TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/12 W103 1307248-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.02.2020
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Entscheidungsdatum

12.02.2020

Norm

AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W103 1307248-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019, Zl. 352961606/190412254, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis IV. wird gemäß den § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. In Stattgabe der Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. bis VII. wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste gemeinsam mit Familienmitgliedern illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 23.10.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des UBAS vom 27.12.2007 zur Zl. 307.248-C1/6E-XIX/61/6 wurde dem rechtzeitig erhobenen Rechtsmittels hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten staatgegeben und gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Eine Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung erfolgte am 12.12.2008, 03.12.2009, 02.12.2010, 27.12.2011, 21.12.2012, 02.12.2013, 10.12.2014 und am 27.12.2016 bis zum 27.12.2018.

3. Am 28.12.2010 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen des in der Folge eingeleiteten Verfahrens zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Mit Schreiben vom XXXX , persönliche Zustellung am 08.05.2019, wurden der BF darüber informiert, dass ein Aberkennungsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde und gleichzeitig wurde ihm Parteiengehör gewährt. Dem Schreiben beigelegt war das aktuelle Länderinformationsblatt zur Situation in der Russischen Föderation, Gesamtaktualisierung 31.08.2018, letzte Information eingefügt am 28.02.2019. Als Frist zum Einbringen einer Stellungnahme wurden 14 Tage ab Zustellung gewährt.

Mit Schreiben vom 20.05.2019 ersuchten der BF um Fristerstreckung von zumindest drei Wochen, welcher auch gewährt wurde.

Mit Schreiben vom 29.05.2019 brachten der BF eine Stellungnahme ein.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des UBAS vom 27.12.2007 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II. und III.), der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG erlassen (Spruchpunkt V.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.)

Es wurden folgende Feststellungen getroffen:

- "Zu Ihrer Person:

Ihre Identität wurde bereits im Antragsverfahren festgestellt.

Sie gaben den im Adressat ersichtlichen Namen an.

Sie sind Staatsangehöriger der Russischen Föderation und gehören zur tschetschenischen Volksgruppe.

Sie gehören dem tschetschenischen Stammesclan XXXX an und zur Untergruppe XXXX

Im Antragsverfahren wurde festgestellt, dass Sie in der Russischen Föderation Angehörige in Form Ihrer Brüder und Schwestern haben.

Die Existenz der Angehörigen ist gesichert und es kam im gesamten Verfahren und in der eingebrachten Stellungnahme nichts hervor, was auf eine Verfolgung der Familie schließen lassen würde.

Sie sprechen und verstehen die Sprache Ihres Herkunftsstaates.

Sie sprechen brauchbar Deutsch.

Sie wurden in XXXX , einem Dorf ca. 50 km außerhalb von XXXX , geboren und lebten von 1986 bis 2004 in XXXX .

Vor Ihrer Ausreise waren Sie in verschiedenen Berufssparten tätig, unter anderem als Busfahrer, Taxifahrer oder Wachposten bei einer Baufirma und im Stande, für Ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Sie sind arbeitsfähig und leiden an keinen schweren psychischen oder physischen Erkrankungen.

Sie sind in Österreich strafrechtlich nicht verurteilt worden.

- Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

§9 Abs. 1 AsylG 2005 sieht die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bei Vorliegen der in Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen vor.

Z1 führt als Grund einer Aberkennung das Eintreten einer nicht oder nicht mehr vorliegenden Voraussetzung an.

Sie brachten im Jahr 2005 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten in allen Instanzen rechtskräftig abgewiesen wurde. Ihnen wurde jedoch aufgrund der zum Zeitpunkt der Erlassung des vom unabhängigen Bundesasylsenat ergangenen Bescheides schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage, dem allgemein fehlenden Zugang zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung und dem Mangel an sozialen Einrichtungen, was in Summe für Sie bedeutet hätte, dass Sie in Tschetschenien keine Lebensgrundlage vorgefunden hätten, eine temporäre subsidiäre Schutzberechtigung rechtskräftig zuerkannt. Das Sie eine vulnerable Person gewesen wären, kam nicht hervor. Dazu kam noch, dass zum damaligen Zeitpunkt wegen dem restriktiven Meldesystem in der Russischen Föderation keine innerstaatliche Umsiedlung von schutzbedürftigen Personen in andere Gebiete innerhalb des Landes möglich gewesen wäre (siehe Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.12.2007, Zahl 307.248-C1/6E-XIX/61/06, Seite 12 ff).

Sonstige Gründe, welche zur Zuerkennung des angeführten Schutzstatus geführt hätten, wurden dezidiert nicht festgestellt.

Eine Verfolgung bzw. Bedrohung Ihrer Person in der Russischen Föderation aus einem in der GFK angeführten Grund konnte nicht festgestellt werden. In Summe waren Ihre Angaben zum Antrag auf internationalen Schutz nicht glaubhaft gewesen (siehe Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.12.2007, Zahl 307.248-C1/6E-XIX/61/06, Seite 15).

Die Gründe, welche seinerzeit zur Schutzgewährung geführt haben, liegen mittlerweile nicht mehr vor.

Aus der Analyse der Staatendokumentation hat sich die Situation in der Russischen Föderation seit der Zuerkennung am 27.12.2007 nachhaltig und dauerhaft verbessert. Wenn Sie das aktuelle Länderinformationsblatt zur Situation in der Russischen Föderation, Gesamtaktualisierung 31.08.2018, letzte Information eingefügt am 28.02.2019, welche Ihnen mit dem Parteiengehör übermittelt wurde, durchgesehen hätten, hätten auch Sie feststellen müssen, dass in der Russischen Föderation es weder eine schlechte Versorgungs- und Sicherheitslage gibt, noch kann erkannt werden, dass es allgemein an fehlendem Zugang zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung und dem Mangel an sozialen Einrichtungen fehlen würde.

Sie haben im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage eben dort zu befürchten.

Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in der russischen Föderation haben Sie in der mit Unterstützung durch die Caritas abgefassten und eingebrachten Stellungnahme nicht dargelegt. Allgemein zitierte Quellen können nicht dahingehend gereichen, konkret für Ihre Person eine Gefährdung abzuleiten.

Sie können Ihren Lebensunterhalt in der russischen Föderation bestreiten und würden ebendort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden.

Sie haben, trotz ausreichender Gelegenheit, keine nennenswerten Gründe in einer Stellungnahme eingebracht, die gegen eine Abschiebung sprechen würden.

- Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Eine Rückkehr in die Russische Föderation ist zulässig und wird Ihnen auch zugemutet.

Die Sicherheitslage in der Russischen Föderation kann als stabil bezeichnet werden und die Behörden sind Schutzwillig und -fähig.

Sie können von Österreich aus die Ballungsstädte Ihres Herkunftslandes erreichen, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein.

Sie haben die Möglichkeit sich in allen Landesteilen niederzulassen.

Sie verfügen in der Russischen Föderation über Angehörige in Form von Ihren Geschwistern.

Sie werden Anfangs Unterstützung bzw. eine Wohnmöglichkeit vorfinden und sind nicht auf sich alleine gestellt.

Sie sind ein arbeitsfähiger. Es ist Ihnen durchaus zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung, wenn auch nur als Tagelöhner, den Lebensunterhalt zu sichern.

- Zu Ihrem Privat- und Familienleben und Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Sie sind der Vater von volljährigen Kindern: Hr. XXXX , IFA 751779604, Hr. XXXX , IFA 751779800, Hr. XXXX , geb. XXXX, IFA 751780006, Fr. XXXX , IFA 751779909 und Fr. XXXX , IFA 751779702.

Sie leben mit Ihren Kindern nicht im gemeinsamen Haushalt.

Sie sind von der Mutter Ihrer Kinder, Fr. XXXX , IFA 352961704, geschieden und leben getrennt.

Sie sind seit dem 02.05.2013 Obdachlos gemeldet, leben alleine und getrennt von Ihrer Familie und es bestehen keine Abhängigkeitsverhältnisse.

Sonstige soziale Kontakte, die eine Bindung zu Österreich dokumentieren würden, waren in all den Jahren bei Ihnen nicht erkennbar und feststellbar gewesen.

Sie sind Mitglied in einem tschetschenischen Kulturverein namens " XXXX ".

Zu der Mitgliedschaft in dem tschetschenischen Verein kann festgestellt werden, dass hier zum Ausdruck kommt, dass nach wie vor von einer Bindung zum Herkunftsstaat auszugehen ist. Über dieses Umfeld wird die Kultur und Sprache ihres Herkunftsstaates weiter lebendig gehalten. Auch kann aufgrund Ihrer Sprachkenntnisse davon ausgegangen werden, dass im Kulturverein in der Sprache des Herkunftsstaates kommuniziert wird

Sie gehen in Österreich in unregelmäßigen Abständen einem Lohnerwerb nach.

Sie reisten illegal ins Bundesgebiet ein."

Zur Beweiswürdigung führte das BFA folgendes an:

"Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

- Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Die Feststellungen zu Ihrer Identität, Nationalität (Russische Föderation), Religionszugehörigkeit (sunnitischer Moslem) und Ihrer Volksgruppe (Tschetschene) ergaben sich aus Ihren der Aktenlage. Auch machten Sie im Verfahren und der eingebrachten Stellungnahme glaubhafte Angaben hinsichtlich Ihres Familienstandes (geschieden) und der Tatsache, dass Sie fünf erwachsene Kinder haben.

Bezüglich Ihres Gesundheitszustandes darf auf Ihre Ausführungen in Ihrer Stellungnahme hingewiesen werden. Hier gaben Sie nichts an was darauf schließen lassen würde, dass Sie nicht gesund seien.

Hier sei ergänzend anzumerken, dass Sie sich bei der Abfassung der Stellungnahme auf eine Hilfsorganisation, die Caritas, gestützt haben, die Erfahrung Bereich Asyl- und Fremdenwesen hat und für diese Arbeit auch eine sehr guten Ruf genießt. Wären Umstände zutage getreten, die es notwendig machen würde, dass sich die Behörde genauer mit Ihrem Gesundheitszustand oder anderen entscheidungsrelevanten Gründen zu befassen hätte die gegen eine Rückkehr sprechen würden, so wäre dies in der Stellungnahem sicherlich erwähnt worden, was jedoch nicht geschehen ist.

Sollten in einer möglichen Beschwerde von Ihnen Gründe nachgeschoben werden, so wäre dies zweckbezogen auf einen positiven Ausgang des Verfahrens anzusehen.

Dass Sie in XXXX in Tschetschenien geboren wurden, in XXXX eine lange Zeit gelebt und gearbeitet haben und im Jahr 2004 Ihr Heimatland verlassen hätten, ergibt sich aus der Aktenlage. Sie wären damit im Heimatland aufgewachsen und hätten dort auch die Schule besucht. Aus diesem Grund muss davon ausgegangen werden, dass Sie die Gebräuche und Gepflogenheiten Ihres Heimatlandes kennen und somit eine Rückkehr kein Problem darstellen kann.

Sie haben von Ihren mehrfachen kurzweiligen, zum größten Teil geringfügigen Anstellungsverhältnissen, Berufserfahrung und vor allem konnte daraus die Feststellung getroffen werden, dass Sie Arbeitsfähig sind. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass Sie in jedem Land der Welt in der Lage sein müssen, eine Beschäftigung zu finden.

Dass Sie Tschetschenisch und Russisch sprechen war einerseits aus der Aktenlage ersichtlich. Die Feststellung zu Ihren Deutschkenntnissen ergab sich aus

Bezugnehmend auf Ihre Verwandten musste festgestellt werden, dass Sie nach wie vor über Verwandte im Heimatland verfügen und wären im Falle der Rückkehr nicht auf sich alleine gestellt.

Des Weiteren stellt es Amtswissen dar, dass Sie in Österreich nicht verurteilt wurden.

- Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Es liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutz nicht mehr vor.

Die Feststellung der Gründe für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergab sich aus der Aktenlage und den Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat.

Die Behörde hat Ihrem Antrag auf Verlängerung Ihrer Aufenthaltsberechtigung im Jahr 2016 nur deshalb zugestimmt, um zu sehen, ob sich die Lage in der Russischen Föderation dauerhaft zu Ihren Gunsten verbessert hat. Nun eventuell der Behörde diesen Schritt vorzuhalten wäre befremdlich.

Gemäß den UNHCR-Richtlinien zur Genfer Flüchtlingskonvention soll internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden, wenn er nicht mehr erforderlich ist.

- Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Sie sind nicht vorverfolgt aus der Russischen Föderation ausgereist, deshalb kann Ihnen eine Rückkehr ohne weiteres zugemutet werden.

Es ist unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Situation (gesunder erwachsener arbeitsfähiger Mann mit Berufserfahrung in Österreich) nicht ersichtlich, warum Ihnen eine Existenzsicherung in der Russischen Föderation, auch an anderen Orten bzw. in anderen Landesteilen außerhalb Tschetscheniens, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten, nicht möglich und zumutbar sein sollte. Es wurden in der Stellungnahme keine substantiierten Gründe vorgebracht, weshalb dies nach Ihrer Rückkehr nicht möglich sein sollte. Es wäre Ihnen letztlich auch zumutbar, durch eigene und notfalls wenig attraktive und Ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung Ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu Ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können.

Es gibt auch keine entsprechenden Hinweise darauf, dass eine existenzielle Bedrohung Ihrer Person im Hinblick auf ihre Versorgung und Sicherheit in der Russischen Föderation gegeben ist.

In Ihrem Falle kann bei einer Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass Sie im Fall einer Rückkehr gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung ausgesetzt wäre. Es sind zudem keine Gründe ersichtlich, warum Sie als Erwachsener nicht selbst in der Russischen Föderation einer Erwerbstätigkeit nachgehen können sollten. Sie sind in der Russischen Föderation aufgewachsen, haben dort den größeren Teil des Lebens verbracht und die Schule besucht und wurde dort sozialisiert

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Die Behörde kann aber auch keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr erkennen: Sie beherrschen nach wie vor die Sprache Ihres Herkunftslandes, sodass auch eine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass Sie doch den größeren Teil des Lebens im Herkunftsstaat verbracht haben, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Insoweit kann trotz der bereits längeren Abwesenheit (etwa 10 Jahre) aus Ihrem Heimatland nicht davon ausgegangen werden, dass Sie ihrem Kulturkreis völlig entrückt wären und sich in Ihrer Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde.

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in der Russischen Föderation - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055). Zur Resozialisierung im Heimatland hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt festgestellt: Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in mehreren (mit dem vorliegenden vergleichbaren) Fällen zum Ausdruck gebracht, die von Fremden geltend gemachten Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern seien vielmehr - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0076).

Freilich ist es jedoch keinesfalls Ziel der Asylbehörden, unfaire und Entscheidungen ohne Weitsicht zu treffen, somit wurde Ihr Vorbringen auch genau und individuell geprüft. Konsequenter Weise und im Sinne eines fairen Asylsystems, in dem sämtliche Asylwerber unter gleichen Voraussetzungen auch mit demselben Ergebnis rechnen dürfen, darf auf das Erkenntnis des BVwG, Zahl L508 1247180-3/7E, vom 20.03.2019 verwiesen werden, in welchem es einem Mann aus der Bangladesch zugemutet werden konnte, nach 15 Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet zurückzukehren.

- Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben und zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Nachdem Sie von Ihren Kindern getrennt leben kann nicht von einem bestehenden Familienleben ausgegangen werden.

Der EGMR hat festgehalten, dass im Hinblick auf eine volljährige Tochter, deren Beziehung zu den Eltern keine über die normalen affektiven Bindungen hinausgehende, spezifische Elemente der Abhängigkeit aufweist, kein schützenswertes Familienleben vorliegt. (EGMR 22.06.2006, KAFTAILOVA gg. Lettland).

Analog dazu ergibt sich auch in Ihrem Fall zweifelsfrei, dass bei Ihrer Beziehung zu den volljährigen Kindern von keinem im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswerten Familienleben auszugehen ist und daher Ihre Ausweisung aus Österreich in die Russische Föderation keine Verletzung Ihres durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechts auf Achtung des Familienlebens darstellt. Insbesondere geht die Beziehung zu den Kindern über ein übliches verwandtschaftliches Maß nicht hinaus und es liegen auch keine gegenseitigen Abhängigkeiten vor, andernfalls eines Ihrer Kinder sicher bereit gewesen wäre, Sie nicht über Jahre hinweg in der Obdachlosigkeit zu belassen.

Sie haben, ausgenommen Ihren volljährigen Kindern, keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Schutz des Familienlebens.

Sohin blieb zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf ein Privatleben in Österreich darstellt.

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Rund 10 Jahre Aufenthaltsdauer in Österreich stellen nun zwar eine erhebliche Dauer dar, die zu Ihren Gunsten ausschlägt, aber noch nicht per se dazu führt, dass eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären wäre.

Sie sind seit 2007 in Österreich subsidiär Schutzberechtigt. Sie stellten unter Missachtung wahrheitsgemäße Angaben zu machen einen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine Aufenthaltsdauer wie im vorliegenden Fall stellt nun zwar keine geringe Dauer dar, aber führt nicht per se dazu, dass seine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären wäre.

Aus Ihrem Gesamtaufenthalt in Österreich verfügten Sie über einen befristeten Aufenthaltstitel. In der Zeit stützte sich Ihr Aufenthalt lediglich auf das Asylrecht, wobei sich der Antrag auf Asyl (wie oben dargestellt) letztlich aber als unbegründet, weil auf Ihre wissentlich falschen Angaben, erwies.

Somit wird die Relevanz der Aufenthaltsdauer erheblich gemindert, zumal Sie zum bloß vorläufigen Aufenthalt aufgrund einer letztlich unbegründeten Asylantragstellung und einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter berechtigt waren und Sie sich daher Ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein mussten.

In Anbetracht des Umstandes, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz unbegründet war und Sie zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist sind, sind des Weiteren gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine aufenthaltsbeendende Rückkehrentscheidung sprechen. Diese Interessen überwiegen in ihrer Gesamtheit Ihr privates Interesse am weiteren Verbleib, selbst wenn Sie im Bundesgebiet über soziale Kontakte verfügen, Sie beruflich tätig sind und alltagstaugliche Deutschkenntnisse erlangt haben und Ihr zukünftiges Leben hier gestalten wollen.

Hinsichtlich der Aufenthaltsdauer ist auf nachfolgende aktuelle höchstgerichtliche Judikatur hinzuweisen:

Das persönliche Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen bzw. eine auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt gegründete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können solche aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ausnahmsweise auch nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden. Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).

Eine Aufenthaltsdauer des Fremden bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Ausweisungsbescheides von etwa acht Jahren erweist sich nicht als so außergewöhnlich, dass ihm deshalb ein direkt aus Art. 8 MRK abgeleitetes Aufenthaltsrecht hätte zugestanden und deshalb von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen (VwGH 21.3.2013, 2011/23/0360).

Was die Deutschkenntnisse betrifft, so haben Sie nie einen Kurs absolviert.

Auch sonstige Kurse, die zu einer Integration von Vorteil wären, wurden ebenfalls nicht besucht.

Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar. Insgesamt liegen Ihre Deutschkenntnisse und Integrationsbemühungen somit doch unter dem Durchschnitt von Asylwerbern/ Drittstaatsangehörigen mit ähnlicher Aufenthaltsdauer und haben sich somit tatsächlich eher mäßige Deutschkenntnisse angeeignet.

In diesem Zusammenhang sei aber vor allem auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erkenntnis des VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720; 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

Der alleinige Umstand, dass Sie selbsterhaltungsfähig sind, gereicht nicht, einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet zu rechtfertigen.

Diesbezüglich ist der Vollständigkeit halber auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz hatte keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Der Umstand, dass Sie in Österreich nicht straffällig geworden und selbsterhaltungsfähig sind, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, vielmehr sind diese Aspekte neutral zu bewerten, da davon auszugehen ist, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält und selber für seinen Lebensunterhalt sorgt.

Des Weiteren verfügen Sie keine sozialen Kontakte in Form von Freunden. Ein darüber hinausgehendes Engagement bei Organisationen im Wohnort, gemeinnützigen Vereinen oder anderweitige intensive soziale Kontakte haben Sie nicht substantiiert vorgebracht. Von einer gesellschaftlichen Integration im beachtlichen Ausmaß ist aber auch nicht auszugehen, zumal Sie im gegenständlichen Verfahren bislang keinerlei entsprechende Unterstützungserklärungen eines Freundes- und Bekanntenkreises in Vorlage brachten und ist eine sonstige Beteiligung am gesellschaftlichen Leben nicht ersichtlich.

Soweit Sie über private Bindungen in Österreich verfügen, ist zudem darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Abschiebung in die Russische Föderation gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass Sie hierdurch gezwungen wären, den Kontakt zu jenen Personen, die Ihnen in Österreich nahe stehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es Ihnen frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten. Auch der Verwaltungsgerichtshof führt zur sozialen Integration wie folgt aus: Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2011/23/0519).

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Privat- und Familienleben in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen lassen würde."

5. Mit am 25.04.2019 eingelangtem Schriftsatz wurde durch den gewillkürten Vertreter des Beschwerdeführers die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass sich die Sicherheits- und Versorgungslage für Tschetschenien keineswegs in einem Ausmaß gebessert habe, welche zu keiner Verletzung der durch Art 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte führen würde.

Der BF sei seit 14 Jahren rechtmäßig im österreichischen. Bundesgebiet und seit 2007 subsidiär schutzberechtigt. Der BF sei strafrechtlich unbescholten und seit 2007 erwerbstätig, aktuell bei der Firma " XXXX " im Ausmaß von 30 Wochenstunden.

Er lebe mit zwei seine Kinder im gemeinsamen Haushalt und sehe auch die restlichen Kinder regelmäßig. Es bestehe auch eine intensive emotionale Bindung zu den Enkelkindern. Zum Beweis dafür wurde die Einvernahme der Kinder beantragt.

6. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 14.08.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist volljähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation, welcher der tschetschenischen Volksgruppe und dem moslemischen Glauben angehört. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der BF brachten im Jahr 2005 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten in allen Instanzen rechtskräftig abgewiesen wurde. Dem BF wurde jedoch aufgrund der zum Zeitpunkt der Erlassung des vom unabhängigen Bundesasylsenat ergangenen Bescheides wehgen der schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage, dem allgemein fehlenden Zugang zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung und dem Mangel an sozialen Einrichtungen, was in Summe für Sie bedeutet hätte, dass Sie in Tschetschenien keine Lebensgrundlage vorgefunden hätten, eine temporäre subsidiäre Schutzberechtigung rechtskräftig zuerkannt. Das der BF eine vulnerable Person gewesen wären, kam nicht hervor. Dazu kam noch, dass zum damaligen Zeitpunkt wegen dem restriktiven Meldesystem in der Russischen Föderation keine innerstaatliche Umsiedlung von schutzbedürftigen Personen in andere Gebiete innerhalb des Landes möglich war (siehe Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.12.2007, Zahl 307.248-C1/6E-XIX/61/06, Seite 12 ff).

Sonstige Gründe, welche zur Zuerkennung des angeführten Schutzstatus geführt hätten, wurden dezidiert nicht festgestellt.

Eine Verfolgung bzw. Bedrohung des BF in der Russischen Föderation aus einem in der GFK angeführten Grund konnte nicht festgestellt werden. In Summe waren Ihre Angaben zum Antrag auf internationalen Schutz nicht glaubhaft gewesen (siehe Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.12.2007, Zahl 307.248-C1/6E-XIX/61/06, Seite 15).

Die Gründe, welche seinerzeit zur Schutzgewährung geführt haben, liegen mittlerweile nicht mehr vor.

Aus der Analyse der Staatendokumentation hat sich die Situation in der Russischen Föderation seit der Zuerkennung am 27.12.2007 nachhaltig und dauerhaft verbessert. Aus dem aktuelle Länderinformationsblatt zur Situation in der Russischen Föderation, Gesamtaktualisierung 31.08.2018, letzte Information eingefügt am 28.02.2019, (welche dem BF mit dem Parteiengehör übermittelt wurde) ergibt sich, dass es in der Russischen Föderation weder eine schlechte Versorgungs- und Sicherheitslage gibt, noch kann erkannt werden, dass es allgemein an fehlendem Zugang zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung und dem Mangel an sozialen Einrichtungen fehlen würde.

Der BF haben im Falle einer Rückkehr in seinem Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage eben dort zu befürchten.

Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in der russischen Föderation hat der BF nicht dargelegt. Allgemein zitierte Quellen sind nicht ausreichend, um konkret für den BF eine Gefährdung abzuleiten.

1.2. Es kann nicht erkannt werden, dass für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Niederlassung in seinem Herkunftsstaat eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit bestehen würde. Dieser liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.3. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zur Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wird unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid zitierten Länderberichte Folgendes festgestellt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 18.4 Homosexuelle).

Ende 2018 kam es in Tschetschenien wieder zur Verhaftung von Homosexuellen. Laut Angaben des russischen LGBT-Netzwerkes wurden mindestens 40 Frauen und Männer inhaftiert, mindestens zwei sollen im Zuge von Folter getötet worden sein (LGBT Netzwerk 14.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019). Laut dem Leiter des LGBT-Netzwerkes, Igor Kotschetkow, kam es nicht nur zur physischen Bedrohung bis zur Inkaufnahme des Todes der Festgehaltenen, sondern die Sicherheitskräfte sollen auch versucht haben, die Frauen und Männer daran zu hindern, aus der Teilrepublik auszureisen oder vor Gericht zu ziehen (NZZ 18.1.2019, vgl. UN News 13.2.2019). Die Kampagne, deren Muster und auch der Ort der Inhaftierung, eine Anlage in der Stadt Argun, erinnern an eine erste Welle an Verhaftungen von tschetschenischen Homosexuellen vor zwei Jahren. Nach Einschätzung von Menschenrechtsaktivisten gingen die Einschüchterungen, Festnahmen und Gewalttaten gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender weiter. Im Frühsommer 2017 hatte das Ermittlungskomitee von höchster Stelle in Moskau aus wegen starken internationalen Drucks eine Untersuchung der schwerwiegenden Vorwürfe angeordnet. Diese brachte allerdings nie konkrete Resultate (NZZ 18.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019).

Quellen:

- Russisches LGBT-Netzwerk (14.1.2019): New wave of persecution against LGBT people in Chechnya: around 40 people detained, at least two killed, https://lgbtnet.org/en/newseng/new-wave-persecution-against-lgbt-people-chechnya-around-40-people-detained-least-two-killed, Zugriff 28.2.2019

- Nowaja Gaseta (18.1.2019): https://www.novayagazeta.ru/articles/2019/01/16/79205-legitimnye-zhertvy, Zugriff 28.2.2019

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.1.2019): In Tschetschenien hat eine neue Welle der Verfolgung Homosexueller begonnen, https://www.nzz.ch/international/in-tschetschenien-hat-eine-neue-welle-der-verfolgung-homosexueller-begonnen-ld.1452401, Zugriff 28.2.2019

- UN News (13.2.2019): LGBT community in Chechnya faces 'new wave of persecution': UN human rights experts, https://news.un.org/en/story/2019/02/1032641, Zugriff 28.2.2019

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB RUSS übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 16.3. Zeugen Jehovas).

Änderungen seit Mai 2018:

Erstens wurde weitere, die Zeugen Jehovas betreffende Literatur in die "Föderale Liste extremistischer Materialien" des Justizministeriums der RF (http://minjust.ru/ru/extremist-materials?field_extremist_content_value) aufgenommen. Es handelt sich dabei um die Positionen 4471, 4472, 4485 bis 4488 und 4502, die aufgrund der Entscheidungen diverser russischer Gerichte am 5.7.2018 bzw. am 31.8.2018 in die Liste aufgenommen wurden. Zweitens wurde der Erlass N 11 "Über die gerichtliche Praxis in Strafsachen zu Verbrechen mit extremistischer Ausrichtung" des Plenums des Obersten Gerichts vom 28.6.2011 am 20.9.2018 novelliert, die Definition der Z 20 Abs. 2, was unter einer Teilnahme an einer extremistischen Organisation iSd Art. 282.2 russ. StGB zu verstehen ist, ist aber ebenso unverändert geblieben wie der Art. 282.2 russ. StGB ("Organisation der Tätigkeit einer extremistischen Organisation") selbst. Auch die Entscheidung des Obersten Gerichts der RF N AKPI 17-238 vom 20. April 2017, mit der das "Leitungszentrum der Zeugen Jehovas in Russland" als extremistische Organisation eingestuft und verboten wurde, ist unverändert gültig.

Unter dem Link http://gorod-che.ru/new/2018/10/10/58877 findet sich ein Artikel vom 10.10.2018, wonach fünf Bewohner der Kirowsker Oblast festgenommen wurden wegen des Versuches, die Tätigkeit einer religiösen Organisation, die die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas weiterverbreitet, wieder aufzunehmen. Trotz der Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts vom 20.4.2017 hätten die Festgenommenen laut Untersuchungskomitee - in voller Kenntnis der Gerichtsentscheidung - in der Zeit vom 16.8.2017 bis zum 29.9.2018 beschlossen, die religiöse Tätigkeit wieder aufzunehmen.

Unter Beachtung aller konspirativen Maßnahmen hätten sie jedes Mal in neuen Wohnungen Treffen von Jüngern und Teilnehmern der religiösen Vereinigung organisiert. Dort hätten sie biblische Lieder gesungen, die Fertigkeiten bei der Durchführung der missionarischen Tätigkeit vervollkommnet und in der Extremismus-Liste aufgeführte verbotene Literatur studiert (New World Translation of the Holy Scriptures, Nr. 4488 der Liste). Außerdem hätten sie eine verbotene religiöse Organisation finanziert, indem sie ca. 500.000 RUB von den Glaubensanhängern gesammelt hätten. Dieses Geld sei zwischen den Führern der Organisation für die Miete der Räumlichkeiten, für den Erwerb und die Wartung von Computern aufgewendet worden. Der Rest der Summe sei dem Leitungszentrum überwiesen worden.

Art. 282.3 des russ. StGB (http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699/51346ce1f845bc43ee6f3eadfa69f65119c941fa/) stellt die Finanzierung einer extremistischen Tätigkeit unter gerichtliche Strafe. Er lautet:

"Art. 282.3 Finanzierung einer extremistischen Tätigkeit

1. Die Zurverfügungstellung oder Sammlung von Mitteln oder die Erbringung finanzieller Dienstleistungen, wissentlich bestimmt für die Finanzierung der Organisation, der Vorbereitung und Begehung zumindest eines der Verbrechen extremistischer Ausrichtung oder für die Sicherstellung der Tätigkeit einer extremistischen Vereinigung oder extremistischen Organisation wird mit einer Geldstrafe in der Höhe von 300.000 bis 700.000 RUB bestraft oder in der Höhe des Arbeits- oder eines anderen Einkommens des Verurteilten für einen Zeitraum von 2 bis 4 Jahren oder mit Zwangsarbeiten für einen Zeitraum von 1 bis 4 Jahren mit dem Entzug des Rechts, bestimmte Positionen einzunehmen oder bestimmte Tätigkeiten auszuüben mit einer Frist bis zu 3 Jahren oder ohne einen solchen und mit einer Beschränkung der Freiheit mit einer Frist bis zu 1 Jahr oder mit Freiheitsstrafe von 3 bis 8 Jahren.

2. Diese Taten, begangen von einer Person unter Ausnutzung ihrer Amtsstellung wird mit einer Geldstrafe in der Höhe von 300.000 bis 700.000 RUB bestraft oder in der Höhe des Arbeits- oder eines anderen Einkommens des Verurteilten für einen Zeitraum von 2 bis 4 Jahren oder ohne eine solche oder mit Zwangsarbeiten für einen Zeitraum von 2 bis 5 Jahren mit dem Entzug des Rechts, bestimmte Positionen einzunehmen oder bestimmte Tätigkeiten auszuüben mit einer Frist bis zu 5 Jahren oder ohne einen solchen und mit einer Beschränkung der Freiheit mit einer Frist von 1 bis zu 2 Jahren oder mit Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren.

Anmerkung: Eine Person, die erstmals ein Verbrechen gemäß dieses Art. begangen hat, wird von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit frei, wenn sie mittels rechtzeitiger Benachrichtigung der Behörden oder auf andere Weise die Verhinderung des Verbrechens, das sie finanziert hat, sichergestellt hat, ebenso wenn sie die Verhinderung der Tätigkeit der extremistischen Gesellschaft oder der extremistischen Organisation sichergestellt hat, für deren Sicherstellung der Tätigkeit sie Mittel zur Verfügung gestellt oder gesammelt oder finanzielle Dienstleistungen erbracht hat, wenn in ihren Handlungen kein anderer Straftatbestand enthalten ist."

Teilnahmen an gemeinschaftlichen Zusammenkünften bzw. Missionierungen oder öffentlichen Handlungen (der Zeugen Jehovas) werden also von den russischen Behörden im Lichte der Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts, des Auslegungserlasses und der Extremismus-Liste des russischen Justizministeriums im Rahmen der russischen Strafgesetze weiterhin verfolgt.

Eine nochmalige Internetrecherche der ÖB Moskau hat aber weiterhin keine Hinweise erbracht, dass einfache Gläubige der Zeugen Jehovas, die nicht an gemeinschaftlichen Zusammenkünften bzw. Missionierungen oder öffentlichen Handlungen teilnehmen, von legalen Repressionen betroffen wären.

Quellen:

- ÖB Moskau (23.10.2018): Information per Email

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 19. Bewegungsfreiheit bzw. 19.2. Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens).

Bekanntlich werden innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten innerhalb Russlands seitens renommierter Menschenrechtseinrichtungen meist unter Verweis auf die Umtriebe der Schergen des tschetschenischen Machthabers Kadyrow im ganzen Land in Abrede gestellt. Der medialen Berichterstattung zufolge scheint das Netzwerk von Kadyrow auch in der tschetschenischen Diaspora im Ausland tätig zu sein. Dem ist entgegenzuhalten, dass renommierte Denkfabriken auf die hauptsächlich ökonomischen Gründe für die Migration aus dem Nordkaukasus und die Grenzen der Macht von Kadyrow außerhalb Tschetscheniens hinweisen. So sollen laut einer Analyse des Moskauer Carnegie-Zentrums die meisten Tschetschenen derzeit aus rein ökonomischen Gründen emigrieren: Tschetschenien bleibe zwar unter der Kontrolle von Kadyrow, seine Macht reiche allerdings nicht über die Grenzen der Teilrepublik hinaus. Zur Förderung der sozio-ökonomischen Entwicklung des Nordkaukasus dient ein eigenständiges Ministerium, das sich dabei gezielt um die Zusammenarbeit mit dem Ausland bemüht (ÖB Moskau 10.10.2018).

Quellen:

- ÖB Moskau (10.10.2018): Information per Email

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 4. Rechtsschutz / Justizwesen).

Die russischen Behörden zeigen sich durchaus bemüht, den Vorwürfen der Verfolgung von bestimmten Personengruppen in Tschetschenien nachzugehen. Bei einem Treffen mit Präsident Putin Anfang Mai 2017 betonte die russische Ombudsfrau für Menschenrechte allerdings, dass zur Inanspruchnahme von staatlichem Schutz eine gewisse Kooperationsbereitschaft der mutmaßlichen Opfer erforderlich sei. Das von der Ombudsfrau Moskalkova gegenüber Präsident Putin genannte Gesetz sieht staatlichen Schutz von Opfern, Zeugen, Experten und anderen Teilnehmern von Strafverfahren sowie deren Angehörigen vor. Unter den Schutzmaßnahmen sind im Gesetz Bewachung der betroffenen Personen und deren Wohnungen, strengere Schutzmaßnahmen in Bezug auf die personenbezogenen Daten der Betroffenen sowie vorläufige Unterbringung an einem sicheren Ort vorgesehen. Wenn es sich um schwere oder besonders schwere Verbrechen handelt, sind auch Schutzmaßnahmen wie Umsiedlung in andere Regionen, Ausstellung neuer Dokumente, Veränderung des Aussehens etc. möglich. Die Möglichkeiten des russischen Staates zum Schutz von Teilnehmern von Strafverfahren beschränken sich allerdings nicht nur auf den innerstaatlichen Bereich. So wurde im Rahmen der GUS ein internationales Abkommen über den Schutz von Teilnehmern im Strafverfahren erarbeitet, das im Jahr 2006 in Minsk unterzeichnet, im Jahr 2008 von Russland ratifiziert und im Jahr 2009 in Kraft getreten ist. Das Dokument sieht vor, dass die Teilnehmerstaaten einander um Hilfe beim Schutz von Opfern, Zeugen und anderen Teilnehmern von Strafverfahren ersuchen können. Unter den Schutzmaßnahmen sind vorläufige Unterbringungen an einem sicheren Ort in einem der Teilnehmerstaaten, die Umsiedlung der betroffenen Personen in einen der Teilnehmerstaaten, etc. vorgesehen (ÖB Moskau 10.10.2018).

Quellen:

- ÖB Moskau (10.10.2018): Information per Email

0. Politische Lage

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl. AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

- EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 1.8.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

- OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 29.8.2018

- Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen", https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

- Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident, https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 1.8.2018

- Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

0.1. Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647 km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018 beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau 12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür

des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abs

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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