Entscheidungsdatum
28.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W136 2197146-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, Zl. 1112591003-160578886, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2019, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 23.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, persönlich zugestellt am 03.05.2018, wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass den Angaben des Beschwerdeführers, wonach die Taliban im Jahr XXXX seinen Wohnort eingenommen hätten, Glauben geschenkt würde, zumal den Länderinformationen zu entnehmen sei, dass die Taliban fünf der sieben Distrikte von Kunduz erobert hätten (LIB 21.01.2016 zu Kunduz). Sein weiteres Vorbringen sei jedoch äußerst allgemein gehalten und er habe letztlich keine individuelle Verfolgung durch die Taliban vorbringen können. Es werde auch nicht verkannt, dass die Sicherheitssituation in seinem Herkunftsort bedrohlich und dass Kunduz eine der volatilen Provinzen Afghanistans sei, es sei ihm jedoch durchaus zumutbar, sich in einer sicheren Gegend wie Kabul mit einem sicher erreichbaren internationalen Flughafen niederzulassen. Da es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, jungen und arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung handeln würde, sei davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage gelangen würde. Er könnte nämlich zumindest mit einer finanziellen Unterstützung seiner im Iran lebenden Angehörigen rechnen. Es wäre ihm daher zumutbar durch eigene und notfalls auch wenig attraktive Arbeit oder erforderlichenfalls durch Zuwendung von dritter Seite - auch unter Anbietung seiner gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können.
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 02.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
3. Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 29.05.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.05.2019, GZ W136 2197146-1/16E, wurde nach mündlicher Verhandlung die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I als unbegründet abgewiesen, jedoch hinsichtlich Spruchpunkt II stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AslyG 2005 zuerkannt.
4. Vorgenanntes Erkenntnis wurde nach Revision, erhoben von der belangten Behörde, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.10.2019, GZ Ra 2019/20/0309-4, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes insoweit aufgehoben, als dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuerkannt und eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.
Begründen wurde vom Verwaltungsgerichtshof insbesondere ausgeführt:
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 MRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung) (RS1)
Es entspricht der Rechtsprechung des VwGH, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen sei (vgl. VwGH Ra 2019/20/0175, mwN) (RS 2)
Das Unionsrecht misst der vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) herausgegebenen "Country Guidance"- vergleichbar Informationen des UNHCR (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN) - eine besondere Bedeutung zu (vgl. Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU; vgl. dazu VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153) (RS3).
Weder EASO (Leitfaden vom Juni 2018) noch UNHCR (Richtlinien vom 30. August 2018) gehen von der Notwendigkeit der Existenz eines sozialen Netzwerkes in Mazar-e Sharif für einen alleinstehenden, gesunden, erwachsenen Mann ohne besondere Vulnerabilität für die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus. Es entspricht zudem der - auch zu dieser Berichtslage ergangenen - Rechtsprechung des VwGH, dass allein die Tatsache, dass ein Asylwerber in seinem Herkunftsstaat über keine familiären Kontakte verfüge, die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht hindere (vgl. etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0546, mwN) (RS 4).
5. Nach Einlangen der Akten beim Bundesverwaltungsgericht am 27.11.2019 wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28.01.2019 aufgefordert, sein zuletzt erworbenes Deutschzertifikat sowie Nachweise über ein allenfalls vorliegendes Beschäftigungsverhältnis vorzulegen. Mit E-Mail vom 04.02.2019 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er das Zertifikat A1 erworben habe und aktuell in keinem Beschäftigungsverhältnis stehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Vorweg ist darauf zu verweisen, dass die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers, soweit diesem nicht der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde (siehe GZ W136 2197146-1/16E vom 16.05.2019) in Rechtskrafterwachsen ist, sodass dazu im Weiteren nichts mehr auszuführen ist
Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 23.04.2016, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.03.2019, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, sowie der Angaben des Beschwerdeführers vom 04.02.2019 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person und des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Identität steht nicht fest; er trägt den im Spruch genannten Namen. Er stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt Khan Abad, in der Provinz Kunduz. Seine Muttersprache ist Dari.
Er ist ledig, kinderlos, arbeitsfähig, hat vier Jahre die Grundschule besucht und leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen. Seine Eltern leben mit seinen Geschwistern ebenso wie seine Verwandten mittlerweile im Iran bzw. ein Onkel lebt in Deutschland und ein subsidiär schutzberechtigter Bruder im Bundesgebiet. In seiner Heimat hat der Beschwerdeführer keine Verwandten mehr, die ihn zumindest vorübergehend unterstützen könnten. Unabhängig davon ist vor dem Hintergrund der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation bzw. Versorgungslage und seiner langen Abwesenheit auch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass ihn allfällige Verwandte oder Freunde in der Heimat längerfristig ausreichend unterstützen könnten bzw. wollten.
Es ist - aufgrund der Erfahrungen aus zahlreichen Einvernahmen von afghanischen Staatsbürgern - eine gerichtsnotorische Tatsache, dass afghanische Familien wegen der schwachen staatlichen Sozialstrukturen in der Regel mehrere Kinder haben und enge Beziehungen zu ihrer erweiterten Großfamilie pflegen auf deren Netzwerk sie auch angewiesen sind.
Der Beschwerdeführer kann jedoch - aus den obgenannten Gründen - nicht auf ein derartiges soziales Netzwerk, insbesondere seiner Familie vor Ort und auf die Unterstützung einer Großfamilie (Onkel/Tanten und deren Nachkommen in der Heimatprovinz) bzw. auf Freunde zurückgreifen, die ihn aufgrund der modernen Kommunikationsmittel und des Bankwesens finanziell und mit ihren Kontakten auch aus der Ferne unterstützen könnten.
Der Beschwerdeführer hält sich seit 23.04.2016 in Österreich auf. Er hat ein Deutschzertifikat A1 erworben. Der Beschwerdeführer stand bisher in keinem Beschäftigungsverhältnis. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 13.11.2019", Schreibfehler teilweise korrigiert):
"3.19. Kunduz
Die Provinz Kunduz war schon immer ein strategischer Knotenpunkt. Darüber hinaus verbindet die Provinz Kunduz den Rest Afghanistans mit seiner nördlichen Region und liegt in der Nähe einer Hauptstraße nach Kabul (DW 30.09.2015). Somit liegt die Provinz Kunduz im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Tadschikistan, im Osten an die Provinz Takhar, im Süden an die Provinz Baghlan und im Westen an die Provinz Balkh (UNOCHA 4.2014kd). Die Provinzhauptstadt ist Kunduz (Stadt) (Opr 01.02.1017kd); die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Ali Abad, Chahar Darah (Chardarah), Dasht-e-Archi, (Hazrati) Imam Sahib, Khan Abad, Kunduz und Qala-e-Zal (CSO 2019; vgl. IEC 2018kd, UNOCHA 4.2014kd, Opr 01.02.2017kd, NPS o.D.kd). Die Distrikte Calbad (Gulbad), Gultipa und Aqtash sind neu gegründete Distrikte mit "temporärem" Status (AAN 07.11.2018; vgl. CSO 2019).
Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Kunduz für den Zeitraum 2019 - 2020 auf 1.113.676 Personen, davon 356.536 in der Stadt Kunduz (CSO 2019). Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara, Aymaq und Pashai (NPS o.D.kd; vgl. Opr 01.02.1017kd).
Ein Abschnitt der asiatischen Autobahn AH7 führt von Kabul aus durch die Provinzen Parwan und Baghlan und verbindet die Hauptstadt mit der Provinz Kunduz und dem Grenzübergang nach Tadschikistan beim Hafen von Sher Khan (auch Sher Khan Bandar) (MoPW 16.10.2015; vgl. RFE/RL 26.08.2007, IN 24.04.2019, LC 24.04.2019); die Straßenbrücke über den Grenzfluss Panj wurde 2007 eröffnet (RFE/RL 26.08.2007). Eine Autobahn verläuft von Kunduz durch den Distrikt Khanabad nach Takhar und Badakhshan (MoPW 16.10.2015; vgl. UNOCHA 4.2014kd, AAN 12.10.2016). Von der ca. 100 km langen Autobahn von Khulm nach Kunduz, welche die Fahrstrecke zwischen den Provinzen Kunduz und Balkh deutlich reduzieren wird, wurden im April 2017 59 km fertiggestellt (TN 12.04.2017; vgl. Technologists 2019), das übrige Teilstück ist in Bau (Technologists 2019). In Kunduz gibt es einen Flughafen; im Jahr 2017 wurde ein Terminal nach internationalem Standard mit einer Kapazität für 1.300 Personen errichtet (LIFOS 26.09.2018; vgl. PAJ 07.03.2018). Stand Juli 2019 gibt es jedoch keinen Linienbetrieb in Kunduz (F24 10.07.2019).
Laut dem UNODC Opium Survey 2018 hat Kunduz den seit 2007 bestehenden Status "schlafmohnfrei" 2018 beibehalten. Obwohl die Anbaufläche in den letzten Jahren gestiegen ist, blieb sie 2018 immer noch unter 100 Hektar, was die UNODC-Schwelle für den Erhalt des "schlafmohnfreien Status" darstellt (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die Sicherheitslage der Provinz hat sich in den letzten Jahren verschlechtert (AAN 07.11.2018; vgl. AJ 05.02.2019). Sowohl 2015 als auch 2016 kam es zu einer kurzfristigen Einnahme der Provinzhauptstadt Kunduz City durch die Taliban (UNAMA 24.02.2019) und auch Ende August 2019 nahmen die Taliban kurzzeitig Teile der Stadt ein (BAMF 02.09.2019). Kunduz war die letzte Taliban-Hochburg vor deren Sturz 2001 (RFE/RL o.D.).
Die Taliban waren im Jahr 2018 in den Distrikten Dasht-e-Archi und Chahar Darah aktiv, wo sich die staatliche Kontrolle auf kleine Teile der Distriktzentren und einige benachbarte Dörfer beschränkte (AAN 07.11.2018). Die Taliban hatten laut Quellen im Februar 2019 im Distrikt Dasht-e-Archi eine parallele Schattenregierung gebildet, die einen Distriktgouverneur, Bildungsleiter, Justiz, Gesundheit, Öffentlichkeitsarbeit, Militär und die Finanzkomitees umfasst. Diese Posten werden von jungen Paschtunen und Usbeken aus dem Distrikt besetzt (AAN 26.02.2019). In Ali Abad, Imam Sahib und Khan Abad erreichte die Präsenz der Regierung fast die Hälfte der Distrikte, während die restlichen Teile umstritten waren. Aqtash, Calbad und Gultipa standen, zum Berichtszeitraum November 2018, weitgehend oder vollständig unter der Kontrolle der Taliban (AAN 07.11.2018).
Außerdem soll eine aufständische Gruppe namens Jabha-ye Qariha ("die Front derer, die den Quran auswendig gelernt haben", die Qaris), die als Militärflügel von Jundullah bekannt ist, im Distrikt Dasht-e-Archi aktiv sein. Obwohl Jundullah eine unabhängige Gruppe ist, ist sie mit den Taliban verbündet (AAN 26.02.2019).
In den vergangenen Monaten sind Zellen der Islamischen Staates in der nördlichen Provinz Kunduz aufgetaucht (NYT 14.06.2019; vgl. JF 06.04.2018); auch soll der IS dort Basen und Ausbildungszentren unterhalten (RE 19.03.2018; 27.02.2019).
In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kunduz in der Verantwortung des 217. ANA Corps, das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N) unter der Führung deutscher Streitkräfte untersteht (USDOD 6.2019).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
[...] Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 337 zivile Opfer (105 Tote und 232 Verletzte) in der Provinz Kunduz. Dies entspricht einem Rückgang von 11% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Luftangriffen und IEDs. UNAMA dokumentierte einen anhaltenden Rückgang der zivilen Opfer durch Bodenkämpfe in den Provinzen Kunduz und Laghman, die beide zu den fünf Provinzen gehörten, die 2018 die größte Reduktion ziviler Opferzahlen durch solche Operationen hatten. Für die Provinz Kunduz verzeichnete UNAMA 109 zivile Opfer durch Bodenkämpfe, was einem Rückgang von 31% gegenüber 2017 entspricht (UNAMA 24.02.2019).
Im April 2019 wurde die Sicherheitsoperation Khalid durch die afghanische Regierung gestartet, die sich auf die südlichen Regionen, Nangarhar im Osten, Farah im Westen, sowie Kunduz, Takhar und Baghlan im Nordosten, Ghazni im Südosten und Balkh im Norden konzentrierte (UNGASC 14.06.2019). In Kunduz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen durch die afghanischen Sicherheitskräfte; dabei werden unter anderem auch Aufständische getötet (z.B. XI 31.07.2019; KP 22.07.2019; KP 11.07.2019; KP 07.07.2019; XI 27.01.2019; TN 10.09.2018; TN 08.02.2019; NYTM 01.08.2019; UNAMA 25.03.2019; IE 20.07.2018); und Luftangriffe durchgeführt (z.B. NYTM 01.08.2019; XI 31.07.2019; KP 22.07.2019; KP 11.07.2019; XI 12.05.2019; TN 31.01.2019; XI 27.01.2019; UNAMA 25.03.2019).
Auch kam es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den Sicherheitskräften (z.B. BAMF 02.09.2019; NYTM 01.08.2019; XI 28.07.2019; XI 10.07.2019; SPI 09.07.2019; SP 30.06.2019; TN 13.04.2019; RG 05.02.2019; TN 10.09.2018). Ende August 2019 starteten die Taliban in Kunduz-Stadt eine Großoffensive mit mehreren Hundert Kämpfern. Dabei konnten sie das Provinzkrankenhaus, die Zentrale der Elektrizitätsversorgung und den dritten Polizeibezirk der Stadt einnehmen. Die Kämpfer verschanzten sich in Häusern und lieferten sich Gefechte mit dem afghanischen Militär (BAMF 02.09.2019; TN 01.09.2019). Schon im April 2019 hatten sie Ziele in der Stadt Kunduz angegriffen, wobei dieser Angriff von den Sicherheitskräften zurückgeschlagen wurde (AT 14.04.2019; vgl. NYT 18.04.2019). Manchmal kommt es durch Talibanaufständische zu sicherheitsrelevanten Vorfällen auf der Verbindungsstraße Kunduz-Takhar (CBS 20.08.2018; vgl. KP 20.08.2018; BN 20.08.2018; AAN 07.11.2018).
Kunduz gehörte zu den Provinzen mit der höchsten Gewaltbereitschaft der Taliban während der Parlamentswahlen 2018 (AAN 07.11.2018). In Qala-e-Zal, Gultipa und Calbad fand die Wahl wegen hoher Sicherheitsrisiken nicht statt (PAJ 27.10.2018; vgl. AAN 07.11.2018).
IDPs und Binnenvertriebene
UNOCHA meldete für den Zeitraum 01.01. - 31.12.2018 46.312 konfliktbedingt Binnenvertriebene aus der Provinz Kunduz (UNOCHA 28.01.2019). Von UNOCHA wurden für den Zeitraum 01.01. - 30.06.2019 7.854 konfliktbedingt Binnenvertriebene in Kunduz erfasst, die innerhalb der Provinz umsiedelten, sowie in geringem Ausmaß nach Herat (49) gingen (UNOCHA 18.08.2019). Im Zeitraum 01.01. - 31.12.2018 meldete UNOCHA 43.638 konfliktbedingt Binnenvertriebene in die Provinz Kunduz, die allesamt aus der Provinz selbst stammten (UNOCHA 28.01.2019). Im Zeitraum 01.01. - 30.06.2019 meldete UNOCHA 8.022 konfliktbedingt in die Provinz Kunduz vertriebene Personen, die aus Kunduz selbst, sowie in geringerem Ausmaß aus Takhar (217) stammten (UNOCHA 18.08.2019). UNOCHA vermerkte im November 2018, dass Kunduz eine der drei Provinzen war, welche die meisten konfliktbedingten Vertreibungen erlebten (UNOCHA 06.12.2018)."
"3.5. Balkh
Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.04.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).
Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019 - 20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.01.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 05.012.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.03.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 09.01.2019).
Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 01.09.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 06.05.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.03.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban, die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.08.2019). Einem UN-Bericht zufolge gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 01.02.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.02.2019).
Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.04.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.09.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
[...] Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.02.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten sechs Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.07.2019).
Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.02.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.06.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.09.2019; vgl KP 29.08.2019, KP 31.08.2019, KP 09.09.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.01.2019; vgl. KP 09.09.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 09.01.2019; vgl. TN 10.01.2019), Chemtal (TN 11.09.2018; vgl. TN 06.07.2018), Dawlatabad (PAJ 03.09.2018; vgl. RFE/RL 04.09.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.04.2019) an.
Berichten zufolge errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.08.2019; vgl. 10.08.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.08.2019).
IDPs - Binnenvertriebene
UNOCHA meldete für den Zeitraum 01.01. - 31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.01.2019). Im Zeitraum 01.01. - 30.06.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.08.2019). Im Zeitraum 01.01. - 31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter 1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.01.2019). Im Zeitraum 01.01. - 30.06.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.08.2019).
Erreichbarkeit
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt. Diese befinden sich in Kabul, Mazar-e Sharif, Kandahar und Herat.
Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen. Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet. Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.)
Straßen wie die "Ring Road", auch bekannt als "Highway One", die das Landesinnere ringförmig umgibt, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher. Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif.
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation. Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen.
Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016). Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung.
Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in.
Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
Rückkehr
Als Rückkehrer werden jene afghanischen Staatsbürger bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghanen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012 bis 2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt.
Die Anzahl der Rückkehrer hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21. März 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.
Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer für maximal zwei Wochen untergebracht werden.
Unterstützung durch die afghanische Regierung
Hilfeleistungen für Rückkehrer durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak- Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind.
Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.
Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten.
Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten.
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte.
Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen im Zuge dessen nicht entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit der Partei die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat älteren Datums, konkret das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 31.01.2019 vorgehalten wurde, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Seine Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name dient lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei.
Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Status des Asylberechtigten) wird darauf verwiesen, dass diesbezüglich das abweisende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Verfahren in Rechtskraft erwachsen ist (siehe Verfahrensgang Punkt I. 4.).
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Status des subsidiär Schutzberechtigten):
3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) lauten wie folgt:
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offensteht.
Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in einer jüngst ergangenen Entscheidung vor dem Hintergrund der für den Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Status-Richtlinie) in unionsrechtskonformer Weise wie folgt ausgelegt: Nach der gefestigten Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union sind gemäß der Status-Richtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 leg.cit. zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 leg.cit. zu erleiden (Art. 15 lit. a und b leg.cit.) sowie auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 leg.cit. zurückzuführende Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c leg.cit.) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. Vor dem Hintergrund des Art. 3 Status-Richtlinie ist es dem nationalen Gesetzgeber auch verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die bei einem Fremden zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat führen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit Hinweisen auf die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union).
Daher ist in der Folge in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine reale Gefahr der Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2 oder 3 EMRK im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat gegeben ist. Bejahendenfalls wäre in weiterer Folge zu prüfen, ob sich eine solche Verletzung als ernsthafter Schaden unter einen der Tatbestände des Art. 15 Status-Richtlinie subsumieren ließe und somit zu einer Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 führte.
3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Entscheidung mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK und zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt auseinandergesetzt und diese wie folgt zusammengefasst (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137):
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN).
Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 218, mit Hinweis auf EGMR 17.07.2008, Appl. 25.904/07, NA gegen Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), auf Grund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 217).
Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2, 2012, 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases"), wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.
Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23.08.2016, Appl. 59.166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. Rz 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. Rz 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (Rz 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (Rz 98).
Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EG) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er auf Grund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, und vom 30.01.2014, C-285/12, Diakité).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).
Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).
3.2.3. Betreffend die Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan nahm der Verfassungsgerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung ein willkürliches Vorgehen des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes an, wenn diese das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul für afghanische Asylwerber bejaht hatten, obwohl diese nie in der Stadt Kabul gelebt und dort keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte hatten (s. u.a. VfGH 06.06.2013, U 2666/2012; 07.06.2013, U 2436/2012; 13.09.2013, U 370/2012; 23.02.2017, E 1197/2016; 22.09.2017, E 240/2017); in der Folge war jedoch ein Abgehen des Verfassungsgerichtshofes von dieser zuvor bestehenden Judikaturlinie erkennbar (s. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017). Seitens des Verfassungsgerichtshofes wurde auch betont, dass es im Falle der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten Feststellungen dahingehend bedarf, dass der Asylwerber auf sicherem Weg in seine Herkunftsregion bzw. in den sonst in Betracht kommenden Zielort gelangen könnte (s. z.B. VfGH 19.11.2015, E 707/2015).
Auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Beschwerdeführer konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert nämlich im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).
Vor diesem Hintergrund führte der Verwaltungsgerichtshof mehrfach aus, dass - auf Basis der in den zugrundeliegenden Erkenntnissen getroffenen Feststellungen - nicht von vornherein erkennbar sei, weshalb ein Fremder durch mangelnde tragfähige Beziehungen und mangelnde Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung seines Lebens kommen sollte (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095 - der dortige Beschwerdeführer hatte noch nie in der Stadt Kabul gelebt, hatte keine Familienangehörigen in der Stadt Kabul und verfügte darüber hinaus auch über keine finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten durch Familienangehörige von außen; s. weiters u.a. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 20.09.2017, Ra 2016/19/0209; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, u.v.a.).
3.2.4. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes auszuführen:
3.2.4.1. Gemäß den getroffenen Feststellungen zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers (Kunduz) zählt diese zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind (AJ 4.10.2017; vgl. Khaama Press 15.8.2017, Reuters 22.7.2017, Tolonews 24.5.2017). In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische (Xinhua 8.7.2017); die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden (BBC 4.10.2016; vgl. Reuters 1.10.2015, NYT 14.1.2018, UNAMA 26.3.2017). Das deutsche Militär hat einen großen Stützpunkt in der Provinz Kunduz (Gandhara 7.3.2018; vgl. SZ 7.3.2018). Während des Jahres 2017 sank die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven u.a. in der Provinz Kunduz; ein Grund dafür war ein Rückgang von Militäroffensiven in von Zivilist/innen bewohnten Zentren durch die Konfliktparteien (UNAMA 2.2018). Im Februar 2018 berichteten einige Quellen, die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt Kunduz hätte sich sehr verbessert; den Einwohnern in Kunduz-Stadt sei es aufgrund der Beleuchtung zahlreicher Straßen möglich, auch nachts in der Stadt zu bleiben (Tolonews 26.2.2018; vgl. Tolonews 17.2.2018). In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Pajhwok 23.1.2018; vgl. Pajhwok 20.1.2018, Tolonews 25.10.2017, Xinhua 24.9.2017, Khaama Press 22.1.2017, Z News 12.1.2017, Khaama Press 9.1.2017). Auch werden regelmäßig Luftangriffe durchgeführt (LWJ 27.1.2018; vgl. Khaama Press 20.1.2018, Xinhua 14.2.2018, Khaama Press 7.6.2017, TG 4.11.2017, Tolonews 18.10.2017); dabei werden Aufständische - u.a. tadschikische Kämpfer - (Khaama Press 7.6.2017) und manchmal auch Talibankommandanten getötet (Xinhua 14.2.2018). Manchmal werden Talibankämpfer (Xinhua 4.3.2018) verhaftet. In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (UNGASC 27.2.2018; vgl. Pajhwok 23.2.2018, NYT 16.1.2018, Khaama Press 27.1.2018, Khaama Press 15.8.2017, Tolonews 4.7.2017). Talibankämpfer, insbesondere Mitglieder der "Red Unit", einer Taliban-Einheit, die in zunehmendem Ausmaß Regierungsstützpunkte angreift, sind in der Provinz Kunduz aktiv (NYT 16.1.2018; vgl. AT 17.1.2018; NYT 14.11.2017). Einige Distrikte, wie Atqash, Gultapa und Gulbad, sind unter Kontrolle der Taliban (Pajhwok 11.2.2018). Auch in Teilen der Distrikte Dasht-e-Archi und Chardarah sind Talibankämpfer zum Berichtszeitpunkt aktiv (UOL 9.3.2018; Pajhwok 16.1.2018; Xinhua 14.2.2018, Tolonews 25.10.2017, Xinhua 24.9.2017).
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass es sich hierbei immer noch um eine Provinz mit volatiler Sicherheitslage handelt, weshalb dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Provinz Kunduz die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde. Dies wurde letztlich auch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl so gesehen.
3.2.4.2. Der Beschwerdeführer ist jedoch - vor dem Hintergrund der o.a. höchstgerichtlichen Judikatur und insbesondere unter Bedachtnahme auf das im Gegenstand ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, GZ Ra 2019/20/0309 vom 31.10.2019, sowie der von UNHCR in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 und der von EASO in seiner Country Guidance von Juni 2018 aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer "internen Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative" für Afghanistan - nach den oben angeführten Länderberichten (s. Pkt. II.1.2.) unter Berücksichtigung des übrigen in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials zur Situation in Afghanistan in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen (vgl. Pkt. II.1.1.) aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanist