TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/21 W144 2228690-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §61 Abs1 Z1

Spruch

W144 2228690-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb., StA. von Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, und 57 AsylG 2005 idgF iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Somalia und hat am 08.01.2020 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, nachdem er sich zuletzt über 9 Jahre lang (mit einer 2-monatigen Unterbrechung in Schweden) in Deutschland aufgehalten hat.

Zum BF liegen folgende Eurodac-Treffermeldungen wegen Asylantragstellung vor:

* BRD vom 05.07.2010

* BRD vom 06.12.2011

* Schweden vom 13.04.2012

* Schweden vom 07.02.2017

Der BF hat in Deutschland mit Bescheid vom 26.03.2013 subsidiären Schutz erhalten.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 08.01.2020 gab der BF an, dass seine Eltern sowie drei Schwestern im Bundesgebiet, konkret in XXXX wohnhaft seien. Er habe gesundheitliche Probleme, konkret ein Alkoholproblem. Zudem habe er einen gebrochenen Fuß, Unterschenkel und Knie seien auch gebrochen. Er sei operiert worden. Sein Heimatland habe er im Sommer 2006 verlassen. Er habe neun Jahre lang in Deutschland gelebt, wolle jedoch nicht nach Deutschland zurückkehren, da er dort Alkoholprobleme gehabt habe. Er wolle jetzt bei seiner Familie in Österreich bleiben. In Stockholm/Schweden habe er ebenfalls einen Asylantrag gestellt, sei jedoch nach zwei Monaten wieder abgereist ohne auf die Entscheidung zu warten. In Deutschland habe er eine "Asylberechtigung" bekommen, ein Aufenthaltsrecht. Er wolle jedoch nunmehr gemeinsam mit seiner Familie leben, damit sie ihm bei seiner Krankheit und der Alkoholsucht helfe. In Deutschland habe er einen Aufenthaltstitel vom Landesamt in XXXX erhalten. Er müsste diesen Februar einen neuen Antrag ausfüllen, jedoch wolle er nicht zurückkehren. Wiederholend erklärte der BF, dass er aufgrund seiner Alkoholprobleme zu seiner Familie nach Österreich reisen wollte.

Das BFA richtete in der Folge am 10.01.2020 ein Wiederaufnahmeersuchen an die deutschen Behörden.

Mit Schreiben vom 20.01.2020 teilten die deutschen Behörden mit, dass dem Wiederaufnahmeersuchen entsprechend der Dublin III-VO in casu nicht entsprochen werden könne, da dem BF mit Bescheid vom 26.03.2013 subsidiärer Schutz gewährt worden sei, sodass die Dublin III-VO nicht zur Anwendung gelange.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 29.01.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er am 12.12.2019 einen Fahrradunfall gehabt habe, in Deutschland operiert worden sei und er deshalb mit Krücken erscheine. Er vermeine, dass er diese Krücken sechs Wochen lang verwenden müsse. Seine Verwandten würden seit ungefähr 15 Jahren in Österreich leben, er habe keine Ahnung mit welchem Aufenthaltsstatus diese im Bundesgebiet aufhältig seien. Durch falsche Freunde sei er in Österreich zum Alkoholiker geworden und sei deshalb in der Folge von seiner Familie (im Jahr 2010 nach Deutschland) weggegangen. Nunmehr habe er wieder Kontakt zu seinen Verwandten, "es habe sich verbessert". Er meine damit, dass er telefonischen Kontakt habe. Nach Vorhalt, dass er in Deutschland subsidiären Schutz erhalten habe, und der Frage, ob es Gründe gäbe, die gegen eine Rücküberstellungen nach Deutschland sprechen, gab der BF lediglich an, dass er krank sei, sodass er zu seiner Familie zurückkehren wolle. Er könne auch selbstständig nach Deutschland reisen, wolle dies jedoch nicht tun, da er bei seiner Familie bleiben wolle.

Vorgelegt wurden seitens des BF zwei Arztbriefe der XXXX Klinik in XXXX , BRD:

* Aus dem Bericht vom 03.12.2019 ergibt sich, dass der BF täglich 4 bis 8 Biere trinkt, dass es jedoch keinen Anhalt für eine Zirrhose gebe, Gallenblase unauffällig, keine freie Flüssigkeit, Niere beidseits unauffällig, Pankreas unauffällig, Empfehlungen: Keine stationäre Aufnahme erforderlich, Alkoholkarenz, ausreichend Flüssigkeitszufuhr, bei Bedarf Schmerzmedikation.

* Aus dem Bericht vom 18.12.2019 ergibt sich, dass der BF am 12.12.2019 um 2:00 Uhr in der Früh alkoholisiert und ohne Helm mit dem Fahrrad stürzte, woraus Verletzungen am rechten Fuß resultierten. Der postoperative Verlauf habe sich komplikationslos gestaltet, die periphere Durchblutung, Motorik und Sensorik seien zu jederzeit intakt gewesen. Der BF habe am 18.12.2019 in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden können.

Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 31.01.2020 gemäß § 4a AsylG 2005 idgF als unzulässig zurück und sprach aus, dass sich der BF nach Deutschland zurück zu begeben hätte (Spruchpunkt I.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Deutschland zulässig sei (spruchpunkt III.).

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat in Bezug auf anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst:

"Zur Lage im EWR-Staat Deutschland

Schutzberechtigte

Personen mit internationalem Schutz erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis, befristet auf 3 Jahre. Danach wird geprüft ob Gründe für eine Aberkennung vorliegen. Die Beantragung der Niederlassungserlaubnis ist nach drei oder fünf Jahren möglich, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Sie haben auch Anspruch auf privilegierten Familiennachzug (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 6.8.2016).

Personen mit subsidiärem Schutz erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis, befristet auf ein Jahr. Sie ist verlängerbar um weitere zwei Jahre und nach 5 Jahren kann eine permanente Niederlassungserlaubnis beantragt werden, wenn die Betroffene die dafür notwendigen Kriterien erfüllt (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 1.8.2016 o.D.c). Nach der derzeitigen Regelung ist subsidiär Schutzberechtigten, deren Aufenthaltserlaubnis nach dem 17.03.2016 erteilt worden ist, bis zum 31. Juli 2018 der Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz nicht möglich (BAMF o.D.b).

Geduldete fallen unter die Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AIDA 3.2018).

Sowohl Personen mit internationalem Schutz als auch Personen mit subsidiären Schutz haben den gleichen Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildung, Sozialleistungen und medizinische Versorgung, wie deutsche Bürger (AIDA 3.2018). Je nach Aufenthaltstitel besteht für viele anerkannte Schutzberechtigte ein Anspruch auf die einmalige Teilnahme an einem Integrationskurs (IAM o.D.), der aus einem Sprachkurs (600 Stunden) und einem Orientierungskurs (100 Stunden) besteht. Asylbewerber und Menschen mit einer sogenannten Duldung können auch berufsbezogene Sprachkurse besuchen (BR o.D.).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens - Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche-asylverfahren.html?nn=6077414, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.8.2016): Flüchtlingsschutz, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/Schutzformen/Fluechtlingsschutz/fluechtlingsschutz-node.html, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016c): Subsidiärer Schutz, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/Schutzformen/SubsidiaererS/subsidiaerer-schutz-node.html, Zugriff 12.6.2018

- BR - Bundesregierung (o.D.): Flucht und Asyl: Fakten und Hintergründe, https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Fluechtlings-Asylpolitik/4-FAQ/_function/glossar_catalog.html?nn=1419512&lv2=1659082&id=GlossarEntry1659098, Zugriff 12.6.2018

- IAM - Informationsverbund Asyl und Migration (o.D.): Sprach- und Integrationskurse, https://www.asyl.net/themen/bildung-und-arbeit/zugang-zu-bildung/sprach-und-integrationskurse/, Zugriff 12.6.2018

A) Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

[ ... ]

Betreffend die Feststellungen zur Lage im EWR-Staat / in der Schweiz:

Die Feststellungen zu Deutschland basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation in Deutschland ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte "notorische" Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. "Offenkundig" ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder "allgemein bekannt" (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch "bei der Behörde notorisch" (amtsbekannt) geworden ist; "allgemein bekannt" sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen - ohne besondere Fachkenntnisse - hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

Aufgrund der aktuellen Länderfeststellungen ist daher festzustellen, dass in Deutschland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten wird. Es besteht auch kein Grund daran zu zweifeln, dass Deutschland seine sich aus der Genfer Konvention und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllt. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR oder aus sonstigem Amtswissen lässt sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Deutschland keinesfalls erkennen.

Ihnen wurden die aktuellen Länderfeststellungen zu Deutschland zugestellt. Die ausgewogene Auswahl der Quellen der dem BFA zur Verfügung stehenden Länderfeststellungen zeigt in ihrem wesentlichen Inhalt übereinstimmend das geschilderte Bild über die aktuelle Lage von Schutzberechtigten in Deutschland. Aus den Länderfeststellungen geht klar hervor, dass Sie auch dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie deutsche Staatsbürger haben.

Stellungnahme zu den Berichten zur Situation für Schutzberechtigte in Deutschland haben Sie keine abgeben. Im Ergebnis konnten Sie sohin keinen Sachverhalt glaubhaft dartun, auf Grund dessen die erkennende Behörde Zweifel an den vorliegenden Informationen, welche auf verschiedene und objektive Quellen basieren, hegen müsste."

In rechtlicher Hinsicht führte das BFA aus, dass der BF in der BRD subsidiären Schutz erhalten habe und kein Grund bestehe, daran zu zweifeln, dass Deutschland seine aus der GFK und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht nachkomme. Es sei daher davon auszugehen, dass der BF dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Gemäß § 4a AsylG sei ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen sei, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat der Status des Asylberichtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 1 AsylG sei die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu prüfen, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a Asyl zurückgewiesen werde. Die in § 57 AsylG genannten Voraussetzungen, unter denen im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf Antrag eine Aufenthaltsberechtigung besondere Schutz zu erteilen sei, lägen in casu nicht vor.

Im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des BF sei auszuführen, dass die von genannten Familienmitglieder, die gemäß seinen Angaben in XXXX leben sollen, weder im zentralen Melderegister noch sonst in einer fremdenbehördlichen Datenbank aufscheinen. Der BF habe keinen Beweis erbringen können, dass diese Personen tatsächlich in Österreich leben. Selbst wenn man annehme, dass seine Eltern und seine drei Schwestern im Bundesgebiet aufhältig seien, so sei auszuführen, dass diese seit mindestens neun Jahren vom BF getrennt leben. Der BF habe eigenen Angaben zufolge sich aus persönlichen Gründen von seinen Familienangehörigen getrennt und sei alleine nach Deutschland gereist. Es bestehe kein Grund zur Annahme, dass er nun ohne diese Bezugspersonen nicht weiterhin leben könnte. Der BF sei erwachsen und seinem zumutbar alleine in Deutschland zu leben, zumal ihm auch die Möglichkeit offen stehe, gegenseitige Besuche durchzuführen. Auch aus medizinischer Sicht könne nicht festgestellt werden, dass der BF von seinen Angehörigen abhängig wäre. Der BF sei auch in der BRD nach seinem Fahrradunfall medizinisch versorgt worden und könne seine Krücken in absehbarer Zeit ablegen. Medizinische Unterstützung bei einem Alkoholentzug gebe es in Deutschland ebenso wie in Österreich. Es sei somit im Verfahren nicht hervorgekommen, dass der BF auf ein Zusammenleben mit den in Österreich lebenden Angehörigen angewiesen wäre. Auch eine spezielle Hilfsbedürftigkeit, insbesondere Pflegebedürftigkeit sei nicht ersichtlich. In Bezug auf das Privatleben spiele die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle und sei der Aufenthalt des BF seit Anfang Jänner 2020 bei weitem zu kurz.

Gegen diesen am 03.02.2020 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher der BF im Wesentlichen geltend machte, dass seine Familienangehörigen sehr wohl in XXXX leben würden, er habe die Namen seiner Angehörigen angegeben, so gut er eben konnte. Die Mutter und drei Schwestern würden seit Juni 2007 im XXXX wohnen. Alle hätten einen Konventionspass. In der Folge gab der BF die konkreten Namen und Geburtsdaten seiner Verwandten an und legte Kopien ihre Konventionsreisepässe vor. Weiters wurde ausgeführt, dass der BF vom 06.02.2020 in der Unfallabteilung des LKH XXXX gewesen sei und bei dieser Untersuchung einen weiteren Termin für den 27. Februar sowie einen neuerlichen OP-Termin für 5. März 2020 bekommen habe. Er habe bereits ausgeführt, dass ihn seine in Österreich lebende Familie auch in Bezug auf seine gesundheitlichen Probleme unterstützen könnte. Der BF habe nicht nur einen Beinbruch erlitten, sondern leide auch unter Problemen mit seiner Leber und unter seiner Alkoholsucht. Aus diesem Grund sei die von der Behörde verfügte Außerlandesbringung im Hinblick auf Art. 83 EMRK ungerechtfertigt und rechtswidrig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang, insbesondere der Umstand, dass dem BF in der BRD der Status eines subsidiär Schutzberechtigten verbunden mit einer Aufenthaltserlaubnis zuerkannt wurde.

Besondere, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Deutschland sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Tödliche oder akut lebensbedrohliche Erkrankungen hat der BF keine geltend gemacht. Die aus dem Fahrradunfall resultierenden Verletzungsfolgen an seinem Fuß/Bein konnten mittlerweile erfolgreich behandelt werden, und kann ein chronischer Alkoholabusus selbstverständlich auch in Deutschland medizinisch behandelt werden. Akute oder lebensbedrohliche medizinische Probleme sind somit im Falle seiner Rücküberstellung nach Deutschland nicht erkennbar.

Der BF hat im Bundesgebiet als Flüchtlinge anerkannte Familienmitglieder, konkret Eltern und drei Schwestern, mit denen er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebt; es besteht seit kurzem jedoch telefonischer Kontakt. Eine aktuelle Unterstützung/Betreuung/Hilfe oder Pflege des BF durch seine in XXXX wohnhaften Familienmitglieder in Bezug auf die Alkoholsucht des BF ist nicht erkennbar, zumal der BF in Bundesbetreuung in XXXX wohnhaft ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zur Asylantragstellung des BF und dessen Schutzgewährung in der BRD verbunden mit einem dortigen Aufenthaltsrecht ergeben sich aus den Akten des BFA, den Eurodac-Treffermeldungen und den Antwortschreiben der deutschen Behörden.

Die Gesamtsituation des Asylwesens und der Situation für Schutzberechtigte im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Insbesondere hat das Bundesamt hat in den angefochtenen Bescheiden auch Ausführungen zur sozialen Situation von Schutzberechtigten in Deutschland getroffen, denen im Wesentlichen gleiche Rechte zustehen wie der deutschen Bevölkerung selbst. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.

Die familiäre und gesundheitliche Situation des BF ergeben sich aus seinem Vorbringen in Verbindung mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Insgesamt betrachtet hat der BF jedenfalls keine lebensbedrohenden Erkrankungen dargetan, und sind grundlegende medizinische Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente natürlich auch im EU-Mitgliedstaat (!) Deutschland ausreichend vorhanden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 4a. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

§ 4 (5) Kann ein Drittstaatsangehöriger, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit der Entscheidung zurückgeschoben oder abgeschoben werden, tritt die Entscheidung außer Kraft.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

----------

1.-wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.-zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.-wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

[Abs. (2), (3), (4) ]

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.-der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird, [ ... ]

[Ziffern 2 bis 5]

[ Abs. (2) bis (13) ]

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Zu A)

1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):

Den BF wurde im EU-Mitgliedstaat (und damit auch EWR-Staat) Deutschland der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass sein gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz gem. § 4a AsylG zurückzuweisen ist, wenn er in der BRD Schutz vor Verfolgung gefunden hat und ihm - aus verfassungsrechtlichen Erwägungen - keine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 oder 8 EMRK droht.

Gemäß Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

Im gegenständlichen Fall brachte der BF lediglich vor, dass er Deutschland verlassen habe und nach Österreich einreisen wollte, um im Hinblick auf seine Alkoholsucht bei seinen Familienangehörigen zu leben.

Im Hinblick auf seine gesundheitliche Situation ist auszuführen, dass der BF selbstverständlich in Deutschland in gleicher Weise medizinische Versorgung und Behandlung erlangen kann wie vergleichsweise in Österreich. Vor diesem Hintergrund indiziert der Alkoholabusus des BF, der übrigens in seiner eigenen Ingerenz liegt, nicht, dass er in Deutschland in seinen Rechten gemäß Art. 3 EMRK verletzt worden wäre bzw. im Falle einer Rückkehr verletzt werden würde. Dass die medizinische Versorgung in Deutschland klaglos funktioniert, hat der BF bereits auch selbst im Zuge seines Fahrradunfalles erlebt, indem seine Verletzung erfolgreich operativ behandelt worden ist.

Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes "real risk", weshalb eine - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte der BF gemäß Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK - und dem Wunsch des BF zu seinen in Österreich als Flüchtling anerkannten Verwandten zu migrieren - wird, um doppelte Ausführungen zu vermeiden, auf nachstehende, unter Punkt 2. ausgeführte, Erwägungen, wonach kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Privat- oder Familienleben der BF erkannt werden kann, verwiesen.

Das Bundesamt hat den Antrag des BF auf internationalen Schutz daher zu Recht als unzulässig gem. § 4a AsylG zurückgewiesen.

2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids (Anordnung der Außerlandesbringung gem. § 61 FPG und einer möglichen Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK, sowie Versagung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"):

2.1. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 1 AsylG hat das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird.

§ 57 Abs. 1 leg.cit. lautet wie folgt:

"Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

Im vorliegenden Fall ging das BFA zu Recht davon aus, dass eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gem. § 57 Abs. 1 AsylG mangels Erfüllung einer der in den Ziffern 1 bis 3 genannten Tatbestände nicht zu gewähren ist. Umstände, die unter einen der in 57 AsylG iVm § 46a Abs. 1 Z 1 oder 3 FPG normierten Tatbestände subsumiert werden könnten, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht. Eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gem. § 57 AsylG war daher zu versagen.

2.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG idgF (iVm § 61 Abs. 1 FPG) ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der BF hat familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet durch seine hier als Flüchtlinge anerkannten Eltern und Schwestern. Der BF lebt mit diesem Verwandten jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt, es besteht lediglich telefonischer Kontakt. Es bestehen auch keine wechselseitigen Abhängigkeiten dergestalt, dass der BF unabdingbar auf die Hilfe dieser Verwandten angewiesen wäre. Da bei Beziehungen zwischen Erwachsenen Familienmitgliedern besondere Merkmale einer ausgeprägten Beziehungsintensität vorliegen müssen, um von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK sprechen zu können ist in casu auszuführen, dass der BF mit den in Rede stehenden Verwandten im Bundesgebiet kein Familienleben im Sinne dieser Bestimmung führt. Allfällige, zukünftige finanzielle Unterstützungen könnten diese dem BF auch in der BRD zukommen lassen und ist es den Eltern und Schwerstern durch ihre Asylstati in Österreich auch möglich, den BF fallweise in der BRD zu besuchen.

Insgesamt betrachtet stellt die Ausweisung des BF nach Deutschland damit keinen Eingriff in sein Recht auf Familienleben dar.

Der durch die normierte Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt:

Der nunmehrige Aufenthalt des BF in Österreich in der Dauer von etwa 2 1/2 Monaten war nur ein vorläufig berechtigter. Zudem ist dieser Aufenthalt, gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, als kein ausreichend langer Zeitraum zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist erkennbar, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib gegenüber den öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt etwa für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124). Der BF musste sich weiters seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Im vorliegenden Fall ist zu betonen, dass der Einhaltung der europäischen Zuständigkeitsnormen zur Prüfung von Asylanträgen große Bedeutung zukommt und gerade ein sogenanntes "Asyl-Shopping" durch die Regelung der Dublin III-VO verhindert werden soll. Der BF hat jedoch bewusst die Möglichkeit der Asylantragsstellung dazu verwendet, um seinem Wunsch nach Migration aus (im Wesentlichen) persönlichen Motiven ohne Bedrohungsszenario nachzukommen. Schon vor diesem Hintergrund ist die Interessensabwägung in einer strengen Weise vorzunehmen und der hohe Stellenwert der Einhaltung der europäischen Zuständigkeitsnormen und fremdenrechtlichen Bestimmungen zu betonen. Sonstige Integrationsaspekte liegen demgegenüber nicht vor, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben des BF zulässig ist. Die Verwaltungsbehörde hat daher eine korrekte Interessensabwägung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In casu liegt die Entscheidung allein in der Bewertung, ob der im Aufnahmestaat schutzberechtigte BF dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat und nicht in seinen Rechten gem. Art 3 und 8 EMRK bedroht ist.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung Herkunftsstaat Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W144.2228690.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten