TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/24 I408 2228758-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.02.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2228758-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Tschechien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2020, Zl. 1216416510/191309133, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 12.12.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt, da er des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB verdächtigt wurde.

Mit dem Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem FPG abzugeben. Dazu langte keine Stellungnahme ein.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.01.2020, rechtskräftig seit 16.01.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe, davon neun Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.01.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich und den einschlägigen Vorstrafen in Tschechien und Deutschland begründet.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt worden und eine unrichtige rechtliche Beurteilung sowie eine Verletzung der Verfahrensvorschriften erfolgt sei. In Anbetracht seiner Reue und seiner geständigen Verantwortung im Strafverfahren, sei von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen, sodass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht gerechtfertigt erscheine.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist tschechischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger bzw. Unionsbürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Zeitpunkt der letzten Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden. Er war von 30.03.2018 bis 30.07.2018 und von 04.10.2018 bis 03.04.2019 mit Hauptwohnsitz in Österreich behördlich gemeldet. Aktuell liegt, abgesehen von seiner Meldung in der Justizanstalt, keine aufrechte Wohnsitzmeldung vor. Es liegt keine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 Abs. 1 NAG vor.

Der Beschwerdeführer war von 01.04.2018 bis 30.07.2018, von 01.10.2018 bis 25.10.2018 und von 07.01.2019 bis 08.01.2019 kurzzeitig als Arbeiter im Bundesgebiet angemeldet. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine über diese kurzen Beschäftigungsaufnahmen hinausgehende umfassende und nachhaltige Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht anzunehmen gewesen wäre, liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären oder nennenswerten privaten Bindungen in Österreich.

Der Beschwerdeführer weist in seinem Herkunftsstaat sowie in Deutschland insgesamt sieben rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen Betrugs- und Körperverletzungsdelikten auf.

Der Beschwerdeführer wurde am 12.12.2019 im Bundesgebiet wegen des Verdachtes des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB festgenommen und über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.01.2020, rechtskräftig seit 16.01.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe, davon neun Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 31.01.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des BFA unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Sozialversicherungsträgers und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Identität ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Durch eine dort einliegende Kopie seines Personalausweises ist die Identität des Beschwerdeführers belegt.

Aus der Einsichtnahme in das ZMR gründen die Feststellungen über den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Eine Anmeldebescheinigung liegt weder im Verwaltungsakt ein bzw. wurde sie bislang nicht vorgelegt. Dies wurde in der Beschwerde auch nicht beanstandet.

Die Feststellungen zur beruflichen Situation, der mangelnden Integration und das fehlende Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich einerseits aus der Einsichtnahme in den Auszug des Sozialversicherungsträgers und andererseits aus den fehlenden vorgelegten Unterlagen. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich keine Stellungnahme abgegeben und auch in der Beschwerde keine maßgebliche Integration behauptet.

Wenn in der Beschwerde angeführt wird, dass der Beschwerdeführer zwar die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme erhalten habe, allerdings das Schreiben wegen seiner Sprachunkundigkeit nicht beantworten habe können, dann ist dem entgegenzuhalten, dass eine Übersetzung derartiger Schriftstücke im AVG nicht vorgesehen ist. Der Beschwerdeführer hätte sich im Falle tatsächlicher Verständigungsschwierigkeiten an die Unterstützungsinstitutionen in der Strafvollzugsanstalt wenden können. Spätestens zum Zeitpunkt der Beschwerde musste sich der nunmehr rechtsvertretene Beschwerdeführer im Klaren sein, auf welche Umstände es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltsverbotes ankommt. Dennoch wurden auch in der Beschwerde keine konkreten Angaben getätigt, die geeignet wären, die Feststellungen des BFA zum nicht vorhandenen Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in Zweifel zu ziehen.

Die sieben rechtskräftigen Verurteilungen in Tschechien und Deutschland ergeben sich aus einer ECRIS-Auskunft

Die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch ein österreichisches Strafgericht gründet einerseits aus der Einsichtnahme in das Strafregister des Beschwerdeführers sowie aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.01.2020, rechtskräftig seit 16.01.2020, Zl. XXXX.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 31.01.2020, Zl. 1216416510/191309133 liegt im Verwaltungsakt ein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Das BFA begründete dies im Wesentlichen mit der strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich in Verbindung mit seinen sieben Verurteilungen in seinem Herkunftsstaat sowie in Deutschland, weshalb in seinem Fall von einer besonderen kriminellen Neigung auszugehen sei. Dies bestätige sich auch in seinem in Österreich an den Tag gelegten kriminellen Verhalten.

Der Beschwerdeführer war von 30.03.2018 bis 30.07.2018 und von 04.10.2018 bis 03.04.2019 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Seit 03.04.2019 bis zu seiner Festnahme scheint aber keine aufrechte behördliche Meldung mehr auf. Er weist erst aufgrund seiner Inhaftierung am 12.12.2019 wieder einen aufrechten Wohnsitz bei einer österreichischen Justizanstalt auf. Nachdem somit eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht vorliegt, kommt nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.

Der Beschwerdeführer weist in Tschechien sowie in Deutschland insgesamt sieben rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen Betrugs- und Körperverletzungsdelikten auf.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet eine strafgerichtliche Verurteilung auf. Er wurde rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe, davon neun Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Mildernd wertete das Strafgericht bei der Strafbemessung das Tatsachengeständnis des Beschwerdeführers und erschwerend die einschlägigen Vorstrafen.

Das BFA hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Aufenthaltsverbots nicht (nur) auf die Tatsache der Verurteilungen bzw. der daraus resultierenden Strafhöhen, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet und anderen Mitgliedstaaten der EU gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Das Bundesverwaltungsgericht kam aufgrund der Verurteilungen des Beschwerdeführers in Tschechien, Deutschland und Österreich, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen vermag. Dahingehend ist insbesondere auszuführen, dass der Beschwerdeführer bereits im Jänner 2014 von einem deutschen Gericht rechtskräftig wegen Straftaten in Zusammenhang mit Körperverletzung verurteilt wurde. Diese Verurteilung hielt den Beschwerdeführer offenbar nicht ab, 2019 eine neuerliche Körperverletzung zu begehen. Im gegenständlichen Fall fällt zudem insbesondere ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer äußerst brutal vorging und eine andere Person durch das Versetzen von zwei Faustschlägen in Form einer Nasenbeinfraktur mit vorderer Septumbeteiligung und einer Impressionsfraktur der vorderen Kieferhöhle links schwer am Körper verletzte. Sein damit an den Tag gelegtes Verhalten, weisen eindeutig auf seine mangelnde Rechtstreue gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hin und bringt er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten und der körperlichen Unversehrtheit der österreichischen Bevölkerung deutlich zum Ausdruck.

Der Beschwerdeführer befindet sich gegenwärtig in Strafhaft, sodass die Zeit noch zu wenig weit fortgeschritten ist, um ihm einen allenfalls gegebenen - im Verfahren aber nicht einmal ansatzweise dokumentierten - positiven Gesinnungswandel zu attestieren (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).

Die gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmende Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen kann nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen. Einerseits verfügte der Beschwerdeführer nur von 30.03.2018 bis 30.07.2018 und von 04.10.2018 bis 03.04.2019 kurzzeitig über einen Aufenthalt in Österreich. Die zeitliche Komponente vermag für sich gesehen keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung beizutragen. (vgl. VwGH 23.11.2019, Ra 2019/19/0289). Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass der Beschwerdeführer sich von 01.04.2018 bis 30.07.2018, von 01.10.2018 bis 25.10.2018 und von 07.01.2019 bis 08.01.2019 in Österreich kurzzeitig in Beschäftigungsverhältnissen befand, ist diese zwar zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, allerdings kann diese für sich gesehen noch nicht die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes bewirken, insbesondere da auch nicht außer Acht zu lassen ist, dass der Beschwerdeführer seit 09.01.2019, also länger als ein Jahr beschäftigungslos war, sein letztes Beschäftigungsverhältnis in Österreich lediglich zwei Tage (07.01.2019-08.01.2019) gedauert hat und eine darauffolgende allfällige Suche einer Beschäftigung seinerseits nicht behauptet bzw. nachgewiesen wurde. Ungeachtet dessen ist auch eine sprachliche, private oder soziale Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich de facto nicht gegeben (vgl. VwGH 03.12.2019, Ra 2019/18/0471). Dem Beschwerdeeinwand, wonach durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben eingegriffen wird, kann nicht gefolgt werden. Auch die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Beeinträchtigung seiner Erwerbsfreiheit in Österreich ist unter diesem Aspekt gerechtfertigt und zulässig. Ungeachtet dessen steht es dem Beschwerdeführer frei, seine Erwerbsfreiheit in seinem Herkunftsstaat auszuüben.

Angesichts des zuvor aufgezeigten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) auch dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).

Was die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers keineswegs als zu lang. Insbesondere wird berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits wegen eines einschlägigen kriminellen Verhaltens (Betrugs- und Körperverletzungsdelikte) von der tschechischen und deutschen Justiz bereits sieben (!) Mal rechtskräftig verurteilt wurde. Das zeigt offensichtlich, dass der Beschwerdeführer aus seinem Fehlverhalten nicht gelernt hat, ihm die österreichische Rechtsordnung offenbar gleichgültig ist und ihn offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten (nunmehr) im österreichischen Bundesgebiet abgehalten hat. Auch wenn das vom BFA verhängte Aufenthaltsverbot von fünf Jahren hoch erscheint, erweist sich dieses als nicht ungerechtfertigt, insbesondere da der Beschwerdeführer in Österreich nunmehr zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. In diesem Zusammenhang spielt auch die Vielschichtigkeit seines kriminellen Fehlverhaltens (Betrug, Körperverletzung), die Brutalität der Vorgangsweise und vor allem die Verurteilung wegen eines Verbrechens für die Bemessung des Aufenthaltsverbotes eine nicht unwesentliche Rolle. Daher war aufgrund dieser Überlegungen die Dauer des Aufenthaltsverbots von fünf Jahren nicht zu beanstanden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Anhand seines Gesamtfehlverhalten zeigte der Beschwerdeführer unzweifelhaft, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist dem BFA daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zum Schutz der Bevölkerung erforderlich und dringend geboten ist.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Den Umfang der Verhandlungspflicht aufgrund dieser Bestimmung umschrieb der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, worin die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes folgendermaßen zusammengefasst wurden (vgl. zum grundrechtlichen Gesichtspunkt auch VfGH 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, betreffend die inhaltsgleiche Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005): "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Auch unter Berücksichtigung der vom VwGH immer wieder postulierten Wichtigkeit (jüngst wieder VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200) der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht - im vorliegenden Fall erneut - von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0068, Rn. 12).

Da für das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben sind und sich insbesondere aus den Ausführungen der Beschwerde kein Hinweis auf die Notwendigkeit ergab, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern, wurde von einer Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (VwGH 24.02.2011, 2009/21/0387; VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0054; 22.08.2019, Ra 2019/21/0091; 19.12.2019, Ra 2019/21/0276; ua.). auseinander.

Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Durchsetzungsaufschub Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung Körperverletzung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Vorstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2228758.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten