TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/28 W107 2123659-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2020
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Entscheidungsdatum

28.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W107 2123659-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Wolfgang AUNER, Parkstraße 1/I, 8700 Leoben, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 24.05.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung des XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.11.2014 nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Nach Erstbefragung des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und niederschriftlicher Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde sein Antrag mit Bescheid des BFA vom 01.03.2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vollumfängliche Beschwerde.

4. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.07.2016, GZ W217 2123659-1, der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 06.07.2017 erteilt. Das Verfahren über die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten wurde wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt. Gegen dieses Erkenntnis wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Die Entscheidung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde auf Basis der Feststellungen getroffen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan immer nur in der Heimatprovinz Laghman gewohnt habe, seine Eltern sowie seine vier Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits in Laghman wohnen und ein Onkel väterlicherseits in Kabul lebe, zu diesem habe er aber keinen Kontakt. Außerhalb seiner Herkunftsregion habe der Beschwerdeführer keine erwiesenen sozialen Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer habe in Laghman neun Jahre die Schule besucht, über eine Berufsausbildung verfüge er nicht und würde im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine aussichtslose und existenzbedrohende Lage geraten.

In der rechtlichen Beurteilung wurde die Zuerkennung des Schutzstatus unter Bezugnahme auf die Lage im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers insbesondere damit begründet, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen jungen und arbeitsfähigen Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, er aber aus der vergleichsweise unsicheren Provinz Laghman stamme. Als interne Fluchtalternative könne allenfalls Kabul in Betracht kommen. Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr aber vorerst auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, sich einen Wohnraum zu suchen, ohne jedoch ausreichende aktuelle Kenntnisse über die infrastrukturellen Gegebenheiten zu haben, zumal er auch in Kabul nicht über ein familiäres oder soziales Netzwerk verfüge, da er zu seinem Onkel in Kabul keinen Kontakt habe. Es sei notorisch bekannt, dass sich die Versorgung mit Wohnraum, aber auch mit Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehrer meist sehr schwierig darstelle und nur unzureichend möglich sei. Der Beschwerdeführer verfüge zwar über eine 9-jährige Schulausbildung, er sei jedoch niemals einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Dazu komme die enorm hohe Arbeitslosigkeit in Afghanistan, insbesondere in Kabul. Ebenfalls zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer über keine reguläre Berufsausbildung verfüge. Ohne Fachausbildung sei es derzeit fast unmöglich, in Afghanistan eine Arbeit zu finden. Schließlich verfüge der Beschwerdeführer außerhalb seiner engeren Heimatregion über keine familiären oder sozialen Kontakte, auf die er im Falle einer Neuansiedelung in einer Großstadt zurückgreifen könne. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan erscheine daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

5. Auf Grundlage eines Verlängerungsantrags des Beschwerdeführers wurde diesem eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.07.2019 erteilt.

6. Am 25.04.2019 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

7. Aufgrund dieses Antrags wurde der Beschwerdeführer am 27.06.2019 zum Zweck der Prüfung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und der Prüfung der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens unter Beiziehung einer Dolmetscherin seiner Muttersprache niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt gab er hier an, dass all seine Familienangehörigen in Afghanistan, nämlich seine Eltern, seine Tanten und seine Onkel, in seiner Heimatprovinz Laghman leben würden. In Mazar-e Sharif kenne er niemanden. Zu seinem Leben in Österreich befragt erklärte er, hier den Pflichtschulabschluss gemacht und an Workshops teilgenommen zu haben. Ein Jahr lang habe er das Gymnasium besucht, danach habe er zu arbeiten begonnen und besuche die Abendschule. In Österreich würden zwei seiner Brüder und eine Tante leben.

8. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 06.07.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten "gemäß § 9 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005" von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag des Beschwerdeführers vom 25.04.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Das BFA traf im angefochtenen Bescheid maßgeblich die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer Paschtune und sunnitischer Moslem sei, in Laghman geboren und aufgewachsen sei, in Afghanistan eine neunjährige Schulbildung genossen habe und arbeitsfähig sei. Er habe Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter gesammelt und habe auch in Österreich Arbeitserfahrungen gesammelt. Aktuell lägen keine Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vor. Es bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif.

Beweiswürdigend führte das BFA insbesondere aus, dass dem Beschwerdeführer der Schutzstatus im Erkenntnis vom 06.07.2016 zuerkannt worden sei, weil er damals über keine familiären Anknüpfungspunkte in Kabul verfügt habe; eine andere Schutzalternative sei erst gar nicht geprüft worden. Die Voraussetzungen für die Schutzzuerkennung lägen aber im gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Der Beschwerdeführer verfüge über eine Schulbildung und habe in Österreich an Arbeitserfahrung dazugewonnen. Er habe aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Europa einen massiven Zuwachs an Lebenserfahrung erhalten, sodass er nun auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Das Fehlen eines sozialen oder familiären Backgrounds führe freilich nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedelung in Herat oder Mazar-e Sharif, zumal der Beschwerdeführer auf diverse (nationale und internationale) Unterstützungsnetzwerke zurückgreifen könne.

In der rechtlichen Beurteilung führte das BFA unter Verweis auf das EuGH - Urteil vom 23.05.2019 zunächst aus, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen sei, wenn die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgt sei, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen seien. Die Entscheidungspraxis des Verwaltungsgerichtshofes bringe klar zum Ausdruck, dass es im Falle erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Männer keines sozialen oder familiären Netzwerks bedürfe, um von einer tauglichen innerstaatlichen Schutzalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif ausgehen zu können. Das BFA legte sodann - unter Verweis auf die (als geändert qualifizierten) persönlichen Umstände des Beschwerdeführers und die aktuelle Sicherheits- und Versorgungslage in Herat und Mazar-e Sharif - dar, weshalb der Status des subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Fall gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen sei.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, fristgerecht vollumfängliche Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafter bzw. unrichtiger Begründung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Mit der Beschwerde wurden Integrationsunterlagen vorgelegt.

10. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

11. Mit Eingabe vom 24.10.2019 teilte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass seinen nachgereisten und näher bezeichneten Brüdern in Österreich mittlerweile der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und die hiergerichtlichen Akten, GZ: W217 2123659-1 und W107 2123659-2, betreffend den Beschwerdeführer, durch Einsicht in das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 29.06.2018 (mit letzter Kurzinformation vom 04.06.2019) sowie durch Einholung eines aktuellen Strafregisterauszuges betreffend den Beschwerdeführer.

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, ledig und kinderlos. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zum Islam sunnitischer Ausrichtung. Seine Muttersprache ist Paschtu, er spricht zudem Dari, etwas Englisch und Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in der afghanischen Provinz Laghman geboren und aufgewachsen. Er lebte nie außerhalb seiner Heimatprovinz. Seine Eltern, Onkel und Tanten halten sich unverändert in Laghman auf, der Beschwerdeführer verfügt außerhalb Laghmans nach wie vor über kein familiäres oder soziales Netzwerk.

Der Beschwerdeführer erhielt in Afghanistan eine neunjährige Schulbildung, genoss dort jedoch weder eine Berufsausbildung noch sammelte er in Afghanistan Berufserfahrung.

Am 10.11.2014 stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.07.2016, GZ W217 2123659-1, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde auf Basis der Feststellungen getroffen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan immer nur in der Heimatprovinz Laghman gewohnt habe, seine Eltern sowie seine vier Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits in Laghman wohnen und ein Onkel väterlicherseits in Kabul lebe, zu diesem habe er aber keinen Kontakt. Außerhalb seiner Herkunftsregion habe der Beschwerdeführer keine erwiesenen sozialen Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer habe in Laghman neun Jahre die Schule besucht, über eine Berufsausbildung verfüge er nicht und würde im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine aussichtslose und existenzbedrohende Lage geraten. Rechtlich wurde ausgeführt, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen jungen, gesunden Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, er aber aus der vergleichsweise unsicheren Provinz Laghman stamme und eine interne Fluchtalternative mangels ausreichender Kenntnisse der infrastrukturellen Gegebenheiten und mangels Vorhandenseins eines familiären oder sozialen Netzwerks nicht in Betracht komme, zumal der Beschwerdeführer zwar über eine 9-jährige Schulausbildung verfüge, er jedoch in Afghanistan niemals einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei und keine Berufsausbildung erhalten habe. Dieses Erkenntnis ist rechtskräftig.

Dem Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge auf Grundlage seines Verlängerungsantrags eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.07.2019 erteilt.

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 25.04.2019 auf (neuerliche) Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid abgewiesen, dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt sowie eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid maßgeblich die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer Paschtune und sunnitischer Moslem sei, in Laghman geboren und aufgewachsen sei, eine neunjährige Schulbildung genossen habe und arbeitsfähig sei. Er habe Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter gesammelt und habe auch in Österreich Arbeitserfahrungen gesammelt. Aktuell lägen keine Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vor. Es bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich Familienangehörige in Form seiner Tante und seiner beiden (asylberechtigten) Brüder. Er nahm in Österreich an einem Werte- und Orientierungskurs sowie an diversen Deutschkursen teil, bestand die Pflichtschulabschluss-Prüfung und war sodann von April 2019 bis November 2019 Ausbildungsteilnehmer der arbeitsplatznahen Qualifizierungsmaßnahme "Einzelhandelskaufmann/-frau - Job PLUS Ausbildung - XXXX " mit dem Ausbildungsziel Lehrabschluss als Einzelhandelskaufmann und anschließendem Dienstverhältnis in seinem Ausbildungsbetrieb. In den Jahren 2018/2019 besuchte er zudem eine AHS für Berufstätige. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend den Gegenstand des Erkenntnisses vom 06.07.2016 sowie den Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich ebenso auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes wie die Feststellungen zu den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers in Afghanistan und seinem Leben in Österreich.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, ergibt sich zudem aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid des BFA vom 01.07.2019. Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig. Sie ist auch begründet:

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Zu A) I. - Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I. sowie III. - VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen. § 9 Abs. 1 Z 1 leg.cit. nennt somit zwei Fälle einer Aberkennung des Schutzstatus.

Die belangte Behörde hat sich im Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt, ohne diesen im Spruch dahingehend näher zu konkretisieren, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung "nicht" (erster Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG) oder "nicht mehr" (zweiter Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG) vorliegen.

In der Begründung des Bescheides trifft die belangte Behörde die Feststellungen, dass aktuell keine Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorlägen. Im Fall des Beschwerdeführers bestehe nunmehr eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative.

Beweiswürdigend hielt die belangte Behörde sodann (u.a.) fest, dass dem Beschwerdeführer der Schutzstatus im Erkenntnis vom 06.07.2016 zuerkannt worden sei, weil er damals über keine familiären Anknüpfungspunkte in Kabul verfügt habe; eine andere Schutzalternative sei erst gar nicht geprüft worden. Die Voraussetzungen für die Schutzzuerkennung lägen aber im gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Der Beschwerdeführer verfüge über eine Schulbildung und habe in Österreich an Arbeitserfahrung dazugewonnen. Er habe aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Europa einen massiven Zuwachs an Lebenserfahrung erhalten, sodass er nun auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Das Fehlen eines sozialen oder familiären Backgrounds führe freilich nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedelung in Herat oder Mazar-e Sharif, zumal der Beschwerdeführer auf diverse (nationale und internationale) Unterstützungsnetzwerke zurückgreifen könne.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde schließlich - unter Bezugnahme auf das EuGH - Urteil vom 23.05.2019, C-720/17, - aus, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen sei, wenn die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgt sei, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen seien. Die Entscheidungspraxis des Verwaltungsgerichtshofes, gestützt auf die UNHCR-Richtlinien und die Einschätzung von EASO, bringe klar zum Ausdruck, dass es im Falle erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Männer keines sozialen oder familiären Netzwerks bedürfe, um von einer tauglichen innerstaatlichen Schutzalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif ausgehen zu können. Die Behörde legte sodann - unter Verweis auf die (geänderten) persönlichen Umstände des Beschwerdeführers und die aktuelle Sicherheits- und Versorgungslage in Herat bzw. Mazar-e Sharif - dar, weshalb der Status des subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Fall gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen sei.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht somit hervor, dass die Aberkennung sowohl auf den ersten Fall ("Nichtvorliegen") als auch auf den zweiten Fall ("nicht mehr vorliegen") des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützt wird, wobei sich die belangte Behörde einer Alternativbegründung bedient und keine klare Trennung zwischen den von ihr geprüften Aberkennungsgründen innerhalb des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gezogen hat.

Entgegen der Beurteilung der belangten Behörde liegt jedoch weder der Aberkennungsgrund nach § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG noch nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall leg. cit. vor. Dies aufgrund folgender Erwägungen:

Zum Aberkennungsgrund des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG verweist die belangte Behörde auf das Urteil des EuGH vom 23.05.2019, C-720/17, Mohammed Bilali gegen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, und führt hierzu aus, dass dem angeführten Urteil entsprechend eine aktuelle Prüfung der Notwendigkeit des subsidiären Schutzes erforderlich sei, welche im gegenständlichen Fall - mit näherer Begründung - zu einer Verwirklichung des Aberkennungsgrundes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall ("Nichtvorliegen der Voraussetzungen") führe. Dem kann nicht gefolgt werden:

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 23.05.2019, C-720/17, ausgesprochen, dass Art. 19 Abs. 1 iVm Art. 16 der StatusRL dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen muss, wenn er diesen Status zuerkannt hat, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren, indem er sich auf Tatsachen stützte, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben, obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werden kann, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt.

Diesem Urteil (und dem vorangegangenen Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs) liegt als Ausgangssrechtsstreit zugrunde, dass das Bundesamt einem Fremden mit der Begründung den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hat, dass der Fremde - entgegen dessen ausdrücklicher Behauptung, staatenlos zu sein - "vermutlich Staatsangehöriger von Algerien" sei. Diese als Tatsache angenommene Feststellung stellte sich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt als unzutreffend heraus und hatte die Aberkennung des Schutzstatus durch das Bundesamt zur Folge. Dies - wie sich aus dem Urteil des EuGH ergibt - zu Recht, da sich der Mitgliedstaat bei der Zuerkennung auf Tatsachen (hier: die Staatsangehörigkeit des Fremden) gestützt hat, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben.

Der diesem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt und die daraus resultierende rechtliche Beurteilung des EuGH sind jedoch, anders als dies die belangte Behörde vermeint, nicht auf den gegenständlichen Beschwerdefall anzuwenden. Die belangte Behörde verweist zur Begründung, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Erkenntnis vom 06.07.2016 nicht vorgelegen seien, auf die Entscheidungspraxis des Verwaltungsgerichtshofes, welcher- gestützt auf die UNHCR-Richtlinien und die Einschätzung von EASO - klar zum Ausdruck bringe, dass es im Falle erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Männer keines sozialen oder familiären Netzwerks bedürfe, um von einer tauglichen innerstaatlichen Schutzalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif ausgehen zu können.

Die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Schlussfolgerung der belangten Behörde, wonach der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Erkenntnis vom 06.07.2016 vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtssprechungspraxis zuerkannt worden sei, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen wären, weil sich das Bundesverwaltungsgericht auf Tatsachen gestützt hätte, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen hätten und das Bundesverwaltungsgericht aus diesem Grund einem Behördenirrtum unterlegen sei, entbehrt jeglicher Grundlage:

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 06.07.2016, mit welchem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ausführlich auf die einschlägige Rechtsprechung des VwGH, VfGH und EGMR betreffend die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz und die Kriterien für die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Schutzalternative Bezug genommen. Es hat sodann die individuelle Situation des Beschwerdeführers im Lichte dieser Rechtsprechung und anhand dieses Maßstabes beurteilt und kam zu dem Ergebnis, dass im konkreten Einzelfall des Beschwerdeführers jene von der Judikatur geforderten Umstände vorliegen, die zu einer Schutzgewährung führen können. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht im erwähnten Erkenntnis dargelegt, dass und weshalb die Umstände, nach welchen es alleinstehenden leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter möglich sein könne, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner Umgebung zu leben und auf die sich die belangte Behörde stützt, im Fall des Beschwerdeführers gerade nicht gegeben sind.

Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.07.2016 erfolgte nicht gestützt auf Tatsachen, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben. Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung im individuellen Einzelfall des Beschwerdeführers zu einem rechtlich anderslautenden Ergebnis gelangte als die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 01.03.2016, begründet keinesfalls das Vorliegen eines Behördenirrtums, zumal es der belangten Behörde freigestanden wäre, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.07.2016 zu erheben. Die belangte Behörde übersieht, dass es über die Frage der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten schon eine rechtskräftige Entscheidung gibt, an die die Behörde gebunden ist, soweit nicht ein Aufhebungsgrund nach § 9 AsylG 2005 vorliegt.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde bestehen folglich keinerlei begründete Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis 06.07.2016 hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus einem (Behörden)Irrtum über die tatsächlichen Umstände der Zuerkennung des subsidiären Schutzes unterlegen ist oder sich bei der Zuerkennung auf Tatsachen gestützt hätte, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen hätten.

Der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Ansicht der belangten Behörde, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Erkenntnis vom 06.07.2016 zuerkannt worden sei, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen wären, kann somit nicht gefolgt werden.

Der Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG liegt daher nicht vor.

Zum Aberkennungsgrund des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG ist auszuführen, dass § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall leg. cit und Art. 16 Statusrichtlinie verfassungsmäßig in der Weise zu interpretieren sind, dass dem Grundprinzip "Rechtskraft" der Rechtsordnung entsprechend nur bei wesentlichen Änderungen der Sachlage eine Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung zulässig ist. Auch Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie ist in der Weise zu lesen, dass nur bei dauerhafter und wesentlicher Veränderung im Herkunftssaat kein subsidiärer Schutz mehr gebührt.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 (vgl. Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie) auch eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Erkenntnis vom 06.07.2016 geführt haben, nicht dargetan:

Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.07.2016 im Wesentlichen auf die Feststellungen gestützt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan immer nur in seiner Heimatprovinz Laghman gewohnt und außerhalb seiner Herkunftsregion keine erwiesenen sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte habe, in Laghman neun Jahre die Schule besucht habe aber über keine Berufsausbildung verfüge. In den rechtlichen Ausführungen wurde sodann subsumiert, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen jungen und arbeitsfähigen Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, er aber aus der vergleichsweise unsicheren Provinz Laghman stamme und eine interne Fluchtalternative mangels ausreichender Kenntnisse der infrastrukturellen Gegebenheiten sowie mangels Vorhandenseins eines familiären oder sozialen Netzwerks nicht in Betracht komme, zumal notorisch bekannt sei, dass sich die Versorgung mit Wohnraum, aber auch mit Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehrer meist sehr schwierig darstelle und nur unzureichend möglich sei. Weiter wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer zwar über eine 9-jährige Schulausbildung verfüge, er jedoch in Afghanistan niemals einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei und es in Afghanistan, insbesondere in Kabul, ohne Fachausbildung derzeit fast unmöglich sei, eine Arbeit zu finden. Abschließend wurde im Erkenntnis vom 06.07.2016 abermals in Erinnerung gerufen, dass der Beschwerdeführer außerhalb seiner engeren Heimatregion über keine familiären oder sozialen Kontakte verfüge, auf die er im Falle einer Neuansiedelung in einer Großstadt zurückgreifen könne. Das Vorliegen einer innerstaatlichen Schutzalternative wurde - hinsichtlich der Provinz Kabul explizit und hinsichtlich der übrigen Provinzen Afghanistans implizit - verneint.

Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers (Laghman) wurde auch im gegenständlich angefochtenen Bescheid als nicht sicher eingestuft. Der Beschwerdeführer wurde jedoch im angefochtenen Bescheid auf eine innerstaatliche Schutzalternative (konkret in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif) verwiesen, da er dort nunmehr - auch ohne familiären Rückhalt - für einen ausreichenden Lebensunterhalt sorgen könne.

Aus den rechtlich Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Erkenntnis vom 06.07.2016 ergibt sich auf Basis des damals aktuellsten Länderinformationsblatts zu Afghanistan zusammengefasst, dass die soziale Absicherung traditionell bei den Familien liege und Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach längerer Abwesenheit zurückkehren würden, auf größere Schwierigkeiten stoßen würden als jene, die in Familienverbänden geflüchtet seien oder in einen solchen zurückkehren würden. Eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative wurde vor diesem Hintergrund verneint.

Nichts Anderes ist den im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde verfügbaren Länderberichten, nämlich dem Länderinformationsblatt aus Juni 2018 und den UNHCR-Richtlinien aus August 2018, zu entnehmen. Aus diesen geht vielmehr unverändert hervor, dass ein Netzwerk für das Überleben in Afghanistan wichtig ist und ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer darstellt. So führt UNCHR in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 aus, dass eine innerstaatliche Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

Dies ist gegenständlich gerade nicht der Fall. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid selbst davon aus, dass der Beschwerdeführer in den als innerstaatliche Schutzalternativen angenommenen Städten Herat oder Mazar-e Sharif über keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte verfüge. Eine wesentliche Verbesserung der Lage hat sich daher im Vergleich zum Bezugserkenntnis vom 06.07.2016 auch unter diesem Aspekt nicht ergeben.

Die Zuerkennung des Schutzstatus wurde im Erkenntnis vom 06.07.2016 weiters auf den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer zwar über eine mehrjährige Schulbildung, jedoch über keine Berufserfahrung oder Fachausbildung verfüge. Vermeint das Bundesamt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nun, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Österreich einen Zuwachs an Lebenserfahrung gewonnen habe, ist dieser Ausführung zwar insoweit nicht zu widersprechen, als der Beschwerdeführer seit der Zuerkennung des Schutzstatus im Juli 2016 (im Zeitpunkt der Aberkennung im Juli 2019) um drei Jahre älter geworden ist. Hinsichtlich der in Österreich bestandenen Pflichtschulabschluss-Prüfung und des temporären Besuchs eines Gymnasiums ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Schutzzuerkennung über (in Afghanistan erworbene) mehrjährige Schulbildung verfügt hat und auch insofern keine wesentliche Änderung der Umstände eingetreten ist. Im Hinblick auf die in Österreich absolvierte Berufsausbildungsmaßnahme des Beschwerdeführers (mit dem Ausbildungsziel Lehrabschluss als Einzelhandelskaufmann) ist für sich alleine genommen ebenfalls keine entscheidungswesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten. Die Absolvierung einer (nicht einmal ein Jahr lang dauernden) berufsbegleitenden Ausbildungsmaßnahme in Österreich ist im konkreten Einzelfall - bei sonst unveränderten persönlichen Umstände des Beschwerdeführers - jedenfalls nicht ausreichend, um von einer wesentlichen Verbesserung der Lage sprechen zu können. Die Schutzzuerkennung wurde im Erkenntnis vom 06.07.2016 nämlich gerade nicht einzig auf eine fehlende Berufsausbildung bzw. Berufserfahrung des Beschwerdeführers gestützt, sondern gewichtig auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer außerhalb seiner Heimatprovinz über keinerlei soziales und familiäres Netzwerk verfügt und keinerlei Kenntnisse der dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten hat. Diese Umstände zeigen sich - wie bereits dargelegt - nach wie vor unverändert. Ebenso wenig hat die grundsätzliche Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers seit Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter eine Änderung erfahren. Dass dem Alter des Beschwerdeführers (und somit seiner bisherigen Lebenserfahrung) bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes eine wesentliche Rolle zugekommen ist, erscheint ebenfalls zweifelhaft, war der Beschwerdeführer doch bereits zum damaligen Zeitpunkt volljährig.

Vermeint das Bundesamt weiter, dass der Beschwerdeführer nun auch auf eine Vielzahl an nationalen und internationalen Einrichtungen zurückgreifen könne, die Unterstützungsleistungen für Rückkehrer anbieten würden, ist auch darin keine wesentliche Änderung im Vergleich zum Erkenntnis vom 06.07.2016 zu erkennen. Bereits dem Erkenntnis vom 06.07.2016 lag auf Basis des damaligen Länderinformationsblatts die Feststellung zugrunde, dass die afghanische Regierung mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie anderen humanitären Organisationen kooperiere, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen wurde in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass die in der Regel ohnehin nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) durch eine Unterstützung der Rückkehrer noch weiter strapaziert würden. Aus den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergibt sich unverändert eine Unterstützung durch nichtstaatliche Organisationen. Zugleich geht daraus hervor, dass sich Hilfeleistungen für Rückkehrer durch die afghanische Regierung auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung und eine vorübergehende Unterkunft konzentrieren, wobei Rückkehrer seit dem Jahr 2016 gar nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft erhalten. IOM gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr, sondern stellt diesen Barzuwendungen in Höhe von 150 Euro sowie Informationen über Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine wesentliche Veränderung iSe Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zum Erkenntnis vom 06.07.2016 ist im Hinblick auf Unterstützungs- und Versorgungsleistungen somit nicht gegeben.

Auch bezüglich des im Bescheid enthaltenen Verweiseses auf die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Paschtunen und des (mit Fettdruck hervorgehobenen) Ehrenkodex der Paschtunen, welcher "die Übernahme einer sowohl ideellen als auch physischen Schutzfunktion der Familie, des Stammes, der Nation und der Ehre" vorsehe, weshalb von vornherein davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt würde, ist nicht ersichtlich, woraus die belangte Behörde diesbezüglich eine geänderte subjektive Situation im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers ableitet, zumal auch hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers seit der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten keine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist.

Dass die vom BFA verfügte Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 tatsächlich nicht das Resultat einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts (hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat oder der Person des Beschwerdeführers) ist, erhellt nicht zuletzt der Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - wiederholt ihre Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hat, wonach "von einer Entscheidungspraxis, die jedenfalls ein in Herat oder Mazar-e Sharif bestehendes soziales oder familiäres Netzwerk erfordert, um von einer tauglichen IFA ausgehen zu können, in keiner Weise die Rede sein kann". Dieser Umstand alleine bietet jedoch keine rechtliche Grundlage, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen und die Entscheidungen eines Gerichts oder einer Behörde ohne hinreichenden Grund zu beseitigen und neu zu entscheiden. Jedenfalls lässt sich weder aus § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 noch aus der Statusrichtlinie eine solche Berechtigung ableiten.

Es liegen somit weder die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG noch die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Die Behebung des Bescheides im unter Spruchpunkt A) I. genannten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit der Spruchpunkte I. sowie III. bis VI. zu erfolgen, zumal die von der belangten Behörde unter den Punkten III. bis VI. getroffenen Aussprüche schon in Folge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

3.2.2. Zu A) II. - Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid gemäß der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht dargetan (vgl. Pkt. II.3.2.1.).

Wie bereits unter Punkt II.3.2.1. aufgezeigt, liegen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher stattzugeben und kommt dem Beschwerdeführer aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bereist einmal gemäß § 8 Abs. 4 1. Satz AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.

Aufgrund des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ist in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Bindungswirkung ersatzlose Teilbehebung EuGH individuelle Verhältnisse Irrtum Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Verlängerung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W107.2123659.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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