Faros (faros.org.gr) usw. (AA 6.12.2018; vgl. UNHCR 4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.12.2018): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Stade, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_06%2E12%2E2018%2C_508%2D516.80_51293.pdf?nodeid=19635053&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

- AA - Auswärtiges Amt (26.9.2018a): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Schwerin, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_26%2E09%2E2018%2C_508%2D516.80_50799.pdf?nodeid=19309208&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

- AA - Auswärtiges Amt (26.9.2018b): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Greifswald, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/696617/696619/696431/18970518/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_26%2E09%2E2018%2C_508%2D516.80_51035.pdf?nodeid=19373612&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2018): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Köln, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683529/683531/683613/18932792/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_07%2E02%2E2018%2C_508%2D516.80_49957.pdf?nodeid=18971400&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

- AIDA - Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

- ESTIA - Emergency Support to Integration & Accomodation (28.8.2019): ESTAI Accomodation Capacity - Weekly Update, http://estia.unhcr.gr/en/estia-accommodation-capacity-weekly-update-27-august-2019/, Zugriff 26.9.2019

- Pro Asyl/RSA - Refugee Support Aegean (8.2018): Update - Stellungnahme - Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/701739/1999815/1999817/20085633/PRO_ASYL%2C_Lebensbedingungen_international_Schutzberechtigter_in_Griechenland%2C_30%2E08.2018.pdf?nodeid=20085316&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (7.2019): Cash Assistance Update, http://estia.unhcr.gr/en/greece-cash-assistance-july-2019/, Zugriff 26.9.2019

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf, Zugriff 26.9.2019

Festgestellt wird, dass in Griechenland die medizinische Versorgung gewährleistet ist.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen worden seien, werde angeführt, dass diese soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe, aufgrund der unveränderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Identität der Beschwerdeführer stehe nicht fest.

Die Erstbeschwerdeführerin leide an einer Anpassungsstörung F43.21, einer längeren Reaktion, eine depressive Reaktion auf Belastung. Es könne nicht festgestellt werden, dass in ihrem Fall sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine lebensgefährlich Erkrankte handle und daher eine Überstellung nach Griechenland von vornherein als unzumutbar angesehen werden müsste. Bei Bedarf seien für die Erstbeschwerdeführerin in Griechenland Behandlungsmöglichkeiten gegeben, ebenso sei die unerlässliche medizinische Versorgung gewährleistet. Unter Einbeziehung des psychischen und physischen Zustandes der Erstbeschwerdeführerin stelle deren Überstellung nach Griechenland keine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dar, nachdem in Griechenland die für ihre Bedürfnisse erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten grundsätzlich bestehen, und nachdem sich bei ihr auch keine schwerwiegenden und einem Transport nach Griechenland entgegenstehenden Beeinträchtigungen ergeben habe.

Im Falle des Zweitbeschwerdeführers könne nicht festgestellt werden, dass sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.

Der Drittbeschwerdeführer habe laut Angaben seiner Mutter unterschiedlich lange Beine. Laut Verordnung zur physikalischen Behandlung leide er an einer Kontraktur der beidseitigen Kniegelenke. Es seien zehn Einheiten zu je 45 Minuten zur Behandlung der Kontraktur verordnet worden. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Fall des Drittbeschwerdeführers sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.

Die Antragsteller seien in Griechenland anerkannte Flüchtlinge. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie in Griechenland systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder dies dort zu erwarten hätte.

Sie verfügen in Österreich über folgende familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte: Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Vater des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers befinde sich in Österreich und sei hier asylberechtigt. Er lebe in XXXX . Die Beschwerdeführer würden mit dem angeführten Verwandten nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein solcher habe auch bisher nicht bestanden. Weiters bestehe zu dem angeführten Verwandten weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Außer dem angeführten Familienangehörigen befinde sich kein weiterer Verwandter in Österreich. Die durch den Ehemann/Vater gegebene Unterstützungsleistung erfülle nicht die erforderlichen Voraussetzungen, um die Notwendigkeit einer Abhängigkeit im Sinne des Art. 16 Dublin-III-VO erkennen zu lassen. Eine besondere Integrationsverfestigung der Antragsteller in Österreich könne nicht festgestellt werden.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, im Namen aller Beschwerdeführer fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, die erstinstanzliche Behörde habe mangelhafte Länderberichte herangezogen, keine Einzelfallprüfung durchgeführt und eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen. Hätte die belangte Behörde in der Beschwerde zitierte Länderberichte (Stiftung Pro Asyl vom 30.08.2018) herangezogen bzw. ihre eigenen Länderfeststellungen entsprechend gewürdigt und auch sonst eine umfassende Beweiswürdigung vorgenommen, hätte sie zum Schluss kommen müssen, dass es höchstwahrscheinlich sei, dass die Beschwerdeführer im Fall der Überstellung nach Griechenland weder über eine Unterkunft noch über Arbeitsmöglichkeiten oder medizinische Versorgung verfügen werden. Bei einer Rückkehr nach Griechenland würden die Beschwerdeführer trotz ihres Schutzstatus in eine ausweglose Lage geraten und müsse von einer Verletzung ihres nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechts ausgegangen werden. Auch liege ein unrechtmäßiger Eingriff in das Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK bzw. eine Verletzung des Kinderwohls im Sinne des Art. 2 B-VG über die Rechte von Kindern vor.

8. Am 06.02.2020 legten die Beschwerdeführer kommentarlos eine "Information zur operativen Vorbereitung für die Abt. für Kinderorthopädie und Fußchirurgie" des Orthopädischen Spitals XXXX vom 23.01.2020 vor, wonach für den Drittbeschwedeführer für 01.03.2020 eine stationäre Aufnahme vorgesehen ist.

Als Einweisungsdiagnose wird "Fibrose Quadriceps femoris bds.nach Impf."angeführt, als geplante Therapie: "Quadircepsverlängerung re."

9. Am 11.02.2020 wurde die selbe Information neuerlich vorgelegt, diesmal mit dem Hinweis, darauf, dass für den 01.03.2020 eine Operation vorgesehen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer gelangten im Jahr 2016 über die Türkei in das Gebiet der Europäischen Union nach Griechenland und stellten dort am 23.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. In Griechenland wurde den Beschwerdeführern am 22.09.2017 jeweils der Status eines Asylwerbers zuerkannt.

In der Folge begaben sie sich weiter nach Österreich, wo sie am 29.07.2019 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Zur Lage im Mitgliedsstaat Griechenland schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungen der angefochtenen Bescheide an. Hierzu wird insbesondere festgehalten, dass - trotz bestehender Mängel - anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte einen vollständigen und automatischen Zugang zum Arbeitsmarkt sowie einen kostenlosen Zugang zur Krankenversorgung haben. Diesbezüglich arbeitet UNHCR daran, den Zugang zur medizinischen Versorgung zu verbessern und kooperiert hierzu mit staatlichen Stellen. Nach den Länderfeststellungen haben die Beschwerdeführer demnach Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu medizinischer Versorgung.

Die Beschwerdeführer leiden an keinen Krankheiten, die einer Überstellung nach Griechenland entgegenstehen würden.

Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer stellt sich dar wie folgt:

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung vor im Sinne einer Anpassungsstörung, längere depressive Reaktion. Sonstige psychische und/oder neurologische Krankheitssymptome liegen nicht vor. Therapeutische und medizinische Maßnahmen sind aktuell nicht notwendig.

Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Der Drittbeschwerdeführer hat seit dem Alter von eineinhalb Jahren Probleme mit verschieden langen Beinen. Aktuell wurde bei ihm eine Fibrose des musculus quadriceps femoris (vierköpfiger Oberschenkelmuskel) festgestellt, welche durch eine operative Verlängerung des Muskels behoben werden kann.

Die bei der Erstbeschwerdeführerin und dem Drittbeschwerdeführer vorliegenden Beschwerden bzw. Erkrankungen sind nicht lebensbedrohlich, erforderten bislang keinen Spitalsaufenthalt und können diese auch in Griechenland behandelt werden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Im Bundesgebiet lebt der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers. XXXX stellte in Österreich am 05.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde ihm mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2018 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Er lebt mit Frau und Kindern bereits seit mindestens vier Jahren nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt und besteht ein solcher auch derzeit nicht. Der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer hat im Juni 2016 eine weitere Frau in Syrien geheiratet. Diese lebt seinen Angaben zufolge derzeit in Deutschland und ist angeblich ein Scheidungsverfahren dieser Ehe in Deutschland anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen über die Einreise der Beschwerdeführer und den ihnen in Griechenland zuerkannten Status ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Akt und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Die Feststellung zur Asylantragstellung in Griechenland ergibt sich auch aus dem EURODAC-Treffer, den Angaben der Erstbeschwerdeführerin und dem Schreiben der griechischen Behörden vom 06.09.2019.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Gesundheits- und Sozialversorgung auch Feststellungen zur Lage bezüglich Unterbringung und Arbeitsmarktsituation von Personen mit Schutzstatus getroffen. Die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Länderfeststellungen entstammen der Staatendokumentation des Bundesamtes und entsprechen dem Stand von 04.10.2019. Darin wurden insbesondere zahlreiche Berichte von UNHCR aus dem Jahr 2019 berücksichtigt. Der in der Beschwerde zitierte Bericht von Pro Asyl, der von August 2018 stammt und somit weniger als aktuell ist als viele andere in den Länderfeststellungen zitierte Berichte ist, fand ebenfalls Eingang.

Die Feststellungen über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergeben sich aus deren Angaben im Verfahren, den vorgelegten ärztlichen Unterlagen sowie insbesondere aus dem eingeholten Gutachten betreffend die Erstbeschwerdeführerin.

Die Feststellungen zu den privaten und familiären Verhältnissen der Beschwerdeführer ergeben sich aus deren Angaben im Verfahren im Zusammenhalt mit den Angaben des zeugenschaftlich einvernommenen Ehegatten bzw. Vaters der Beschwerdeführer sowie den vorgelegten Eheverträgen.

Diesen Angaben kann jedoch nicht uneingeschränkt gefolgt werden, da sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch der von ihr als Ehegatte genannte XXXX es mit der Wahrheit offenbar nicht so genau nehmen.

Aus den Angaben beider ergibt sich, dass der Ehemann/Vater die Familie im Sommer 2016 in Griechenland zurückgelassen hätte und alleine nach Österreich weitergereist sei. Die Erstbeschwerdeführerin gab dazu an, sie sei von Mai 2019 bis Jänner 2019 in Griechenland gewesen. Der Zeuge gab an in seinem Asylverfahren bei der Erstbefragung am 05.08.2016 an, er habe seinen Herkunftsstaat vor ca. 4 Monaten verlassen - das wäre etwa April 2016 gewesen - er habe sich 15 Tage in der Türkei und 20 Tage in Griechenland aufgehalten, dann sei er über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt. Bei Zugrundelegung der im Akt befindlichen Eheverträge ergibt sich jedoch, dass sich der Zeuge am 15.06.2016 noch in XXXX /Syrien befunden hätte, da er an diesem Tag dort vor dem Bezirksgericht die Ehe mit XXXX geschlossen hätte. XXXX gab bei seiner zweiten Einvernahme in diesem Verfahren zu einem anderen Punkt auch unumwunden zu, dass er bei seiner ersten Einvernahme nicht die Wahrheit gesagt hätte, als er die Eheschließung mit seiner Zweitfrau bestritten hätte.

Auch die Erstbeschwerdeführerin, die in Österreich, Deutschland und Griechenland ihren Namen in 6 verschiedenen Schreibweisen angab, ihre Identität jedoch tatsächlich nicht nachweisen konnte, gab am 29.10.2019 vor dem BFA an, sie sehe ihren Ehemann regelmäßig, nämlich jeden Samstag und Sonntag den ganzen Tag. Vor der Sachverständigen gab sie am 22.11.2019 dazu gegenteilig an, sie wisse nicht, wo ihr Mann derzeit lebe, sie hätte nur telefonischen Kontakt. Sie habe jetzt erfahren, dieser habe eine zweite Frau in Österreich geheiratet. Auch bestritt sie bei ihrer Erstbefragung ihre Asylantragstellung in Griechenland. Da sie angab, die Universität besucht und zuletzt als Lehrerin gearbeitet zu haben und sie in Griechenland tatsächlich Asyl erhalten hat, muss sie sehr wohl gewußt haben, dass diese ihre Angaben vor der Behörde falsch sind.

Den in Griechenland asylberechtigten Beschwerdeführern und ihren in Österreich asylberechtigten Familienangehörigen ist es durchaus möglich und zumutbar einander gegenseitig zu besuchen und in engem Kontakt zu bleiben.

Bei genauer Durchsicht der Angaben der Erstbeschwerdeführerin entsteht sehr stark der Eindruck, dass diese nicht nach Österreich gekommen ist, um wieder mit ihrem Mann vereint zu sein, sondern einzig aus dem Grund, um die Behandlung und Operation ihres Sohnes zu ermöglichen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der Verwaltungsgerichtshof (Ra 2016/18/0049, 03.05.2016) hat festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich dem § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut der soeben zitierten Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener nach § 4 AsylG 2005 - keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann (Hinweis E vom 6. Oktober 2010, 2008/19/0483; vgl. auch ErlRV 952 BlgNR 22. GP 33), stellt § 4a AsylG 2005 unmissverständlich darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen würde können oder ihm etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könne, ist daher gemäß § 4a AsylG 2005 nicht zu prüfen.

Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO (VwGH Ra 2016/19/0072, 30.06.2016 mit Hinweis auf Ra 2016/18/0049, 03.05.2016).

Zur Frage der Unzulässigkeit des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ist davon auszugehen, dass das BFA zu Recht eine Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 vorgenommen hat.

3.2.1. Die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO geht, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit.f ergibt, nunmehr von einem einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes aus, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Auf Personen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Beschwerdeführer in Griechenland bereits als Begünstigte internationalen Schutzes anerkannt wurden. Aus diesem Grund kommt zweifelsfrei § 4a AsylG zur Anwendung.

3.2.2. Die Beschwerdeführer reisten im Juli 2019 ins österreichische Bundesgebiet und ihr Aufenthalt war nicht geduldet. Sie waren nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren ist es nicht zur Anwendung von § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gekommen und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

3.3.1. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Die Kritik der Beschwerdeführer an der Unterbringungs- und Versorgungslage in Griechenland ist letztlich nicht geeignet, um eine Rückkehr dorthin als unzulässig erscheinen zu lassen. So kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Griechenland konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Wie in den angefochtenen Bescheiden dargelegt wurde, gewährleistet Griechenland grundsätzlich ausreichend Schutz für Flüchtlinge. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben Anspruch auf die gleichen sozialstaatlichen Möglichkeiten wie griechische Staatsangehörige. Sie erhalten eine erneuerbare Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre und haben Zugang zum Arbeitsmarkt, zu medizinischer Behandlung und ihre Kinder können zur Schule gehen. Zwar ist der gleichberechtigte Zugang zu sozialen Rechten wie für griechische Staatsangehörige in der Praxis durch verschiedene Faktoren erschwert, doch ergibt sich aus den Länderberichten auch, dass Schutzberechtigte in Bezug auf ihre Unterbringung und Versorgung etwa auch auf Hilfsangebote von NGOs zurückgreifen können.

Dass in diesem Land möglicherweise weniger Integrationsangebote bestehen, als in anderen europäischen Ländern, verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführer in diesem Staat keinerlei Existenzgrundlage vor fände. So ist zu bedenken, dass grundsätzlich anerkannte Flüchtlinge beziehungsweise Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung gehalten sind, ihre Existenz - so wie auch alle anderen Staatsbürger eines Landes - selbst zu erwirtschaften.

Der bloße Einwand, dass in Griechenland die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte schlecht sind, ist nicht dazu geeignet, eine konkret drohende Verletzung von Art. 3 EMRK aufzuzeigen. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass es auch unerheblich ist, ob der Standard der griechischen Unterbringungseinrichtungen möglicherweise nicht dem österreichischen Standard entspricht, solange grundlegende Versorgungsgarantien gewährleistet sind. Dass dies in Griechenland der Fall ist, lässt sich aus den in den bekämpften Bescheiden herangezogenen Länderfeststellungen unzweifelhaft entnehmen.

Den Beschwerdeführern war es bei ihrem Voraufenthalt in Griechenland möglich, dort immerhin bereits beinahe drei Jahre zu leben. Die Erstbeschwerdeführerin räumte auch ein, in Griechenland sehr wohl untergebracht worden zu sein. Sie hat eigenen Angaben zufolge auch psychotherapeutische und psychiatrische Hilfestellung erhalten. Auch räumte diese ein, dass der Drittbeschwerdeführer sehr wohl medizinisch behandelt wurde in Griechenland. Es ist den Beschwerdeführern zuzumuten, nach einer Rücküberstellung die in den Länderberichten angesprochenen Schwierigkeiten beim Zugang zu staatlichen Versorgungsleistungen zu überwinden, bzw. erforderlichenfalls auch auf die nach den Feststellungen bestehenden Hilfsangebote von NGOs zurückzugreifen.

Aus der die Situation in Griechenland betreffenden Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Sache M.S.S. ist ebenfalls nicht ableitbar, dass eine Überstellung der Beschwerdeführer zu einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 3 EMRK führen würde, da sich der ihr zugrundeliegende Sachverhalt maßgeblich vom vorliegenden unterscheidet. Aus dem Akteninhalt ist zudem ersichtlich, dass das Verfahren auch zügig geführt wurde.

Jedenfalls hätten die Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Griechenland und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Diese "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" hat der EGMR in seiner Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192) nunmehr präzisiert.

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Griechenland sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. Fallbezogen liegen bei den Beschwerdeführern keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit einem sehr außergewöhnlichen Ausmaß an Leidenszuständen vor, wie es in der Rechtsprechung des EGMR für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK gefordert wird.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizei bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Darüber hinaus ist von einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Griechenland auszugehen und bestehen keine Bedenken, dass eventuell nötige Untersuchungen und Behandlungen auch in Griechenland durchgeführt werden können.

Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte Anspruch auf medizinische Versorgung haben. Sie erhalten auch dieselbe Versorgung mit Medikamenten wie arbeitslose und nicht versicherte griechische Staatsangehörige. Die Ausstellung des Rezeptes erfolgt durch das Krankenhaus oder Ärzte. Anteilsmäßige Gebühren werden je nach Einkommen (20%, 10% oder 0%) verrechnet. Seit einigen Jahren gibt es in Griechenland zusätzlich zu den öffentlichen Apotheken sogenannte "Sozial-Apotheken", die hauptsächlich von Freiwilligen, pensionierten Apothekern oder Ärzten, NGOs usw. betrieben werden. Bei diesen Sozial-Apotheken kann jegliche einkommenslose Person (Statement und Nachweis erforderlich) kostenfrei Medikamente erhalten. Im Übrigen haben alle Einwohner des Landes Anspruch auf eine medizinische Notfallversorgung, unabhängig vom rechtlichen Status.

UNHCR arbeitet daran, den Zugang der Asylwerber und anerkannten Flüchtlinge zu medizinischer Versorgung zu verbessern, und kooperiert hierzu mit staatlichen Stellen.

Unter Zugrundelegung dieser Länderinformationen kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Beschwerdeführer jedenfalls Zugang zu medizinischer Versorgung haben werden.

3.3.2. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC wurde erwogen:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im vorliegenden Fall hält sich der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer in Österreich auf. Dieser ist in Österreich asylberechtigt. Er hat die Erstbeschwerdeführerin und ihre beiden Kinder nach übereinstimmenden Aussagen im Jahr 2016 in Griechenland zurückgelassen und es vorgezogen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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