TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/25 W255 2189227-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2020
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Entscheidungsdatum

25.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W255 2189227-2/32E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2019, Zl. 1093269303-190004270, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.02.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.

1.2. Am 31.01.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF ua an, dass er täglich vier bis fünf verschiedene Medikamente nehme, dies für seine Nerven und gegen Kopfschmerzen. Er rauche auch Cannabis. Der BF habe auch schon in Afghanistan unter Depressionen gelitten, in Österreich hätten sich seine psychischen Probleme verstärkt, weil er sich große Sorgen mache. Der BF habe, als er in XXXX gewesen sei, einen Anruf aus Afghanistan erhalten und erfahren, dass seine Familie Probleme habe und plötzlich verschwunden sei. Keiner wisse, wo sich seine Familie aufhalte. Nur seine Ehegattin sei noch im Heimatdorf und nicht verschollen. Ihr gehe es gut und sie habe keine Probleme.

1.3. Im Verfahren vor dem BFA wurden vom BF die folgenden Unterlagen vorgelegt:

* Arztbrief des Landesklinikums XXXX vom 04.12.2015 (stationäre Krankenhausbehandlung des BF vom 03.12.2015 bis 04.12.2015)

* Aufenthaltsbestätigung und Arztbrief des Landesklinikums XXXX vom 10.12.2015 (Diagnose: "F43.1 Posttraumtische Belastungsstörung" und "F62.0 Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung" betreffend den BF)

* Arztbrief des Landesklinikums XXXX vom 12.12.2015 (Diagnose: "Cont. man. sin." betreffend den BF)

* Patientenbrief von XXXX vom 17.12.2015 (Diagnose: "Lumbago bds" betreffend den BF)

* Arztbrief des Landesklinikums XXXX vom 22.12.2015 (Diagnose: "Posttraumatische Belastungsstörung F43.1, Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung F62.0" betreffend den BF)

* Ambulanter Arztbrief des Universitätsklinikums XXXX vom 21.01.2016 (Diagnose: "Verdacht auf Spannungskopfschmerz, Posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Befundbericht von XXXX vom 26.01.2016 (Diagnose: "V. a. posttraumatische Belastungsstörung; V. a. kombinierte Persönlichkeitsstörung" betreffend den BF)

* Kurzbrief des Landesklinikums XXXX vom 08.02.2016 (Diagnose: "F43.0 akute Belastungsreaktion, F43.1. Posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums XXXX vom 11.02.2016 (Diagnose: "F43.0 Akute Belastungsstörung, DD: F43.1. Posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Kurzbrief des Landesklinikums XXXX vom 29.02.2016 (Diagnose: "F32.2 Depression, St. p. SMV, chron. Kopfschmerz")

* Befundbericht des Landesklinikums XXXX vom 11.03.2016 (Diagnose: "F32.2 Depressio, gegenwärtig schwere Episode mit St.p. SMV, chron. Spannungskopfschmerz" betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums XXXX vom 24.03.2016 (Diagnose: "F43.0 akute Belastungsreaktion, F12.1 Schädlicher Gebrauch von THC, F13.1. Schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen, Metalldichter Fremdkörper im Thenarbereich rechte Hand" betreffend den BF)

* Aufenthaltsbestätigung des Landesklinikums XXXX vom 25.05.2016 (stationäre Krankenhausbehandlung vom 23.05.2016 bis 25.05.2016 betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums XXXX vom 27.05.2016 (Diagnose: "F43.2 Akute Belastungsreaktion" betreffend den BF)

* Kurzbrief des Landesklinikums XXXX vom 29.07.2016 (Diagnose: "F 43.0 akute Belastungsreaktion" betreffend den BF)

* Befundbericht des Landesklinikums XXXX vom 03.08.2016 (Diagnose: "F43.0 akute Belastungsreaktion" betreffend den BF)

* Ambulanzkarte und unfallchirurgischer Erstbericht des Universitätsklinikums XXXX vom 08.09.2016 (Diagnose: "V. sciss. reg. Hypothenaris sin." betreffend den BF) nach Selbstverletzung des BF (Schnitt mit Messer im Bereich d. li. Hypothenars)

* Ärztlicher Befundbericht vom 26.09.2016 von XXXX (Diagnose: "PTSD mit dissoziativen Zuständen" betreffend den BF)

* Unfallchirurgischer Erstbericht des Universitätsklinikums XXXX vom 25.10.2016 (Diagnose: "Cont. Capitis, Dist. Nuchae, Dist. in artic. man. Sin., Dist. gen. sin." betreffend den BF) nach einem Sprung des BF aus dem 2. Stock

* Ambulanzkarte und Entlassungsbrief des Landesklinikums XXXX vom 11.11.2016 (Diagnose: "F62.0 Komplexe posttraumatische Belastungsstörung" betreffend den BF)

* Arztbrief vom 24.11.2016 des Landesklinikums XXXX (Diagnose: "F62.0 Komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Symptomen" betreffend den BF)

* undatierte psychologische Stellungnahme der XXXX mit der Auflistung der folgenden Diagnosen betreffend den BF:

o "Komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Symptomen

o Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung

o Chronische Kopfschmerzen

o Chronische Suizidalität"

sowie der Auflistung der folgenden Krankenhausaufhalte des BF:

o 03.12. - 04.12.2015: Landesklinikum XXXX-XXXX

o 12.12.2015: Landesklinikum XXXX-XXXX

o 17.12.2015: XXXX (Urologie)

o 26.01.2016: XXXX

o 06.12. - 10.12.2015: Landesklinikum XXXX-XXXX

o 21.01.2016: Universitätsklinikum XXXX / Neurologie

o 04.02. - 08.02.2016: Landesklinikum XXXX

o 24.02. - 29.02.2016: Landesklinikum XXXX

o 11.03. - 16.03.2016: Landesklinikum XXXX

o 23.05. - 25.05.2016: Landesklinikum XXXX

o 28.07. - 29.07.2016: Sprung aus dem 2. Stock - Landesklinikum XXXX

o 08.09.2016: Selbstverletzung an der linken Hand - XXXX / Unfallchirurgie

o 25.10.2016: Sprung aus dem 2. Stock - XXXX / Unfallchirurgie

o 01.11. - 02.11.2016: Landesklinikum XXXX

o 21.11. - 24.11.2016: Landesklinikum XXXX

1.4. Mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.01.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das BFA aus, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der BF in Afghanistan asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre. Der BF stehe in psychologischer Behandlung und müsse Medikamente einnehmen. Aufgrund seines psychischen Gesundheitszustandes und der fehlenden psychologischen Betreuung in Afghanistan könne eine ernsthafte Bedrohung der Unversehrtheit des BF nicht ausgeschlossen werden.

Diesem Bescheid wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 3. Quartal 2017 zugrunde gelegt.

1.5. Gegen Spruchpunkt I. des unter Punkt 1.4. genannten Bescheides des BFA erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

1.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018, GZ W200 2189227-1/13E, wurde die unter Punkt 1.5. genannte Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen.

1.7. Am 26.11.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.

1.8. Mit Schreiben vom 02.01.2019 teilte das BFA dem BF mit, dass aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung des BF und einer Anklageerhebung gegen den BF ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet werde. In Einem wurden dem BF Länderinformationen betreffend Afghanistan übermittelt. Dem BF wurde die Möglichkeit eingeräumt, hierzu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen.

1.9. Am 22.02.2019 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er gesund sei. Es sei ihm früher schlecht gegangen, nun passe alles. Er stehe in keiner ärztlichen oder sonstigen Behandlung und habe keine neuen ärztlichen Unterlagen. Die Mutter, fünf Brüder und drei Schwestern des BF würden alle in XXXX leben. Der BF stehe in regelmäßigem Kontakt mit ihnen. Sie würden Probleme habe, aber es gehe. Seine Brüder würden als Mechaniker und Holzverkäufer arbeiten. Der BF habe in Afghanistan acht Jahre als Mechaniker und drei Jahre als Taxifahrer gearbeitet. Er sei in ganz Afghanistan mit dem Taxi unterwegs gewesen. Er kenne sich auch in Kabul aus. Der BF wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er dort Angst um sein Leben hätte.

Der BF besuche derzeit keine Kurse. Er arbeite und habe eine Mietwohnung. Er gehe ins Fitnesscenter. Er führe keine Lebensgemeinschaft in Österreich und habe keine Hobbies. Er habe bisher keine Deutschprüfung absolviert und pflege in seiner Freizeit keinen Kontakt zur österreichischen Bevölkerung. Er habe vor zwei Wochen das letzte Mal Cannabis konsumiert.

1.10. Mit Bescheid des BFA vom 05.03.2019, Zl. 1093269303-190004270, wurde der dem BF mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dem BF die mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, erteilte befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise des BF wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 FPG 2005 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

Begründend führte das BFA aus, dass die Voraussetzungen die dazu geführt hätten, dass dem BF in Österreich subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, nicht mehr vorliegen würden. Der BF sei gesund, stehe weder in einer ärztlichen noch sonstigen medizinischen Behandlung und bedürfe keiner solchen Versorgung nach seiner Rückkehr in Afghanistan. Der BF verfüge über Arbeitserfahrung in Afghanistan und in Österreich und könne in Afghanistan für seinen Lebensunterhalt sorgen. Er verfüge weiters über Ortskenntnisse in Afghanistan und über familiäre Anbringung. Er stehe auch in Kontakt mit seiner Familie. Seine Heimatprovinz gelte nach wie vor als volatil. Eine Rückkehr dorthin könne dem BF nicht zugemutet werden. Jedoch stehe es ihm offen, sich in Kabul oder Mazar-e Sharif niederzulassen.

Der BF verfüge über keine maßgebliche private Anbindung in Österreich. Es habe keine Integrationsverfestigung festgestellt werden könne. Der BF sei mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a, rechtskräftig wegen § 84 Abs. 4 StGB verurteilt worden und habe in Österreich Suchtgiftmittel konsumiert.

1.11. Gegen den unter Punkt 1.10. genannten Bescheid des BFA richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin brachte er vor, dass keine Ermittlungen darüber angestellt worden seien, ob der BF gesund sei und keine medizinisch-psychologische Hilfe mehr benötige. Diesbezüglich seien weder ein fachärztliches Gutachten noch sonstige Einschätzungen Sachverständiger eingeholt worden. Auch die objektive Situation in Afghanistan habe sich keineswegs verbessert. Eine IFA stehe dem BF nicht zur Verfügung.

1.12. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 08.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.13. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.2019, GZ W230 2189227-2/7Z, wurde XXXX, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Medizin/Psychiatrie/Neurologie bestellt. Dem Sachverständigen wurden insbesondere die unter Punkt 1.3. genannten medizinischen Unterlagen übermittelt und der Sachverständige beauftragt, zehn Fragen in Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des BF zu beantworten.

1.14. Am 31.10.2019 wurde der BF einer Untersuchung durch den Sachverständigen unterzogen.

1.15. Am 19.11.2019 übermittelte der Sachverständige dem Bundesverwaltungsgericht sein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 31.10.2019. Dem Gutachten zufolge leide der BF an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2) sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission. Der BF sei einvernahme- und handlungsfähig. Es bestehe im Falle einer Überstellung nach Afghanistan nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder sich die Krankheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

1.16. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2019 wurden dem BF aktuelle Länderinformationen betreffend Afghanistan und das Gutachten des Sachverständigen vom 31.10.2019 übermittelt.

1.17. Am 20.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seiner Rechtsvertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Paschto durch. Dabei gab der BF an, dass er bei Bedarf Mexalen und Seroquel gegen Kopfschmerzen einnehme. Er habe keine medizinischen Unterlagen mit, die er vorlegen wolle. Er wisse nicht, wann er das letzte Mal im Landesklinikum XXXX oder in einem anderen Landesklinikum gewesen sei. Der Vater, die Mutter, vier Brüder, drei Schwestern, die Ehegattin und der dreijährige Sohn des BF würden in seinem Heimatdorf leben. Der BF stehe in regelmäßigem Kontakt mit seinen Verwandten. Sein Vater und seine Brüder würden in einer Autowerkstatt arbeiten. Es gehe ihnen gut. Der BF habe in Afghanistan als Automechaniker und als Taxifahrer gearbeitet. Er sei als solcher auch nach Mazar-e Sharif gefahren und kenne sich dort aus. Der BF habe noch weitere Verwandte, die in seinem Heimatdorf leben würden (fünf Onkel väterlicherseits, eine Tante väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits mit ihren Familien), er habe aber nur zu einem Onkel väterlicherseits Kontakt.

Der BF habe keine Verwandten in Österreich. Er habe eine österreichische Freundin, die er am Wochenende sehe. Der BF gehe in Österreich einer Arbeit in einer Autowerkstatt nach. Daneben besuche er die Fahrschule. Er verdiene EUR 1.300,- netto monatlich. Der BF habe in Österreich bisher keine Deutschprüfungen absolviert. Er könne Deutsch sprechen, aber Schreiben falle ihm schwer. Befragt, wann er seinen letzten Deutschkurs in Österreich besucht habe, gab der BF an, dass er zwei Wochen lang in XXXX bzw. XXXX eine Schule besucht habe, aber dort nichts lernen habe können. Er lebe in einer Mietwohnung. Er habe Schulden, wisse aber nicht, wie hoch diese seien. Er sei nicht Mitglied in einem Verein in Österreich. Der BF schäme sich für seine Fehler (strafbare Handlungen), die er in Österreich begangen habe. Er wolle nicht darüber sprechen und bereue sie sehr.

Der BF verzichtete zunächst auf die Abgabe einer Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen vom 31.10.2019 sowie zu den in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen, im weiteren Verlauf der Verhandlung brachte er vor, dass die Ärzte Medikamente verabreichen würden, die gar nicht für diese Krankheit gedacht seien. So würde z.B. jeder Mittel gegen Malaria bekommen. Medikamente in Afghanistan und in Pakistan seien teuer. Die Rechtsvertreterin des BF gab an, dass aus dem Gutachten nicht erkennbar sei, inwiefern sich Symptome betreffend die posttraumatische Belastungsstörung weitgehend zurückgebildet hätten, da vom BF auch im Rahmen des Gesprächs mit dem Sachverständigen Alpträume und Schlafstörungen geäußert worden seien. Zudem gehe aus dem Gutachten nicht klar hervor, ob ausgeschlossen werden könne, dass für den BF im Falle einer Rückkehr und die damit verbundene Stresssituation Suizidgefahr bestehe.

Der BF legte einen Lebenslauf, Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie eine durch seinen Arbeitgeber veranlasste Anmeldung des BF zur Sozialversicherung vor.

1.18. Mit Schreiben vom 21.02.2020 nahm der BF durch seine Rechtsvertreterin zu den in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen betreffend Afghanistan Stellung. Weiters wurde ausgeführt, dass die persönliche Situation des BF unverändert sei. Es gehe ihm zwar vorübergehend besser, weil er nunmehr durch seine berufliche Tätigkeit von seinen Erinnerungen an die Vergangenheit und seiner Sorge um seine Familie abgelenkt sei, allerdings handle es sich nur um kurzfristige, nicht nachhaltige Veränderungen. In dem Gutachten des Sachverständigen vom 31.10.2019 sei nicht ersichtlich, inwiefern es zu der für § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG erforderlichen nachhaltigen und wesentlichen Veränderung bzw. Verbesserung der persönlichen Situation des BF gekommen sei. Die konkrete Beurteilung der Veränderung der Situation des BF im Zeitraum Jänner 2018 (Zuerkennungszeitpunkt) bis heute sei nicht vom Gutachtensauftrag umfasst gewesen, weshalb der BF hiermit eine diesbezügliche Gutachtensergänzung beantrage, zum Beweis dafür, dass sich die psychische Situation des BF seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht wesentlich und nachhaltig verändert habe. Die Aberkennung des subsidiären Schutzes erweise sich im vorliegenden Fall als rechtswidrig.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 04.11.2015, dem gegenständlich erhobenen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, der Erstbefragung und der Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, insbesondere der Einvernahme des BF vom 22.02.2019, der Bescheide des BFA und des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.02.2020, der Länderberichte zu Afghanistan, dem Sachverständigengutachten vom 31.10.2019 sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister, den seitens des Landesgerichts XXXX zur Zl. 64 Hv 101/18a geführten Strafakt sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er wurde im Dorf XXXX , Distrikt XXXX, Provinz XXXX, Afghanistan, geboren und ist dort aufgewachsen.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschto.

2.1.3. Der BF verfügt über keine Schulbildung in Afghanistan. Der BF arbeitete acht Jahre als Automechaniker und drei Jahre als Taxifahrer und Warenbeförderer in Afghanistan. Als Taxifahrer und Warenbeförderer fuhr der BF im gesamten Land Afghanistans, unter anderem auch wiederholt nach Mazar-e Sharif. Er verfügt über Ortskenntnisse in vielen Provinzen und in der Stadt Mazar-e Sharif, wo er in Vergangenheit wiederholt übernachtet hat.

2.1.4. Der Vater, die Mutter, vier Brüder, drei Schwestern, die Ehegattin und der dreijährige Sohn des BF leben in seinem Heimatdorf. Es geht ihnen gut. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit ihnen. Der Vater und die Brüder des BF arbeiten regelmäßig als Automechaniker in einer Autowerkstatt. Die Familie des BF ist in der Lage, den BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen.

2.1.5. Der BF leidet unter einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2.) und einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission. Die psychischen Beschwerden des BF stehen in engem Zusammenhang mit der Trennungssituation von seinen Familienangehörigen und dem unklaren Ausgang des Verfahrens. Es können beim BF in der Vergangenheit Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung erhoben werden. Es bestanden auch eine Zeit lang Symptome der Erkrankung, wie beispielsweise Flashbacks und Alpträume, mittlerweile haben sich diese Symptome weitgehend zurückgebildet. Es zeigt sich beim BF eine weitgehende Remission dieses Krankheitsbildes.

Im Falle einer Überstellung des BF nach Afghanistan ist eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, da in diesem Fall der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen, nicht erfüllt werden würde. Im Falle einer Überstellung des BF besteht aber nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

Aus medizinischer Sicht ist davon auszugehen, dass der BF in der Lage wäre, auch im Fall einer prinzipiellen Verfügbarkeit von gängigen Psychopharmaka vor Ort, aber ohne Unterstützung von Angehörigen im Falle einer Rückkehr in eine sichere afghanische Stadt, wiederum ein geordnetes Leben zu finden und auch langfristig eine normale Existenz aufzubauen.

Der BF ist zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert, kann dem Gespräch folgen und ist einvernahme- und handlungsfähig.

Der BF ist arbeitsfähig und wäre auch im Fall der Rückkehr nach Afghanistan weiterhin arbeitsfähig. Die Arbeitsfähigkeit des BF ist nicht von der Verfügbarkeit einer Behandlung abhängig.

Der BF hat in den Jahren 2017, 2018, 2019 und Anfang 2020 kein Landesklinikum oder eine vergleichbare Einrichtung mehr wegen psychischer Probleme aufgesucht und steht nicht in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Der BF nimmt nicht regelmäßig Psychopharmaka ein. Er nimmt bei Bedarf schmerzlindernde Mittel gegen Kopfschmerzen ein. Der BF hat in den Jahren 2017, 2018, 2019 und Anfang 2020 keinen Selbstmordversuch unternommen bzw. versucht, sich zu verletzen.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF hat in Österreich bisher keine Deutschkurse besucht und keine Deutschprüfung absolviert. Der BF besuchte im November 2017 für zwei Wochen die XXXX, ehe er diese abbrach.

2.2.2. Der BF war seit seiner Einreise in Österreich im November 2015 zu folgenden Zeiten erwerbstätig:

* 30.03.2018 - 06.04.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 09.04.2018 - 31.05.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 27.08.2018 - 11.09.2018 als Arbeiter für XXXX

* 25.09.2018 - 26.09.2018 als Arbeiter für XXXX

* 25.04.2019 - 26.04.2019 als Arbeiter für XXXX

* 25.09.2018 - 05.02.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 13.05.2019 - 20.06.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 02.12.2019 - 09.12.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 21.02.2019 - 17.04.2019 als Arbeiter für die XXXX

* 04.07.2019 - 07.07.2019 als Arbeiter für XXXX

Der BF ist seit 18.11.2019 geringfügig für XXXX tätig.

Der BF ist seit 07.02.2020 als Angestellter für XXXX tätig.

Der BF wurde bei den oben genannten Tätigkeiten, die sich zusammengezählt auf ca. ein Jahr erstrecken, als Küchengehilfe, in der Reinigung von Produktionsmaschinen und als Automechaniker eingesetzt.

2.2.3. Von 24.09.2019 - 01.12.2019 und von 09.01.2020 - 05.02.2020 bezog der BF Arbeitslosengeld.

2.2.4. Der BF verfügt über keine Verwandten in Österreich. Er verfügt über keinen engen Freundeskreis. Er ist mit einer österreichischen Frau befreundet, die er an Wochenenden trifft. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. Er hat sich seit seiner Ankunft in Österreich noch nie ehrenamtlich engagiert. Er hat keine nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.5. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a, wegen §§ 15, 84 Abs. 4 StGB, § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG, § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG und § 27 Abs. 2a SMG, zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á EUR 10,- sowie zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

* Der BF hat am 14.02.2018 versucht, ein Opfer dadurch, dass er dieses mit einem Butterfly-Messer attackierte, schwer am Körper zu verletzen, wobei das Opfer Schnittverletzungen im linken Brustbereich erlitt.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, einen Schlagring, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.02.2018, wenn auch nur fahrlässig, ein Butterfly, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen.

* Der BF hat am 14.06.2018 in XXXX vorschriftswidrig einem Polizeibeamten gegen Entgelt Suchtgift, und zwar 5 Gramm Cannabis-Kraut, an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, und zwar an dem allgemein zugänglichen und hoch frequentierten XXXX im Bereich des XXXX, überlassen.

Mildernd wurde gewertet, dass es - im Hinblick auf die schwere Körperverletzung - beim Versuch geblieben ist sowie die Unbescholtenheit des BF.

Erschwerend wurde das Zusammentreffen mit mehreren Vergehen gewertet.

Der BF zeigte sich zu den oben genannten Taten nicht geständig.

2.2.6. Der BF konsumierte - auch nach seiner Verurteilung - zumindest bis Anfang Februar 2019 Cannabis.

2.2.7. Der BF hat Schulden in Österreich. Die Republik Österreich betreibt zur GZ Str 052798/19-X ein Exekutionsverfahren gegen den BF wegen EUR 608,-, da der BF die mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.11.2018, Zl. 64 Hv 101/18a verhängte Geldstrafe / Zwangsstrafe in Höhe von EUR 600,- (Anrechnung Vorhaft) und die Einhebungsgebühr von EUR 8,-, zusammen EUR 608,-, nicht bezahlt hat.

2.3. Zum Verfahrensgang:

2.3.1. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 04.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.3.2. Mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.01.2019 erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

Das BFA begründete die Zuerkennung des subsidiären Schutzes damit, dass der BF in psychologischer Behandlung stand und Medikamente einnehmen musste. Durch eine Rückkehr nach Afghanistan wäre der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, in Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt zu werden. Im Verfahren vor dem BFA vor Erlassung des Bescheides waren seitens des BF mehr als 20 Arztbriefe/Patientenbriefe/Aufenthaltsbestätigungen/Befundberichte, insbesondere solche des Landesklinikums XXXX-XXXX, vorgelegt worden. Diese Dokumente wurden zwischen 04.12.2015 und 24.11.2016 ausgestellt. Zwei der Dokumente ist zu entnehmen, dass der BF versucht hat, sich durch einen Sprung aus dem 2. Stock sowie durch einen Schnitt mit einem Messer zu verletzen. In den Dokumenten wird oft die Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung" und "Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung" angeführt. Weiters werden folgende Diagnosen angeführt: "Verdacht auf Spannungskopfschmerz, akute Belastungsreaktion, Depression, gegenwärtig schwere Episode mit St.p. SMV, chron. Spannungskopfschmerz, Schädlicher Gebrauch von THC, F13.1. Schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen und chronische Suizidalität".

Das BFA ging zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes davon aus, dass der BF über keine Verwandten in Afghanistan verfügt, mit denen er in Kontakt steht. Das BFA ging auch davon aus, dass der BF über Arbeitserfahrung in Afghanistan als Mechaniker, nicht aber als Taxifahrer bzw. Warenbeförderer verfügt. Das BFA ging schließlich davon aus, dass der BF in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen war.

2.3.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018, GZ W200 2189227-1/13E, wurde die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, erhobene Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen.

2.3.4. Am 26.11.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.

2.3.5. Mit Schreiben des BFA vom 02.01.2019 wurde der BF darüber informiert, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gegen ihn eingeleitet wurde.

2.3.6. Mit Bescheid des BFA vom 05.03.2019, Zl. 1093269303-190004270, wurde der dem BF mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dem BF die mit Bescheid des BFA vom 19.01.2018, Zl. 1093269303-151685772, erteilte befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise des BF wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 FPG 2005 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA damit, dass die Gründe für die Zuerkennung nicht mehr vorliegen würden. Der BF sei gesund, stehe weder in einer ärztlichen noch sonstigen medizinischen Behandlung und bedürfe keiner solchen Versorgung nach seiner Rückkehr in Afghanistan. Der BF verfüge über Arbeitserfahrung in Afghanistan und in Österreich und könne in Afghanistan für seinen Lebensunterhalt sorgen. Er verfüge weiters über Ortskenntnisse in Afghanistan und über familiäre Anbringung. Er stehe auch in Kontakt mit seiner Familie in Afghanistan. Seine Heimatprovinz gelte nach wie vor als volatil. Eine Rückkehr dorthin könne dem BF nicht zugemutet werden. Jedoch stehe es ihm offen, in Kabul oder Mazar-e Sharif niederzulassen-.

Der Entscheidung wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.03.2019 zugrunde gelegt.

2.4. Zur Situation des BF in Afghanistan:

2.4.1. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.4.2. Der BF wäre im Falle der Rückkehr nach Afghanistan und Neuansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

2.4.3. Der BF leidet zwar unter einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2.) und einer posttraumatischen Belastungsstörung in Remission. Der BF ist jedoch zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert, kann dem Gespräch folgen und ist einvernahme- und handlungsfähig. Der BF ist arbeitsfähig und wäre auch im Fall der Rückkehr nach Afghanistan weiterhin arbeitsfähig. Die Arbeitsfähigkeit des BF ist nicht von der Verfügbarkeit einer Behandlung abhängig. Im Falle einer Überstellung des BF besteht nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte.

Der BF hat in den Jahren 2017, 2018, 2019 und Anfang 2020 kein Landesklinikum oder eine vergleichbare Einrichtung mehr wegen psychischer Probleme aufgesucht und steht nicht in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Der BF nimmt nicht regelmäßig Psychopharmaka ein.

Der BF verfügt über achtjährige Berufserfahrung als Automechaniker in Afghanistan und dreijährige Berufserfahrung als Taxifahrer und Warenbeförderer in Afghanistan. Aufgrund seiner Tätigkeit als Taxifahrer und Warenbeförderer verfügt er über Ortskenntnisse in ganz Afghanistan, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif. Der BF verfügt über insgesamt einjährige Berufserfahrung in Österreich, wo er derzeit als Automechaniker arbeitet. Der BF wurde in der Provinz XXXX in einer afghanischen Familie geboren und wurde durch eine afghanische Familie in einem afghanischen Umfeld erzogen. Der BF wuchs sohin in einem afghanischen Familienverband auf und ist mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut. Die Mutter, der Vater, vier Brüder, drei Schwestern, die Ehegattin und der dreijährige Sohn des BF leben nach wie vor in seinem Heimatdorf. Der Familie des BF geht es gut. Der Vater und die Brüder des BF arbeiten in einer Autowerkstatt. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie. Der BF spricht Paschto. Angesichts seiner Sprachkenntnisse, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Ortskenntnisse seiner Berufserfahrung und seiner familiären Unterstützung könnte er sich in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist in der Lage, in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Im Ergebnis ist von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF in Afghanistan auszugehen. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF könnte im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auch durch seine Familie (Vater und vier Brüder, die alle erwerbstätig sind) unterstützt werden. In einer Gesamtbetrachtung sind Herat und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über die jeweiligen Flughäfen gut erreichbare Städte. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif somit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und er läuft auch nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.4.4. Im Falle der Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif läuft der BF auch nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4.5. Im Falle des BF ist es in einer Gesamtschau zu einer nachhaltigen, maßgeblichen Verbesserung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan gekommen.

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 13.11.2019:

1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

1.1. Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

1.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019).

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Berichten zufolge, besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.2.2019; vgl. CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die Jundullah-Fraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).

Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.2.2019; vgl. CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.9.2016; vgl. REU 23.11.2017; AAN 23.9.2017; AAN 19.2.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vgl. AAN 19.2.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.6.2019; vgl. CSR 12.2.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.7.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.2.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten "ein nützliches Fundraising-Tool" sind: so kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.1.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.6.2019).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.2.2019; vgl. UNAMA 24.2.2019; AAN 24.2.2019; CTC 12.2018; UNGASC 7.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.2.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.2.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.7.2019).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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