TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/26 W127 2205895-1

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Entscheidungsdatum

26.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W127 2205895-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. FISCHER-SZILAGYI über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2018, Zl. 1135932810-161585589, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 23.11.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.11.2016 gab der damals noch minderjährige Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu an, die Taliban hätten den Beschwerdeführer und seinen Bruder aufgefordert, für sie zu kämpfen. Weil sie das nicht gewollt hätten, hätten die Taliban sie mit dem Tode bedroht, sie hätten einen Drohbrief erhalten. Aus Angst um ihr Leben hätten sie fliehen müssen. Bei einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst, von den Taliban rekrutiert und getötet zu werden.

3. Der Beschwerdeführer wurde am 05.07.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu sowie seiner gesetzlichen Vertreterin niederschriftlich einvernommen. Vorgelegt wurden mehrere Arztbriefe sowie eine Bestätigung über den Besuch einer Lehrveranstaltung vom 25.06.2018.

4. Am 19.07.2018 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme des Beschwerdeführers mit Ausführungen zur individuellen Situation sowie zur allgemeinen Situation in Afghanistan ein.

5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

In der Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht der Wahrheit entsprechen würden.

6. Hiegegen wurde Beschwerde erhoben und der gesamte Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten und wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers weder allgemein gehalten noch ein "erfundenes Gedankenkonstrukt" sei. Der minderjährige Beschwerdeführer habe die vorgefallenen Ereignisse nachvollziehbar geschildert und auf Nachfragen konkret und ausführlich geantwortet. Darüber hinaus habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt.

7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 19.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Am 19.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu und einer Vertreterin insbesondere zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Im Zuge der Verhandlung wurden Integrationsunterlagen sowie ambulante Arztbriefe vom 04.04.2019 und 06.06.2019, ein Schreiben eines Facharztes für Psychiatrie vom 04.12.2019 und eine Therapiebestätigung vom 12.02.2020 vorgelegt.

9. Am 20.2.2020 langte Stellungnahme des Beschwerdeführers zur innerstaatlichen Fluchtalternative ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt, durch Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Dokumente sowie durch Einsicht in das Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 20.09.2019 betreffend "Afghanistan - Rückkehr- und Reintegrationsunterstützung" und insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019; EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2019; EASO-Bericht "Afghanistan Security situation" vom Juni 2019; EASO-Bericht "Afghanistan Key socio-economic indicators, Focus on Kabul City, Mazar-e sharif and Herat City" vom April 2019; Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 02.09.2019; UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, 12.10.2018; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018; ecoi.net-Themendossier "Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan" vom 02.10.2019; ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif" vom 02.10.2019.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Paschtunen zugehörig und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 23.11.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan in der Provinz Laghman geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt.

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan sechs Jahre lang die Schule besucht. Er hat in Afghanistan keinen Beruf erlernt.

Der Beschwerdeführer hat nach seinen Angaben seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr zu seiner Familie sowie einem Onkel.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, arbeitsfähig, ledig und hat keine Kinder. Er hat in Österreich keine Familienangehörigen. Er besucht eine polytechnische Schule und spricht etwas Deutsch. Der Beschwerdeführer betreibt Sport und hat insbesondere in diesem Umfeld auch seinen Freundeskreis. Er ist in Österreich bisher keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist nicht lebensbedrohlich erkrankt, er leidet aber an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Schlafstörungen und Kopfschmerzen, befindet sich in medizinischer Behandlung und nimmt eine medikamentöse Behandlung sowie seit Jänner 2020 ein traumaspezifisches Psychotherapieangebot in Anspruch. Wie im Befund vom 06.06.2019 zusammengefasst sind beim Beschwerdeführer Ängste und Zwänge nicht eruierbar, er ist klar von Selbst- und Fremdgefährdung distanziert, weist aber Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie posttraumatische Kopfschmerzen auf.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung seitens der Taliban.

Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Pashtunen) bzw. aufgrund seiner Religionszugehörigkeit weder Gewalt noch Diskriminierung. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

1.3. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Paschtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Da Taliban im Allgemeinen keinen Mangel an Freiwilligen bzw. Rekruten haben, kommt es allerdings nur in Ausnahmefällen zu Zwangsrekrutierungen. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden.

Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Laghman, liegt inmitten des Hindukush-Gebirges. In der Provinz leben mehrheitlich Paschtunen. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 484.952 Personen geschätzt (CSO 2019). Ein Abschnitt der Kabul-Jalalabad Autobahn geht durch die Provinz Laghman. Laghman zählte seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001 zu den relativ friedlichen Provinzen; Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen nahmen jedoch in den letzten Jahren zu.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Es handelt sich um eine ethnisch vielfältige Provinz mit annähernd 1,5 Millionen Einwohnern. Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif sind ein Export-/Importdrehkreuz sowie regionales Handelszentrum. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif ist über einen internationalen Flughafen sicher zu erreichen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten und ruhigsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Die Taliban konnten bisher in der Provinz keinen Fuß fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt sicher erreichbar. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren in abgelegenen Distrikten aufgrund von Aktivitäten der Taliban verschlechtert, insbesondere in der Stadt Herat ist die Lage aber vergleichsweise friedlich.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre - insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes - weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land - auch hinsichtlich einer ersten Unterkunftnahme. In den Städten Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

Psychische Erkrankungen

Innerhalb der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat mentale Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt, doch der Fortschritt ist schleppend und die Leistungen außerhalb Kabuls sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden - genauso wie Kranke und Alte - gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA 4.2018). Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 2.9.2019). Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam; so existiert z.B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik (BFA 4.2018). In der staatlichen Klinik in Kabul existieren 14 Betten zur stationären Behandlung (AA 2.9.2019).

Zwar sieht das Basic Package of Health Services (BPHS) psychosoziale Beratungsstellen innerhalb der Gemeindegesundheitszentren vor, jedoch ist die Versorgung der Bevölkerung mit psychiatrischen oder psychosozialen Diensten aufgrund des Mangels an ausgebildeten Psychiatern, Psychologen, psychiatrisch ausgebildeten Krankenschwestern und Sozialarbeitern schwierig. Die WHO geht davon aus, dass in ganz Afghanistan im öffentlichen, wie auch privaten Sektor insgesamt 320 Spitäler existieren, an welche sich Personen mit psychischen Problemen wenden können (BDA 18.12.2018).

Wie auch in anderen Krankenhäusern Afghanistans ist eine Unterbringung im Kabuler Krankenhaus von Patienten grundsätzlich nur möglich, wenn sie durch Familienangehörige oder Bekannte mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln versorgt werden (AA 2.9.2019). So werden Patienten bei stationärer Behandlung in psychiatrischen Krankenhäusern in Afghanistan nur in Begleitung eines Verwandten aufgenommen. Der Verwandte muss sich um den Patienten kümmern und für diesen beispielsweise Medikamente und Nahrungsmittel kaufen. Zudem muss der Angehörige den Patienten gegebenenfalls vor anderen Patienten beschützen oder im umgekehrten Fall bei aggressivem Verhalten des Verwandten die übrigen Patienten schützen. Die Begleitung durch ein Familienmitglied ist in allen psychiatrischen Einrichtungen Afghanistans aufgrund der allgemeinen Ressourcenknappheit bei der Pflege der Patienten notwendig. Aus diesem Grund werden Personen ohne einen Angehörigen selbst in Notfällen in psychiatrischen Krankenhäusern nicht stationär aufgenommen (IOM 24.4.2019).

Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in manchen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Menschen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und unter anderem bei folgenden Organisationen behandelt werden: bei International Psychosocial Organisation (IPSO) Kabul, Medica Afghanistan und PARSA Afghanistan (BFA 4.2018).

In folgenden Krankenhäusern kann man außerdem Therapien bei Persönlichkeits- und Stressstörungen erhalten: Mazar-e -Sharif Regional Hospital: Darwazi Balkh; in Herat das Regional Hospital und in Kabul das Karte Sae mental hospital. Wie bereits erwähnt gibt es ein privates psychiatrisches Krankenhaus in Kabul, aber keine spezialisierten privaten Krankenhäuser in Herat oder Mazar-e Sharif. Dort gibt es lediglich Neuropsychiater in einigen privaten Krankenhäusern (wie dem Luqman Hakim private hospital), die sich um diese Art von Patienten tagsüber kümmern (IOM 26.4.2019). In Mazar-e Sharif existiert z.B. ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (BFA 4.2018).

Es gibt keine formelle Aus- oder Weiterbildung zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Psychische Erkrankungen sind in Afghanistan weiterhin hoch stigmatisiert, obwohl Schätzungen zufolge 50% der Bevölkerung psychische Symptome wie Depression, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörung zeigen (AA 2.9.2019).

Neben Problemen beim Zugang zu Behandlungen bei psychischen Erkrankungen bzw. dem Mangel an spezialisierter Gesundheitsversorgung sind falsche Vorstellungen der Bevölkerung über psychische Erkrankungen ein wesentliches Problem (BDA 18.12.2018). Psychisch Erkrankte sind oftmals einer gesellschaftlichen Stigmatisierung ausgesetzt (BDA 18.12.2018).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit und Schulbildung des Beschwerdeführers sowie zu seinen verwandtschaftlichen Beziehungen in Afghanistan beruhen auf den diesbezüglich plausiblen und im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und den damit in Einklang stehenden Angaben des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich der Feststellungen zu dem aktuellen Privat- und Familienleben sowie insbesondere der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden v.a. das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie die vorgelegten Nachweise den Feststellungen zugrunde gelegt. Die Unbescholtenheit ergibt sich aus der Strafregisterauskunft vom 17.02.2020.

Die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers ergibt sich aus den von ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen, wonach er - wenn auch nicht regelmäßig (siehe Schreiben des Facharztes für Psychiatrie vom 04.12.2019) - Medikamente einnimmt und seit einem Monat eine traumaspezifische Psychotherapie (bisher eine Sitzung) besucht. Der Grund für die posttraumatische Belastungsstörung wird in der Sorge um die Familie (Befundbericht 10.05.2017) und dem Tod der Mutter (Arztbrief 09.11.2017) gesehen. Auch hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gesagt, dass er die Probleme erst habe, seit er in Österreich sei (siehe diesbezüglich auch Arztbrief vom 04.04.2019). Dennoch äußerte er selbst den Wunsch und die Bereitschaft zu arbeiten, er besucht eine Schule und betreibt regelmäßig Sport.

Zur Verfügbarkeit medizinischer Versorgung ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass die primäre Gesundheitsversorgung prinzipiell, wenn auch nicht flächendeckend und von variierender Qualität, kostenfrei verfügbar ist. Zudem besteht die Möglichkeit privater Behandlung. Insbesondere ist die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers (posttraumatische Belastungsstörung) in Afghanistan behandelbar. In Mazar-e Sharif existiert etwa ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) sowie ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Alle Provinzkrankenhäuser bieten landesweit kostenfreie psychologische Beratungen an. Mental erkrankte Personen können etwa beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und einigen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden.

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Vorab ist festzuhalten, dass es Aufgabe des Asylwerbers ist, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrechtlich relevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Die Aussage des Asylwerbers stellt die zentrale Erkenntnisquelle dar und ist daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit.

Im gegenständlichen Verfahren wird berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Erstbefragung und seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (mündiger) Minderjähriger war.

Im Vorbringen des Beschwerdeführers haben sich einige Ungereimtheiten ergeben - beispielsweise Widersprüche dahingehend, ob der Beschwerdeführer selbst von den Taliban einmal mitgenommen wurde, ob der Dorfälteste ein Taliban gewesen ist oder ob die Familie einen Drohbrief erhalten hat

Aber selbst unter Wahrstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr in seine Heimatprovinz erneut einer Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt wäre, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch die Taliban im gesamten Staatsgebiet Afghanistans nicht glaubhaft machen konnte. Dem Beschwerdeführer würde jedenfalls eine Möglichkeit offenstehen, sich in den Großstädten Herat und Mazar-e Sharif niederzulassen. Eine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban in diesen beiden Städten kann nicht erkannt werden, hat doch der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, dass er aufgrund besonderer Umstände, die in seiner Person oder seiner Familie liegen, von den Taliban gezwungen wurde, mit ihnen mitzukämpfen, sondern dass dies auch für andere Söhne im Dorf und in der Umgebung gegolten hat. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass es den Taliban möglich und wichtig wäre, den Beschwerdeführer in ganz Afghanistan und insbesondere in den Großstädten Herat und Mazar-e Sharif zu suchen und zu finden, dies auch vor dem Hintergrund der amtsbekannten Gegebenheit, dass Afghanistan kein zentrales Bevölkerungsregister hat (vgl. auch EASO COI Report Afghanistan: Networks - Arbeitsübersetzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand Jänner 2018).

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner rechtswidrigen Ausreise und seiner Asylantragstellung sowie aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein Vorbringen zu diesbezüglich bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Auch sonst sind keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine individuelle Bedrohung des (bereits volljährigen) Beschwerdeführers hervorgekommen.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten.

Der Beschwerdeführer hat zu den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten Stellung genommen, ist diesen jedoch nicht entgegengetreten. Es wurden auch keine Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur Lage im Herkunftsstaate des Beschwerdeführers Zweifel aufkommen ließen. Zu der in der Stellungnahme vom 20.02.2020 angeführten Stahlmann-Studie aus dem Jahr 2019 ist auszuführen, dass auch aus dieser nicht hervorgeht, dass jeder Rückkehrer generell in besonderer Form von Gewalt und Bedrohungen betroffen wäre.

Auch hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf die EASO-Leitlinien vom Juni 2019, denen etwa bezüglich der Stadt Herat (Seite 100) Folgendes zu entnehmen ist (hinsichtlich der im Wesentlichen gleichlautenden Ausführungen betreffend die Provinz Balkh - einschließlich der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif - siehe Seite 93 des Berichtes): "In the provincial capital of Herat city, indiscriminate violence is taking place at such a low level, that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence."

Für die Städte Herat und Mazar-e Sharif geht EASO hinsichtlich "single able-bodied adult men" ebenfalls von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

Im Hinblick auf die Auswirkungen der insbesondere im Jahr 2018 auch die Provinzen Herat und Balkh betreffenden Dürre auf die dortige Versorgungslage (vgl. auch UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, S. 125 f) ist den vorliegenden Länderberichten nicht zu entnehmen, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in den Provinzhauptstädten Mazar-e Sharif und Herat nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre, zumal die von der Dürre betroffenen Menschen von nationaler und internationaler Seite insbesondere mit Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser unterstützt werden bzw. die Nahrungsmittelpreise - insbesondere die Preise für Getreide und Brot - relativ stabil geblieben sind (vgl. ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und Kognitionsbefugnis:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

Wie oben ausgeführt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine begründete Furcht vor einer konkret gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung darzutun. Es ist daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Eingriffe von erheblicher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre ausgesetzt wäre. Zudem ist den Länderberichten zu entnehmen, dass die allgemeine Lage in Afghanistan nicht dergestalt ist, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht (vgl. die unten stehen Ausführungen zu § 8 Abs. 3 AsylG 2005).

Selbst wenn man dem Vorbingen des Beschwerdeführers betreffend eine Bedrohung durch Zwangsrekrutierung seitens der Taliban folgt, ist unter Berücksichtigung der Länderberichte und der Umstände des vorliegenden Falles nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch in anderen Teilen Afghanistans, insbesondere den Großstädten Mazar-e Sharif und Herat, gesucht und gefunden werden könnte. Ein nach wie vor im Falle seiner Rückkehr bestehendes Verfolgungsinteresse an dem Beschwerdeführer kann als in hohem Maße unwahrscheinlich angesehen werden: Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan nach eigenen Angaben bereits Anfang 2016. Auch lässt sich den Schilderungen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren kein Hinweis dahingehend entnehmen, dass dieser für die Taliban eine derartige Bedeutung besessen hätte, als dass sie diesen Jahre später auch in anderen Landesteilen ausfindig machen und gezielt verfolgen würden. Aus den Länderfeststellungen geht zwar hervor, dass in Afghanistan Zwangsrekrutierungen sowohl seitens der Taliban als auch des IS in von ihnen beherrschten Gebieten möglich sind. Es wird in den Länderberichten auch von Zwangsrekrutierungen von Kindern bzw. Jugendlichen durch - insbesondere irreguläre - Teile der Regierungsstreitkräfte berichtet. Daraus, aus sonstigen Länderberichten (vgl. etwa Landinfo, Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban, vom 29.06.2017 [BFA Arbeitsübersetzung]: "Es sind Fälle von Zwangsrekrutierung dokumentiert, sie bilden allerdings die Ausnahme. Die Rekrutierung durch die Taliban ist nicht durch Zwang, Drohungen und Gewalt gekennzeichnet.") sowie aus dem notorischen Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes ist jedoch nicht abzuleiten, dass jedes Kind oder jeder Jugendlicher bzw. junger Erwachsener bei einer Rückkehr - ohne Hinzutreten individueller, gefahrenerhöhender Umstände - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt wäre. Auch in den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 wird im Zusammenhang mit Zwangsrekrutierung darauf hingewiesen, dass bei Männern im wehrfähigen Alter und Kindern, die in Gebieten leben, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte befinden oder in denen regierungsnahe und regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) und/oder mit dem Islamischen Staat verbundene bewaffnete Gruppen um die Kontrolle kämpfen, je nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann. Von einer Gruppenverfolgung aller Minderjähriger bzw. junger Erwachsener, die den genannten Kategorien unterfallen, ist demzufolge nicht auszugehen. Dies gilt auch für eine sonstige altersspezifische Gefährdung des Beschwerdeführers, wobei an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen ist, dass der Beschwerdeführer mittlerweile volljährig ist.

Zu der in der Beschwerde angeführten Verfolgungsgefahr wegen Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe der psychisch Kranken ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, in diesem Zusammenhang eine konkrete auf seine Person bezogene Verfolgung darzustellen. Die Qualifizierung des Beschwerdeführers als Angehöriger einer "sozialen Gruppe psychisch kranker Personen in Afghanistan" scheitert zudem bereits daran, dass diese Eigenschaft kein besonders geschütztes unveränderbares Merkmal (und jedenfalls auch kein angeborenes Merkmal) darstellt. Es ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass keine Veränderungsmöglichkeit der Situation gegeben ist und es sich daher nicht um ein unveränderbares Merkmal handelt. Zudem macht das Vorliegen einer psychischen Erkrankung den Beschwerdeführer nicht zum Mitglied einer von der Gesellschaft insgesamt hinreichend unterscheidbaren und deutlich identifizierbaren Gruppe. Als gemeinsames Merkmal wäre somit das Vorliegen einer psychischen Erkrankung zu sehen, zumal eine Gruppe "psychisch kranker Personen" die unterschiedlichsten Arten und sämtliche Schweregrade psychischer Erkrankungen erfassen würde.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers, die sich in seinem Fall insbesondere durch Schlafstörungen und Kopfschmerzen als Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung äußert, weder um ein angeborenes Merkmal noch um einen unveränderbaren Hintergrund. Darüber hinaus hat gerade diese Gruppe "psychisch kranker Personen" - aufgrund der Diversität an psychischen Erkrankungen, die bei jedem daran erkrankten Menschen unterschiedlich ausgeprägt sind und zu Tage treten, und der oft mangelnden Wahrnehmbarkeit der Krankheit für Außenstehende - keine derart ausgeprägte Identität, die sie innerhalb der afghanischen Gesellschaft deutlich abgegrenzt erscheinen lassen würde. Insofern kann im konkreten Fall nicht von einer (auch nur relativ) homogenen "Gruppe" von Personen, die eine wie bereits dargelegte Verfolgung zu befürchten hätten, im Rechtssinn gesprochen werden. Schlussendlich würde eine derartig extensive Interpretation auch die in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK getroffene Beschränkung der für die Asylgewährung erforderlichen Verfolgungsgründe unterlaufen.

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung angesichts der in den jeweiligen Revisionsfällen getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (ungeachtet der darin beschriebenen Härten der Lage von Personen mit geistiger Behinderung) keine systematische Verfolgung psychisch erkrankter Personen in Afghanistan angenommen (vgl. VwGH 14.02.2019, Ra 2018/18/0442-9, VwGH 19.6.2018, Ra 2018/20/0262 sowie VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0461).

Aufgrund dieser Erwägungen scheidet die Annahme einer sozialen Gruppe "psychisch kranker Personen in Afghanistan" aus.

Anhaltspunkte für eine Verfolgung aufgrund der Volksgruppe bzw. Religion des Beschwerdeführers - der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Pashtunen an und ist sunnitischer Muslim - haben sich weder im Verfahren ergeben noch hat eine solche der Beschwerdeführer selbst vorgebracht. Auf das in der Beschwerde enthaltene spezifische Vorbringen betreffend die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ist nicht weiter eine einzugehen, da der Beschwerdeführer mittlerweile volljährig ist.

Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Gemäß Artikel 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, verwies auf § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (im Folgenden: FrG) wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliegt. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwN). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 17.07.2008, 2007/21/0366). Diese Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

Es bedarf im Rahmen einer Einzelfallprüfung einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz - bezogen auf den Einzelfall - nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, jeweils mit mwN).

Nach einer Amtsrevision hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, darauf hingewiesen, dass weder in den UNHCR-Richtlinien vom April 2016 noch in den dazu ergangenen Anmerkungen vom Dezember 2016 die Rede von einem "gesicherten" Zugang zu den genannten Kriterien ist und völlig offen bleibt, worin ein solcher besteht oder von wem ein solcher erteilt werden könnte. Weiters mag es zutreffen, dass alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie finanzieller Unterstützung in Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert seien. Jedoch entsprechen die konkret auf die Person des Mitbeteiligten (im entsprechenden VwGH-Verfahren) bezogenen Feststellungen den von UNHCR geforderten "bestimmten Umständen", nach denen es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben.

Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, widerspricht es der Statusrichtlinie, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Artikel 3 EMRK gestützt sind. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, ist (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Artikel 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht. Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Artikel 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Artikel 3 Statusrichtlinie entgegen der Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

Mit Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der Statusrichtlinie zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Der Verwaltungsgerichtshof halte daher an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann.

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses bei der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan. Nach den Ergebnissen des Verfahrens ist - wie oben bereits dargestellt - davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer weder aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründe sein Land verlassen hat noch, dass er im Falle seiner Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne von Artikel 2 oder Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre, die eine Zuerkennung subsidiären Schutzes notwendig machen würde. Denn auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK iVm § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid gg. das Vereinigte Königreich und Henao gg. die Niederlande, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0272) hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist (vgl. auch VwGH 21.02.2017, Ra 2017/18/0008). Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2016/01/0153; 23.03.2017, Ra 2017/20/0038, 0039, mwN unter anderem auf das Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien).

Im konkreten Einzelfall liegen keine Hinweise dafür vor, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan der Zugang zu effektiver ärztlicher Versorgung verwehrt wäre. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die psychische Beeinträchtigung des Beschwerdeführers in jener besonderen Schwere vorliegt, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes zu Artikel 3 EMRK eine Abschiebung nach Afghanistan und eine Ansiedlung in den Städten Herat und Mazar-e Sharif als unmenschliche Behandlung erscheinen ließen. Den Länderfeststellungen ist zwar zu entnehmen, dass es in Afghanistan landesweit nach wie vor u.a. an ausreichenden Ärzten sowie Fachpersonal mangelt, sich die medizinische Versorgung in Afghanistan jedoch in den letzten Jahren stark verbessert hat und grundsätzlich vorhanden ist; auch die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. Es existieren aber u.a. in Mazar-e Sharif neben einem privaten neuropsychiatrischen Krankenhaus (Alemi Hospital) auch ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus und in Kabul eine weitere psychiatrische Klinik sowie in den staatlichen Kliniken Betten zur stationären Behandlung. Schließlich zeigte der Beschwerdeführer nicht auf, dass seine Krankheit jene vom EGMR in der Rechtssache Paposhvili gegen Belgien beschriebene Schwere und Intensität aufweist, welche dazu führen könnte, dass bei einer Abschiebung die hohe Schwelle des Artikel 3 EMRK überschritten würde (vgl. dazu VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0325, mwN).

Auch ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; EGMR Husseini gg. Schweden vom 13.10.2011, Beschwerdenummer 10611/09, Ziffer 84, sowie das Erkenntnis des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3 EMRK verstoße würde: EGMR A.G.R. gg. die Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 - dazu Bezug habend VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; sowie jüngst - seine bisherige Rechtsprechung fortsetzend - EGMR 11.7.2017, E.P. und A.R. gg. Niederlande, Nr. 43538/11 und 63104/11; so etwa auch in inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11. Senat, 11.04.2018, A 11 S 1729/17).

Die Zumutbarkeit des Aufenthaltes in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Artikel 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Dabei ist wiederum eine Einzelfallprüfung durchzuführen, denn ein Antragsteller kann nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 13.09.2013, U 370/2012; 12.03.2013, U 1674/12; 12.06.2013, U 2087/2012).

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass Herat und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, hinreichend sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Städte sind. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über diese Städte auch der Zugang zu Unterkunft und grundlegender Versorgung sowie zu Erwerbsmöglichkeiten ist jeweils noch in ausreichendem Umfang gewährleistet.

Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es der Beschwerdeführer aufgrund seiner Kopfschmerzen und Schlafstörungen - auch unter Berücksichtigung der erstmals in der Beschwerdeverhandlung vorgebrachten Anfällen mit Bewusstlosigkeit (aus keinem der vorgelegten ärztlichen Dokumenten ergeben sich Hinweise auf solche Anfälle) - unter Umständen schwerer haben kann, eine Arbeit zu finden, ist dennoch nicht davon auszugehen, dass er überhaupt keine Möglichkeit hat, bei einer Neuansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif z.B. durch Gelegenheitsarbeiten für ein ausreichendes Leben zu sorgen. Der Beschwerdeführer gehört darüber hinaus keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung. Er kann zudem allenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, wodurch er Unterstützung für die Existenzgründung bei einer Rückkehr erlangen kann. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Hinweise. Insgesamt bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation von Rückkehrern nicht, dass sich insbesondere die Arbeitssuche und die Wohnraumbeschaffung in Herat oder Mazar-e Sharif zunehmend schwierig gestalten. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen (vgl. hiezu auch EASO COI Report "Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City" vom August 2017, u.a. Pkt. 2.2.2. bzw. 2.3.3., bzw. auch EASO COI Report "Afghanistan - Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City" vom April 2019, S. 27 ff). Wie aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, dem Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 20.09.2019 bzw. auch aus dem IOM-Informationsblatt "RESTART II - Reintegrationsunterstützung für Freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und Iran" hervorgeht, können Rückkehrer finanzielle Unterstützung und Unterstützung bei Aus- u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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