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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,
Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Oberdorfer, über die Beschwerde
1. der YÖ (geboren am 19. Jänner 1971) sowie 2. des SÖ (geboren am 15. Juli 1971), beide in R, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Johannisgasse 3/III, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Dezember 1995, Zl. St 360/95, betreffend Ausweisung der Erstbeschwerdeführerin,
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.
II. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde die Erstbeschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 und § 19 Fremdengesetz (FrG) ausgewiesen.
Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß sich die Beschwerdeführerin seit Ablauf ihres vom 15. Februar 1995 bis zum 17. Mai 1995 gültigen Touristensichtvermerkes insofern rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, als ihr seit diesem Zeitpunkt weder ein Sichtvermerk noch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) erteilt worden sei. Sicherlich würde durch die verfügte Ausweisung in Anbetracht der Tatsache, daß sie bei ihrem seit 20 Jahren in Österreich aufhältigen Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer, lebe und von diesem ein Kind erwarte, in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen. Dieser Eingriff sei jedoch insofern zu relativieren, als die Beschwerdeführerin sich erst seit kurzer Zeit (ca. zehn Monaten) in Österreich aufhalte und auf Grund des Touristensichtvermerks allein nicht damit rechnen habe dürfen, auch nach dessen Ablauf ohne entsprechende weitere Bewilligung im Bundesgebiet der Republik Österreich verbleiben zu dürfen.
Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt, vor allem aber auch das weitere Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet nach und trotz rechtskräftiger Abweisung eines Sichtvermerksantrages (oder eines Antrages nach dem Aufenthaltsgesetz) gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung sei demnach zu deren Wahrung dringend geboten. Daran vermöge auch die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin von ihrem in Österreich lebenden Ehegatten ein Kind erwarte, nichts zu ändern.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Diesbezüglich habe der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, daß die Ordnung des Fremdenwesens für den österreichischen Staat von eminentem Interesse sei. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.
Was die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Befangenheit der Organe der Bezirkshauptmannschaft
Ried im Innkreis anbelange, so vermöge die belangte Behörde der Beschwerdeführerin insofern nicht zu folgen, als nicht einsichtig sei, weshalb ein Organwalter persönlich in seinen eigenen Rechten durch das Aufenthaltsrecht eines Fremden beeinträchtigt sein solle. Auch fehlten jegliche Anhaltspunkte, daß Organe der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis sich bei der Erledigung ihrer Arbeit "unverständlich persönlich provoziert" gefühlt hätten.
Gegen diesen Bescheid richet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, und von diesem mit Beschluß vom 27. Februar 1996, B 651/96, abgelehnte und an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und dessen Aufhebung beantragt werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde bleibt die - auf unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen beruhende - Ansicht der belangten Behörde, daß sich die im Februar 1995 aufgrund eines dreimonatigen Touristensichtvermerkes nach Österreich eingereiste Beschwerdeführerin seit dem 18. Mai 1995 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die rechtliche Beurteilung, daß damit der Tatbestand des § 17 Abs. 1 FrG erfüllt ist, keine Bedenken, zumal ein Aufenthaltsrecht der Erstbeschwerdeführerin nach Art. 7 des auf Grund des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei ergangenen Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 weder behauptet wurde noch in ihrem Falle gegeben wäre, weil ein Touristensichtvermerk für die Dauer von drei Monaten keine Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung, "zu ihm zu ziehen" (hier: zum Zweitbeschwerdeführer zu ziehen), ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0641, 16. April 1997, Zl. 96/21/0758, und 7. November 1997, Zl. 96/19/0962).
Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid aber wegen unrichtiger Anwendung des § 19 FrG für rechtswidrig. Die Ausweisung der Ehegattin eines sich seit 20 Jahren in Österreich ordnungsgemäß aufhaltenden Fremden sei im Interesse der Öffentlichkeit nicht erforderlich. Der Zweitbeschwerdeführer befinde sich seit über 20 Jahren in Österreich, er sei unbescholten, im Besitz eines Befreiungsscheins und beziehe monatlich ein Bruttoeinkommen von zumindest S 18.300,--; außerdem verfüge die "beschwerdeführende Familie" über eine ausreichende und ortsübliche Unterkunft.
Des weiteren wird in der Beschwerde vorgebracht, daß das Verfahren über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung für die Erstbeschwerdeführerin noch nicht erledigt sei. Mit Beschluß vom 7. November 1995 habe der Verfassungsgerichtshof der belangten Behörde (Bundesministerium für Inneres) aufgetragen, sich binnen zweier Wochen zu der Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1995 (betreffend die Versagung der beantragten Bewilligung nach dem AufG) zu äußern. Den Beschwerdeführern sei in jenem bis jetzt noch keine Äußerung des Bundesministers für Inneres zugestellt worden; ebenso sei das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes noch nicht erlassen worden. Diese präjudizielle Verwaltungssache sei daher noch nicht erledigt.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Gemäß § 19 FrG macht nicht jeder mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Fremden diese Maßnahme unzulässig, sondern nur ein solcher Eingriff, dessen Gewicht höher zu veranschlagen ist, als das Gewicht des maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 97/18/0348). Die belangte Behörde hat zutreffend den nach § 19 FrG geschützten Interessen der Erstbeschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich das maßgebliche öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Erstbeschwerdeführerin gegenübergestellt. Wenn sie hiebei zu dem Ergebnis gelangt ist, daß dem zuletzt genannten Interesse der Vorrang einzuräumen ist, so stößt diese Beurteilung auf keinen Einwand. Das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten weist im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 MRK nämlich einen hohen Stellenwert auf (vgl. die Erkenntnisse vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0516, und vom 17. Juli 1997, Zl. 97/18/0348, m.w.N.). Es wurde durch den rechtswidrigen Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin so nachhaltig beeinträchtigt, daß ihre persönlichen Interessen zurückzustehen haben. Die Beschwerdeführerin, die sich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur etwa zehn Monate im Bundesgebiet aufhielt - und davon sieben Monate rechtswidrig - durfte nämlich zu keinem Zeitpunkt damit rechnen, ohne die erforderliche Bewilligung auf Dauer in Österreich bei ihrem Ehegatten (einem türkischen Staatsangehörigen) verbleiben zu dürfen. Dem im Hinblick auf das Gebot der Achtung des Privat- und Familienlebens in § 19 FrG verankerten Ausweisungshindernis kann im vorliegenden Fall auch nicht die Bedeutung unterstellt werden, es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Mißachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften und die derart bewirkten privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen.
Auch das Beschwerdevorbringen zu dem noch nicht beendeten Verfahren bezüglich der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ist verfehlt. § 17 Abs. 1 FrG stellt alleine darauf ab, ob sich der Fremde unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Trifft dies zu, so ist er - vorbehaltlich der Zulässigkeit gemäß § 19 FrG - auszuweisen. Aus welchen Gründen sich der Fremde unerlaubt in Österreich aufhält bzw. weshalb er es verabsäumt hat, seinen Aufenthalt zu einem rechtmäßigen zu machen, ist nach § 17 Abs. 1 FrG rechtlich unerheblich. Auch liegt ein Fall des § 17 Abs. 4 FrG (Ausweisungshindernis bis zur Erledigung eines Verfahrens betreffend einen Antrag auf Verlängerung einer aufenthaltsgesetzlichen Bewilligung) nicht vor. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den Fall der Erstantragstellung nach dem AufG kommt mangels Vorliegens einer echten Lücke nicht in Betracht.
Bezüglich des Vorbringens der Beschwerdeführerin zur Befangenheit der Behördenvertreter der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vermag die Beschwerdeführerin schon deswegen keine dem Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen, weil aus der Abweisung eines Antrages sowie auch aus der - wenn vielleicht auch unrichtigen - Begründung eines Bescheides für sich allein nicht auf eine Befangenheit eines Verwaltungsorganes im Sinne des § 7 Abs. 1 AVG geschlossen werden kann. Vorliegend wird auch nicht dargelegt, inwieweit sich Organwalter persönlich in ihren eigenen Rechten durch das Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin beeinträchtigt gefühlt haben sollen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Hingewiesen wird darauf, daß das Bestehen eines Bescheides gemäß § 17 FrG kein rechtliches Hindernis für die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels bildet und bei Erteilung eines solchen seine rechtliche Wirksamkeit verliert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 96/21/0140).
Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers war die Beschwerde deswegen zurückzuweisen, weil dieser nicht Adressat des angefochtenen Bescheides ist und durch ihn daher nicht in Rechten verletzt sein kann.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996210220.X00Im RIS seit
20.11.2000