Entscheidungsdatum
02.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W251 2209005-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2018, Zl. 1132514501 - 161419093, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 16.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 16.10.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er sein Herkunftsland aufgrund der schlechten Sicherheitslage und aus Angst vor den Taliban verlassen habe.
3. Am 07.11.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass sein Leben in Afghanistan in Gefahr gewesen sei. Er sei auf die Hochzeit eines Freundes gegangen. Ein Geistlicher habe ihm dort gesagt, er werde eine Sprengstoffweste bekommen, er habe abgelehnt und sei nach Hause gegangen. Zwei Mal habe er Drohbriefe erhalten und auch Drohanrufe. In einer Nacht sei sein Haus überfallen worden, wobei seine Schwester und eine Schwägerin verstorben seien und ein Neffe habe seitdem mit den Ohren Schwierigkeiten. Fünf Tage habe sich der Beschwerdeführer in weiterer Folge in einem Maisfeld versteckt. Danach sei er nach Kabul geflüchtet.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Beweiswürdigung des Bundesamtes nicht nachvollziehbar sei. Der Beschwerdeführer sei aufgrund der traumatisierenden Gesamtsituation und der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert gewesen und seien seine Ausführungen zu den fluchtauslösenden Erlebnissen daher umso glaubhafter. Die Würdigung des Bundesamtes hinsichtlich der Verhaltensweisen von islamistischen Terroristen sei spekulativ. Auch sei die mangelnde Schutzunfähigkeit seines Herkunftsstaates vom Bundesamt nicht entsprechend berücksichtigt worden. Auch sei das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die UNHCR Risikoprofile als glaubhaft zu beurteilen gewesen. Der Beschwerdeführer liefe überdies Gefahr als "verwestlich" angesehen zu werden. Auch habe das Bundesamt zu Unrecht Recherchen im Heimatland des Beschwerdeführers unterlassen, was auch mit dem Hinweis auf die vorliegenden Länderberichte nicht saniert werden könne. Auch stehe die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan einer Rückkehr entgegen und verfüge der Beschwerdeführer über kein tragfähiges Netzwerk. Schließlich wurde ein Antrag auf Beauftragung eines landeskundigen Sachverständigen gestellt.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wiederholte in der Verhandlung im Wesentlichen das vor dem Bundesamt erstattete Fluchtvorbringen.
7. Mit Stellungnahme vom 13.12.2019 brachte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Arbeitsübersetzung "Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 vor, dass der Beschwerdeführer jedenfalls als Zielperson der Taliban und "feindlich" einzustufen sei und daher der realen Gefahr ausgesetzt sei, Opfer einer Vergeltungsaktion der Taliban zu werden. Unter Anführung verschiedener Materialen wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass auch die staatliche Schutzfähigkeit nicht gegeben sei und für den Beschwerdeführer daher keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe. Zudem verfüge er auch über kein soziales Netzwerk. Auch fiele der Beschwerdeführer unter ein UNHCR Risikoprofil, wonach er ein Familienangehöriger von einer Person sei, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder der internationalen Gemeinschaft verbunden ist. Zudem sei weder der Zugang zum Arbeitsmarkt gegeben, noch eine Neuansiedlungsalternative ohne soziales Netzwerk möglich und sei auch die Lebensmittelunsicherheit mit zu berücksichtigen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum sunnitischen Glauben und spricht Paschtu als Muttersprache, zudem Dari und Urdu und etwas Englisch (Verhandlungsprotokoll vom 10.12.2019 = OZ 5, S. 6; AS 1; AS 61 f; AS 85).
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kunar, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und vier Brüdern und drei Schwestern aufgewachsen. Er hat im Dorf XXXX gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Vater, Geschwistern, seiner Schwägerin und seinem Neffen in einem Eigentumshaus bis zu seiner Ausreise gelebt (OZ 5, S. 6 ff; AS 3; AS 62; AS 64).
Der Beschwerdeführer hat 12 Jahre lang die Schule besucht und 1 Semester lang Pharmazie studiert (OZ 5, S. 7; AS 1; AS 62). Der Beschwerdeführer hat keinen Beruf erlernt. (OZ 5, S. 16; AS 63). Der Beschwerdeführer verfügt über Berufserfahrung, er hat als Selbstständiger gearbeitet(AS 177).
Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet (OZ 5, S. 6; AS 60, AS 63 f). Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers gemeinsam mit ihm gelebt hat (OZ 5, S. 8 f; AS 63; AS 3). Der Beschwerdeführer hat einen Sohn (OZ 5, S. 7; AS 64). Die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Heimatdorf XXXX beim Schwiegervater des Beschwerdeführers. Der Schwiegervater des Beschwerdeführers versorgt dessen Ehefrau und den gemeinsamen Sohn (OZ 5, S. 9 f).
Zwei Onkel mütterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits und eine verheiratete Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Heimatdorf XXXX (OZ 5, S. 8 f).
Ein Onkel mütterlicherseits lebt in Jalalabad. Drei Onkel väterlicherseits leben in Pakistan (OZ 5, S. 9; AS 64).
Die Eltern und weiteren Geschwister des Beschwerdeführers leben nicht in Pakistan, die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in Afghanistan.
Die Schwester und die Schwägerin des Beschwerdeführers wurden nicht bei einem Überfall getötet.
Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinen Familienangehörigen (OZ 5, S. 9).
Der Beschwerdeführer hat zumindest grundlegende Ortskenntnisse betreffend Kabul (AS 65). Der Beschwerdeführer studierte von Jänner 2016 ein Semester lang in Jalalabad (OZ 5, S. 7; AS 79; AS 411). Der Beschwerdeführer lebt in Österreich bereits seit über 2,5 Jahren in der Bundeshauptstadt (Beilage ./I). Dem Beschwerdeführer sind städtische Strukturen bekannt.
Die Familie des Beschwerdeführers besitzt ein Eigentumshaus in XXXX sowie Grundstücke. Die Grundstücke im Familienbesitz im Herkunftsort des Beschwerdeführers wurden nicht verkauft (OZ 5, S. 8 und S. 12; AS 65). Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie finanziell derzeit nicht (OZ 5, S. 18). Die finanzielle Situation seiner Familie war zum Zeitpunkt seiner Ausreise sehr gut. Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich die finanzielle Situation der Familie verschlechtert hat. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn finanziell unterstützen.
Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen (OZ 5, S. 13; AS 65).
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund (OZ 5, S. 4 und S. 15; AS 60).
1.2. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist unter Verwendung eines afghanischen Reisepasses mit dem Flugzeug von Afghanistan in den Iran ausgereist (AS 9, AS 64). Der Beschwerdeführer ist in weiterer Folge unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest 16.10.2016 durchgehend in Österreich auf (AS 9). Er ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2017 zwei Deutschkurse (AS 139, AS 141) und Informationsveranstaltungen des Magistrats für Geflüchtete (AS 143; Beilage ./H) sowie zwei Workshops des Magistrats für Flüchtlinge (AS 145 und AS 147; Beilage ./G; Beilage ./J) absolviert. Er hat im Jahr 2017 an einem Kurs "Deutsch als Fremdsprache A1 Politische Bildung" im Ausmaß von 120 Unterrichtseinheiten teilgenommen (AS 149). Der Beschwerdeführer hat am 20.10.2017 einen Integrationskurs im Ausmaß von 36 Stunden mit Auszeichnung erfolgreich bestanden (AS 157; Beilage ./I). Am 22.02.2018 hat der Beschwerdeführer die Deutschprüfung auf dem Niveau "A1" gut bestanden (AS 660). Am 12.06.2018 hat der Beschwerdeführer die Deutschprüfung auf dem Niveau "A2" bestanden (AS 663). Von 02.07.2018 bis 27.09.2018 hat der Beschwerdeführer einen Deutschkurs auf dem Niveau "B1" im Ausmaß von 180 Unterrichtseinheiten regelmäßig besucht (AS 662). Von 03.09.2018 bis 12.04.2019 hat der Beschwerdeführer einen HTL-Vorbereitungslehrgang als außerordentlicher Schüler besucht und vorzeitig beendet (Beilage ./E; Beilage ./K). Er hat dabei 5 Unterrichtsgegenstände positiv absolviert. In den Fächern Deutsch und Deutsche Fachsprache wurde der Beschwerdeführer mit "5" beurteilt (Beilage ./F). Von 08.07.2019 bis 28.08.2019 hat der Beschwerdeführer erfolgreich an einem Computerkurs im Ausmaß von 4 Wochenstunden teilgenommen (Beilage ./C). Von 26.08.2019 bis 18.11.2019 hat der Beschwerdeführer regelmäßig einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 im Ausmaß von 180 Unterrichtseinheiten regelmäßig besucht (Beilage ./D). Seit 09.12.2019 besucht der Beschwerdeführer einen Deutschkurs auf dem Niveau B1+ (Beilage ./B).
Der Beschwerdeführer verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache (OZ 5, S. 12 f).
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Im Zeitraum von Oktober 2016 bis August 2017 hat der Beschwerdeführer gemeinnütze Tätigkeiten in Form von Gartenarbeit bei älteren Personen durchgeführt (Beilage ./I; OZ 5, S. 13 f).
Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu zwei Schulkollegen und weiteren Freunden knüpfen, mit denen er sich regelmäßig trifft um in ein Restaurant, ein Kaffeehaus oder ein Einkaufszentrum zu gehen. Der Beschwerdeführer verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen (Ehefrau, Kinder, etc.) in Österreich (OZ 5, S. 15).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).
1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1 Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht. Der Beschwerdeführer wurde nicht aufgefordert einen Sprengstoffanschlag für die Taliban oder andere Personen zu verüben. Das Haus des Beschwerdeführers wurde niemals von den Taliban oder anderen Personen überfallen. Weder die Schwester noch die Schwägerin des Beschwerdeführers wurden bei einem Überfall auf das Haus des Beschwerdeführers durch die Taliban oder andere Personen getötet. Auch der Neffe des Beschwerdeführers wurde niemals bei einem Überfall auf das Haus des Beschwerdeführers durch die Taliban oder andere Personen am Gehör geschädigt. Ein derartiger Überfall durch die Taliban oder andere Personen auf das Haus des Beschwerdeführers hat niemals stattgefunden.
Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienmitglieder haben jemals Drohbriefe von den Taliban oder anderen Personen erhalten. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienmitglieder haben jemals Anrufe von den Taliban oder von anderen Personen erhalten.
Der Beschwerdeführer hat niemals für die afghanische Regierung oder die Behörden für nationale Sicherheit gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat niemals beabsichtigt für die Behörden für nationale Sicherheit zu arbeiten. Der Beschwerdeführer hat niemals als Spion der Amerikaner gearbeitet. Der Vater des Beschwerdeführers hat niemals für die afghanische Regierung oder die Behörden für nationale Sicherheit oder den Geheimdienst gearbeitet. Keiner der Brüder des Beschwerdeführers hat jemals für die afghanische Polizei oder die afghanische Regierung oder als Dolmetscher für die Amerikaner gearbeitet.
Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienangehörigen wurden jemals verdächtigt für die afghanische Regierung oder die Amerikaner zu arbeiten oder diese zu unterstützen.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.
1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten oder zur Volksgruppe der Paschtunen konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sunniten oder der Volksgruppe der Paschtunen in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Sunniten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Paschtunen konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.
1.2.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist und die ihn in Afghanistan exponieren würde.
1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Provinz Kunar aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Herat und Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat und Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.
Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),
- UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),
- EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO),
- Arbeitsübersetzung Landinfo Report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 (Landinfo 1),
- Arbeitsübersetzung Landinfo Report "Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban" vom 29.06. 2017 (Landinfo 2),
- EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018,
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat- Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre, vom 13.09.2018,
- Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018;
1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).
Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).
1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).
In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).
Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapital 4.2.).
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
1.5.3. Medizinische Versorgung
Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).
Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar (LIB, Kapitel 22.1).
1.5.4. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).
Ethnische Paschtunen sind mit ca. 40% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime. Die Paschtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB, Kapitel 17.1).
Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden, und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (LIB, Kapitel 17.1).
1.5.5. Religionen
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).
1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).
Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).
Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).
1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).
1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).
Taliban:
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).
Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).
Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).
Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges, oder Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer "feindlicher" Regierungen, Kollaborateure oder Auftragnehmer der afghanischen Regierung oder des ausländischen Militärs, oder Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer "Verurteilung" durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich "feindseligen" Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. (Landinfo 1, Kapitel 4)
Rekrutierung durch die Taliban:
Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind (Landinfo 2, Kapitel 4.1). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Landinfo 2, Kapitel 4.1.1).
Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht Personen mit militärischem Hintergrund sowie mit militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Taliban versuchen daher das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Da ein Schwerpunkt auf militärisches Wissen und Erfahrungen gelegt wird, ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters zu rechnen Landinfo 2, Kapitel 3). Durch das Anwerben von Personen mit militärischem Hintergrund bzw. von Mitgliedern der Sicherheitskräfte erhalten Taliban Waffen, Uniformen und Wissen über die Sicherheitskräfte. Auch Personen die über Knowhow und Qualifikationen verfügen (z.B. Reparatur von Waffen), können von Interesse für die Taliban sein (Landinfo 2, Kapitel 5.1).
Die Mehrheit der Taliban sind Paschtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können (Landinfo 2, Kapitel 3.3).
Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Landinfo 2, Kapitel 5.1). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Landinfo 2, Kapitel 5.1).
Im Kontext Afghanistans verläuft die Grenze zwischen Jungen und Mann fließend. Ausschlaggebend für diese Beurteilung sind Faktoren wie Pubertät, Bartwuchs, Mut, Unabhängigkeit, Stärke und die Fähigkeit die erweiterte Familie zu repräsentieren. Der Familienälteste ist das Oberhaupt, absolute Loyalität gegenüber getroffenen Entscheidungen wird vorausgesetzt. Kinder unterstehen der Obrigkeit der erweiterten Familie. Es stünde im Widerspruch mit der afghanischen Kultur, würde man Kinder gegen den Wunsch der Familie und ohne entsprechende Entscheidung des Familienverbandes aus dem Familienverband "herauslösen" (Landinfo 2, Kapitel 6).
1.5.9. Provinzen und Städte
Kunar:
Kunar liegt im Osten Afghanistans. Sie besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai und Nuristani. Die Provinz hat 490.690 Einwohner (LIB, Kapitel 3.18).
In der Provinz sind der ISKP, Al-Qaida und die Lashkar-e Taiba aktiv. Auch betreiben Mitglieder der Teherik-e Taliban Pakistan (TTP) in der Provinz Kunar eine Militärbasis. In der Provinz Kunar werden regelmäßig Sicherheitsoperationen durchgeführt. Zusammenstöße zwischen ISKP-Kämpfern und den Regierungskräften, aber auch zwischen ISKP-Anhänger und Taliban finden statt. Dabei werden Kämpfer auf beiden Seiten getötet und verletzt, zudem kommt es in manchen Fällen auch zu zivilen Opfern. Im Jahr 2018 gab es 397 zivile Opfer (128 Tote und 269 Verletzte) in der Provinz Kunar. Dies entspricht einer Steigerung von 77% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Luftangriffen und IEDs (LIB, Kapitel 3.18).
In der Provinz Kunar reicht eine "bloße Präsenz" in dem Gebiet nicht aus, um ein ernstes Risiko für ernsthafte Schäden gemäß Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie festzustellen. Es wird dort jedoch ein hohes Maß an willkürlicher Gewalt erreicht, und dementsprechend ist ein geringeres Maß an Einzelelementen erforderlich, um die Annahme zu begründen, dass ein Zivilist, der dieses Gebiet zurückgekehrt ist, einem realen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie ausgesetzt ist (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).
Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).
Herat-Stadt:
Herat-Stadt ist die Provinzhauptstadt der Provinz Herat. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen. Sie hat 556.205 Einwohner (LIB, Kapitel 3.13).
Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen sicher und legal erreichbar (LIB, Kapitel 3.13). Der Flughafen Herat (HEA) liegt 13 km südlich der Stadt im Distrikt Gozara. Die Straße, welche die Stadt mit dem Flughafen verbindet wird laufend von Sicherheitskräften kontrolliert. Unabhängig davon gab es in den letzten Jahren Berichte von Aktivitäten von kriminellen Netzwerken, welche oft auch mit Aufständischen in Verbindung stehen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten auszuüben. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB, Kapitel 21).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Herat, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Herat besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Herat haben Zugang zu Elektrizität (80 %), zu erschlossener Wasserversorgung (70%) und zu Abwasseranlagen (30%). 92,1 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen und 81,22 % zu besseren Wasserversorgungsanlagen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
1.5.10. Situation für Rückkehrern
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).
1.5.11. Dürre:
Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Dürre). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil. Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen.
Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an. Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten. Es wurden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt.
Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten.
Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt.
Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt. Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt. Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (Anfragebeantwortungen von ACCORD und der Staatendokumentation zur Dürre vom 13.09.2018 und vom 12.10.2018).
Die Stadt Mazar-e Sharif selbst ist nicht von den Auswirkungen der Dürre betroffen.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, in den Gerichtsakt sowie in die vorgelegten Urkunden und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde, vor dem Bundesverwaltungsgericht und der im Akt aufliegenden Kopie des afghanischen Reisepasses (OZ 5, S. 6; AS 1, A 61 f; AS 85). Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulbildung und akademische Bildung, seine fehlende Berufsausbildung) gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Dass der Beschwerdeführer entgegen seiner eigenen Angaben im Verfahren, wonach er in Afghanistan nicht berufstätig gewesen sei, Berufserfahrung als Selbstständiger gesammelt hat, war aufgrund der diesbezüglichen Eintragung im vorliegenden afghanischen Reisepass zu treffen. Unter der entsprechenden Rubrik im afghanischen Reisepass des Beschwerdeführers ist der Vermerk "self employment" erfasst (AS 177). Zudem hat der Beschwerdeführer im Jahr 2011 seine Schulausbildung mit Matura abgeschlossen und erst im Jahr 2016 mit seinem Studium begonnen (OZ 5, S. 16; AS 169). Dass er als erwachsener Mann im Alter von 19 Jahren bis 24 Jahren keinerlei Erwerbstätigkeit ausgeübt haben soll, war nicht glaubhaft. Auch in Zusammenhang mit der im April 2015 durchgeführten traditionellen Eheschließung scheint die behauptete Erwerbslosigkeit nicht glaubhaft, zumal es notorisch ist, dass in der afghanischen Gesellschaft die Versorgung der Familie traditionell durch den Ehmann stattfindet. Selbst unter Zugrundelegung der sehr guten finanziellen Situation der Familie des Beschwerdeführers war es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer über diesen langen Zeitraum im erwachsenen Alter und trotz seiner Eheschließung niemals gearbeitet haben soll. Diese Einschätzung wird auch durch die Eintragung im Reisepass, in welchem als Beruf "Selbstständigkeit" vermerkt wurde untermauert. Es sind keinerlei Hinweise zu Tage getreten, dass die Eintragungen in einem offiziellen nationalen Reisedokument nicht den Tatsachen entsprechen sollten. Aus diesen Erwägungen war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer über Berufserfahrung als Selbstständiger verfügt.
Dass der Beschwerdeführer traditionell verheiratet ist, war aufgrund seiner eigenen Angaben vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht festzustellen (OZ 5, S. 6; AS 60, AS 63 f). Es war glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung die diesbezügliche Frage missverstanden hat (AS 1). Es konnte allerdings nicht festgestellt werden, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers gemeinsam mit ihm gelebt hat. Hätte der Beschwerdeführer einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ehefrau in seinem Elternhaus tatsächlich geführt, hätte er bereits bei der unmissverständlichen Frage nach seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung seine Ehefrau angeführt (AS 3). Nachdem er erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat, dass auch seine Ehefrau gemeinsam mit ihm in seinem Elternhaus gelebt haben soll, waren seine diesbezüglichen Angaben nicht glaubhaft (OZ 5, S. 8 f). Auch bei der Schilderung des vermeintlichen Überfalls beim Bundesamt erwähnte der Beschwerdeführer seine Ehefrau gar nicht (AS 65). Hätte die Ehefrau tatsächlich mit ihm gemeinsam gelebt, hätte der Beschwerdeführer auch aus eigenem Angaben dazu gemacht. Dass der Beschwerdeführer einen Sohn hat, war aufgrund seiner eigenen Angaben zu treffen die im Verfahren unwiderlegt geblieben sind (OZ 5, S. 7; AS 64). Der aktuelle Aufenthaltsort und die Versorgung seiner Ehefrau und des gemeinsamen Sohnes waren aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu treffen, das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen nachvollziehbaren Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Der Aufenthaltsort der Onkel und Tanten sowie der verheirateten Schwester des Beschwerdeführers war aufgrund der gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers festzustellen (OZ 5, S. 8 f; AS 64).
Dass die Eltern und weiteren Geschwister des Beschwerdeführers nicht in Pakistan, sondern nach wie vor in Afghanistan leben, war aufgrund der Unglaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers festzustellen. Dazu wird auf Punkt II.2.2.3. verwiesen. Wie an dieser Stelle ausführlich dargelegt gibt es für die gesamte Familie des Beschwerdeführers keinerlei Verfolgungsgefahr und hat eine solche auch niemals bestanden. Wie der Beschwerdeführer selbst mehrfach dargelegt hat, war die finanzielle Situation der Familie als sehr gut zu bezeichnen. Dem Beschwerdeführer war es möglich ein akademisches Studium in Jalalabad zu beginnen und wurde er auch als erwachsener, junger, erwerbsfähiger Mann von seiner Familie finanziell unterstützt (OZ 5, S. 7). Seine Geschwister sind ebenfalls berufstätig und eine Schwester bereits verheiratet (OZ 5, S. 8; AS 63). Die Familie des Beschwerdeführers verfügt im Herkunftsort zumindest über ein Eigentumshaus und ein Grundstück. Es lagen daher keine finanziellen Gründe für die Familie des Beschwerdeführers vor, Afghanistan zu verlassen.
Nachdem niemals eine Verfolgungsgefahr für die Familie bestanden hat und auch nicht aktuell besteht, war es nicht glaubhaft, dass die Familie des Beschwerdeführers nach Pakistan ausgereist sein soll. Diese Angaben des Beschwerdeführers erwecken in Zusammenschau mit dem unglaubhaften Fluchtvorbringen (II.2.2.3.) den Eindruck, dass sich der Beschwerdeführer damit im anhängigen Asylverfahren einen Vorteil bei der Beurteilung seiner individuellen Rückkehrsituation verschaffen wollte. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Eltern und weiteren Geschwister des Beschwerdeführers nach wie vor in Afghanistan leben.
Dass weder die Schwester noch die Schwägerin des Beschwerdeführers bei einem Überfall getötet wurden, war festzustellen, zumal das Fluchtvorbringen insgesamt nicht glaubhaft war. Dazu wird auf die Darlegungen unter II.2.2.3. verwiesen. Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass der Beschwerdeführer im Zuge seiner polizeilichen Erstbefragung nur wenige Wochen nach der vermeintlichen Ermordung seiner Schwester, diese bei der Frage nach weiteren Familienangehörigen im Herkunftsland neben seinen weiteren zwei Schwestern anführte und angab, dass diese "ca. 20 Jahre" alt sei (AS 3). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer wenige Wochen nach der behaupteten Ermordung einer seiner Schwestern, diese ohne jeden Hinweis auf ihr Ableben anführt und auch bei der Frage nach dem Fluchtgrund die Ermordung seiner Schwester und Schwägerin nicht erwähnt. Selbst unter Berücksichtigung, dass sich die Erstbefragung nicht auf die nä