TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/26 W144 2228808-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2020
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Entscheidungsdatum

26.02.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W144 2146235-2/4E

W144 2146238-2/4E

W144 2146236-2/5E

W144 2228808-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von 1. XXXX , XXXX geb., 2. XXXX , XXXX geb., 3. mj. XXXX , XXXX geb., und 4. mj. XXXX , XXXX geb., alle StA von Russland, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 04.02.2020, Zlen. XXXX (ad 1.), XXXX (ad 2.), XXXX (ad 3.), und XXXX (ad 4.) zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der 1.-Beschwerdeführer (1.-BF) ist der Ehegatte der 2.-Beschwerdeführerin (2.-BF), beide sind Eltern der minderjährigen (mj.) 3.- und 4.-Beschwerdeführerinnen (3.- und 4.-BF). Die 1.- bis 3.-BF stellten erstmals im Juli 2016 Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, die letztlich mit gemeinsamen Erkenntnis des BVwG vom 03.05.2018 gem. §§ 3, 8, 10, 57 AsylG abgewiesen wurden.

Am XXXX wurde die mj. 4.-BF geboren.

In der Folge begaben sich die BF in die BRD, wo sie vom 18.12.2018 bis 15.12.2019 aufhältig waren und dort Asylverfahren betrieben, die letztlich negativ entschieden wurden.

Alle 4 BF stellten nach Rückkehr von der BRD ins Bundesgebiet am 16.12.2019 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Zu den 1.- und 2.-BF liegen folgende EURODAC-Treffermeldungen wegen Asylantragstellungen vor:

* Polen vom 17.07.2016

* Österreich 23.07.2016

* BRD vom 28.12.2018

Den Beschwerden liegen folgende Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf der Erstbefragung durch Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 17.12.2019 gab der 1.-BF im Wesentlichen an, dass sie in Polen jeweils Asylanträge gestellt, deren Entscheidung jedoch nicht abgewartet hätten. In der Folge seien sie nach Österreich eingereist, hätten auch hier Asylanträge gestellt, die negativ entschieden worden seien und hätten sich in der Folge im Dezember 2018 nach Deutschland begeben. Nachdem sie auch in Deutschland negative Entscheidungen erhalten hätten, seien sie zuletzt wieder nach Österreich zurückgekehrt, um die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz zu stellen.

Die 2.-BF erstattete im Wesentlichen gleichlautende Angaben wie der 1.-BF.

Die mj. 3.- und 4.-BF wurden altersbedingt nicht einvernommen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 20.12.2019 unter Hinweis auf das Vorbringen der BF und die deutschen Eurodac-Treffermeldungen ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestützte Wiederaufnahmeersuchen an die BRD. Diese stimmte mit Schreiben vom 02.01.2020 diesen Ersuchen unter Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. d leg.cit. ausdrücklich zu.

In der Folge wurde der 1.-BF am 24.01.2020 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen zu Protokoll gab, dass er in Frankreich eine Schwester und in Österreich seine Schwägerin habe. Nach Vorhalt, dass Deutschland zur Prüfung seines Asylantrages und jener seiner Familienangehörigen zuständig sei, und ob es Gründe gäbe, die gegen eine Rückkehr nach Deutschland sprechen würden, gab der 1.-BF an, dass sich in seinem privaten Leben nichts ändern werde, aber was seine Tochter (Anmerkung: Die 3.-BF) betreffe, werde es wieder schlechter werden. Er ersuche darum, seiner Familie eine Möglichkeit zu geben, damit sie mit ihrer kranken Tochter in Österreich bleiben können, damit die Tochter behandelt werde. In Deutschland bekomme sie keine Chance.

Die 2.-BF gab an, dass sie in Österreich ihre Schwester habe, von der sie zwar keine finanzielle Unterstützung erwarte, die sie jedoch mit Dolmetscherdiensten unterstütze und für ihre Kinder Geschenke gekauft habe. Andere Verwandte habe sie weder in Österreich noch sonst im Bereich der Mitgliedstaaten. Ihr Asylverfahren in Deutschland sei negativ beendet worden. Nach Vorhalt, dass Deutschland zur Prüfung ihrer Asylanträge zuständig sei, gab die 2.-BF an, dass sie nicht in die BRD zurückkehren wolle, weil Sie dort schon negative Bescheide erhalten hätten und sie von der BRD mit ihrer kranken Tochter ausgewiesen worden seien. Ihre Tochter, die 3.-BF habe in Deutschland keine Versicherung gehabt. Sie würde zur Lage in Deutschland nie etwas Schlimmes sagen, doch benötige sie die Behandlung ihrer Tochter, die sie in Deutschland nicht bekommen habe. Es gehe nicht um sie persönlich, ihr sei die Behandlung ihrer Tochter wichtig. Die Tochter leide an Epilepsie und Hydrocephalus, es sei ihr bereits ein Shunt gesetzt worden, jedoch müsse sie nochmals operiert werden. Ihre Tochter werde nie 100 % gesund sein, doch könnte sie zu 50 % gesund werden, wenn die Operation gut verlaufe. Die Tochter benötige auch Physiotherapie, EKG Untersuchungen, MRT, und Blutbefunde. Unterwegs sie habe die ganze Zeit gebrochen und sie könne wegen ihres Hydrocephalus keine Reisen machen.

Das BFA wies sodann die Anträge auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheiden jeweils vom 04.02.2020 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Deutschland gemäß 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung der Anträge zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung der BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Deutschland zulässig sei.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

"Zzur Lage im Mitgliedstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in Deutschland systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese dort zu erwarten hätten.

Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:

Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.

(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)

Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering seien, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.

(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)

Die höchstgerichtliche Judikatur ist gerade bei Anträgen ab 01.01.2006 aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 von besonderer Bedeutung.

Zu Deutschland werden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom Juni 2018).

Allgemeines zum Asylverfahren

In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 3.2018; vgl. BAMF o.D.a, BAMF o.D.b, BR o.D., UNHCR o.D.a, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen). Im Jahr 2017 hat das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 603.428 Asylanträge entschieden. Das ist ein Rückgang gegenüber 2016 (695.733 Entscheidungen). 2017 wurden 222.683 Asylanträge entgegengenommen, 522.862 weniger als im Vorjahr. Insgesamt 123.909 Personen erhielten 2017 internationalen Schutz (20,5% der Antragsteller), 98.074 Personen (16,3%) erhielten subsidiären Schutz und 39.659 Personen (6,6%) Abschiebeschutz (BAMF 4.2018).

Verschiedene Berichte äußerten sich besorgt über die Qualität des Asylverfahrens. Ein Ein hoher Prozentsatz der Asylentscheidungen war einer internen Untersuchung zufolge "unplausibel". Berichten zufolge waren viele Entscheidungsträger, die 2015 und 2016 beim BAMF eingestellt wurden, seit mehr als einem Jahr im Einsatz, ohne das interne Ausbildungsprogramm zu absolvieren. Bei den Dolmetschern wurden die unprofessionelle Haltung und fehlende Objektivität bemängelt. Weiters hat eine große Zahl von Asylwerbern eine Beschwerde gegen ihren Asylbescheid eingelegt, was zu einem Verfahrensstau bei den Gerichten geführt hat (AIDA 3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a): Ablauf des Asylverfahrens, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/ablauf-des-asylverfahrens-node.html, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens - Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche-asylverfahren.html?nn=6077414, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (4.2018): Aktuelle Zahlen zu Asyl, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/aktuelle-zahlen-zu-asyl-april-2018.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 12.6.2018

- BR - Bundesregierung (o.D.): Flucht und Asyl: Fakten und Hintergründe, https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Fluechtlings-Asylpolitik/4-FAQ/_function/glossar_catalog.html?nn=1419512&lv2=1659082&id=GlossarEntry1659098, Zugriff 12.6.2018

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (o.D.a): Asyl und anderer Schutz, http://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/asyl-in-deutschland/asyl-und-anderer-schutz, Zugriff 12.6.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430259.html, Zugriff 12.6.2018

Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 3.2018).

In "take charge"-Fällen kann der Rückkehrer einen Erstantrag stellen. Im Falle eines "take back"-Verfahrens können Dublin-Rückkehrer, die bereits eine negative Entscheidung erhalten haben, einen Folgeantrag stellen. Bei Dublin-Rückkehrern, die bereits einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, der noch nicht entschieden wurde, wird das Verfahren fortgesetzt. Für Dublin-Rückkehrer gelten die gleichen Aufnahmebedingungen wie für andere Asylwerber (EASO 24.10.2017).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018

- EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

Non-Refoulement

Wenn die drei Schutzformen - Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz - nicht greifen, kann bei Vorliegen bestimmter Gründe ein Abschiebungsverbot erteilt werden (BAMF 1.8.2016b). Wenn ein Abschiebungsverbot festgestellt wird, erhält die betroffene Person eine Aufenthaltserlaubnis von mindestens einem Jahr; eine Verlängerung ist möglich (UNHCR o.D.a).

Amnesty International sieht Asylwerber aus Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Albanien und Montenegro von einem erhöhten Refoulement-Risiko bedroht, da diese Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft wurden (AI 31.12.2017). AI kritisiert auch die fortgesetzten Abschiebungen nach Afghanistan, trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage vor Ort. Bis Ende des Jahres wurden 121 afghanische Staatsangehörige abgeschoben (AI 22.2.2018).

Quellen:

- AI - Amensty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425035.html, Zugriff 12.6.2018

- AI - Amnesty International (31.12.2017): Germany: Human rights guarantees undermined: Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review - 30th session of the UPR Working Group, May 2018 [EUR 23/7375/2017], https://www.ecoi.net/en/file/local/1422247/1226_1516189882_eur2373752017english.pdf, Zugriff 12.6.2018

- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016b): Nationales Abschiebungsverbot, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/Schutzformen/AbschiebungsV/abschiebungsverbot-node.html, Zugriff 12.6.2018

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (o.D.a): Asyl und anderer Schutz, http://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/asyl-in-deutschland/asyl-und-anderer-schutz, Zugriff 12.6.2018

Versorgung

Das Asylbewerberleistungsgesetz regelt die Leistungen, die Asylwerbern zustehen. Die Leistungen umfassen die Grundleistungen des notwendigen Bedarfs (Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt), Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse im Alltag (Bargeld bzw. Taschengeld), Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt. Bei besonderen Umständen können auch weitere Leistungen beantragt werden, die vom Einzelfall abhängen (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 1.8.2016b). Die empfangenen Leistungen liegen dabei unterhalb der finanziellen Unterstützung, die deutsche Staatsangehörige beziehen. Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen werden die Grundleistungen als Sachleistungen bereit gestellt. Hiervon kann - soweit nötig - abgewichen werden, wenn Asylwerber nicht in Aufnahmeeinrichtungen, sondern in Anschlusseinrichtungen (z.B. Gemeinschaftsunterkunft oder dezentrale Unterbringung, wie Wohnung oder Wohngruppen) untergebracht sind. So können Asylwerber statt Sachleistungen Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, Wertgutscheinen oder in Geldleistungen erhalten. Werden alle notwendigen persönlichen Bedarfe durch Geldleistungen gedeckt, werden die folgenden Beträge monatlich ausbezahlt:

Bezieher

Betrag bei Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen

Betrag bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen

Für alleinstehende Leistungsberechtigte

135 ?

216 ?

Für zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen

je 122 ?

194 ?

Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt

je 108 ?

174 ?

Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

76 ?

198 ?

Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

83 ?

157 ?

leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres

79 ?

133 ?

Nach 15 Monaten im Asylverfahren wird die Leistungshöhe auf das gleiche Niveau wie für bedürftige Deutsche umgestellt (UNHCR o.D.b; vgl. BAMF 1.8.2016b, AIDA 3.2018, AsylbLG 17.7.2017).

Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Sie erhalten ebenfalls eine Beratung zum möglichen Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Bundesagentur für Arbeit (BAMF 24.10.2017). Während der ersten drei Monate des Asylverfahrens gilt jedoch ein Beschäftigungsverbot für Asylwerber. Dieses Beschäftigungsverbot besteht fort, solange die betroffene Person verpflichtet ist, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Für die Aufnahme einer konkreten Tätigkeit wird eine Beschäftigungserlaubnis benötigt, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden kann. Die Ausländerbehörde muss hierfür zusätzlich die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ist während des gesamten Asylverfahrens untersagt (UNHCR o.D.b).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018

- AsylbLG - Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert worden ist (17.7.2017): § 3 Grundleistungen, https://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/BJNR107410993.html, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016b): Zuständige Aufnahmeeinrichtungen, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/MeldungAE/meldung-aufnahmeeinrichtung-node.html, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (24.10.2017): Ankunftszentren, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html, Zugriff 12.6.2018

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (o.D.b): Aufnahmesituation, http://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/asyl-in-deutschland/aufnahmesituation, Zugriff 12.6.2018

Unterbringung

In Deutschland gibt es grundsätzlich drei verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Der Betrieb dieser Einrichtungen ist Ländersache. 2015 und 2016 waren Notunterkünfte im Betrieb, die bis auf wenige Ausnahmen weitgehend geschlossen wurden. Darüber hinaus wurden besondere Aufnahmeeinrichtungen (in denen Personen untergebracht werden können, deren Asylverfahren beschleunigt bearbeitet werden) und Transitzentren (in denen Asylwerber mit geringer Bleibeperspektive untergebracht werden) eingerichtet (AIDA 3.2018; vgl. BSASFI 29.6.2017).

Asylwerber werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Nach einer Gesetzesreform vom Juli 2017 wurde die maximale Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von sechs auf 24 Monate erhöht. Diese Regelung wurde jedoch bis Ende 2017 nur in Bayern umgesetzt. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, kommen Asylwerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften unter, wobei es sich um Unterbringungszentren im selben Bundesland handelt. Asylwerber müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 10.2016). Von Flüchtlingsorganisationen und NGOs werden die Lebensbedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften häufig kritisiert (AIDA 3.2018).

Deutschland verfügt mittlerweile bundesweit über 24 Ankunftszentren. Dort werden viele, bis dahin auf mehrere Stationen verteilte Schritte im Asylverfahren gebündelt. Nach Möglichkeit findet das gesamte Asylverfahren unter dem Dach des Ankunftszentrums statt - von der ärztlichen Untersuchung, über die Aufnahme der persönlichen Daten und der Identitätsprüfung, der Antragsstellung und Anhörung bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag. Bei Menschen mit sehr guter Bleibeperspektive sowie Antragsstellenden aus sicheren Herkunftsländern mit eher geringen Bleibeaussichten kann in der Regel vor Ort innerhalb von 48 Stunden angehört und über den Asylantrag entschieden werden (BAMF o.D.c).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2016): Ablauf des deutschen Asylverfahrens, http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 12.6.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.c): Ankunftszentren, https://www.bamf.de/DE/DasBAMF/Aufbau/Standorte/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html, Zugriff 12.6.2018

- BSASFI - Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (29.6.2017): Schriftliche Anfrage einer Abgeordneten betreffend "Ankunftszentren und Transitzentren, https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/tl_files/PDF-Dokumente/Anfrage%20Ausbau%20der%20Ankunfts-%20und%20Transitzentren.pdf, Zugriff 12.6.2018

Medizinische Versorgung

Asylwerber sind grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert, sondern haben im Krankheitsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und -status definiert das Gesetz unterschiedliche Leistungsniveaus (GKV o.D.).

Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für Asylwerber in Fällen akuter Erkrankung oder Schmerzen vor, welche Behandlung (auch Zahnbehandlung), Medikation etc. umfasst. Sonstige, darüber hinausgehende Leistungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden und können gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die - aus welchen Gründen auch immer - kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Berichten zufolge werden jedoch notwendige, aber kostspielige diagnostische Maßnahmen oder Therapien von den lokalen Behörden nicht immer bewilligt (AIDA 3.2018; vgl. DIM 3.2018, GKV o.D.).

Je nach Bundesland erhalten Asylwerber eine Gesundheitskarte oder Krankenscheine vom Sozialamt; darüber können die Bundesländer autonom entscheiden (BMG 2.2016; vgl. BMdI 29.9.2015). Krankenscheine bekommen Asylwerber beim medizinischen Personal der Erstaufnahmeeinrichtung oder später auf dem zuständigen Sozialamt. Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet (AIDA 3.2018). Die elektronische Gesundheitskarte ersetzt den Behandlungsschein und damit können Asylwerber den Arzt direkt aufsuchen, ohne vorher eine Bescheinigung von den staatlichen Stellen (z.B. Sozialamt) einzuholen (BMG 6.2016).

Die medizinische Versorgung von Asylwerbern ist zwischen den verschiedenen Kommunen und Bundesländern unterschiedlich organisiert. Während in manchen Ländern fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Antragsteller zur Verfügung stehen, muss in anderen Ländern vor vielen Untersuchungen beim Amt um Kostenübernahme angefragt werden. In dringenden Notfällen dürfen Ärzte immer behandeln, unabhängig von den Papieren. Meistens aber müssen Asylsuchende ins zuständige Sozialamt, bevor sie einen Arzt aufsuchen dürfen. Dort erhalten sie einen Behandlungsschein, mit dessen Hilfe Ärzte ihre Kosten abrechnen können. Hinzu kommt, dass der Behandlungsschein in manchen Kommunen nur für den Hausarzt gültig ist. Wollen die Betroffenen zum Facharzt, müssen sie vor jeder Überweisung die Zustimmung des Amts einholen. In manchen Ländern erhalten Asylwerber eine elektronische Gesundheitskarte einer Krankenkasse, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Die Krankenkasse organisiert nur die medizinische Versorgung der Antragsteller, die Kosten tragen trotzdem die Behörden. Wenn Asylwerber länger als 15 Monate in Deutschland sind, können sie sich eine gesetzliche Krankenversicherung aussuchen, die Behörden bezahlen die Beiträge. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. freiwillige Zusatzleistungen der Krankenkassen) werden sie dann behandelt wie alle gesetzlich Versicherten. Erst wenn die Antragsteller eine Arbeit finden und selbst einzahlen, klinkt sich der Staat aus ihrer medizinischen Versorgung aus (SO 22.3.2016; vgl. BMG 6.2016, AIDA 3.2018).

Es wurde jedoch kritisiert, dass auch Asylwerber, die eine Gesundheitskarte besitzen, immer noch nur Zugang zu einer Notfallbehandlung hätten. Einige Gemeinden und private Gruppen sorgten für eine zusätzliche Gesundheitsversorgung (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018

- BMdI - Bundesministerium des Innern (29.9.2015): Änderung und Beschleunigung von Asylverfahren beschlossen, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2015/09/kabinett-beschliesst-asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.html, Zugriff 12.6.2018

- BMG - Bundesministerium für Gesundheit (6.10.2015): Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2015/bund-laender-vereinbarungen/?L=0, Zugriff 12.6.2018

- BMG - Bundesministerium für Gesundheit (6.2016): Ratgeber Gesundheit für Asylwerber in Deutschland, http://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/Ratgeber_Asylsuchende_DE_web.pdf, Zugriff 12.6.2018

- DIM - Das Deutsche Institut für Menschenrechte (3.2018): Geflüchtete Menschen mit Behinderung, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/POSITION/Position_16_Gefluechtete_mit_Behinderungen.pdf, Zugriff 12.6.2018

- SO - Spiegel Online (22.3.2016): So werden Flüchtlinge medizinisch versorgt, http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/fluechtlinge-so-laeuft-die-medizinische-versorgung-a-1081702.html, Zugriff 12.6.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430259.html, Zugriff 12.6.2018

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:

[ ... ]

- betreffend die Lage im Mitgliedsstaat:

Die in den Feststellungen zu Deutschland angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des § 5 BFA- Einrichtungsgesetz betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.

Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des § 5 BFA- Einrichtungsgesetz bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Deutschland nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese - aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Deutschland - nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Sie haben für sich selbst keine Gründe genannt, warum Sie nicht nach Deutschland überstellt werden können. Die Angaben welche gegen eine Überstellung sprechen, betreffen Ihre Tochter.

Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Deutschland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Soweit Ihre Rechtsberatung moniert, dass Sie von Deutschland in Ihr Heimatland abgeschoben werden, ist anzumerken, dass die diesbezüglichen Angaben über in den Raum gestellte Behauptungen nicht hinausgehen, welche nicht weiter substantiieren wurden. Die Zulässigkeit der Abschiebung von Deutschland in Ihr Heimatland kann sich aufgrund einer möglichen Beendigung eines rechtskonformen Asylverfahrens in Deutschland ergeben, eine derartige Entscheidung kann in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union getroffen werden. Es wurde kein hinreichend konkretes Vorbringen dahingehend erstattet und es liegen auch keine notorischen Informationen vor, dass der rechtliche und faktische Standard des Asylverfahrens in Deutschland per se die Verletzung der EMRK im Fall der Effektuierung eines negativen Verfahrensausganges wahrscheinlich erscheinen ließe. Die Behauptung der Rechtsberatung, Sie werden von Deutschland in Ihr Heimatland abgeschoben, ist deswegen als unsubstantiiert in den Raum gestellt anzusehen, nachdem dem Gesamtvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass dies in rechtswidriger Weise geschehen sollte. Eine Rückverbringung in Ihr Heimatland kann, wie in den Feststellungen zu Deutschland angeführt, lediglich aufgrund ausführlicher Refoulementprüfung erfolgen. Daher ist für das Bundesamt auf der Hand liegend, dass dem Vorbringen im Hinblick auf eine mögliche Abschiebung von Deutschland in Ihr Heimatland lediglich auf eine Verhinderung Ihrer Rückverbringung nach Deutschland abzielt, ohne eine konkret drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in Deutschland aufzuzeigen.

Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:

Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates sind für Deutschland folgende Richtlinien beachtlich:

- Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG bzw. neu 2011/93/EU) im Hinblick auf die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen.

- Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2005/85/EG des Rates bzw. neu 2013/32/EU) hinsichtlich der Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.

- Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG bzw. neu 2013/33/EU) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.

Gegen Deutschland hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.

Insofern ergibt sich aus diesem Umstand -ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Deutschland die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Deutschland im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

[...]

..............ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Deutschland ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Deutschland als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Deutschland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Deutschland nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Deutschland ergeben.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich Deutschland mit Schreiben vom 02.01.2020 ausdrücklich bereit erklärt hat, Sie im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin Verordnung zur Prüfung Ihres Asylantrages zu übernehmen und es kann daher nicht erkannt werden, dass Ihnen der Zugang zum Asylverfahren in Deutschland verweigert werde. Eine Schutzverweigerung in Deutschland kann daher auch nicht erwartet werden."

Es folgte in den angefochtenen Bescheiden die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO formell erfüllt (und gemeint: sohin die BRD für die Prüfung der Anträge zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Ausreichende humanitäre Gründe gem. Art 16 und 17 Abs. 2 Dublin III-VO lägen (implizit) nicht vor. Ihre gemeinsame Ausweisung stelle mangels eines schützenswerten Familienlebens und dem Umstand, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz gewesen sei, keinen ungerechtfertigten Eingriff in ihr Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.

In Bezug auf die behinderte 3.-BF traf das BFA ausdrücklich die Feststellung, dass diese an folgenden Krankheiten leidet: "Epilepsie, schwere Mehrfachbehinderung, Hüftluxation, Sehstörung, Hydrocephalus, weiters sei ihr ein Shunt eingesetzt worden."

In rechtlicher Hinsicht führte das BFA zur Frage der Überstellungszulässigkeit der 3.-BF im Hinblick auf ihren physischen Zustand im Wesentlichen Folgendes aus (Unterstreichungen im Original nicht enthalten):

"Zu ihrem in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten psychischen und physischen Zustand ist folgendes anzumerken:

Maßgebliche Rechtsfrage ist bei Vorliegen von Erkrankungen und/oder psychischen Störungen, ob sich durch die Durchführung der Außerlandesbringung ein gesundheitlicher Leidenszustand derart verschlechtert, dass der Schutzbereich des Art. 3 EMRK betroffen ist.

Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verbietet es, Menschen unmenschlich zu behandeln oder zu foltern. Auch die Verbringung von kranken bzw. körperlich beeinträchtigten Asylwerbern in ein anderes Land kann eine solche unmenschliche Behandlung darstellen. Ob eine solche unmenschliche Behandlung droht, ist eine zu klärende Rechtsfrage. Ärztliche Aussagen sind dafür oft notwendige Informationsgrundlage.

Die primär durch das Bundesamt zu beantwortende Frage lautet, ob allenfalls vorliegende Erkrankungen und/oder psychische Störungen, derart schwerwiegend sind, dass eine Überstellung nach Deutschland im Sinne des Art. 3 EMRK als unzumutbar angesehen werden müsste. Eine Orientierungshilfe zur Entscheidungsfindung bildet demnach die einschlägige Judikatur des EGMR. Als taugliche Basis einer rechtskonformen Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts kann auf folgende Entscheidungen des EGMR verwiesen werden:

Nur unter außerordentlichen Umständen kann die Entscheidung, einen Antragssteller außer Landes zu schaffen, einer Verletzung des Art. 3 EMRK gleichkommen. Solche außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände wurden im "St. Kitts-Fall" angenommen. Im Mai 1997 hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher laut medizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8 - 14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionale Notlage (er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02.05.1997 - 146/1996/767/964). Ähnlich entschied die Europäische Kommission für Menschenrechte 1998 im Falle eines AIDS-Kranken aus der Demokratischen Republik Kongo (B.B. gegen Frankreich, 9.3.31998, Nr. 30930/96). Auch die Kommission stellte auf die fortgeschrittene Erkrankung, die fehlende Behandlungsmöglichkeit in der Heimat mit der großen Gefahr opportunistischer Erkrankungen, fehlende familiäre Bindungen und die Übernahme der (medizinischen) Verantwortung Frankreichs durch die Behandlung ab und bejahte ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK.

In einer aktuelleren Entscheidung vom 15.2.2000 (S.C.C. gegen Schweden, Nr. 46553 /99) kam der EGMR zu einer entgegen gesetzten Auffassung. Die Antragstellerin stammte aus Sambia. Sie machte geltend, es sei im Jahr 1995 eine HIV-Infektion bei ihr festgestellt worden, mit einer Therapie habe man im Jahr 1999 begonnen. Der EGMR verneinte eine Verletzung von Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass erst kürzlich mit einer Therapie begonnen worden sei, dass Verwandte in Sambia lebten und dass nach Vortrag der schwedischen Botschaft die Behandlung von AIDS in Sambia möglich sei.

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC v. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend.

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN vs. Niederlande, 25.11.2004, Nr. 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

Schließlich sprach der EGMR in der Beschwerdesache NDANGOYA vs. Schweden, 22.06.2004, Nr. 17868/03, aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers möglich ist; es sind auch familiäre Bezüge gegeben, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

Bei beiden letztgenannten Entscheidungen beinhalten somit, dass bei körperlichen Erkrankungen im allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht z.B. für AIDS in Tansania sowie Togo und für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant sind.

Der Verfassungsgerichtshof hat zudem in einem Erkenntnis vom 06.03.2008 folgendes ausgeführt:

"Aus den Entscheidungen des EGMR ergibt sich, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben.

Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wird auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Gemäß Art 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts.

(Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, Zl. B2400/07-9)

Betreffend Ihren psychischen und physischen Zustand ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt insgesamt kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass es sich bei Ihnen um einen lebensgefährlich Erkrankten handelt und daher eine Überstellung nach Deutschland von vornherein als unzulässig angesehen werden müsste.

[ ... ]

Unterzieht man nun Ihren psychischen und physischen Zustand einer Prüfung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, so ist zunächst festzuhalten, dass durch eine Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK beispielsweise nur dann gegeben sein könnte, wenn bei Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung ein reales Risiko eines Sterbens unter qualvollen Umständen bestehen würde.

Wie im gegenständlichen Bescheid bereits angeführt, ist bei Ihnen zweifelsfrei davon auszugehen, dass Sie sich nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden.

Weiters sind für Sie bei Bedarf in Deutschland Behandlungsmöglichkeiten gegeben, ebenso ist die unerlässliche medizinische Versorgung gewährleistet, wie sich aus den Feststellungen zu Deutschland ergibt. Dass Ihnen der Zugang zu allenfalls erforderlichen Behandlungen in Deutschland verwehrt wäre, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Daher ist auch davon auszugehen, dass Sie in Deutschland ausreichenden Zugang zu ärztlicher Versorgung haben.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass laut Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 06.03.2008 der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung Ihrer durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts.

In Ihrem Fall liegen weder die vom Verfassungsgerichtshof beispielhaft angeführten und einem Transport entgegenstehenden Hindernissen, noch schwerwiegende und diesen gleichzusetzende Beeinträchtigungen vor, welche im Zusammenhang mit einem Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellten.

Es kann daher im gegenständlichen Fall zusammenfassend nicht gesagt werden, dass durch eine Rückverbringung nach Deutschland die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende Gefahr - einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde. Unter Einbeziehung Ihres psychischen und physischen Zustandes stellt Ihre Überstellung nach Deutschland keine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dar, nachdem in Deutschland die für Ihre Bedürfnisse erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten grundsätzlich bestehen und nachdem sich bei Ihnen auch keine schwerwiegenden und einem Transport nach Deutschland entgegenstehenden Beeinträchtigungen ergeben haben.

Maßgebliche Rechtsfrage ist insgesamt, ob sich durch die Durchführung der Außerlandesbringung ein gesundheitlicher Leidenszustand derart verschlechtert, dass der Schutzbereich des Art. 3 EMRK dadurch verletzt wäre. Diese hier maßgebliche Frage ist aufgrund des vorliegenden Sachverhalts, aufgrund des Vorbringens und unter Zugrundelegung von Vergleichsentscheidungen des EGMR, sowie des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, zu verneinen. Für eine Unzulässigkeit einer Außerlandesbringung aus Österreich nach Deutschland bedurfte es im Sinne des Art. 3 EMRK, gemessen an den Judikaturlinien des EGMR und des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vom 06.03.2008, einer über die bloße Möglichkeit hinausgehenden und lebensbedrohenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Von einer derartigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht bereits bei einer allenfalls überstellungsbedingt vorhandenen und vorübergehenden negativen Beeinträchtigung der Befindlichkeit eines Antragstellers auszugehen. Ein notwendigerweise zu gewährender Abschiebeschutz zur Wahrung der in Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte eines Antragstellers soll in erster Linie eine gravierende Beeinträchtigung von Leib und Leben verhindern. Fehlende gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sind nicht geeignet, einen unzumutbaren Eingriff in die in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte eines Antragstellers aufzuzeigen, wenn dort zumutbare Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Derartige zumutbare Behandlungsmöglichkeiten sind, wie bereits erörtern, für Sie in Deutschland vorhanden und zugänglich.

In Ihrem Fall wird von den österreichischen Behörden die Notwendigkeit einer Landüberstellung nach Deutschland aus medizinischen Gründen obligatorisch geprüft. Im Zuge dessen wird sowohl das Transportmittel, die Transportart als auch die Begleitung durch geeignetes Personal (Arzt, Sanitäter, etc.) im Vorfeld auf Notwendigkeit und Eignung einer entsprechenden fachlichen Beurteilung unterzogen. Darüber hinaus werden - wie in Artikel 31 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vorgesehen - alle relevanten Informationen vor Durchführung der Überstellung an Deutschland übermittelt. Somit ist gewährleistet, dass seitens der deutschen Behörden erforderliche Maßnahmen rechtzeitig ergriffen und Sie kontinuierlich medizinisch betreut werden. Anzumerken ist, dass Sie keine lebensbedrohlichen Krankheiten haben und daher auch nicht in eine lebensbedrohende Situation im Rahmen der Überstellung geraten würden.

So die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus in der Person des Asylwerbers gelegenen Gründen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist gemäß § 61 Abs. 3 FPG die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

In Ihrem Fall sind keine solchen Gründe hervorgekommen."

Die Bescheide wurden am 05.02.2020 rechtswirksam zugestellt.

Gegen die obgenannten Bescheide richtet sich die jedenfalls fristgerecht erhobene gemeinsame Beschwerde der BF, in welcher sie im Wesentlichen geltend machten, dass die 3.-BF aufgrund ihrer Erkrankung an Epilepsie und Hydrocephalus nicht sitzen und nicht gehen könne. Nach Durchführung einer Operation hätte die 3.-BF gute Aussichten, dass Gehen zu erlernen, jedoch habe sie in Deutschland keine entsprechende medizinische Behandlung erhalten. Die Familie hätte die notwendigen Behandlungen selbst bezahlen müssen, wozu sie nicht imstande sei. In Österreich habe die 3.-BF hingegen einen Behindertenausweis bekommen, was in Deutschland abgelehnt worden sei (im Hinblick darauf, dass die BF in Deutschland nicht zum Aufenthalt berechtigt waren). Aufgrund dieser Tatsachen sei eine Rücküberstellung der BF nach Deutschland nicht möglich, da der 3.-BF dort notwendige Behandlung nicht zukommen würde, was gravierende Folgen auf ihre Gesundheit hätte. Weiters sei die Transportfähigkeit der 3.-BF äußerst fraglich. Laut Befund des LK XXXX führe das sitzen zu starken Schmerzen, weshalb von langen Reisen dringend abzuraten sei. Eine Rückkehr ins Heimatland sei den BF ebenfalls nicht möglich. Das BFA habe Verfahrensvorschriften verletzt und den Sachverhalt nicht umfassend ermittelt. Zudem sei vom Deutschland keine individuelle Zusicherung eingeholt worden, dass die BF adäquat und menschenwürdig untergebracht und versorgt werden würden. Schließlich seien die Länderfeststellungen mangelhaft, ebenso wie die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung. Es müssten nicht unbedingt systemische Mängel im Asylsystem vorliegen, damit eine Überstellung von Antragstellern unzulässig sei, es kämen auch individuelle Umstände in Betracht, um eine Überstellung unzulässig zu machen, wenn eine Gefährdung von Grundrechten vorliege. Aus den dargestellten Gründen hätte die Behörde zum Schluss kommen müssen, dass der 3.-BF eine Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 3 EMRK drohen würde, sodass die Überstellung der Familie unzulässig sei.

Unter einem wurde ein Konvolut von medizinischen Unterlagen bezüglich der 3.-BF vorgelegt, wie etwa eine Bestätigung des Universitätsklinikums XXXX , aus welchem sich die festgestellten Behinderungen der 3.-BF ergeben, sowie Arztbriefe des Ambulatoriums XXXX , sowie medizinische Unterlagen vom Gesundheitsamt, Landratsamt XXXX vom Juli 2019.

Mit Fax vom 21.2.2020 übermittelte die Diakonie/Flüchtlingsdienst ein Schreiben und brachte vor, dass die Transportfähigkeit der 3.-BF nicht gegeben sei. Die BF bezogen sich damit auf ein Infoblatt des LK XXXX vom 18.2.2020, wonach die bei der 3.-BF bestehende Hüftluxation zu starken Schmerzen beim Sitzen führe, sodass "von langen Reisen in sitzender Position" dringend abzuraten sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Besondere, in der Person der BF gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Deutschland sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Lage im Mitgliedstaat an.

Die BF haben familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet durch eine Schwester der 2.-BF, es liegt jedoch kein gemeinsamer Haushalt der BF mit dieser Verwandten vor und sind auch keine wechselseitigen Abhängigkeiten erkennbar. Die Schwester der 2.-BF beschenkt die Kinder der BF fallweise mit Geschenken und unterstützt die Familie etwa bei Dolmetschertätigkeiten, ansonsten ist jedoch ein unabdingbares, wechselseitiges "Angewiesensein" nicht erkennbar, zumal die Schwester in XXXX wohnhaft ist und die BF in Bundesbetreuung in XXXX wohnen.

Die 1.- und 2.- sowie die 4.-BF leiden an keinen, insbesondere an keinen akut oder lebensbedrohenden Erkrankungen; die 3.-BF leidet an den obzitierten schon seitens des BFA festgestellten Krasnkheitsbildern (Epilepsie, schwere Mehrfachbehinderung, Hüftluxation, Sehstörung, Hydrocephalus).

Besondere Integrationsaspekte der BF sind nicht ersichtlich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den Akten des BFA, insbesondere den Eurodac-Treffern, dem deutschen Antwortschreiben im Rahmen der Dublin-Konsultationen, und dem Vorbringen der 1- und 2.-BF selbst.

Die Feststellung zur familiären Situation der BF im Bundesgebiet ergibt sich ebenfalls aus ihrem Vorbringen.

Die Feststellung zu den gesundheitlichen Zuständen der BF und zu den Integrationsaspekten ergeben sich aus ihrem Vorbringen bzw. in Bezug auf die beeinträchtigte 3.-BF in Verbindung mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Deutschland auch Feststellungen zur deutschen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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