TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/28 W142 2128643-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W142 2128643-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2016, Zl.: 1085896304-151278310, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 30.09.2016, am 27.05.2019 und am 11.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der volljährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 06.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab der BF an, er sei in XXXX geboren und traditionell verheiratet. Seine Muttersprache sei Dari, er spreche auch Farsi. Er sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er habe fünf Jahre die Grundschule in Teheran besucht und zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Eltern, seine zwei Brüder, seine beiden Schwestern und seine Gattin würden in Teheran leben. Bis zu seinem 6-7 Lebensjahr habe er in XXXX (Provinz Herat) gelebt, danach sei er mit seiner ganzen Familie nach Teheran umgesiedelt. Im Alter von 15 Jahren sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Seine Familie würde in XXXX Grundstücke besitzen. Die finanzielle Situation der Familie sei schlecht, der Vater würde die Familie versorgen.

Als Fluchtgrund gab der BF an, seine Heimat aufgrund von Regierungsgegnern verlassen zu haben. Diese hätten ihm mit dem Tod gedroht und ihn aufgefordert gegen die Regierung zu kämpfen. Seine Feinde hätten ihn auch mit dem Auto angefahren. Der Vorfall sei aber nicht aktenkundig. Dies seien seine Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr befürchte er die Rache seiner Feinde.

Die Tazkira des BF wurde sichergestellt.

3. Am 28.04.2016 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in der Sprache Dari einvernommen. Der BF gab an, sich psychisch und physisch dazu in der Lage zu fühlen die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Weiters gab er an, vor etwa einem Jahr in Herat geheiratet zu haben. Seine Gattin lebe nun im Iran (Teheran) bei ihrer Familie, sei aber afghanische Staatsbürgerin. Kinder habe er nicht. Er sei gesund, nehme aber Schmerzmittel wegen seiner Verletzung in Afghanistan ein. Sein Bein sei zweimal gebrochen gewesen, nun sei sein Bein 2cm kürzer als vorher, daher habe er Probleme mit dem Rücken. Wie das Medikament heiße, wisse er nicht. Er sei nicht lebensbedrohend krank. Zu seinen Wohnorten im Heimatland gab er an, zuletzt drei Jahre in Herat gelebt zu haben. Davor habe er (ab ca. dem 5. Lebensjahr) im Iran (Teheran) gelebt. Vor drei Jahren sei er nach Afghanistan zurückgekehrt, da sie im Iran illegal gelebt hätten und gedacht hätten, abgeschoben zu werden. Seine ganze Familie sei zurückgekehrt. In Afghanistan habe er im Haus seiner Schwiegereltern mit seiner Frau und einem Cousin gelebt. Seine Eltern und Geschwister hätten in einer anderen Wohnung in der gleichen Ortschaft gelebt. Er habe gemeinsam mit seiner Familie fliehen wollen, diese aber an der Grenze zum Iran verloren. Nun wisse er nicht, wo sie seien und habe er keinen Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern. Zwei seiner Schwestern seien verheiratet und in Afghanistan ( XXXX in der Provinz Herat) geblieben, aber auch zu diesen habe er keinen Kontakt. Seine Familie habe von der Landwirtschaft (zwei gemieteten Grundstücken) gelebt. Besitztümer habe seine Familie nicht, auch bei der Erstbefragung habe er angegeben, dass die Grundstücke gemietet gewesen seien. Vielleicht habe ihn der Dolmetscher nicht richtig verstanden. Er habe fünf Jahre eine afghanische Schule in Teheran besucht. In seinem Heimatland habe er gar nichts getan, weil er bedroht worden sei. Er habe auch die Hochzeit heimlich daheim gefeiert. Das Geld für die Flucht habe er gespart, auch seine Schwiegereltern hätten ihm geholfen. Im Iran habe er in einer Baufirma gearbeitet.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF wie folgt an:

[...]

Damals, bevor wir das Land verlassen haben, hat mein Vater mit der Regierung gegen die Jihadisten gekämpft. Dann hat er das Land verlassen. Diese Jihadisten sind jetzt die Taliban. Bevor wir nach Afghanistan zurückgekehrt sind hatte mein Vater einen Unfall und konnte nicht mehr gehen. Als wir vor 3 Jahren nach Hause zurückgekehrt sind, haben die Taliban meinen Vater erkannt. Sie haben Akten über Ihre Gegner. Da sie gesehen haben, dass mein Vater alt und krank ist, wollten sie, dass ich und meine Brüder mit ihnen gegen die Regierung kämpfen. Wir haben abgelehnt, da haben sie uns bedroht. Mein Bruder ist geflohen, ich bin zu Hause geblieben. Sie haben mich nochmal gefragt und ich habe wieder nein gesagt. Dann haben sie mich eines Tages mit dem Auto angefahren. Ich war schwer verletzt, meine Knochen waren an mehreren Stellen gebrochen. Im Krankenhaus war ich nicht, Ärzte waren bei mir zu Hause. Nach 7 oder 8 Monaten, als es mir besser gegangen ist, habe ich entschieden das Land zu verlassen, bevor sie mich töten.

LA: Und weiter?

VP: Das ist alles.

LA: Wann haben die Bedrohungen durch die Taliban angefangen?

VP: 4 Monate nach unserer Rückkehr. Es gibt in unserem Heimatdorf keine Sicherheit, das Land ist immer noch im Krieg.

LA: Wie haben die Bedrohungen angefangen?

VP: Sie haben mich nie direkt bedroht, sondern Briefe geschickt oder über Leute ausrichten lassen, dass wir aufpassen sollen und sie uns wehtun, wenn wir nicht mit Ihnen arbeiten.

Frage wird wiederholt:

VP: Ein Freund meines Vaters ist zu uns nach Hause gekommen und hat gesagt "Sie wissen, dass du zurückgekommen bist und dass du krank bist. Darum müssen deine Kinder mit uns kämpfen."

LA: War dieser Freund ein Talib?

VP: Er hat Nachrichten hin und her gebracht. Er hat für beide Seiten gearbeitet.

LA: An welcher Adresse haben Sie mit Ihren Eltern gelebt, bevor Sie in den Iran gegangen sind?

VP: Auch in dem Dorf XXXX , wo wir dann wieder nach der Rückkehr gelebt haben.

LA: Gab es Ihrerseits direkten Kontakt mit den Taliban?

VP: Nein. Diese sind nur in der Nacht ins Dorf gekommen.

LA: Hatte Ihr Vater direkten Kontakt mit den Taliban?

VP: Nein

LA: Wie haben die Taliban Ihren Vater erkannt?

VP: Die Leute in unserem Dorf sind arm und bekommen Geld von den Taliban, wenn sie Informationen weitergeben. Ich glaube, dass ihnen deshalb jemand erzählt hat, dass mein Vater zurück und krank ist.

LA: Was ist weiter an dem Abend passiert, als der Freund Ihres Vaters meinte sie müssten mit den Taliban kämpfen?

VP: Wir haben abgelehnt und wollten nicht gegen die Regierung kämpfen. Wir wollten unser Land nicht kaputt machen.

LA: Und weiter? Ist an dem Abend noch etwas passiert?

VP: Nein, der Mann ist gegangen. 2-3 Monate später ist er nochmal gekommen und hat gesagt, wenn deine Kinder nicht mit uns arbeiten, werden sie uns töten.

LA: Zu welcher Tageszeit ist das passiert?

VP: Ich war selbst nicht da, er hat nur mit meinem Vater gesprochen.

LA: Und das war ein Freund Ihres Vaters?

VP: Ja.

LA: Was ist weiterhin passiert?

VP: Mein Vater hat uns eine Nachricht geschickt und er hat in unserem Namen angelehnt. Dann ist 1 Jahr lang nichts passiert, bis das mit dem Auto passiert ist. Mein Bruder ist zuvor geflüchtet. Sie haben mich eines Tages auf der Straße gesehen und mit dem Auto angefahren.

LA: Wann ist Ihr Bruder geflüchtet?

VP: Das waren ca. 3-4 Monate vor meinem Unfall.

LA: Warum ist Ihr Bruder zu diesem Zeitpunkt geflüchtet?

VP: Er hatte Angst wegen der ganzen Bedrohungen.

LA: Obwohl ein 3/4 Jahr nichts passiert ist?

VP: Die Taliban vergessen so etwas nicht. Sie warten lange, bis sie eingreifen.

LA: Was ist an dem Tag passiert, als sie von dem Auto angefahren wurden?

VP: Ich wollte da, wo wir wohnen, kurz spazieren gehen. Sie haben mich überfahren und sind dann weggefahren.

LA: Wie genau ist es denn passiert, dass Sie angefahren wurden?

VP: In unserem Dorf gibt es keine richtigen Straßen. Vermutlich haben sie Bescheid gesagt bekommen, dass ich draußen bin, ich war nicht mehr als eine halbe Stunde unterwegs, als plötzlich von hinten ein Auto gekommen ist und mich überfahren hat. Dann war ich bewusstlos, mehr weiß ich nicht. Ich hatte einen feinen Bruch am Kopf, es hat aber nicht geblutet, und mein rechtes Bein ist mit 33 Nähten genäht worden und war an 2 Stellen gebrochen. Nach 7 oder 8 Monaten war ich zu Hause, bis ich wieder gehen konnte. Dann habe ich mich dazu entschieden, das Land zu verlassen.

LA: Warum waren Sie nicht in einem Krankenhaus?

VP: Ich wollte nicht dorthin, weil es viele Papiere gibt und die Polizei kommt und man alles erklären muss. Das wollte das nicht.

LA: Warum?

VP: Ich hatte Angst, dass die Taliban jemanden bestechen und mich töten lassen.

LA: Warum wollten Sie keinen Kontakt zur Polizei?

VP: Weil ich schon entschieden hatte, das Land zu verlassen. Ich wollte nicht in Ermittlungen der Behörde verwickelt werden.

LA: Woher wissen Sie, dass die Taliban Sie angefahren haben?

VP: Weil der Freund meines Vaters damals gesagt hatte, dass die Taliban wüssten, dass mein Vater wieder da ist und er gesagt hat, dass sie uns bedroht haben. Die Taliban vergessen Drohungen nicht. Daher glaube ich, dass das die Taliban gewesen sind.

LA: Hat sich die Taliban dazu bekannt?

VP: Nein.

LA: Wissen Sie, dass es die Taliban waren?

VP: Nein, wissen tue ich es nicht. Ich hatte nie Kontakt zu ihnen.

LA: Gab es weiter Bedrohungen?

VP: Nein, nach dem Unfall nicht mehr. Ich war dann noch zu Hause, bis ich gehen und flüchten konnte.

LA: Warum ist Ihre Familie an den gleichen Ort zurückgezogen, obwohl Ihr Vater damals bedroht wurde?

VP: Wir haben gehört, dass es in unserem Heimatort kaum Probleme gibt und nachdem es im Iran so schwierig war zu leben und mein Vater dann bei der Arbeit auf einer Baustelle verletzt wurde, sind wir zurückgekehrt.

LA: Sie haben vorhin gesagt, dass Sie von den Taliban Briefe erhalten hätten. Welche Briefe waren das?

VP: Der Freund meines Vaters hat einen Brief mitgebracht. Zuerst hatte er keinen Brief mit dabei, später schon.

LA: Hatte der Freund Ihres Vaters den Brief bei seinem ersten Besuch oder später mit dabei?

VP: Er hatte den Brief doch nur beim 1. Besuch mit dabei. Darin ist gestanden, dass sie wüssten, dass mein Vater da ist und wir, seine Kinder, nun mitkämpfen. Beim 2. Besuch hat er uns die Nachricht der Taliban mündlich gebracht. Wir sollten mitkämpfen, wenn wir nicht getötet werden wollen.

LA: Wo ist dieser Brief?

VP: Den gibt es nicht mehr. Ich hatte ihn mit aber ich habe ihn im Meer verloren.

LA: Ist sonst noch etwas vorgefallen?

VP: Nein, das war alles, was passiert ist.

LA: Hatten Sie noch weitere Fluchtgründe?

VP: Nein. Aber wenn die Taliban hören, dass ich noch am Leben bin, versuchen sie sicher mich zu töten.

LA: Sie sagten Sie hätten noch 7-8 Monate in Ihrem Heimatort verbracht. Ist das den Taliban verborgen geblieben?

VP: Ich weiß es nicht, es ist möglich.

LA: Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten?

VP: Nach dem Autounfall war das meine Entscheidung.

LA: Wurden Sie von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit Probleme in der Heimat?

VP: Nein. Zu 60% bin ich wegen der Taliban und zu 40% wegen des Religionskonfliktes geflüchtet.

LA: Hatten sie selbst Probleme wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit?

VP: Nein, keine.

LA: Was wäre passiert, wenn Sie in Afghanistan geblieben wären und was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten? Was würde Sie dort erwarten?

VP: Wenn ich dort geblieben wäre, wäre ich sicher getötet worden. Auch wenn ich zurückkehren würde, würden Sie mich töten.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich im Heimatland wo anders hinzubegeben, um sich den angegebenen Übergriffen/Problemen/Schwierigkeiten zu entziehen? Bzw. bestünde diese Möglichkeit jetzt?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Anderswo gibt es andere Probleme, darum wollte ich nicht wo anders hingehen. Und überall gibt es Taliban, sie würden mich überall finden.

LA: Was müsste passieren, damit Sie wieder in Ihr Heimatland zurückkehren können?

VP: Die IS und Taliban müssten verschwinden und Ruhe müsste einkehren.

[...]

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, in einer Pension zu leben. Er habe keine Verwandten in Österreich und mache außer dem Deutschkurs keine Ausbildungen. Er sei auch kein Mitglied in Vereinen und könne wegen seinem Fuß nicht viel Sport machen. In seiner Freizeit gehe spazieren und versuche mit Leuten in Kontakt zu kommen.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme legte der BF folgende Unterlagen vor:

- Befund einer Radiologie vom 16.10.2015, worin als Ergebnis "Anhebung der horizontalten Beckenachse links auf Basis einer Beinlängedifferenz von annähernd +20mm links. Sonst unauffälliger Befund" festgehalten wurde;

- Befund einer Radiologie vom 21.04.2016, worin "Unauffälliger Befund am OSG" (Oberes Sprunggelenk) festgehalten wurde;

- Bestätigung vom 27.04.2016, wonach der BF seit September 2015 regelmäßig einen Deutschkurs besuche.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 23.05.2016 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei, sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben bekenne und der Volksgruppe der Tadschiken angehöre. Seine Identität stehe fest. Eine asylrelevante Verfolgung habe er nicht glaubhaft machen können.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Darstellung seiner Fluchtgründe in keiner Weise nachvollzogen werden könne. Wäre der Vater des BF tatsächlich wegen seiner damaligen Bedrohung am Kampf gegen die Jihadisten eine von den Taliban gesuchte Persönlichkeit gewesen, an der dies auch nach so vielen Jahren noch Interesse gehabt hätten, dann hätte dieser wohl nicht die Rückkehr nach Afghanistan riskiert. Auch sei es nicht nachvollziehbar, weshalb die Taliban Interesse daran haben sollen, einen ehemaligen Kämpfer der Regierung zu rekrutieren, sondern wäre davon auszugehen, dass die Taliban eine solche Person töten wollen. Auch habe sich der BF hinsichtlich der Bedrohung Szenarien in Widersprüche verstrickt. Seltsam sei auch, dass der BF behaupte unter Tags von den Taliban angefahren worden zu sein, während er gleichzeitig aber auch behauptet habe, dass die Taliban nachts ins Dorf gekommen wären. Auch seine Aussage, wonach er drei Jahre lang nicht in der Lage gewesen wäre, etwas zu tun, sei nicht stimmig, da er laut seinen Angaben bei dem Spaziergang angefahren worden wäre. Zudem sei es ihm angeblich möglich gewesen sich bis zu seiner Ausreise nach weitere 7-8 Monate in seiner Ortschaft aufzuhalten, ohne dass es zu weiteren Vorfällen gekommen wäre. Die Behörde bezweifle nicht, dass sich der genannte Unfall ereignet habe, allerdings sei zu erkennen, dass er diesen Vorfall offensichtlich in eine von ihm konstruierte Geschichte eingebettet habe. Er habe auch selbst angegeben, dass er nicht gesehen hätte und er nicht wisse, ob die Taliban verantwortlich für den Unfall gewesen wären. Der BF habe seine Fluchtgründe zudem oberflächlich und distanziert berichtet. Auf Nachfrage habe er nur knappe Antworten gegeben. Es sei daher insgesamt nicht glaubhaft, dass er aufgrund von Furch vor Verfolgung seine Heimat verlassen habe, sondern sei davon auszugehen, dass er aufgrund seines Wunsches nach Emigration das österreichische Bundesgebiet aufgesucht habe.

Betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der BF in Afghanistan familiären Anschluss habe und arbeitsfähig sei. Es sei ihm möglich und zumutbar seinen Lebensunterhalt in Afghanistan zu bestreiten. Bei einer Rückkehr sei nicht von einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlage auszugehen.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF illegal eingereist sei und keine nahen Familienangehörigen und keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich habe. Er lebe von der Grundversorgung, sei nicht berufstätig und nicht selbsterhaltungsfähig. Eine besondere Integrationsverfestigung bestehe nicht.

5. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde und wurde unrichtige rechtliche Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Es wurde ausgeführt, dass der Vater des BF zur Zeit Nadschibullahs Angehöriger der Armee gewesen sei. Deswegen habe die Familie nach der Machtübernahme der Taliban in den Iran fliehen müssen. Der BF sei damals fünf Jahre alt gewesen. Der Vater sei bei der Rückkehr von den lokalen Taliban erkannt worden, es sei zu Drohungen gegen die Familie gekommen und hätten der BF und seine Brüder rekrutiert werden sollen. Nach der zweiten Drohung sei der Bruder des BF geflüchtet, drei Monate später sei der BF bei einem Attentat schwer verletzt worden und habe - sobald es ihm möglich gewesen sei - Afghanistan verlassen müssen. Bemängelt wurde, dass die Länderfeststellungen unvollständig seien und die Behörde umfassend die Lage in der Heimatregion des BF bzw. die Präsenz der Taliban ermitteln hätte müssen. Herat zähle mittlerweile zu den unsicheren Provinzen Afghanistans. Die Behörde verkenne, dass sich die Familie des BF bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan hinreichend sicher gefühlt habe. Die Taliban würden auch nachweislich Zwangsrekrutierungen durchführen um ihren Personalstand zu erhöhen. Von der sofortigen Tötung des BF hätten die Taliban keinen Nutzen gehabt, weshalb sie versucht hätten, den BF unter Todesdrohungen zu rekrutieren. Weil er sich aber nicht anschließen habe wollen, hätten sie schließlich versucht den BF zu töten. Auch habe der BF genaue Angaben hinsichtlich der Drohbriefe machen können. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei daher insgesamt mangelhaft. Dem BF sei Asyl zu gewähren gewesen. Soweit die Behörde davon ausgehe, dass seine Schwestern ihn in Afghanistan unterstützen könnten, so werde darauf hingewiesen, dass diese verheiratet seien und bei ihren Männern leben würden. Es bestehe keine familiäre Bindung mehr. Auch würde es die Stellung der Frau in Afghanistan nicht erlauben, ihrem Bruder Unterhalt zu gewähren. Darüber hinaus habe der BF keinen Kontakt zu seinen Schwestern. Abschließend wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.09.2016 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtberaterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der BF gab an, in Herat geboren worden zu sein und im fünften Lebensjahr in den Iran ausgewandert zu sein. Er sei ca. 12 oder 13 Jahre alt gewesen, als er mit den Eltern nach Herat (an die gleiche Adresse) zurückgekehrt sei. Dies sei 2014/2015 gewesen. In Afghanistan würde nur noch ein Cousin leben. Wo seine Eltern leben wisse er nicht, er habe sie auf dem Fluchtweg aus den Augen verloren. Den Iran hätten sie verlassen, da sie keine Aufenthaltsdokumente gehabt hätten, er habe auch keine Bildung bekommen und seien sie als afghanische Flüchtlinge im Iran sehr schlecht behandelt worden. Sie seien davon ausgegangen, dass die Lage in Afghanistan besser werden könne, dies sei aber nicht so gewesen. Er habe im Iran keine offizielle Schule besucht, habe aber fünf Klassen am Unterricht in einer von Afghanen organisierten Schule teilgenommen. Im Iran habe er als Mechaniker gearbeitet. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise hätten seine Schwestern in Afghanistan gelebt, wo seine Brüder seien wisse er nicht. Einer von ihnen sei mit ihm ausgereist, der andere sei mit den Eltern auf der Flucht. Er habe die Eltern auf der afghanisch/iranischen Grenze aus den Augen verloren.

Befragt, warum er aus Afghanistan geflüchtete sei, gab der BF an:

[...]

In Afghanistan wurden wir bedroht. Wir hatten Schwierigkeiten und mussten unser Land verlassen. Der Grund für die Flucht aus Afghanistan, als ich fünf Jahre alt war, war die Arbeit meines Vaters. Er arbeitete für die Regierung und kämpfte gegen andere Gruppierungen. Als wir nach Afghanistan zurückkehrten, weil wir dachten, dass sich die Lage gebessert haben könnte, merkten wir, dass nach wie vor Krieg herrscht und die Taliban noch immer aktiv sind. Ich weiß nicht, wie sie uns gefunden haben. Aber sie verlangten von uns mit ihnen mitzuarbeiten. Sie bedrohten uns und daher ergriffen wir wiederholt die Flucht.

VR: Was hat Ihr Vater genau gearbeitet? Können Sie mir das beschreiben?

BF: Mein Vater war ein Soldat der Armee. Er hat auf einem Posten gearbeitet.

VR: Auf welchem Posten hat er gearbeitet?

BF: Auf einem Posten in meinem Heimatdorf.

VR: Wann sind Sie jetzt bedroht worden von den Taliban?

BF: Die ersten zwei bis drei Monate nach unserer Rückkehr in Afghanistan konnten wir relativ ruhig und problemlos leben. Danach begannen die Bedrohungen durch die Taliban. Diese schickten meinem Vater zwei Drohbriefe. Sie forderten ihn auf, mit ihnen zusammenzuarbeiten, zumal er früher gegen sie aktiv gewesen ist. Es gab auch mehrere mündliche Aufforderungen. Wir fühlten uns dort nicht mehr sicher und mussten von dort fliehen.

VR: Und wie hat Ihr Vater die Drohbriefe erhalten?

BF: Sie wurden meinem Vater von einem Freund übergeben, von dem wir nicht wussten, dass er mit den Taliban zusammenarbeitete.

VR: Welchem Freund wurden diese Briefe übergeben?

BF: Ich kenne ihn nicht. Das war ein Freund von früheren Zeiten, als ich noch ein kleines Kind war.

VR: Wissen Sie den Namen des Freundes?

BF: Nein.

VR: Haben Sie die Drohbriefe gesehen?

BF: Ja.

VR: Was stand in diesen Drohbriefen?

BF: Darin stand die Aufforderung, dass mein Vater mit ihnen zusammenarbeiten soll. Mein Vater habe früher für die Regierung gearbeitet. Nun solle er sich den Taliban anschließen. Wenn er gehorcht, wird ihm nichts zustoßen und wenn er nicht gehorcht und sich weigert, dann werden die Taliban ihr Verhalten ihm gegenüber ändern.

VR: Das heißt in diesen Drohbriefen wurde Ihr Vater aufgefordert, sich den Taliban anzuschließen?

BF: Nein. Mein Vater ist im Iran im Zuge seiner Tätigkeit auf dem Bau gestürzt und hat sich beide Beine gebrochen. Er wäre selbst nicht in der Lage, mit den Taliban Seite an Seite zu kämpfen. Die Aufforderung galt eher meinem Bruder und mir.

VR: Und sind Sie persönlich bedroht worden?

BF: Ich wurde nicht von Angesicht zu Angesicht bedroht, aber ich wurde einmal mit einem Auto überfahren.

VR: Und wann sind Sie mit dem Auto überfahren worden?

BF: Das war ein Jahr und einige Zeit nach unserem Aufenthalt in Afghanistan. Das war damals, als wir wieder unsere Ausreise durch einen Freund mit Schlepper organisieren wollten. Ich stand mit einem Freund am Straßenrand, als ich überfahren wurde.

VR: In welchem Jahr ist dieser Unfall passiert?

BF: Ende 1394 (Jänner bis März 2016).

VR: Können Sie sich an das Monat erinnern?

BF: Ich weiß leider nicht, in welchem Monat das war.

VR: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

BF: Am 14.09.2015.

VR: Wie kann dann der Unfall Jänner bis März 2016 passiert sein?

BF: Neun oder zehn Monate vor dem 14.09.2015 hat sich der Vorfall ereignet.

VR: Und wo ist dieser Unfall passiert?

BF: Im Heimatdorf.

VR: Und wer hat Sie da überfahren?

BF: Das ist im Auftrag der Taliban passiert, zumal sie uns davor gedroht hatten, dass sich ihr Verhalten verschlechtern würde, wenn wir ihnen nicht gehorchen.

VR: Woher wissen Sie, dass dieser Unfall durch den Auftrag der Taliban passiert ist? Woher sollen Sie das wissen?

BF: Weil sie das vorher angedroht hatten. Es ist davon auszugehen, dass es die Taliban waren.

VR: Also Sie vermuten es?

BF: 50, 50.

VR: Was ist Ihnen passiert durch den Autounfall? Waren Sie im Krankenhaus?

BF: Mein rechtes Bein ist an zwei Stellen gebrochen.

VR: Waren Sie im Krankenhaus?

BF: Nein. Wir haben einen Arzt nach Hause geholt.

VR: Und dieser Autounfall, wie ist der genau passiert? Können Sie das detaillierter beschreiben?

BF: Ich stand mit einem Freund auf dem Fahrbahnrand. Wir sprachen miteinander über unsere Ausreise, weil er Kontakte zu Schleppern hatte. In dem Moment wurde ich von hinten angefahren.

VR: Ist Ihrem Freund etwas passiert?

BF: Nein.

VR: Und wie hat der Freund geheißen, wer war das?

BF: Yaser.

VR: Und den vollständigen Namen, können Sie den angeben und die genaue Adresse?

BF: Ich kenne seinen Familiennamen nicht. Ich weiß nur, dass er aus der Stadt Herat gekommen ist, um mich zu treffen. Wir waren nicht allzu eng befreundet.

VR: Wenn Sie jetzt zurückkehren müssten in Ihr Heimatland, was würden Sie jetzt befürchten?

BF: Ich befürchte weiterhin einer Bedrohung ausgesetzt zu sein und getötet zu werden. Jeder Mensch möchte gern in seiner eigenen Heimat leben und etwas aus sich machen. Aber ich war gezwungen, aus meinem Heimatland zu flüchten.

[...]

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF ergänzend an, bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan hätten sie im gleichen Haus gelebt, dieses sei aber von seinem Vater vor ihrer Ausreise an den Schwiegervater verkauft worden. Der BF sei verheiratet, er habe vor ca. zwei Jahren in Afghanistan geheiratet. Kinder habe er nicht. Seine Ehegattin sei im Iran bei ihrem Vater aufhältig. Zu seiner Ausreise aus Afghanistan gab er an, sein jüngerer Bruder sei mit ihnen zusammen ausgereist, der ältere Bruder sei ein paar Monate vorher (ca. 10-11 Monate) ausgereist.

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, wegen seines Rückens in medizinischer Behandlung zu sein und eine Physiotherapie zu machen. Er nehme bei Bedarf Schmerzmittel ein.

Zudem gab der BF an, als sie im Iran gewesen seien, hätten sie von Ersparnissen gelebt. Außerdem habe der Vater Grundstücke in seinem Heimatdorf gehabt, die er an einen Bauern verpachtet habe. Sie hätten auch von diesen Erträgen leben können.

Abschließend wurde der BF von seinem Rechtsberater befragt, ob es bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu Problemen kommen könne, da er sein halbes Leben im Iran verbracht habe, wobei der BF ausführte, dass dies zu Schwierigkeiten führe, wenn die Bevölkerung zu Rassismus neige. In Afghanistan gäbe es Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten. Ebenso zwischen Afghanen und jenen Afghanen, die aus dem Iran zurückgekehrt seien.

Im Zuge der Verhandlung legte der BF eine Überweisung wegen "st.p. Lumboischialgie, Prolaps? Rezidiv" vom 19.01.2016 sowie eine Verordnung zur physikalischen Behandlung (10x Einzelheilgymnastik) vom 02.02.2016 vor.

7. Am 24.04.2019 langte ein Abschlussbericht der Polizei ein, wonach der BF verdächtigt sei am 20.02.2019 eine Straftat nach dem Suchmittelgesetzt (§ 27 Abs. 1 SMG) begangen zu haben.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.05.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin des BF eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der BF gab an, gesund zu sein. Von der Richterin befragt, ob er erklären könne, wieso er nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren könne, gab der BF an, seine Gründe bereits gesagt zu haben. Daraufhin befragt, ob er nichts hinzufügen wolle, gab der BF an: "Nein, das was ich bereits gesagt habe." Befragt, ob er Integrationsunterlagen habe, gab der BF an: "Ich würde mir leichter tun, wenn nur Männer hier sitzen würden" und gab der BF an, einen männlichen Richter haben zu wollen, da er homosexuell sei.

Die Verhandlung wurde daraufhin zwecks Zuteilung an einen männlichen Richter geschlossen.

9. Am 29.05.2019 langte erneut ein Abschlussbericht der Polizei ein, wonach der BF verdächtigt sei, am 16.05.2019 eine Straftat nach dem Suchtmittelgesetzt begangen zu haben.

10. In weiterer Folge wurde gegen den BF durch die Staatsanwaltschaft Anklage wegen § 28a (1) 5. Fall SMG § 28 (1) 3. Fall SMG § 127 StGB erhoben und wurde der BF am 17.08.2019 in Untersuchungshaft genommen.

11. Am 03.10.2019 langte eine Stellungnahme des BFA ein, worin mitgeteilt wurde, dass wahrscheinlich ein Bruder des BF ( XXXX ) im Bundesgebiet aufhältig sei. Die Tazkira der beiden Brüder wurde beigefügt.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein eines Vertreters der belangten Behörde eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der BF gab an gesund zu sein.

Weiters brachte der BF wie folgt vor:

[...]

R: Bleiben Sie bei Ihrem Vorbringen, homosexuell zu sein?

BF: Ja.

R: Wieso geben Sie dieses Vorbringen erst so spät an?

BF: Das Ganze hat damit zu tun, dass ich Angst hatte, dies bekanntzugeben.

R: Seit wann wissen Sie, homosexuell zu sein?

BF: In Afghanistan habe ich sogar geheiratet. Aber trotzdem hatte ich kein großes Interesse an meiner Frau. Als ich in Österreich angekommen bin, gab es ein paar andere Jungs, die ich gesehen habe.

R: Hatten Sie geschlechtlichen Verkehr mit diesen?

BF: Mit einem von ihnen ja.

R: Können Sie seinen Namen bekanntgeben?

BF wird aufgefordert, den Namen aufzuschreiben.

BF: Ich kann nicht gut schreiben.

D schreibt den Namen auf: XXXX .

R: Woher kennen Sie XXXX ?

BF: Wir haben in einem Heim zusammengelebt.

R: Sind Sie mit ihm nach wie vor in Kontakt?

BF: Ja.

R: Wo wohnt XXXX ?

BF: Er lebt in Schwechat. Früher war er auch in Himberg, jetzt lebt er in Schwechat. Ich weiß seine Adresse nicht genau und ich weiß nicht genau, ob er schon von Himberg nach Schwechat gewechselt ist.

R: Sie wissen also derzeit nicht, wo XXXX aufhältig ist?

BF: Mit großer Wahrscheinlichkeit ist er nach Schwechat gezogen, aber genau weiß ich es nicht.

R: Sind Sie in telefonischem Kontakt mit XXXX ?

BF: Ich bin derzeit im Gefängnis. Ich habe keinen telefonischen Kontakt zu ihm.

R: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu ihm?

BF: Letztes mal habe ich ihn sogar gesehen, er ist zu mir gekommen. Vor zwei Monaten.

R: Wann hatten Sie zuletzt telefonischen Kontakt zu ihm?

BF: An das genaue Datum kann ich mich nicht erinnern. Bevor er zu mir kommen wollte, haben wir telefoniert und wir haben die Zeit bestimmt, wann er kommen sollte und dann ist er zu mir gekommen.

R: Ist er auch afghanischer Staatsangehöriger?

BF: Ja.

R: Seit wann kennen Sie ihn?

BF: Seit ca. zwei Jahren.

R: Wo haben Sie ihn genau kennengelernt?

BF: Das erste Mal haben wir uns in diesem Heim kennengelernt.

R: In welchem Heim?

BF: In Himberg, XXXX .

[...]

R: Sind Sie nach wie vor verheiratet mit XXXX ?

BF: Offiziell ja. Ich muss es so erklären: Als ich hier war, habe ich meiner Familie mitgeteilt, dass ich keine Frau mehr brauchen würde. Ich würde gerne hier in Österreich bleiben und so.

R: Haben Sie auch mitgeteilt, wieso Sie keine Frau mehr brauchen?

BF: Nicht so offen, ich habe mich nicht getraut.

R: Was haben Sie ihnen nun gesagt?

BF: Ich habe ihnen mitgeteilt, dass ich nicht mehr zu ihnen zurückkommen will und ich werde auch keine Frau brauchen.

R: Mit wem haben Sie da gesprochen?

BF: Mit meiner Mutter.

R: Hat Ihre Mutter nicht nachgefragt, warum Sie keine Frau brauchen?

BF: Sie hat das zwar sehr genau gefragt, aber ich habe gelogen und sagte: "Zur Zeit kann ich nicht zu Euch kommen".

R: Sie haben also Ihrer Mutter nicht gesagt, dass Sie homosexuell sind?

BF: Nein.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal telefonischen Kontakt zu Ihrer Ehefrau?

BF: Vor ca. einem Jahr.

R: Haben Sie Ihrer Ehefrau mitgeteilt, dass Sie homosexuell sind?

BF: Nein.

R: Seit wann haben Sie sich zu Männern hingezogen gefühlt?

BF: Gespürt habe ich es sehr früh und zwar beim ersten Mal, als ich mit meiner Frau geschlafen habe, aber ich war mir nicht zu 100 Prozent sicher, bis ich einen Jungen namens XXXX kennengelernt habe und auch zwei Mal mit ihm geschlafen habe.

R: Wann haben Sie mit diesem XXXX geschlafen?

BF: So gegen Ende 2016.

R: Wo haben Sie sich da befunden? In welchem Land waren Sie da aufhältig?

BF: Es war in Österreich in einem Heim.

R: Sie haben oben mitgeteilt, dass Sie lediglich einmal mit einem Mann namens XXXX Geschlechtsverkehr hatten. Nun teilen Sie mit, Geschlechtsverkehr auch mit XXXX gehabt zu haben.

BF: Der jetzige ist XXXX und damals habe ich mit XXXX zwei Mal geschlafen.

R: Was glauben Sie würde Ihnen passieren, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich weiß es nicht genau. Ich kann es mir auch nicht vorstellen. Vor allem, wenn meine Familie das wüsste. Ich weiß es nicht.

R: Welche Familienangehörigen leben im Iran?

BF: Nur meine Frau.

R: Wo leben Ihre Eltern und Geschwister?

BF: Meine Eltern, mein Bruder und zwei Schwestern von mir sind zur Zeit in der Türkei.

R: Heißt das, dass diese Ihnen nachfolgen wollen nach Österreich?

BF: Ich bin mir nicht sicher, ob sie das schaffen, weiterkommen zu können. Wenn sie es schaffen, weiß ich nicht, ob sie nach Österreich wollen oder nicht.

R: Wieso ist Ihre Ehegattin nicht mit Ihrer Familie gemeinsam unterwegs?

BF: Sie lebt mit ihrer eigenen Familie.

R: Ist Ihre Ehegattin afghanische Staatsangehörige?

BF: Ja.

R: Wie viele Geschwister haben Sie?

BF: Ich habe zwei Brüder und zwei Schwestern.

R: Können Sie mir die Namen Ihrer Brüder nennen?

BF: Einer heißt XXXX und der andere XXXX .

R: Wissen Sie, wie man Ihren Bruder namens XXXX schreibt?

BF: XXXX .

R: Wissen Sie, wie alt Ihr Bruder daher ist?

BF: XXXX .

R: Und Ihr Bruder XXXX ?

BF: Ich weiß nicht genau, aber er ist ca. 20 Jahre alt derzeit.

R: Wissen Sie, ob Ihr Bruder XXXX bereits in Österreich ist?

BF: Ja, ich weiß es seit einiger Zeit, bevor ich erwischt worden bin, dass er in Österreich ist.

R: Seit wann wissen Sie, dass Ihr Bruder XXXX in Österreich ist?

BF: Bei meinem letzten Kontakt mit meiner Familie sagte man mir, dass mein Bruder XXXX auch bereits in Österreich wäre.

R: Wieso haben Sie das vorhin nicht zugegeben, erst als ich Sie genauer danach gefragt habe?

BF: Sie haben mich nicht genau gefragt. Ich habe gesagt, dass ein Bruder von mir in der Türkei ist.

R: Wissen Sie, seit wann Ihr Bruder XXXX in Österreich aufhältig ist?

BF: Nein, das weiß ich nicht. Ich habe noch keinen Kontakt mit ihm gehabt.

R: Ist dies Ihr Bruder, wie im Anhang der Stellungnahme vom 03.10.2019 ersichtlich ist?

BF: Ja, das ist er. Wegen meiner Homosexualität habe ich auch Angst, ihn zu treffen und zu wissen, wo er ist.

R: Von wann bis wann haben Sie in Afghanistan gelebt?

BF: Ich war ca. drei Jahre in Afghanistan und zwar von meinem 17. Bis zu meinem 20. Lebensjahr.

R: Wo haben Sie gelebt?

BF: In Herat.

R: Können Sie dazu detailliertere Angaben machen?

BF: Ich habe nicht in der Stadt Herat gelebt, sondern im Dorf XXXX.

R: Wo sind Sie geboren?

BF: In XXXX.

R: Das heißt, dass Sie auch von Ihrer Geburt an bis zu Ihrem sechsten Lebensjahr in XXXX gelebt haben?

BF: Ja.

R: Wieso sind Sie im Alter von 17 Jahren wieder nach Afghanistan zurückgekehrt?

BF: Der Grund war, dass wir keine offiziellen Aufenthaltsdokumente für den Iran hatten und es hätte jederzeit passieren können, dass wir abgeschoben werden, deshalb sind wir freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt.

R: Das heißt, Ihre Geschwister, Ihre Eltern und Sie sind gemeinsam in das Dorf XXXX zurückgekehrt?

BF: Ja.

R: Haben Sie noch Verwandte, die im Dorf XXXX leben?

BF: Ja, ein Onkel vs von mir lebt noch dort.

R: Wie viele Geschwister hat Ihr Vater?

BF: Er hat vier Brüder und eine Schwester.

R: Wo leben Ihre vier Onkel und Ihre Tante?

BF: Meine Tante weiß ich nicht genau, wo sie lebt. Ein Onkel vs ist seit ca. 7 oder 8 Jahren verschwunden. Wir wissen nicht, wo er ist. Zwei Onkel von mir leben in Deutschland. Ein Onkel lebt noch im Dorf XXXX.

R: Wollten Sie auch nach Deutschland zu Ihren Onkeln?

BF: Nein.

R: Wieso wollten Sie ausgerechnet nach Österreich?

BF: Im Iran habe ich mich ein bisschen über Österreich informiert und gelesen. Nach meinen damaligen Informationen wusste ich, dass es ein kleines Land ist und deshalb wollte ich hier leben.

R: Hatten Sie Kontakt zu Personen, die sich bereits in Österreich befunden haben, als Sie im Iran waren?

BF: Nein.

R: Wie kommen Sie dann auf die Idee, sich über Österreich zu informieren, da es doch so ein kleines Land ist?

BF: Das kann ich nicht erklären, ich hatte ein gewisses Interesse.

R: Aber es erscheint merkwürdig, wenn man im Iran ist, dass man sich über Österreich erkundigt.

BF: So weit ich im Iran erfahren habe, sei Österreich ein sicheres kleines Land.

R: Hat der Schlepper Sie darüber informiert?

BF: Ja.

R: Wieso haben Sie Afghanistan verlassen, um wieder in den Iran zu reisen?

BF: Ich habe bei meiner letzten Einvernahme auch gesagt, dass ich Probleme mit meinem Vater hatte. Nein, ich hatte kein Problem mit meinem Vater, sondern mein Vater hatte Probleme dort.

R: Wenn Ihr Vater dort Probleme hatte, wieso mussten Sie dann Afghanistan verlassen?

BF: Wenn ein Vater bzw. Familienoberhaupt Probleme hat oder irgendwo hinzieht, müssen die Kinder mitkommen.

R: Wann haben Sie dann genau Afghanistan verlassen, um in den Iran zu reisen?

BF: So genau kann ich es nicht sagen, ich war ca. 6 Jahre alt.

R: Aber Sie haben gesagt, dass Sie mit 17 Jahren wieder nach Afghanistan zurückgekehrt sind und mit 20 Jahren hätten Sie Afghanistan wieder verlassen, um über den Iran nach Österreich zu reisen. Wann haben Sie nun das zweite Mal Afghanistan verlassen?

BF: 2015.

R: Können Sie ein näheres Datum nennen?

BF: So genau kann ich das nicht sagen. Wenn ich das jetzt sagen würde, würde ich lügen. Ich weiß es nicht genau.

R: Wieso ist Ihre Familie das erste Mal aus Afghanistan ausgereist, als Sie ca. 6 Jahre alt waren?

BF: Ich weiß nicht genau, ich war zu jung für die ganze Geschichte, aber ich weiß, dass mein Vater damals Mitglied einer Partei war.

R: Welcher Partei war Ihr Vater zugehörig?

BF: Er ist ein Mitglied der islamischen Partei gewesen.

R: Aber Sie haben beim BVwG am 30.09.2016 nicht angegeben, dass Ihr Vater Mitglied der islamischen Partei gewesen sei. Wieso geben Sie das heute an?

BF: Ich habe bei meiner Einvernahme nur die Fragen beantwortet, die mir gestellt worden sind.

R: Was hat Ihr Vater bei dieser islamischen Partei gemacht? Hatte er eine Funktion inne?

BF: Ich war zu jung dafür, aber ich weiß, dass er hin und wieder an kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen hat. Er war in einer Gruppe, die aus 30 bis 40 Leuten bestand.

R: Was war das für eine Gruppe?

BF: Sie war ein Teil der islamischen Partei.

R: Hatte die Gruppe einen Namen?

BF: Der gesamte Name heißt islamische Partei, mehr weiß ich nicht.

R: Gegen wen hat die islamische Partei gekämpft?

BF: Gegen die Taliban.

R: Wenn Ihr Vater solche Probleme hatte, wieso ist er mit seiner gesamten Familie wieder nach Afghanistan zurückgekehrt, als Sie ungefähr 17 Jahre alt waren?

BF: Nach ca. 10 Jahren haben wir gehofft, dass die Lage sich beruhigt hätte und mit dieser Hoffnung sind wir nach Afghanistan zurückgegangen.

R: Und Sie sind mit Ihrer Familie wieder in das Heimatdorf zurückgekehrt, als Sie ca. 17 Jahre alt waren?

BF: Ja.

R: Aber Sie haben dann ca. drei Jahre in Ihrem Heimatdorf gelebt. Was war dann der auslösende Grund dafür, dass Sie und Ihre Familie Afghanistan verlassen haben?

BF: Das erste Jahr verging sehr ruhig und normal. Im zweiten Jahr haben dann die Probleme meines Vaters wieder begonnen und in diesem Zusammenhang hat man mich auch einmal mit einem Auto verletzt. Das habe ich bei meiner letzten Einvernahme auch gesagt. Ich weiß nicht, wer diese Menschen waren, aber es waren jene Menschen, die Probleme mit meinem Vater hatten.

R: Was waren das für Menschen?

BF: Ich weiß nicht genau, aber ich weiß, dass sie Mitglieder der anderen Parteien waren?

R: Welche andere Parteien meinen Sie?

BF: Es können nur Mitglieder der Taliban oder der Djamiat-e-alisslami.

R: Wann sind Sie mit einem Auto verletzt worden? Können Sie sich an ein Datum erinnern?

BF: Im Jahr 2013.

R: Können Sie den Monat angeben?

BF: Im fünften oder sechsten Monat, 24. oder 25.

R: Was meinen Sie mit fünftem oder sechstem Monat?

BF: Ich bin mir nicht sicher, ob es im fünften oder sechsten Monat war.

R: Meinen Sie Mai oder Juni?

BF: Ja. Es gibt auch einen Unterschied zwischen der österreichischen und der afghanischen Zeitrechnung. Ich bin mir sicher, es war im Jahr 2013.

R: Da geben Sie aber immer unterschiedliche Daten an: vor dem BVwG haben Sie angegeben, dass der Unfall im Jahr 2016, dann im Jahr 2014 und jetzt geben Sie 2013 an.

BF: Das kann nicht möglich sein, weil ich im Jahr 2016 bereits in Österreich war und 2014 war ich krank.

R: Warum geben Sie immer unterschiedliche Angaben an? Sie werden daran erinnert, die Wahrheit zu sagen.

BF: Vielleicht hat der Dolmetscher etwas falsch übersetzt. Ich bin kein kleines Kind mehr, wenn ich 2016 schon hier war, kann ich nicht gesagt haben, dass der Unfall in diesem Jahr war.

R: Können Sie aufgrund der Probleme nicht mehr zurück nach Afghanistan?

BF: Natürlich, wenn ein Vater ein Problem hat, können die Angehörigen auch nicht zurück.

R: Hat Ihre Mutter Geschwister?

BF: Sie ist ein Einzelkind. Sie hatte zwei Brüder und eine Schwester. Diese sind bereits verstorben.

R: War Ihr Vater Soldat?

BF: Damals hat es keine Militärkräfte gegeben, es gab nur Parteien. Ich denke so.

R: Beim BVwG im Jahr 2016 haben Sie angegeben, dass Ihr Vater ein Soldat der Armee war. Heute sagen Sie es habe keine Militärkräfte gegeben, sondern nur Parteien. Wieso machen Sie derart unterschiedliche Angaben?

BF: Damals hat es keine militärische Kraft gegeben, es sind nur Parteien gewesen und daher war mein Vater Mitglied der Partei.

R: Als Sie mit dem Auto angefahren wurden, haben Sie gesehen, wer hinter dem Steuer gesessen ist?

BF: Nein.

R: Heißt das, das Auto hat Sie angefahren und ist gleich wieder weitergefahren?

BF: Ja. Natürlich ist eine Person gefahren, aber ich habe diese nicht gesehen.

R: Wie viel hat die Reise nach Österreich gekostet?

BF: Ca. zwischen 15.000 und 16.000 Euro.

R: Woher hatten Sie das viele Geld?

BF: Wenn es nur um das Geld geht, ja, aber es geht nicht nur ums Geld. Mein Vater, mein Bruder und ich haben es erarbeitet.

R: Das heißt, das Geld für Ihre Ausreise wurde von Ihrem Vater und Ihren Eltern beigesteuert?

BF: Ja.

R: Sind Sie dann alleine aus dem Iran nach Österreich ausgereist, oder hat Sie ein Familienmitglied begleitet?

BF: Ich bin alleine ausgereist.

R: Wieso sind Sie nicht im Iran bei Ihrer Familie und bei Ihrer Ehegattin geblieben, sondern sind alleine ausgereist?

BF: Von meiner Kernfamilie war niemand im Iran, nur meine Frau war mit mir im Iran. Ich war nur unterwegs mit meiner Familie von Afghanistan in den Iran und ich habe sie dann verloren.

R: Das heißt, Sie haben Ihre Familie in Afghanistan aus den Augen verloren?

BF: Ja.

R: Haben Sie dann ab diesem Zeitpunkt, als Sie Ihre Familie verloren haben, wieder Kontakt mit Ihrer Familie gehabt?

BF: Nein. Aber vor ca. zwei oder drei Monaten haben wir miteinander gesprochen.

R: Als Sie im Iran mit Ihrer Ehegattin waren, hatten Sie telefonischen Kontakt zu Ihren Eltern?

BF: Nein.

BehV: Wann haben Sie den Kontakt mit Ihrer Familie wieder hergestellt?

BF: Vor ca. drei Monaten.

BehV: Warum erst so spät und wie?

BF: Per Facebook habe ich meinen Bruder XXXX finden können. Ich wusste nicht, wann ich ihn finden kann, deshalb so spät. Vielleicht waren sie unterwegs im Iran oder der Türkei.

BehV: Was können Sie zur Aufklärung eines Widerspruchs beitragen, wenn Sie versichert haben, dass Sie den Unfall 2013 hatten. Beim BFA haben Sie ausgesagt, Ihr Bruder XXXX wäre drei bis vier Monate vor Ihrem Unfall geflüchtet. Ihr Bruder XXXX hat in seiner Erstbefragung jedoch angegeben, seine Flucht hätte zwei Monate gedauert und er ist am XXXX in Österreich angekommen.

BF: Ja, XXXX hat drei bis vier Monate vor meinem Unfall Afghanistan verlassen, aber ich weiß

nicht, ob er unterwegs war. Er ist sicher nicht zwei Jahre unterwegs gewesen, aber wo er war, weiß ich nicht.

BehV: Wie kann es sein, dass Ihr Bruder ( XXXX ) bei seiner Fluchtgeschichte nichts von einer Bedrohung des Vaters wegen der islamischen Partei angegeben hat?

BF: Vielleicht hat man ihn darüber nicht gefragt.

R an BF: Der BehV war bei der Beschwerdeverhandlung Ihres Bruders XXXX anwesend und weiß daher, welche Fragen diesem gestellt wurden und welches Fluchtvorbringen von Ihrem Bruder mitgeteilt wurde.

BF zuckt nur mit den Schultern. Was soll ich dazu sagen?

BehV: Was können Sie zu meiner Vermutung sagen, dass es für mich den Anschein erweckt, dass Sie den Kontakt zu Ihrem Bruder deswegen verschweigen, weil Sie beide derart widersprüchliche Angaben machen?

BF: Ja, wenn das so gewesen wäre, wie Sie (BehV) das meinen, dann hätte ich doch leicht zu ihm gehen können, und wir hätten die Aussagen absprechen können. Es gibt viele Gründe, warum wir unterschiedliche Angaben machen, vielleicht ist man krank, vielleicht ist man sehr lange unterwegs gewesen. Vielleicht machen die Auswirkungen von damals jemandem zu schaffen. Ich bin nicht blöd, stundenlang die Fragen zu beantworten, damit meine ich, wenn ich gelogen hätte, denke ich, dass meine Einvernahme sehr kurz gewesen wäre. Ich bleibe bei der Wahrheit.

BehV: Wenn Sie nicht gesehen haben, wer Sie überfahren haben soll, woher sind Sie sich so sicher, dass das etwas mit der Bedrohung Ihres Vaters zu tun hatte und letztlich auch mit Ihrer Bedrohung?

BF: Ich bin deshalb zu diesem Ergebnis gekommen, weil, wo man mich mit dem Auto verletzt hat, ist ein nicht großes Dorf, normalerweise fährt man dort höchstens 20 km/h. Aber dieser Mann fuhr sehr schnell. Außerdem hat er nicht gestoppt und er hätte mir helfen können.

BehV: Welche Beziehung haben Sie zu Herrn XXXX ?

BF: Seit ca. einem Jahr bis eineinhalb Jahren kenne ich ihn. Ich kenne ihn auch aus diesem Heim in Himberg. Wir haben zusammen eine Wohnung gemietet. Offiziell sind wir zur Zeit auch in einer Wohnung, aber ich bin im Gefängnis.

BehV: Haben Sie eine Beziehung zu XXXX ?

BF: Nein, ich habe keine intime Beziehung zu ihm. Wir waren nur zwei Monate in einer Wohnung.

BehV: Ist XXXX auch homosexuell?

BF: Ja.

BehV legt die Besuchsliste der JA Wr. Neustadt vor. Darauf ist ersichtlich, dass Herr XXXX den BF drei Mal besucht hat. Eine Kopie der Besuchsliste wird als Beilage ./A zum Akt genommen.

Der BehV gibt weiters dazu an, dass dem Besagten wegen nachgeschobener Homosexualität Asyl gewährt wurde.

R: Was haben Sie mit Herrn XXXX besprochen, er hat Sie drei Mal im Gefängnis besucht, kurz vor Ihrer Verhandlung?

BF: Er hat mich nur normal besucht und gefragt, wie es mir geht.

R: Haben Sie Herrn XXXX über sein Asylverfahren gefragt bzw. warum er Asyl bekommen hat?

BF: Nein.

R: Hat er Ihnen erzählt, dass er anerkannter Flüchtling hier in Österreich ist?

BF: Ja, das hat er.

R: Haben Sie dann nicht näher nachgefragt, welches Fluchtvorbringen bzw. welche Angaben er vor den Behörden gemacht hat?

BF: Nein, darüber brauche ich ihn nicht befragen, weil auch tausende andere Leute nach Österreich kommen.

R: Wie oft hat Sie Herr XXXX besucht? War er auch vor dem September 2019 als Besucher bei Ihnen?

BF: Nein, nur im September.

R: Seit wann sind Sie in Haft?

BF: Seit zwei Monaten.

R: Was wird Ihnen vorgeworfen?

BF: Es ging um den Kauf und Verkauf von Marihuana.

R: Waren zuvor auch schon einmal in Haft?

BF: Nein.

BehV gibt an, dass der BF schon drei Mal erkennungsdienstlich behandelt wurde. Zwei Mal in Wr. Neustadt und einmal in Wien. Weiters merke ich an, dass auch Herr XXXX mehrmals wegen Drogendelikten aufgefallen ist.

[...]

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, er habe die A1-Deutsch-Prüfung gemacht. Im Iran habe er vier Jahre lang als Automechaniker gearbeitet.

Mit dem BF wurden in weiterer Folge das LIB zu Afghanistan (Stand Juni 2019), die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und der EASO-Bericht von Juni 2019 erläutert.

Die belangte Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde in allen Punkten und begründete dies wie folgt:

[...]

Aus Sicht der Behörde ist auch nach den Verhandlungen keine individuelle, aktuelle Bedrohung des BF im Sinne der GFK glaubhaft vorgebracht worden, weil die Ausführungen diesbezüglich vage und widersprüchlich waren. Die nachgeschobene Homosexualität ist aus Sicht der Behörde als reine Schutzbehauptung zu werten, speziell im Lichte der angeführten Widersprüche ist die Person als unglaubwürdig einzustufen. Selbst bei glaubhafter Homosexualität ist kein aktives Outing erwartbar, zumal der BF bisher niemandem davon erzählt hat und auch gemäß LIB seit Ende der Taliban-Herrschaft niemand aufgrund der Homosexualität in Afghanistan getötet wurde. Hinsichtlich des subsidiären Schutzes verweist die Behörde auf die ständige Judikatur, welche eine Rückkehr für volljährige, gesunde, arbeitsfähige Afghanen als zumutbar erkennt. Hinsichtlich des Aufenthaltstitels ist auf die rund vierjährige Aufenthaltsdauer zu verweisen. Es ist aber keine besondere Integration, welche gemäß VwGH gefordert wird, hervorgekommen, weshalb auch hier der Ausschlag hinsichtlich der öffentlichen Interessen gemäß § 9 BFA-VG zu sehen ist.

[...]

13. Am 28.10.2019 wurde das erkennende Gericht über die rechtskräftige Verurteilung des BF informiert.

14. Am 05.02.2020 langte ein Abschlussbericht der Landespolizei Niederösterreich ein, wonach der BF verdächtigt sei ein Delikt nach dem Suchtmittelgesetz (Suchtgifthandel an verschiedenen Örtlichkeiten im Stadtgebiet von März 2019 bis April 2019) begangen zu haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnit) und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Der BF ist mit einer Afghanin traditionell verheiratet. Er hat keine Kinder.

Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Farsi.

Ein Bruder des BF - XXXX - hält sich seit XXXX (samt Ehefrau und Schwiegereltern) in Österreich auf.

Der BF wurde in Afghanistan in der Provinz Herat (Dorf: XXXX ) geboren, wo er gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern lebte. Im Alter von 5-6 Jahren ist der BF mit seiner Familie in den Iran (Teheran) umgesiedelt, wo er einige

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten