Entscheidungsdatum
28.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W182 2228914-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2020, Zl. 1252331004/191170267, nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. - VII. des angefochten Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, §§ 9, 18 Abs. 1 Z 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, und 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG idgF insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots auf 12 Monate herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an, ist ohne religiöses Bekenntnis, und stellte am 15.11.2019 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.11.2019 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen befragt vor: "Meine Familie war arm." Danach befragt, was er bei einer Rückkehr ins Herkunftsland befürchte, brachte er vor: "Ich bin schon viele Jahre im Ausland. Ich kann nicht mehr zurück nach China! Ich kann nur mehr betteln." Laut eigenen Angaben würde der BF sich seit 1988 abwechselnd in der Slowakei und Polen aufhalten und würde über ein gültiges Visum für Polen verfügen. Seine Dokumente seien ihm während einer Zugreise in Österreich gestohlen worden. Im Herkunftsland würden sich seine Eltern, ein Bruder, eine Schwester, seine Ex-Frau sowie eine volljährige Tochter und ein minderjähriger Sohn aufhalten. Zu seiner Berufsausbildung und seinem zuletzt ausgeübten Beruf gab der BF Koch an. Zu seiner Identität gab er den an zweiter Stelle im Spruch genannten Namen sowie das an zweiter Stelle im Spruch genannte Geburtsdatum an.
Laut einer Anfragebeantwortung der slowakischen Behörden im Rahmen eines Konsultationsverfahren nach der Dublin Verordnung vom 19.12.2019 existieren hinsichtlich des BF weder Fingerabdrücke noch Eintragungen, wobei ihm auch kein Visum oder ein sonstiger Aufenthaltstitel für die Slowakei ausgestellt wurde. Eine Anfragebeantwortung der polnischen Behörden im Rahmen eines Konsultationsverfahren nach der Dublin Verordnung vom 27.11.2019 kam hinsichtlich des BF in Bezug auf Polen zum gleichen Ergebnis, wobei ausdrücklich erklärt wurde, dass dem BF weder ein Visum noch ein Aufenthaltstitel ausgestellt wurde.
In einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 22.01.2020 brachte der BF auf die Frage, aus welchem Grund er sein Herkunftsland verlassen und einen Asylantrag gestellt habe, vor: "Es gibt keinen bestimmten Grund. Ich will nicht nur als Bauer arbeiten, ich will ein besseres Leben haben." Auf Nachfragen erklärte er, dass er all seine Gründe für die Asylantragstellung vorgebracht habe. Er habe in China als Bauer gearbeitet. Sie hätten von ihren Feldern, Gemüse und Tieren gelebt. Er sei in China 6 Jahre in der Volksschule und 6 Jahre in einem Gymnasium gewesen. Er sei von seiner Frau noch nicht geschieden, aber quasi getrennt. Er habe zwei Töchter. Seine Kinder würden sich wie seine Eltern, sein Bruder, seine Schwester und seine Frau im Herkunftsland aufhalten. Er habe jedoch keinen Kontakt mehr. Gesundheitlich gehe es dem BF - abgesehen von Schmerzen am Fuß - gut. Dazu legte er einen Arztbrief vor, wonach er am XXXX über eine Treppe gestürzt sei, sich am rechten Fuß (Abruptio) verletzt habe, nach einer Kontrolle am 10.01.2020 jedoch subjektiv beschwerdefrei gewesen sei. Als Therapie wurde zuletzt Schonung für noch 2 Wochen und festes Schuhwerk verordnet. Der BF sei arbeitsfähig. Zu seiner Identität befragt gab der BF den an erster Stelle im Spruch genannten Namen sowie das an erster Stelle im Spruch genannte Geburtsdatum an. Auf Vorhalt seiner diesbezüglich abweichenden Angaben in der Erstbefragung erklärte er, dass er "bei der Verhaftung" eine andere Identität und ein anderes Geburtsdatum angegeben habe. Er habe in den neunziger Jahren - wahrscheinlich 1993 - das Herkunftsland verlassen und habe sich in Bosnien, der Slowakei und Polen aufgehalten. 2015 habe er einen polnischen Aufenthaltstitel bekommen. Seit Juli oder August 2018 sei er in Österreich. Der BF habe in Österreich in einem Restaurant gearbeitet, sei jedoch dort bei der "Schwarzarbeit" aufgegriffen worden. Der BF lebe von der Grundversorgung. Er spreche nicht Deutsch und besuche auch keine Kurse. Dem BF seien alle seine Dokumente gestohlen worden.
Zuvor wurde dem BF mit Schreiben des Bundesamtes vom 07.01.2020 das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zu China, Gesamtaktualisierung 16.12.2019, übermittelt und ihm dazu die Möglichkeit eingeräumt, bis zur Einvernahme schriftlich ansonsten mündlich in der Einvernahme Stellung zu nehmen, wovon kein Gebrauch gemacht wurde. Nachgefragt erklärte der BF in der Einvernahme, dazu nichts zu sagen zu haben.
1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen, oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die VR China zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde unter Spruchpunkt VI. ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise des BF bestehe. Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Das Bundesamt ging davon aus, dass die Identität des BF mangels vorgelegter Personaldokumente nicht feststehe. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Situation im Fall der Rückkehr des BF wurde festgestellt, dass keine asylrelevante Verfolgung iSd Gründe der GFK festgestellt werden haben können. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass aus dem ganzen Vorbringen des BF sich nicht der geringste Anhaltspunkt auf das Vorliegen einer Gefährdung seiner Person durch den chinesischen Staat bzw. einer Gefährdung, vor der ihn zu schützen der chinesische Staat nicht fähig oder willens wäre, ergebe. Aus seinem Vorbringen, nämlich China verlassen zu haben, um ein besseres Leben führen zu können, sei weder ein Asylstatus noch subsidiäre Schutzberechtigung herzuleiten, noch sei jenes Vorbringen dazu geeignet, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Weiters wurde festgestellt, dass der BF in seinem Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge, arbeitsfähig sei, wobei die elementare Grundversorgung in seinem Herkunftsland gewährleistet sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Fall des BF schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen. Was die Erwerbsfähigkeit des BF betreffe, sei anzumerken, dass es sich in seinem Fall um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann handle, weshalb zusammenfassend jedenfalls davon auszugehen sei, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sein werde, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht über anfängliche Schwierigkeiten hinaus in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten werde. Der BF sei in seinem Heimatland keiner existenziellen Notlage ausgesetzt, nachdem er dort keine Verfolgung zu befürchten habe, Erwerbsfähigkeit gegeben sei und sich auch aus der allgemeinen Lage in seinem Heimatland nicht ergebe, dass praktisch jede dorthin zurückkehrende Person in eine existenzgefährdende Lage gerate. Zum Privat- und Familienleben des BF wurde aufgrund seiner Angaben festgestellt, dass er seit kurzer Zeit in Österreich sei, hier keine Angehörigen bzw. Verwandten und keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden, habe. Er sei nicht berufstätig und in einer vom österreichischen Staat zur Verfügung gestellten Unterkunft für Asylwerber untergebracht. Er verfüge über keine Deutschkenntnisse und sei weder Mitglied in einem Verein noch einer Organisation. Das Bundesamt kam in einer Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des BF überwiegen. Die Entscheidung hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde auf § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass der BF keine Verfolgungsgründe vorgebracht habe. Das Einreisverbot wurde auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass der BF nicht in der Lage gewesen sei, Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen, bzw. mit einer Gesamtbeurteilung seines Verhaltens gerechtfertigt. Die vom Bundesamt im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zu China, Gesamtaktualisierung 16.12.2019, die dem BF bereits mit Schreieben vom 07.01.2020 zu Kenntnis gebracht wurden.
Mit Verfahrensanordnung vom 05.02.2020 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
1.3. Gegen den Bescheid wurde seitens der Rechtsvertretung des BF für diesen binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wurde der gegenständliche Bescheid zur Gänze angefochten und ausgeführt, dass dem BF eine Rückkehr nach China aufgrund der derzeitigen Situation hinsichtlich der Ausbreitung des Corona Virus nicht zumutbar wäre. Dazu wurde auf die Homepage des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten in Bezug auf China mit Stand 17.02.2010 verwiesen. Laut der dort enthaltenen Informationen werde bei Reisen nach China ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Corona Virus und der damit einhergehenden Verkehrsbeeinträchtigungen hingewiesen. Es werde dazu geraten, nicht notwendige Reisen zu verschieben bzw. eine vorzeitige Ausreise aus China in Erwägung zu ziehen, falls dem keine unerlässlichen Aufgaben entgegenstehen. Weiters werde mit einer partiellen Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) vor Reisen in der Provinz Hubei aufgrund der Ausbreitung des Corona Virus gewarnt. Der BF würde aus der Provinz Zheijang stammen. Dazu wurden in der Beschwerde teilweise Informationen, die auf der Homepage des deutschen Auswärtigen Amtes mit Stand 17.02.2010 veröffentlicht wurden, wiedergegeben, wonach u.a. insbesondere in der Provinz Zheijang Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit unterschiedlichen Ausmaßes verhängt seien. Dazu wurde weiter ausgeführt, dass derzeit nicht absehbar sei, inwiefern sich das Corona Virus weiter ausbreite, weshalb nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in China ausgegangen werden könne. Bei einer entsprechenden Berücksichtigung der aktuellen Situation in China hätte dem BF zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Zum Einreisverbot wurde ausgeführt, dass der BF wie der Großteil der Asylwerber nicht die Mittel für seinen Unterhalt nachweisen könne, jedoch gegen ihn - im Gegensatz zu anderen Asylwerbern - ein Einreiseverbot erlassen worden sei. Dies widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, weshalb das Einreiseverbot aufzuheben bzw. zumindest herabzusetzen sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zum individuellen Vorbringen der BF:
Aufgrund der der Entscheidung zugrunde liegenden Akten des Bundesamtes samt Beschwerdeschrift steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der BF ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an und ist ohne religiöses Bekenntnis.
Die Identität des BF steht nicht fest. Er hält sich seit 2018 im Bundesgebiet auf. Er konnte weder einen Aufenthaltstitel noch ein Visum nachweisen.
Der BF bezieht seit 15.11.2019 Grundversorgung. Davor hat der BF seinen Aufenthalt durch Schwarzarbeit finanziert.
Der BF ist aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen.
Der BF hat im Herkunftsland 12 Jahre Schulbildung (Volksschule/Gymnasium) genossen und als Bauer gearbeitet. Im Herkunftsland halten sich die Eltern, 2 Geschwister, 2 Kinder sowie die Ehefrau des BF auf.
Der BF ist bis auf eine Fußverletzung, deren Behandlung im Wesentlichen abgeschlossen wurde, gesund. Er ist arbeitsfähig.
Der BF verfügt über keine Deutschkenntnisse und ist im Bundesgebiet bisher keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Es halten sich auch keine Familienangehörigen oder ihm besonders nahestehenden Personen in Österreich auf.
1.2. Zur Situation im Herkunftsland VR China:
Politische Lage
Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,385 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2018) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 20.11.2019).
China ist in 22 Provinzen, fünf Autonome Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) untergliedert (AA 3.2019a). Hongkong hat seit dem Souveränitätsübergang vom Vereinigten Königreich auf die Volksrepublik China zum 1. Juli 1997 den Status einer Sonderverwaltungsregion (Special Administrative Region - SAR). Grundlage für den Souveränitätsübergang ist die von den beiden Regierungschefs am 19. Dezember 1984 in Peking unterzeichnete ?Gemeinsame Erklärung'. Nach dem dort verankerten Prinzip 'Ein Land, zwei Systeme' kann Hongkong für 50 Jahre sein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem aufrechterhalten und genießt einen hohen Grad an politischer und rechtlicher Autonomie. Zum 1. Juli 1997 trat auch das Hongkonger "Basic Law" in Kraft und löste die koloniale Verfassung ab. Macau wurde nach einem ähnlichen Abkommen am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Vereinigung mit Taiwan zur "Wiederherstellung der nationalen territorialen Integrität" bleibt eines der erklärten Kernziele chinesischer Politik (AA 3.2019a).
Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 3.2019a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 13.3.2019). Die KP ist die allbestimmende politische Kraft. Der 19. Parteitag hat im Oktober 2017 ein neues Zentralkomitee (ZK) gewählt, dem alle wichtigen Entscheidungsträger in Staat, Regierung, Armee und Gesellschaft angehören. Xi Jinping ist seit 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas. Das Zentralkomitee wiederum wählt das Politbüro (25 Mitglieder) und den Ständigen Ausschuss des Politbüros (derzeit 7 Mitglieder). Letzteres ist das ranghöchste Parteiorgan und gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor durch die Parteiführung erarbeitet, wobei über das genaue Verfahren und dessen Grad der Formalisierung keine Klarheit besteht (AA 3.2019a vgl. USDOS 13.3.2019).
Xi Jinping ist zudem Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte, die seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind. Der 2018 erneut gewählte Ministerpräsident Li Keqiang leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (AA 3.2019a).
Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt (FH 2.2019a). Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der Nationale Volkskongress (NVK) ist formal das gesetzgebende Organ der VR China. Er tagt als Plenum einmal jährlich und beschließt mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren nationale Gesetze (LVAk 9.2019). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung (FH 1.2017a). Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 2.2019a). Eine parlamentarische Opposition zur KPCh gibt es nicht (AA 14.12.2018). Es gibt weitere acht kleine "demokratische Parteien", die auch im Nationalen Volkskongress, aber vor allem in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes vertreten sind. Deren Vorsitzender ist Wang Yang. Das Gremium unter Führung der KP Chinas hat lediglich beratende Funktion (AA 3.2019a).
Der Nationale Volkskongress hat mit seiner ersten Sitzung der 13. Legislaturperiode (5. - 20. März 2018) Xi Jinping erneut zum Staatspräsidenten gewählt (AA 3.2019a). Xi Jinping ist Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte (AA 3.2019a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 13.3.2019). Präsident Xi Jinping hat seine Absicht bekundet, auf unbestimmte Zeit zu regieren, nachdem die chinesische Legislative im März 2018 die Verfassung geändert hatte, um die Amtszeit für die Präsidentschaft zu verkürzen (HRW 17.1.2019). Vorrangige Ziele der chinesischen Führung sind die Entwicklung des "Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter" und die Verwirklichung des "chinesischen Traums vom großartigen Wiederaufstieg der chinesischen Nation". Die Wahrung der politischen und sozialen Stabilität unter Führung der Partei gilt als wichtigstes Ziel der KP Chinas. Die strenge Führung durch die Partei soll dabei in allen Bereichen der Gesellschaft durchgesetzt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reform und Stärkung der Partei. Schwerpunkte sind der Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft sowie die Stärkung der zentralen Kontrolle der Parteiführung.
Die von Deng Xiaoping im Jahr 1978 verkündete Ära von "Reform und Öffnung" hat China eine lange Phase anhaltend hohen Wachstums gebracht. Vor dem 40-jährigen Jubiläum von "Reform und Öffnung" im Dezember 2018 scheinen die wirtschaftlichen Reformanstrengungen jedoch weitgehend zum Erliegen gekommen zu sein. Angesichts der dramatischen Herausforderungen durch den demografischen Wandel, die Umweltbelastungen und die weiter zunehmende soziale Ungleichheit erscheint eine Fortsetzung der Reformagenda umso dringlicher. (AA 3.2019a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.2019a): China - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/-/200846, Zugriff 26.9.2019
- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019
- CIA - Central Intelligence Agency (20.11.2019): The World Factbook - China, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 20.11.2019
- FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019
- FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 21.10.2019
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002248.html, Zugriff 22.10.2019
- LVAk - Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.190
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html, Zugriff 14.10.2019
Sicherheitslage
Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China auch 2018 zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Ländereien oder die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen. Nachdem die Anzahl sogenannter "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg mit großer Geschwindigkeit zunahm, werden hierzu seit 2008 (> 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet, einer von ihnen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 14.12.2018)
China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem (z.B. Social Credit System) sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019
- LVAk - Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html, Zugriff 14.10.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 14.12.2018). In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und bei verdächtigen Todesfällen in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 11.2019; vgl. FH 2.2019a).
Menschenrechtsanwälte äußern Besorgnis darüber, dass Rechtsanwälte und Aktivisten weiterhin nach Inhaftierung verschiedenen Formen von Folter, Misshandlung oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind. Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren berichten von systematischer Folter und anderer erniedrigender Behandlung durch im Strafvollzug und in den Internierungslagern beschäftigte Beamte (USDOS 13.3.2019).
Die chinesische Führung erklärte am 4. Parteiplenum 2014 zum Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, oder einzelne Polizisten nach tödlicher Folter (und öffentlicher Empörung) entlassen werden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 11.2019; vgl. AI 22.2.2018).
Das revidierte Strafverfahrensrecht verbietet die Verwendung von Geständnissen und Zeugenaussagen, die unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommen sind (neuer Art. 53), sowie sonstiger illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 14.12.2018). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 2.2019a). Von Medien, Menschenrechtsgruppen, Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft und Uiguren wird über die Anwendung von Gewalt und Folter gegen Uiguren in Umerziehungszentren berichtet (DFAT 3.9.2019).
Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 14.12.2018).
Quellen:
- -AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019
- -AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424999.html , Zugriff am 23.10.2019
- -DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 22.11.2019
- -FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019
- -ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China
- -USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html , Zugriff 14.10.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an, darunter die Konvention gegen Folter. Die VR China hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte 1998 zwar unterzeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert.(AA 3.2019a).
Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der KPCh oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Seit dem Führungswechsel im März 2013 ist ein noch einmal verstärkt repressives Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber Kritikern der Regierung oder der Partei zu beobachten. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u.a. Hausarrest, willkürliche Haft in sogenannten schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige durch Bedrohungen bis hin zur "Sippenhaft"; in einigen Fällen wurden lange Haftstrafen verhängt. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die Kommunistische Partei, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein - noch so loses - Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 14.12.2018).
Oberstes Ziel ist die Aufrechterhaltung "sozialer Stabilität", die aus Sicht der chinesischen Führung unerlässlich für die weitere Entwicklung des Landes ist (AA 14.12.2018).
Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (zum Beispiel Unschuldsvermutung, Recht auf Verteidigung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich (AA 3.2019a).
Häufig kommen Übergriffe lokaler Amtsträger bzw. von denen beauftragter Dritter vor, die im Ergebnis den Zielen der Regierungspolitik entsprechen oder der Wahrung des Einkommens dieser Personen dienen. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Auch Journalisten sind von solchen Fällen betroffen, zum Teil werden offen Kopfgelder ausgesetzt, ohne dass dies rechtliche Konsequenz hat (AA 14.12.2018).
Chinas wissenschaftliches Entwicklungskonzept hält auch Einzug in die "Soziale Steuerung" durch und für die Partei. Umfassende Sicherheit, so erkannte die Parteiführung, benötigt Big Data über Einstellungen und Stimmungen innerhalb der Bevölkerung sowie deren analytische Aufarbeitung (LVAk 9.2019).
Die chinesische Regierung plant 2020 ein soziales Kreditsystem einzuführen, das Menschen in allen Lebenslagen bewertet und entsprechend belohnt oder bestraft (EuZ 29.8.2019; vgl. LVAk 9.2019). Als Datenquellen werden das Verhalten in den sozialen Medien, beim Online-Shopping, beim Verfassen von Kurznachrichten, aber auch Kranken- und Gerichtsakten, Verkehrsdelikte, Steuersünden, rüpelhaftes Verhalten in der Öffentlichkeit, Rauchen in öffentlichen Räumen etc. genutzt (EuZ 29.8.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.2019a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html%20-%20doc334570bodyText5, Zugriff 23.8.2017
- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019
- EuZ - Entwicklung und Zusammenarbeit (29.8.2019): Digitale Überwachung, Niemand kann sich entziehen, https://www.dandc.eu/de/article/china-fuehrt-ein-punktesystem-zur-sozialen-bewertung-seiner-buerger-ein, Zugriff 28.11.2019
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002248.html, Zugriff 22.10.2019
- LVAk - Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.):Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.168
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html , Zugriff 14.10.2019
Grund- und Gesundheitsversorgung
Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten vier Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 3.2019a).
In den Jahren von 2000 bis 2010 erreichte China ein Wirtschaftswachstum zwischen 8 und 14 Prozent und stieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auf (GIZ 3.2019b). Mit dem Aufschwung geht auch eine wachsende ökonomische Macht einher (LVAk 9.2019). An der Kaufkraft bemessen ist China seit 2014 die weltweit größte Volkswirtschaft. Das nominale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stieg im Jahr 2018 weiter auf prognostizierte 10.088 USD (2017 8.643 USD). Gegenüber 2008 hat sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in China somit mehr als verdoppelt. China hält die weltweit höchsten Devisenreserven. Chinas Bedeutung für die weltweite Konjunktur hat weiter zugenommen. Seit 2007 verlangsamt sich das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft. 2017 erreichte das Wachstum noch 6,9 Prozent. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 3.2019b). Der Wohlstand innerhalb der chinesischen Gesellschaft ist ausgesprochen ungleich verteilt (AA. 3.2019a).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist seit einigen Jahren gewährleistet (AA 14.12.2018), doch kam es in den letzten Jahren zu einem rasanten Anstieg der Nahrungsmittelpreise (ÖB 11.2019). Trotz beispielloser Erfolge bei der Armutsbekämpfung geht die Food and Agriculture Organization (FAO) davon aus, dass derzeit noch über 124,5 Millionen Personen unterernährt sind. Die ländliche Bevölkerung ist bezüglich der Nahrungsmittelsicherheit, vor allem in den unterentwickelten Westgebieten, strukturell benachteiligt (GIZ 3.2019b). Die Einkommensentwicklung ist in den letzten drei Jahrzehnten hinter dem wirtschaftlichen Wachstum und den Staatseinnahmen zurückgeblieben. Der Abstand zwischen Stadt- und Landbevölkerung, deren Einkommen im Vergleich zur Stadt lediglich etwa ein Drittel beträgt, ist seit den 90er-Jahren kontinuierlich gewachsen (AA 14.12.2018). Neben Armutsproblemen hat China vor allem mit einer immer stärkeren Einkommensungleichheit zu kämpfen. Die Volksrepublik hat einen Gini-Koeffizienten von 0,46 (GIZ 3.2019b). Damit liegt China nach wie vor über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 565 Millionen Chinesen auf dem Land (statista 27.6.2019), Das aktuelle Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) (AA 3.2019b). Einer großen Masse mit niedrigen Einkommen steht eine kleine Schicht extrem reicher Chinesen gegenüber (GIZ 3.2019b).
Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Millionen "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Millionen außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 14.12.2018).
Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2019).
Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsantrittsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2019). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 3.2019b).
Die stetig zunehmende Überalterung der Bevölkerung wird immer mehr als Problem für das Sozialsystem wahrgenommen, die Zahl der Menschen über 60 Jahren stieg 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent auf 16,15 Prozent an. Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück und betrug 2014 mit 915,83 Millionen Menschen um 3,71 Millionen Menschen weniger als im Vorjahr. Die Lockerung der Ein-Kind-Politik auf eine generelle Zwei-Kind-Politik war im Hinblick auf die angestrebte Erhöhung der Geburtenquote bisher ein Fehlschlag. Laut offiziellen Daten ist bereits eine/r von sechs unter den 270 Millionen Wanderarbeiter im Pensionsalter, hat jedoch kein Anrecht auf Pension und muss daher unter schwierigen Bedingungen weiterarbeiten (ÖB 11.2019). China verkündete Ende 2014, die Abdeckung von 95 Prozent der Bevölkerung mit grundlegender Krankenversicherung (basic health insurance) erreicht zu haben. In der Praxis bestehen jedoch große Unterschiede in Qualität und Umfang der Absicherung. Ärztliche Behandlungskosten müssen von Patient im Voraus bezahlt werden. Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetrieben nahezu kompletten Kostenersatz. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert (2014 plus 11 Prozent gegenüber 2013 und damit 5,7 Prozent des BIP) ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Besonders auf dem Land investieren häufig arme Familien ihre gesamten Ersparnisse in die Behandlung kranker Familienmitglieder und ist Krankheit somit ein häufiger Armutsfaktor. Die Zahl der chronisch und schwerkranken Menschen steigt darüber hinaus angesichts der wachsenden Krebsrate (Umweltprobleme) und der Änderung der Lebensgewohnheiten durch Zivilisationskrankheiten. Selbst staatliche Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbstständig finanzieren, und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente. Der Arztberuf genießt in China relativ geringes Ansehen, Ärzte können von ihrem Grundgehalt kaum leben und es herrscht akuter Mangel an qualifiziertem Personal. Die große Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem äußert sich regelmäßig in gewalttätigen Übergriffen gegen medizinisches Personal (ÖB 11.2019).
Das chinesische Sozialsystem deckt folgende Gruppen ab:
?Senioren: Personen über 60Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können.
?Waisen ohne Verwandtschaft.
?Ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologischen Eltern nicht auffindbar sind (IOM 2019).
Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Millionen und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Millionen Bezugsberechtigte (ÖB 11.2019). Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Millionen Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Millionen Wanderarbeiter (ÖB 11.2019).
Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren. Erklärtes Ziel der Regierung ist die Verdoppelung der Einkommen bis 2020. (AA 14.12.2018).
Die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall ist nach wie vor ungenügend. Obwohl 95 Prozent der Bevölkerung über Krankenversicherungsprogramme abgesichert sind, stellen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastungen dar. Wie auch in anderen Politikfeldern herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle vor. Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet. Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (IOM 2019; vgl. AA 14.12.2018).
Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetriebe nahezu kompletten Kostenersatz. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert (2014 plus 11 Prozent gegenüber 2013 und damit 5,7 Prozent des BIP) ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Besonders auf dem Land investieren häufig arme Familien ihre gesamten Ersparnisse in die Behandlung kranker Familienmitglieder und ist Krankheit somit ein häufiger Armutsfaktor. Die Zahl der chronisch- und schwerkranken Menschen steigt darüber hinaus angesichts der wachsenden Krebsrate (Umweltprobleme) und der Änderung der Lebensgewohnheiten durch Zivilisationskrankheiten (ÖB 11.2019).
In China gibt es keine niedergelassenen, sondern nur in den Kliniken angestellte Ärzte (coliquio 10.8.2018). Krankenhäuser sind sowohl in großen, als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 2019). Der Arztberuf genießt in China relativ geringes Ansehen, Ärzte können von ihrem Grundgehalt kaum leben und es herrscht akuter Mangel an qualifiziertem Personal. Die große Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem äußert sich regelmäßig in gewalttätigen Übergriffen gegen medizinisches Personal. Staatliche Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbstständig finanzieren, und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente (ÖB 11.2019).
Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 2019).
Seit März 2016 wurde eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, darunter eine Anhebung der Kostenerstattung für Patient, die Anhebung der Zahl der Ärzte auf 70.000, die zentralisierte Beschaffung von Medikamenten für Spitäler, die Verbesserung des Remunerationssystems in Gemeindespitälern auf Leistungsbasis, und der Aufbau eines nationalen Netzwerks für die Kostenerstattung in der Krankenversicherung, sodass Kosten landesweit erstattet werden können (ÖB 11.2019).
Die Hygiene mag nicht europäischen Vorstellungen entsprechen (AA 26.11.2019). Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet (AA 14.12.2018). Trotzdem herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle (AA 14.12.2018). Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend (ÖB 11.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (26.11.2019): China: Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ChinaSicherheit_node.html, Zugriff 28.11.2019
- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019
- AA - Auswärtiges Amt (3.2019a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html, Zugriff 28.8.2017
- AA - Auswärtiges Amt (3.2019b): China - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/-/200468, Zugriff 10.10.2017
- coliquio (10.8.2018): Als Arzt in China: Keine Halbgötter in Weiß, https://www.als-arzt-ins-ausland.de/china, Zugriff 10.10.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019b): China - Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/china/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 27.9.2019
- IOM - International Organisation for Migration (2019): Länderinformationsblatt China 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_China_DE.pdf, Zugriff 28.11.2019
- ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China
- LVAk - Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.):Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.191
Rückkehr
Grundsätzlich erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 12.2018). Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden (AA 14.12.2018). Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uighuren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im "Shuanggui" System [ein nicht gesetzlich geregeltes Verfahren, welches eine zeitlich nicht näher begrenzte Arrestierung erlaubt]" verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 11.2019).
Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernstzunehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. 2016 kam es in zwei Fällen auch zu Verhaftungen von in China lebenden Familienangehörigen, um im Ausland lebende chinesische Dissidenten unter Druck zu setzen. Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandsvertretungen), insbesondere:
- der Weltverband der Uiguren,
- die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,
- der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und
- das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans (AA 14.12.2018).
Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2019).
Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen (AA 14.12.2018). Peking fordert andere Regierungen auf, Uiguren, die aus China geflohen sind, in ihre Heimat rückzuführen (CFR 25.11.2019). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia (ÖB 11.2019). Mitunter werden auch uigurische Studenten auf Ansuchen Pekings rückgeführt. Solchen Ersuchen kommen beispielsweise Staaten wie Ägypten oder Pakistan nach, indem sie ausliefern (SZ 12.4.2019).
Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China, insbesondere auf dem Land, ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019
- CFR - Council on Foreign Relations: (25.11.2019): Christianity in China, https://www.cfr.org/backgrounder/christianity-china, Zugriff 26.11.2019
- ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China
- SZ - Süddeutsche Zeitung (12.4.2019): Wo die Moscheen verschwinden, https://www.sueddeutsche.de/politik/china-und-die-uiguren-wo-die-moscheen-verschwinden-1.4407686, Zugriff 26.11.2019
2. Beweiswürdigung:
2.1.1. Vorweg ist festzuhalten, dass die vom Bundesamt getroffene, weiter oben in den wesentlichen Punkten wiedergegebene Würdigung der Beweise im Einklang mit dem Erstbefragungsprotokoll vom 15.11.2019 sowie der Einvernahme beim Bundesamt am 22.01.2020 steht und sich in den tragenden Gründen im Wesentlichen als nachvollziehbar bzw. in Zusammenschau mit den im erstinstanzlichen Verfahren protokollierten Angaben des BF im Ergebnis als zutreffend erweist.
Hierzu ist weiters anzumerken, dass sich aus dem erstinstanzlichen Akt keine Hinweise auf Verfahrensmängel im Verfahren beim Bundesamt ergeben. Weder die Protokollierung noch der Dolmetscher wurde in der Einvernahme in irgendeiner Form konkret bemängelt, im Gegenteil wurde vom BF auf Nachfragen noch ausdrücklich angegeben, dass er den Dolmetscher gut verstanden habe (vgl. As 123). Auch wurden keine Befunde oder sonstige medizinischen Unterlagen vorgelegt, die auf eine psychische Ausnahmesituation des BF infolge einer Traumatisierung oder einer ähnlichen Erkrankung hinweisen, aufgrund welcher er allenfalls gehindert gewesen wäre, sein diesbezügliches Vorbringen zu erstatten. Das Protokoll wurde zudem vom BF nach Rückübersetzung durch seine Unterschrift hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit bestätigt (vgl. dazu AS 123).
2.1.2. Die Identität des BF konnte aufgrund des Umstandes, dass er im Verfahren keine Personaldokumente vorlegen konnte, nicht festgestellt werden. Hinzu kommt noch, dass der BF im erstinstanzlichen Verfahren zu seiner Identität unterschiedliche Namen und Geburtsdaten angegeben hat.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit sowie zur Konfessionslosigkeit des BF gründen auf seine Angaben in der Einvernahme beim Bundesamt am 22.01.2020. Das gleiche gilt für die Feststellungen zu seinen Ausreisegründen und seinen persönlichen bzw. familiären Verhältnissen im Bundesgebiet sowie im Herkunftsland. Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des BF ergeben sich aus seinen Angaben und den vorgelegten Befunden.
Den Feststellungen zur Aufenthaltsdauer und zur illegalen Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet wurden gleichfalls auf die diesbezüglich eindeutigen Angaben des BF in der Einvernahme beim Bundesamt am 22.01.2020 zugrunde gelegt. Die Feststellungen zum Bezug der Grundversorgung sowie zur Unbescholtenheit ergeben sich aus zum Stichtag eingeholten Strafregister- und Grundversorgungsauszügen.
Wie das Bundesamt in der Beweiswürdigung dargetan hat und sich anhand des Einvernahmeprotokolls vom 22.01.2020 zweifelsfrei nachvollziehen lässt, hat der BF seine Antragstellung im Wesentlichen lediglich damit begründet, dass er im Herkunftsland nicht mehr als Bauer arbeiten und ein besseres Leben haben möchte. Eine Verfolgung oder sonstige relevante Gründe wurden trotz Nachfragens vom BF nicht geltend gemacht. Daraus ergibt sich jedoch, dass der BF im Ergebnis sohin ausschließlich wirtschaftliche Gründe für seine Antragstellung geltend gemacht hat.
2.2. Hinzu kommt, dass in der Beschwerdeschrift diesbezüglich weder die Feststellungen noch die die Beweiswürdigung des Bundesamtes im bekämpften Bescheid mit konkreten Argumenten bekämpft wurden. Statt dessen wurden in der Beschwerdeschrift erstmals Bedenken hinsichtlich der Ausbreitung des Corona Virus im Herkunftsland vorgebracht.
Was die Ausbreitung des Corona Virus in der VR China betrifft, ist zum einem festzuhalten, dass der BF aktuell an keiner schwerwiegenden Krankheit leidet, sondern im Wesentlichen gesund ist. Auch die in der Beschwerdeschrift teilweise zitierten Berichte, die sich an österreichische und deutsche Staatsbürger richten, zeigen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür auf, dass der BF persönlich bei einer Rückkehr eine Erkrankung mit schwerwiegenden oder tödlichen Verlauf erleiden würde, noch liegen dafür sonst konkrete Anhaltspunkte vor. Der BF kommt weder aus der Provinz Hubei, noch zählt er zu einer der vulnerablen Gruppen wie etwa alte oder chronisch kranke Personen. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass auch die notorisch bekannten, täglich aktualisiert in den Massenmedien kolportierten Zahlen gemessen an der Gesamtbevölkerung weit davon entfernt sind, ein für eine Schutzgewährung signifikantes Risiko aufzeigen, in China an einer Lungenkrankheit Covid-19 mit schweren Verlauf zu erkranken (vgl. dazu etwa die Presse, 28.02.2020, https://www.diepresse.com/5776269/300-neue-coronavirus-patienten-in-china-und-neue-falle-in-europa).
2.3. Die vom Bundesamt zur Lage in der Volksrepublik China ins Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen basieren auf aktuellen Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts des bereits Ausgeführten im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens des BF dar. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der VR China um einen Staat handelt, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, darüber hinaus aber weder von bürgerkriegsähnlichen Zuständen noch Kampfhandlungen betroffen ist, und auch sonst nicht - etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien, Ukraine u.v.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitslage auffällig wurde, sondern sich im Wesentlichen über die letzten Dekaden als relativ stabil erwiesen hat (vgl. dazu etwa VfGH 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098). Auch wurden seitens des BF keine Berichte dargetan bzw. auf solche verwiesen, die geeignet gewesen wären, entscheidungswesentliche Abweichungen zu der vom Bundesamt getroffenen Situationseinschätzung darzutun.
2.4. Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012,