Entscheidungsdatum
28.02.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W144 2228922-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2020, Zl. IFA XXXX , V-Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 04.12.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuletzt vom Mai 2015 bis Dezember 2019 in der BRD aufhältig war und dort ein Asylverfahren betrieben hatte.
Zur Person des BF liegen EURODAC-Treffermeldungen wegen Asylantragstellungen vor:
* Griechenland vom 03.02.2015
* BRD vom 22.05.2015
* BRD vom 15.02.2019
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Verlauf der Erstbefragung durch Landespolizeidirektion Wien vom 04.12.2019 gab der BF im Wesentlichen an, dass er sein Heimatland im Dezember des Jahres 2014 verlassen habe. Er sei über die Türkei, Griechenland und unbekannte Länder nach Österreich gereist. In Griechenland sei ihm empfohlen worden, nicht zu bleiben, weil die wirtschaftliche Lage dort sehr schlecht sei. Er sei dann weiter nach Deutschland gereist, wo er jedoch nicht gut behandelt worden sei. Seine diabetische Behandlung sei beendet worden. Unterlagen über sein Asylverfahren habe er keine bei sich. In Deutschland würde er kein Asyl erhalten.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 06.12.2019 unter Hinweis auf den Reiseweg des BF und die Eurodac-Treffermeldungen ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an die BRD. Diese stimmte mit Schreiben vom 12.12.2019 diesem Ersuchen unter Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO als zuständigkeitsbegründende Norm ausdrücklich zu.
In der Folge wurde der BF im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters zu einer Einvernahme vor dem BFA für den 21.01.2020 geladen; unter einem wurden Länderfeststellungen zu Deutschland und dem dortigen Asylverfahren samt der Versorgung der Antragsteller übermittelt.
Zudem wurde versucht, auch dem BF die Ladung persönlich zuzustellen, doch wurde im Rahmen des polizeilichen Zustellversuchs am 23.12.2019 offenbar, dass der BF niemals an der von ihm mit 12.12.2019 als Hauptwohnsitz angemeldeten Adresse XXXX , aufhältig war.
Die amtliche Abmeldung wurde daraufhin veranlasst - eine neue oder andere Meldung des BF liegt nicht vor.
Eine Rückfrage vom 15.1.2020 beim Rechtsvertreter des BF, ob diesem ein Aufenthaltsort des BF bekannt sei, blieb unbeantwortet.
Eine Einvernahme des BF seitens des BFA konnte somit nicht erfolgen.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 30.01.2020 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Deutschland gemäß 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Deutschland zulässig sei.
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
- "Zur Lage im Mitgliedsstaat
Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in DEUTSCHLAND systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese dort zu erwarten hätten.
Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:
Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.
(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 2S8.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)
Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering sein, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.
(VwGH, 31.5.2005, ZI. 2005/20/0095)
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Allgemeines zum Asylverfahren
In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 3.2018; vgl. BAMF o.D.a, BAMF o.D.b, BR o.D., UNHCR o.D.a, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen). Im Jahr 2017 hat das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 603.428 Asylanträge entschieden. Das ist ein Rückgang gegenüber 2016 (695.733 Entscheidungen). 2017 wurden 222.683 Asylanträge entgegengenommen, 522.862 weniger als im Vorjahr. Insgesamt 123.909 Personen erhielten 2017 internationalen Schutz (20,5% der Antragsteller), 98.074 Personen (16,3%) erhielten subsidiären Schutz und 39.659 Personen (6,6%) Abschiebeschutz (BAMF 4.2018).
Verschiedene Berichte äußerten sich besorgt über die Qualität des Asylverfahrens. Ein Ein hoher Prozentsatz der Asylentscheidungen war einer internen Untersuchung zufolge "unplausibel". Berichten zufolge waren viele Entscheidungsträger, die 2015 und 2016 beim BAMF eingestellt wurden, seit mehr als einem Jahr im Einsatz, ohne das interne Ausbildungsprogramm zu absolvieren. Bei den Dolmetschern wurden die unprofessionelle Haltung und fehlende Objektivität bemängelt. Weiters hat eine große Zahl von Asylwerbern eine Beschwerde gegen ihren Asylbescheid eingelegt, was zu einem Verfahrensstau bei den Gerichten geführt hat (AIDA 3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018), Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report- download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a): Ablauf des Asylverfahrens, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/ablauf-des-asylverfahrens- node.html, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen
Asylverfahrens - Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/AnIagen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche- asylverfahren.html?nn=6077414, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (4.2018): Aktuelle Zahlen zu Asyl,
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/lnfothek/Statistik/Asyl/aktuelle- zahlen-zu-asyl-april-2018.pdf? blob=publicationFile, Zugriff 12.6.2018 BR - Bundesregierung (o.D.): Flucht und Asyl: Fakten und Hintergründe, https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Fluechtlings-Asylpolitik/4- FAQ/_function/glossar_catalog.html?nn=1419512&lv2=1659082&id=GlossarEntry165909 8, Zugriff 12.6.2018
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (o.D.a): Asyl und anderer Schutz, http://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/asyl-in-deutschland/asyl-und-anderer-schutz, Zugriff 12.6.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430259.html, Zugriff 12.6.2018
Dublin-Rückkehrer
Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 3.2018).
In "take charge-Fällen kann der Rückkehrer einen Erstantrag stellen. Im Falle eines "take back"-Verfahrens können Dublin-Rückkehrer, die bereits eine negative Entscheidung erhalten haben, einen Folgeantrag stellen. Bei Dublin-Rückkehrern, die bereits einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, der noch nicht entschieden wurde, wird das Verfahren fortgesetzt. Für Dublin-Rückkehrer gelten die gleichen Aufnahmebedingungen wie für andere Asylwerber (EASO 24 10.2017). Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany,
http://www.asyiumineurope.org/srtes/default/files/report-download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018
- EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable
Treffen ausländische Kinder und Jugendliche unbegleitet in Deutschland ein und kommen mit staatlichen Stellen in Kontakt, so informieren diese das örtlich zuständige Jugendamt. UMA werden im Rahmen des allgemeinen Kinderschutzsystems untergebracht, versorgt und betreut, wie dies auch bei anderen gefährdeten Kindern und Jugendlichen der Fall ist. Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, UMA in Obhut zu nehmen und über deren bundesweite Verteilung zu entscheiden. Seit 2015 ist die Inobhutnahme für UMA mehrstufig (vorläufige und reguläre Inobhutnahme) geregelt (BAMF 3.2018). Im Zuge der vorläufigen Inobhutnahme prüft das Jugendamt durch das sogenannten Erstscreening, ob das Wohl des Kindes - auch in physischer und psychischer Hinsicht - durch das Verteilungsverfahren gefährdet werden würde, ob die kurzfristige Möglichkeit zur Familienzusammenführung besteht und ob diese dem Kindeswohl entspricht, ob eine gemeinsame Inobhutnahme mit anderen Kindern angezeigt ist und ob der Gesundheitszustand des Kindes anhand einer ärztlichen Stellungnahme die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb der nächsten 14 Tage zulässt (MFKJKS 5.2017). Die ärztliche Stellungnahme erfolgt durch eine Gesundheitsuntersuchung (Kurzscreening), dessen Umfang gesetzlich nicht vorgegeben ist.
In welchem Umfang also Screenings durchgeführt werden, ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt und es gelten unterschiedliche Standards (BAMF 3.2018). Während der vorläufigen Inobhutnahme werden UMA bei einer geeigneten Person (Verwandte oder Pflegefamilien), in einer geeigneten Einrichtung (sogenannte Clearinghäuser) oder in einer sonstigen Wohnform untergebracht. Neben der Unterbringung werden der notwendige Unterhalt, die Krankenhilfe und die rechtliche Vertretung des Kindes sichergestellt. Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme findet auch die Altersfeststellung statt. Die dafür verwendeten Methoden reichen von einer reinen Altersschätzung über körperliche Untersuchungen bis hin zu radiologischen Untersuchungen der Handwurzel, des Gebisses oder des Schlüsselbeins (BAMF 3.2018; vgl. BAMF 1.8.2016a).
Das Jugendamt entscheidet auf der Grundlage des Ergebnisses des Erstscreenings, ob das bundesweite Verteilungsverfahren durchgeführt wird oder ob eine Verteilung ausgeschlossen ist. Die bundesweite Verteilung erfolgt durch das Bundesverwaltungsamt. Trotz der bundesweiten Aufnahmepflicht und Verteilung, die dazu dienen, die vorhandenen Unterbringungskapazitäten besser zu nutzen, aber auch die Belastung der Kommunen besser zu verteilen, wird das Verteilungsverfahren verschiedentlich kritisiert. Zum einen wurde hervorgehoben, dass die gesetzlichen Vorgaben zu Problemen in der Praxis führen können und zum anderen wurde bemängelt, dass die Versorgung und Betreuung im Umverteilungsverfahren allzu oft nicht im Rahmen der Standards der Jugendhilfe (z.B. nicht geeignete Unterkünfte, ungenügende Gesundheitsversorgung, Mangel an spezifischen Fachwissen und Erfahrung seitens der Fachkräfte) stattfände (BAMF 3.2018).
Nach der Verteilung ist das Jugendamt, dem die Minderjährigen zugewiesen wurden, für die reguläre Inobhutnahme zuständig. Die Unterbringung erfolgt wieder bei einer geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung (siehe oben) (BAMF 1.8.2016a) Der weitere Ausbau von speziell auf die Bedürfnisse von UMA ausgerichteten Angeboten und eine bessere Qualifizierung des betreuenden Personals, vor allem im Hinblick auf traumatisierte UMA, werden allerdings als Herausforderung gesehen (BAMF 3.2018).
Im Anschluss an die Unterbringung werden die Beantragung einer Vormundschaft, weitere medizinische Untersuchungen, die Ermittlung des Erziehungsbedarfs sowie eine Klärung des Aufenthaltsstatus veranlasst. Für UMA muss vom Familiengericht ein Vormund oder Pfleger bestellt werden. Eine Vormundschaft besteht in der Regel bis zur Volljährigkeit. Dabei orientiert sich die Volljährigkeit an dem Recht im Herkunftsland des Minderjährigen und nicht am deutschen Recht. Tritt also nach diesem Recht die Volljährigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs ein, endet die Vormundschaft auch erst zu diesem Zeitpunkt. Im anschließenden Clearingverfahren werden weitere Schritte im Bereich des Jugendhilferechts oder des Aufenthaltsrechts eingeleitet. Es umfasst unter anderem die Klärung des Aufenthaltsstatus. Auf dessen Basis wird entschieden, ob ein Asylantrag gestellt wird. Ist ein Asylverfahren nicht erfolgversprechend, kann die zuständige Ausländerbehörde auch eine Duldung ausstellen. Kommt auch dies nicht in Frage, berät die Ausländerbehörde über andere aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten. Falls ein Asylantrag gestellt werden soll, ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (BAMF 1.8.2016a).
Innerhalb des Asylverfahrens gelten für die Bestimmung der Volljährigkeit die nationalen Vorschriften. Das heißt: Asylwerber müssen mit Vollendung des 18. Lebensjahrs ihren Asylantrag selbst stellen. Ein etwaiger Vormund kann in diesem Fall aber weiterhin das Asylverfahren begleiten (BAMF 1.8.2016a). Die Asylantragsstellung vom UMA muss über den Vormund oder das Jugendamt schriftlich erfolgen. Das Mindestalter zur Begründung der Handlungsfähigkeit im Asylverfahren wurde auf 18 Jahren hinaufgesetzt. Es gibt für UMA kein gesondertes Asylverfahren, dennoch wird, um das Kindeswohl zu wahren, das Verfahren von besonders geschulten Entscheidern (Sonderbeauftragten) kindgerecht durchgeführt (BAMF 3.2018). Anhörungen finden grundsätzlich in Anwesenheit des Vormunds statt. Zusätzlich kann auch ein Beistand, z. B. eine Betreuerin oder ein Betreuer bei den Anhörungen anwesend sein. Unterbringung, Versorgung - hierzu gehört auch die sozialpädagogische Begleitung und Betreuung, Gesundheitsversorgung sowie Rechtsberatung - sind gesetzlich sichergestellt (BAMF 1.8.2016a).
Im Jahr 2016 gab es in Deutschland 44.935 Inobhutnahmen von UMA, 35 939 davon stellten Asylanträge. 2017 gab es 9.084 Asylanträge von UMA (BAMF 30.4.2018).
Es gibt keine gesetzliche Vorschrift zur Identifizierung Vulnerabler, mit Ausnahme von unbegleiteten Minderjährigen. Mit der Änderung des Asylgesetzes im Jahr 2015 wurde zwar ein Wortlaut betreffend der Identifizierung schutzbedürftiger Asylwerber eingeführt, aber die neue Richtlinie wird nicht ordnungsgemäß umgesetzt (AIDA 3.2018). In der Praxis werden Beeinträchtigungen und die damit verbundenen spezifischen Bedarfe von Asylwerbern nur zufallsbasiert und bestenfalls vereinzelt erkannt. Soweit in der Flüchtlingsaufnahme Beeinträchtigungen erkannt werden, geschieht dies entweder während der verpflichtenden medizinischen Erstuntersuchung durch die Gesundheitsämter, die jedoch lediglich der Diagnose übertragbarer Krankheiten zum Schutz der örtlichen Gesundheit dienen, oder durch Sozialarbeiter im laufenden Betrieb der Einrichtungen. Beide Wege haben jedoch nicht das Ziel der systematischen Erfassung von Beeinträchtigungen und individuellen Bedarfsfeststellung; sie erreichen nur einen Bruchteil der Betroffenen und in der Regel werden nur sichtbare Beeinträchtigungen erkannt (DIM 3.2018; vgl. AIDA 3.2018).
Einige Bundesländer haben Pilotprojekte für die Identifizierung vulnerabler Asylwerber eingeführt. Vom BAMF erlassene Richtlinien sehen vor, dass insbesondere UM, Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung sowie Opfer von Folter und traumatisierte Asylwerber besonders sensibel und bei Bedarf von speziell ausgebildeten Referenten behandelt werden sollen. Die Einführung dieser Spezialisten (376 für UMA, 74 für Traumatisierte und Folteropfer, 125 für Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung, 79 für Opfer des Menschenhandels) hat die Handhabung derartiger Verfahren etwas verbessert, wobei es aber auch Beispiele gibt, wonach Hinweise auf Traumata bzw. sogar Folter nicht zur Konsultierung solcher Spezialisten geführt haben (AIDA 3.2018).
Medizinische Spezialbehandlung für Traumatisierte und Folteropfer kann durch einige Spezialisten und Therapeuten in verschiedenen Behandlungszentren für Folteropfer gewährleistet werden. Da die Plätze in diesen Zentren begrenzt sind, ist der Zugang nicht immer garantiert. Da die Behandlungskosten von den Behörden nur teilweise übernommen werden (Übersetzerkosten werden etwa nicht gedeckt), sind die Zentren zu einem gewissen Grad auf Spenden angewiesen. Große geographische Distanzen zwischen Unterbringung und Behandlungszentrum sind in der Praxis auch oft ein Problem (AIDA 3.2018). Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report- download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundest für Migration und Flüchtlinge (30.4.2018): Zugangszahlen zu unbegleiteten Minderjährigen,
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/lnfothek/Asyl/um-zahlen- entwicklung.pdf?blob=publicationFile, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.2018): Unbegleitete Minderjährige in Deutschland,
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/EMN/Studien/wp80- unbegleitete-minderjaehrige.pdf?blob=publicationFile, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016a): Unbegleitete Minderjährige, http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/UnbeqleiteteMinderiaehriqe/unbeqleitete-minderiaehriae-node.html. Zugriff 12.6.2018
- DIM - Das Deutsche Institut für Menschenrechte (3.2018): Geflüchtete Menschen mit
Behinderung, https://www.institut-fuer-
menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/POSITION/Position_16_Geflue chtete_mit_Behinderungen.pdf, Zugriff 12.6.2018
- MFKJKS - Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes
Nordrhein-Westfalen (5.2017): Jugend - Handreichung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen 2017,
https://www.mkffi.nnw/sites/default/files/asset/document/handreichung_2017.pdf, Zugriff12.6.2018
Non-Refoulement
Wenn die drei Schutzformen - Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz - nicht greifen, kann bei Vorliegen bestimmter Gründe ein Abschiebungsverbot erteilt werden (BAMF 1.8.2016b). Wenn ein Abschiebungsverbot festgestellt wird, erhält die betroffene Person eine Aufenthaltserlaubnis von mindestens einem Jahr; eine Verlängerung ist möglich (UNHCR o.D.a).
Amnesty International sieht Asylwerber aus Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Albanien und Montenegro von einem erhöhten Refoulement-Risiko bedroht, da diese Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft wurden (AI 31.12.2017). AI kritisiert auch die fortgesetzten Abschiebungen nach Afghanistan, trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage vor Ort. Bis Ende des Jahres wurden 121 afghanische Staatsangehörige abgeschoben (AI 22.2.2018). Quellen:
- AI - Amensty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Germany,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1425035.html, Zugriff 12.6.2018
- AI - Amnesty International (31.12.2017): Germany: Human rights guarantees undermined: Amnesty International Submission for the UN Universal Periodic Review - 30th session of the UPR Working Group, May 2018 [EUR 23/7375/2017], https://www.ecoi.net/en/file/local/1422247/1226_1516189882_eur2373752017english.pdf, Zugriff 12.6.2018
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016b): Nationales Abschiebungsverbot, https;//www.bamf.de/DE/FIuechtlingsschutz/AblaufAsylv/Schutzformen/AbschiebungsV/abschiebungsverbot-node.html, Zugriff 12.6.2018
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (o.D.a): Asyl und anderer Schutz, http://vAvw.unhcr.org/dach/deAvas-wir-tun/asyl-in-deutschland/asyl-und-anderer-schutz, Zugriff 12.6.2018
Versorgung
Das Asylbewerberleistungsgesetz regelt die Leistungen, die Asylwerbern zustehen. Die Leistungen umfassen die Grundleistungen des notwendigen Bedarfs (Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt), Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse im Alltag (Bargeld bzw. Taschengeld), Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt. Bei besonderen Umständen können auch weitere Leistungen beantragt werden, die vom Einzelfall abhängen (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 1.8.2016b). Die empfangenen Leistungen liegen dabei unterhalb der finanziellen Unterstützung, die deutsche Staatsangehörige beziehen. Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen werden die Grundleistungen als Sachleistungen bereitgestellt. Hiervon kann - soweit nötig - abgewichen werden, wenn Asylwerber nicht in Aufnahmeeinrichtungen, sondern in Anschlusseinrichtungen (z.B. Gemeinschaftsunterkunft oder dezentrale Unterbringung, wie Wohnung oder Wohngruppen) untergebracht sind. So können Asylwerber statt Sachleistungen Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, Wertgutscheinen oder in Geldleistungen erhalten. Werden alle notwendigen persönlichen Bedarfe durch Geldleistungen gedeckt, werden die folgenden Beträge monatlich ausbezahlt:
Bezieher
Betrag bei Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen
Betrag bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen
Für alleinstehende Leistungsberechtigte
135 ?
216 ?
Für zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen
je 122 ?
194 ?
Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt
je 108 ?
174 ?
Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
76 ?
198 ?
Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
83 ?
157 ?
leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres
79 ?
133 ?
Nach 15 Monaten im Asylverfahren wird die Leistungshöhe auf das gleiche Niveau wie für bedürftige Deutsche umgestellt (UNHCR o.D.a; vgl. BAMF 1,8.2016b, AIDA 3.2018, AsylbLG 17.7.2017).
Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Sie erhalten ebenfalls eine Beratung zum möglichen Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Bundesagentur für Arbeit (BAMF 24.10.2017). Während der ersten drei Monate des Asylverfahrens gilt jedoch ein Beschäftigungsverbot für Asylwerber. Dieses Beschäftigungsverbot besteht fort, solange die betroffene Person verpflichtet ist, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Für die Aufnahme einer konkreten Tätigkeit wird eine Beschäftigungserlaubnis benötigt, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden kann. Die Ausländerbehörde muss hierfür zusätzlich die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ist während des gesamten Asylverfahrens untersagt (UNHCR o.D.a.) Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report- downloadZaida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018
- AsylbLG - Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. 1 S. 2022), das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl I S. 2541) geändert worden ist (17.7.2017): § 3 Grundleistungen, https://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/BJNR107410993.html, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1 8.2016b): Zuständige Aufnahmeeinrichtungen,
https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/MeldungAE/meldung- aufnahmeeinrichtung-node.html, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (24.10.2017): Ankunftszentren, https://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html, Zugriff 12.6.2018
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (o.D.b): Aufnahmesituation, http://www.unhcr.0rg/dach/de/v/as-wir-tun/asyl-in-deutschland/aufnahmesituati0n, Zugriff 12.6.2018
a. Unterbringung
In Deutschland gibt es grundsätzlich drei verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Der Betrieb dieser Einrichtungen ist Ländersache. 2015 und 2016 waren Notunterkünfte im Betrieb, die bis auf wenige Ausnahmen weitgehend geschlossen wurden. Darüber hinaus wurden besondere Aufnahmeeinrichtungen (in denen Personen untergebracht werden können, deren Asylverfahren beschleunigt bearbeitet werden) und Transitzentren (in denen Asylwerber mit geringer Bleibeperspektive untergebracht werden) eingerichtet (AIDA 3.2018; vgl. BSASFI 29.6.2017), Asylwerber werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Nach einer Gesetzesreform vom Juli 2017 wurde die maximale Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von sechs auf 24 Monate erhöht. Diese Regelung wurde jedoch bis Ende 2017 nur in Bayern umgesetzt. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, kommen Asylwerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften unter, wobei es sich um Unterbringungszentren im selben Bundesland handelt. Asylwerber müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 10.2016). Von Flüchtlingsorganisationen und NGOs werden die Lebensbedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften häufig kritisiert (AIDA 3.2018)
Deutschland verfügt mittlerweile bundesweit über 24 Ankunftszentren. Dort werden viele, bis dahin auf mehrere Stationen verteilte Schritte im Asylverfahren gebündelt. Nach Möglichkeit findet das gesamte Asylverfahren unter dem Dach des Ankunftszentrums statt - von der ärztlichen Untersuchung, über die Aufnahme der persönlichen Daten und der Identitätsprüfung, der Antragsstellung und Anhörung bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag. Bei Menschen mit sehr guter Bleibeperspektive sowie Antragsstellenden aus sicheren Herkunftsländern mit eher geringen Bleibeaussichten kann in der Regel vor Ort innerhalb von 48 Stunden angehört und über den Asylantrag entschieden werden (BAMF o.D.a). Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report- download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2016): Ablauf des deutschen Asylverfahrens,
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlaqen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche-asvlverfahren.pdf? blob=publicationFile. Zugriff 12.6.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.c): Ankunftszentren, https://www.bamf.de/DE/DasBAMF/Aufbau/Standorte/Ankunftszentren/ankunftszentren- node.html, Zugriff 12.6.2018
- BSASFI - Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (29.6.2017): Schriftliche Anfrage einer Abgeordneten betreffend "Ankunftszentren und Transitzentren, https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/tl_files/PDF-Dokumente/Anfrage%20Ausbau%20der%20Ankunfts-%20und%20Transitzentren.pdf, Zugriff 12.6.2018
b. Medizinische Versorgung
Asylwerber sind grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert, sondern haben im Krankheitsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und -Status definiert das Gesetz unterschiedliche Leistungsniveaus (GKV
o.D.).
Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für Asylwerber in Fällen akuter Erkrankung oder Schmerzen vor, welche Behandlung (auch Zahnbehandlung), Medikation etc. umfasst. Sonstige, darüberhinausgehende Leistungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden und können gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die - aus welchen Gründen auch immer - kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Berichten zufolge werden jedoch notwendige, aber kostspielige diagnostische Maßnahmen oder Therapien von den lokalen Behörden nicht immer bewilligt (AIDA 3.2018; vgl. DIM 3.2018, GKV o.D.).
Je nach Bundesland erhalten Asylwerber eine Gesundheitskarte oder Krankenscheine vom Sozialamt; darüber können die Bundesländer autonom entscheiden (BMG 2.2016; vgl. BMdl 29.09.2015). Krankenscheine bekommen Asylwerber beim medizinischen Personal der Erstaufnahmeeinrichtung oder später auf dem zuständigen Sozialamt. Bei Letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet (AIDA 3.2018). Die elektronische Gesundheitskarte ersetzt den Behandlungsschein und damit können Asylwerber den Arzt direkt aufsuchen, ohne vorher eine Bescheinigung von den staatlichen Stellen (z.B. Sozialamt) einzuholen (BMG 6.2016).
Die medizinische Versorgung von Asylwerbern ist zwischen den verschiedenen Kommunen und Bundesländern unterschiedlich organisiert. Während in manchen Ländern fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Antragsteller zur Verfügung stehen, muss in anderen Ländern vor vielen Untersuchungen beim Amt um Kostenübernahme angefragt werden. In dringenden Notfällen dürfen Ärzte immer behandeln, unabhängig von den Papieren. Meistens aber müssen Asylsuchende ins zuständige Sozialamt, bevor sie einen Arzt aufsuchen dürfen. Dort erhalten sie einen Behandlungsschein, mit dessen Hilfe Ärzte ihre Kosten abrechnen können. Hinzu kommt, dass der Behandlungsschein in manchen Kommunen nur für den Hausarzt gültig ist. Wollen die Betroffenen zum Facharzt, müssen sie vor jeder Überweisung die Zustimmung des Amts einholen. In manchen Ländern erhalten Asylwerber eine elektronische Gesundheitskarte einer Krankenkasse, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Die Krankenkasse organisiert nur die medizinische Versorgung der Antragsteller, die Kosten tragen trotzdem die Behörden. Wenn Asylwerber länger als 15 Monate in Deutschland sind, können sie sich eine gesetzliche Krankenversicherung aussuchen, die Behörden bezahlen die Beiträge. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. freiwillige Zusatzleistungen der Krankenkassen) werden sie dann behandelt wie alle gesetzlich Versicherten. Erst wenn die Antragsteller eine Arbeit finden und selbst einzahlen, klinkt sich der Staat aus ihrer medizinischen Versorgung aus (SO 22.3.2016; vgl. BMG 6.2016, AIDA 3.2018).
Es wurde jedoch kritisiert, dass auch Asylwerber, die eine Gesundheitskarte besitzen, immer noch nur Zugang zu einer Notfallbehandlung hätten. Einige Gemeinden und private Gruppen sorgten für eine zusätzliche Gesundheitsversorgung (USDOS 20.4.2018). Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (3.2018): Country Report: Germany,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report- download/aida_de_2017update.pdf, Zugriff 12 6.2018
- BMdl - Bundesministerium des Innern (29.9.2015): Änderung und Beschleunigung von Asyl verfahren beschlossen,
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2015/09/kabinett-beschliesst- asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.html, Zugriff 12.6.2018
- BMG - Bundesministerium für Gesundheit (6.10.2015): Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen,
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2015/bund- laender-vereinbarungen/?L=0, Zugriff 12.6.2018
- BMG - Bundesministerium für Gesundheit (6.2016): Ratgeber Gesundheit für ^ Asylwerber in Deutschland,
httD://www.bundesqesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5 Publikationen/Gesundheit/Broschueren/Ratqeber Asvlsuchende DE web.pdf, Zugriff 12.6.2018
- DIM - Das Deutsche Institut für Menschenrechte (3.2018): Geflüchtete Menschen mit
Behinderung, https://www.institut-fuer menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/POSITION/Position_16_Geflue chtete_mit_Behinderungen.pdf, Zugriff 12.6.2018
- SO - Spiegel Online (22.3.2016): So werden Flüchtlinge medizinisch versorgt, http://www. spieqel. de/oesundheit/diaqnose/fluechtlinge-so-laeuft-die-medizinische-versorqunq-a-1081702.html. Zugriff 12.6.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Germany, https:ZAivww.ecoi.net/de/dokument/1430259.html, Zugriff 12.6.2018
D) Beweiswürdigung
Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:
[ ... ]
betreffend die Lage im Mitgliedsstaat:
Die in den Feststellungen zu Deutschland angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesasylamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des §5 BFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.
Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des §5 BFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Deutschland nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Deutschland- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.
In der Erstbefragung erwähnten Sie, dass Sie sich seit dem Jahr 2015 in Deutschland aufgehalten haben. Sie haben angegeben Ihr Verfahren in Deutschland wurde beendet und Ihre notwendige Behandlung aufgrund Diabetes ebenso.
Hätten Sie sich entschieden in Deutschland zu bleiben, hätte Sie die deutsche Behörde weiterhin untergebracht und versorgt. Sie haben sich jedoch dazu entschlossen das Verfahren nicht abzuwarten und sind in die Anonymität untergetaucht. Sie haben auch in Österreich Ihr
Verfahren nicht abgewartet-somit geht die Behörde davon aus, dass Sie die Dublin VO unterlaufen wollen.
Die zuständige Behörde stellt fest, dass Sie nach Deutschland ausgewiesen werden können. Es bestehen keinerlei Gründe warum dies nicht möglich wäre.
Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Deutschland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
Es wurde kein hinreichend konkretes Vorbringen dahingehend erstattet und es liegen auch keine notorischen Informationen vor, dass der rechtliche und faktische Standard des Asylverfahrens in Deutschland per se die Verletzung der EMRK im Fall der Effektuierung eines negativen Verfahrensausganges wahrscheinlich erscheinen ließe.
Der Vollständigkeit halber sei weiters darauf hingewiesen, dass es sich im Falle von Deutschland um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates handelt, bei welchem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang, nicht eintreten wird.
Dass In DEUTSCHLAND ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet ist, ergibt sich aus den Feststellungen zu DEUTSCHLAND. Dass Ihnen Versorgungsleistungen für Asylwerber in DEUTSCHLAND in rechtswidriger Weise vorenthalten werden könnten, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Der in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten und in DEUTSCHLAND gegebenen Versorgungssituation für Asylwerber sind Sie zudem im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle Ihrer Überstellung nach DEUTSCHLAND Hinweise auf eine mögliche Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in DEUTSCHLAND ausreichende Versorgung gewährleistet ist.
Die Gesetze garantieren Asylwerbern den Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie deutschen Staatsbürgern mit Krankenversicherung. Die medizinische Versorgung der AW wird von der öffentlichen Hand finanziert.
Medizinische Basisversorgung wird in den Krankenrevieren aller Unterbringungszentren geleistet. Darüber hinaus können sie in medizinischen Einrichtungen behandelt werden, mit denen das Innenministerium entsprechende Verträge abgeschlossen hat.
Auch psychische Probleme sind von der medizinischen Versorgung erfasst.
Aus den im Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das französische Asylwesen derart grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern ist aus Sicht des Bundesamtes die Versorgungslage insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie die nötige medizinische Anschlussversorgung (auch Sicherheitslage von Asylsuchenden) in Deutschland möglich. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, ist zurzeit nicht feststellbar. Eine den Asylwerber konkret treffende Bedrohungssituation in Deutschland wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht.
Die Versorgungsleistungen sowie medizinische Behandlungen sind in DEUTSCHLAND dementsprechend ausreichend gut.
Es ist darauf hinzuweisen, dass keine außergewöhnlichen Umstände, welche einer Verletzung von Art. 3 EMRK nahe kämen, eingetreten sind und- wogegen daraus resultierend- es unerheblich ist, dass die Versorgung und Betreuung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich, oder kostenintensiver ist. Mit Erkenntnis des VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07-9. Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und insbesondere wenn die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist. Dies ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten und ausreichend Versorgungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK.
Es ist darauf hinzuweisen, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin Staates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können. Es ist auch auf den Hauptzweck der Dublin VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsreglung zu treffen ist.
Schwierige Lebensbedingungen, wie etwa regional bestehende Engpässe bei den Aufnahmekapazitäten oder Umstände, wie sie von Ihnen bemängelt wurden, weisen selbst im Falle Ihres Zutreffens keine die Schwelle des Art. 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität auf (vgl. dazu in einem ähnlich gelagerten Fall Erkenntnis des AGH vom 13.03.2013, ZI. S2 433.030-1/2013/3E).
Es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde hypothetische Überlegungen über einen möglichen Ausgang eines Asylverfahrens in einem anderen EU-Land zu treffen.
Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in DEUTSCHLAND Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Es wurde kein hinreichend konkretes Vorbringen dahingehend erstattet und es liegen auch keine notorischen Informationen vor, dass der rechtliche und faktische Standard des Asylverfahrens in DEUTSCHLAND per se die Verletzung der EMRK im Fall der Effektuierung eines negativen Verfahrensausganges wahrscheinlich erscheinen ließe.
Es widerspricht die Vorgehensweise, sich aufgrund privater Aspekte ein Land der Wahl für die Führung des Asylverfahrens auszusuchen, eindeutig der Dublin-VO. Das Grundprinzip der Dublin-VO ist es, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt. Im vorliegenden Fall haben die Bestimmungen der Dublin-lll-VO unzweifelhaft eine Zuständigkeit Deutschlands ergeben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin Staates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in welchem sie die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können.
Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:
Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Rates sind für DEUTSCHLAND folgende Richtlinien beachtlich:
- Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG bzw. neu 2011/93/EU) im Hinblick auf die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen.
- Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2005/85/EG des Rates bzw. neu 2011/93/EU) hinsichtlich der Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.
- Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG bzw. neu 2011/93/EU) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.
Gegen DEUTSCHLAND hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.
Insofern ergibt sich aus diesem Umstand -ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass DEUTSCHLAND die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in DEUTSCHLAND im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.
[ ...]
.................... ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in DEUTSCHLAND ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach DEUTSCHLAND als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in DEUTSCHLAND Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.0S.2005, B 336/05) als sichere Staaten für Asylwerberlnnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in DEUTSCHLAND nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in DEUTSCHLAND ergeben."
Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO formell erfüllt (und gemeint: sohin die BRD für die Prüfung des Antrags zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Humanitäre Gründe gem. Art 16 und 17 Abs. 2 Dublin III-VO lägen (implizit) nicht vor. Seine Ausweisung stelle mangels familiärer Anknüpfungspunkte und dem Umstand, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz gewesen sei, keinen ungerechtfertigten Eingriff in sein Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.
Der Bescheid wurde am 04.02.2020 rechtswirksam zugestellt.
Gegen den obgenannten Bescheid richtet sich die fristgerecht am 18.02.2020 (Datum des Postaufgabestempels) erhobene Beschwerde des BF, in welcher er im Wesentlichen geltend machte, dass er aufgrund der unzureichenden Behandlung seiner Diabetes mellitus von Deutschland nach Österreich gereist sei, um hier einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Die Behörde habe sich mit seinem Vorbringen, dass seine Erkrankung in Deutschland nicht gut behandelt worden sei, nicht näher auseinandergesetzt. Außerdem sei er derzeit unbekannten Aufenthalts, sodass die Behörde sein Verfahren hätte einstellen müssen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.
Besondere, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Deutschland sprechen, liegen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Der kinderlose BF hat im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte. Der BF lebt mit keiner sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft.
Der BF leidet eigenen Angaben zufolge an Diabetes mellitus.
Nicht festgestellt werden kann hingegen, dass der BF in Deutschland notwendige medizinische Behandlung nicht erhalten hätte oder im Falle seiner Rücküberstellungen und neuerliche Asylantragsstellung erhalten würde.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den Akten des BFA, insbesondere den Eurodac-Treffern, dem deutschen Antwortschreiben im Rahmen der Dublin-Konsultationen, und dem Vorbringen des BF selbst.
Die Feststellung zur familiären Situation des BF im Bundesgebiet ergibt sich, da eine Einvernahme vor dem BFA aufgrund des unbekannten Aufenthaltsortes des BF nicht möglich war, aus seinem Vorbringen im Zuge der Erstbefragung, wonach er keine familiären Bezugspunkte in Österreich habe.
Die Feststellung zu seinem gesundheitlichen Zustand ergeben sich daraus, dass er -wenngleich unbelegt -vorgebracht hat, dass er an Diabetes leide.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.
Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Deutschland auch Feststellungen zur deutschen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.
Die Negativfeststellung zum Umstand, dass der BF in Deutschland notwendige medizinische Behandlung nicht erhalten hätte bzw. erhalten würde, ergibt sich daraus, dass der BF diesbezüglich keine konkreten Angaben erstattet hat, sondern nur lapidar in den Raum gestellt hat, dass seine Behandlung "unzureichend" gewesen sei. Vor dem Hintergrund der Feststellungen über die medizinische Versorgung in Deutschland vermag dieser knappe Einwand nicht zu überzeugen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:
"KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.