Entscheidungsdatum
02.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W245 2191054-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2020, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge auch "BF"), ein iranischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen der am 15.10.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zunächst zu seiner Person an, dass er am XXXX in Teheran geboren, Angehöriger der persischen Volksgruppe und Christ sei. Er sei ledig und habe in Teheran zehn Jahre lang die Grundschule besucht. Vor ca. 30 Tagen habe er den Iran illegal ohne Reisedokument verlassen und sei über die Türkei nach Griechenland gereist. Da er in Griechenland keinen Asylantrag gestellt habe, habe er einen Landesverweis erhalten und sei in der Folge ohne Schlepperunterstützung über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn nach Österreich gelangt.
Sein Heimatland habe der BF verlassen, da er seine Religion habe wechseln wollen und dabei "erwischt" worden sei. Sein Vater sei ein Basiji - die Basiji seien so eine Art Revolutionsgarde - und daher sei es für ihn lebensgefährlich gewesen. Eines Abends habe der BF mit seinem Vater diskutiert und ihm mitgeteilt, dass er den Islam nicht verstehe. Daher habe er sich am nächsten Tag zu einer Kirche im Iran begeben und sich taufen lassen. Dabei sei er von seinem Vater "erwischt" und in der Folge von ihm "gejagt" worden. Auch seine Freunde habe sein Vater auf ihn gehetzt. Daher habe der BF seine Flucht organisiert und sei von Zuhause wegegelaufen. Da im Iran die Todesstrafe auf Konversion stehe, habe er Angst um sein Leben, weil er zum Christentum konvertiert sei.
I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 11.07.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde", auch "bB") das Geburtsdatum des BF unter Verweis auf ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 11.03.2016, mit XXXX fest (AS 89).
I.4. Am 25.10.2016 und 27.02.2018 wurde der BF von der bB einvernommen.
I.5. Mit Bescheid vom 07.03.2018 wies die bB den Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
I.6. Mit Verfahrensanordnung vom 08.03.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
I.7. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 26.03.2018 fristgerecht erhobene Beschwerde.
I.8. Die Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch "BVwG") von der bB vorgelegt.
I.9. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 19.03.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.
In der Beschwerdeverhandlung brachte der 18 Fotos in Vorlage, die den BF bei regimekritischen Demonstrationen zeigen.
I.10. Mit Erkenntnis des BVwG vom 13.06.2019, XXXX , wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Revision gemäß § 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Es wurde u.a. festgestellt, dass der BF nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist und es sich bei der behaupteten Konversion um eine Scheinkonversion handle. Ebenso wenig wurde festgestellt, dass der BF bei einer Rückkehr in den Iran aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre.
I.11. Am 27.08.2019 verließ der BF Österreich und reiste nach Deutschland. Am darauffolgenden Tag meldete er sich bei der deutschen Polizei und stellte einen Asylantrag. Am 26.11.2019 erfolgte im Rahmen einer Dublin-Rücküberstellung die Rückkehr nach Österreich.
I.12. Am 26.11.2019 stellte der BF den gegenständlichen Folgeantrag. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Befragung (Erstbefragung nach AsylG - Folgeantrag Asyl) durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass seine Familie im Iran bedroht worden sei. Er sei bedroht worden, weil er gegen die iranische Regierung kämpfe. Er fühle sich nach wie vor bedroht. Seit Juli 2019 habe sich nichts für ihn verändert. Wenn er keine Probleme im Iran haben würde, wäre er wieder zurückgegangen. Deshalb sei er auch nach Deutschland gegangen, weil er die Abschiebung in den Iran von Österreich aus nicht wolle. Er möchte auf keinen Fall wieder in den Iran zurückgehen. Er wisse, dass er umgebracht werde. Er lebe in dauernder Angst, dass er eines Tages zurück in den Iran abgeschoben werde. Er finde es nicht gut für einen jungen Mann, in ständiger Angst leben zu müssen. Er möchte einfach hier in Österreich weiterleben können.
I.13. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 15b AsylG 2005 iVm § 7 Abs. 1 VwGVG vom 26.11.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass er sich bis zur Entscheidung über seinen Asylantrag in XXXX aufzuhalten habe.
I.14. Am 02.12.2019 und 16.12.2019 wurde der BF vor der bB zu seinem Folgeantrag niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Gesundheitszustand führte er aus, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Befragt zu seinem Religionsbekenntnis gab er an, Christ zu sein. Er nutze WhatsApp, Facebook, Instagram und Telegram. Auf Instagram heiße sein Account XXXX . Er habe keinen Kontakt zu seiner Familie im Iran. Den letzten Kontakt habe er über WhatsApp zu einem ehemaligen Arbeitskollegen und Verwandten am 25.08.2019 gehabt.
Befragt dazu, weshalb er neuerlich einen Asylantrag stellte, gab der BF an, dass er mit einem Team zusammenarbeite. Er sei Filmemacher und Drehbuchschreiber. Er nehme an den antiislamischen Demonstrationen teil. Er arbeite auch mit einer Gruppe zusammen, die seit ca. einem Jahr in Österreich anerkannt sei. Er habe seit 2018 an Demonstrationen teilgenommen. Die Fotos habe er zu seinem Cousin, der auch sein Arbeitskollege gewesen sei, geschickt. Es sei die einzige Person im Iran gewesen, zu der er Kontakt gehabt habe. Bis zum 25.08.2019 seien sie in Kontakt gewesen. An diesem Tag habe er das allerletzte SMS über ihn bekommen. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass er festgenommen worden sei. Der Inhalt der SMS sei gewesen: "Ihr Kollege, ihr Mitarbeiter ist festgenommen worden. Sie können sicher sein, dass sie der Nächstes sind, der festgenommen werde."
Seit 2018, seit diese Demonstrationen angefangen hätten, habe er Demo-Fotos an seinen Cousin geschickt. Sein Freund habe ein paar Videos und Fotos an die freien Medien weitergeleitet. Z.B. an XXXX (" XXXX "), dies sei eine Telegrammgruppe mit vielen Mitgliedern. Seine Videos und Fotos seien auch im Iran über Telegramm und YouTube veröffentlicht worden.
Aktuell habe er große Angst vor dem iranischen Geheimdienst. Sie würden wissen, wer er sei und was er mache und wie aktiv er sei, weil sie seinen Freund und Mitarbeiter festgenommen hätten und so alle Informationen über ihn haben würden. Er wisse nicht, ob dieser Freund gefoltert oder hingerichtet worden sei.
Er habe Angst vor der islamischen Republik Iran. Sie hätten ihre Terroristen überall auf der Welt und er sei sehr aktiv. Er sei zwar gemeldet, aber er habe dort nicht gewohnt, weil er Angst habe, entdeckt zu werden. Deshalb habe er bei einem Freund gewohnt. Er habe Angst zur österreichischen Polizei zu gehen und um Hilfe zu bitten, weil die Polizei vorhabe, ich nach Tirol zu schicken.
Zudem sei er zum Christentum konvertiert und gemäß islamischer Scharia sei er jetzt ein Mortad, ein Ungläubiger.
Aus all diesen Gründen sei er sich sicher, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran hingerichtet werde.
Vor kurzem sei er mit einem Kurzfilm beschäftigt gewesen. Im Mai 2018 hätten sie begonnen im Juli sei er fertig geworden. Dabei gehe es um Radikalismus und Fanatismus. Die Geschichte laufe im Mittelalter. Aber es gehe um seine Heimat. Sie würden am Drehbuch arbeiten. Er sei als Hauptdarsteller fix und sie seien mitten drinnen. Er sei auch für das Kostümdesign zuständig.
Geplante Demonstrationsveranstaltungen erhalte er über Telegramm.
Ergänzend führte aus, dass er seine Tätigkeiten gegen die islamische Regierung fortsetzen wolle und das würde nur mit internationalem Schutz gehen.
Der BF legte außerdem Fotos von Demonstrationen aus den letzten Jahren vor.
Seit dem Abschluss seines Erstverfahrens, gebe es neue Gründe. Seine Zusammenarbeit mit dieser politischen Gruppe sei intensiver. Die Fotos und weitere Sachen habe er noch intensiver zu seinem Cousin geschickt. Seine historischen Tätigkeiten seien intensiviert worden.
I.15. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG 2005 wurde dem BF am 16.12.2019 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen. Zudem wurde dem BF mit Verfahrensanordnung erklärt, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
I.16. Bei der Einvernahme durch die bB am 29.01.2020 gab der BF an, dass er seine politischen Aktivitäten angefangen habe, nachdem er die negative Entscheidung erhalten habe. Bei seinem Vorverfahren habe er auch nicht behauptet, dass er Mitglied dieser Gruppe sei. Er habe auch keine Unterlagen vorgelegt. Der Grund dafür sei gewesen, dass er damals heimlich - er habe es niemandem im Iran gesagt - mit dieser Gruppe zusammengearbeitet habe. Erst später als seine SMS verraten worden sei, hätten die Leute im Iran davon erfahren. Jetzt sei es eine offizielle Sache. Das heiße, sein Kollege, Mitarbeiter, Verwandter sei festgenommen worden. Jetzt wisse die Sicherheitsbehörde im Iran Bescheid und jetzt sei er in Gefahr. Für das iranische Regime sei es leicht, ihn umzubringen. Er werde dort verfolgt. Er sei sich ganz sicher, dass er im Iran hingerichtet bzw. getötet werde. Er sei Mitglied einer oppositionellen Gruppe, deswegen sei er dort in Lebensgefahr. Er müsse dort mit Todesstrafe rechnen.
I.17. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 04.02.2020 wies die bB den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz vom 26.11.2019 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (in der Folge "AVG") wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF aufgetragen, ab 27.11.2019 im Quartier, XXXX , Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).
Begründend führte die bB im Wesentlichen aus, dass sie keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt habe feststellen können, da die behaupteten Sachverhalte teilweise bereits vor Rechtskraft des Vorverfahrens verwirklicht worden seien und teilweise keinen glaubhaften Kern aufgewiesen hätten. Es habe sich daher kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben.
I.18. Mit Verfahrensanordnung vom 04.02.2020 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
I.19. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 18.02.2020 fristgerecht erhobene Beschwerde. Gleichzeitig stellte der BF einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG.
I.20. Am 06.02.2020 stellte der BF dem XXXX eine Vollmacht aus.
I.21. Am 19.02.2020 erstattete der BF eine ergänzende Stellungnahme zu seiner Beschwerde.
I.22. Die Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch "BVwG") am 20.02.2020 von der bB vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
II.2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt 1. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zu A)
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 27.4.2000, 98/10/0318; 7.6.2000, 99/01/0321; 5.7.2000, 2000/03/0126; 14.9.2000, 2000/21/0087; 20.9.2000, 95/08/0261; 27.6.2001, 98/18/0297; 4.10.2001, 2001/08/0057; 28.1.2003, 2002/18/0295; 2.10.2003, 2000/09/0186; 28.10.2003, 2001/11/0224; 3.11.2004, 2004/18/0215; 5.7.2005, 2005/21/0093; 24.1.2006, 2003/08/0162; 2.10.2008, 2008/18/0538; 6.6.2012, 2009/08/0226).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden darf. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs. 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorkehrt. Fest steht nach der Rechtsprechung weiters, dass auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mit ihrer Erlassung rechtskräftig wird, dabei haben alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der Rechtskraft. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem).
Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN; 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; vgl. weiters VwGH 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235; 17.9.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783; 21.6.2018, Ra 2017/07/0125; 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 9.8.2018, Ra 2018/22/0078; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043; ausdrücklich zum VwGVG: 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwSlg. 13.639 A/1992, VwSlg. 15.694 A/2001; VwGH 12.3.1990, 90/19/0072; 4.6.1991, 90/11/0229; VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 28.10.2003, 2001/11/0224; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783; 17.12.2014, 2013/10/0246). Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat (VwGH 19.3.1980, 2426/79, mwN; 9.7.1990, 89/10/0225; 28.9.1992, 92/10/0055; 30.6.1994, 92/06/0270; 25.3.1997, 96/05/0182; 24.4.1997, 97/06/0039; 27.5.1999, 98/06/0052; 22.5.2001, 2001/05/0075; 4.9.2001, 2000/05/0126; 7.8.2002, 2002/08/0120; 26.9.2002, 2001/06/0039; 20.3.2003, 2001/06/0050; 25.5.2005, 2004/09/0198; 25.4.2006, 2006/06/0038; 20.11.2007, 2006/05/0278; 26.5.2009, 2009/06/0004; 23.6.2009, 2009/06/0075; 12.12.2013, 2013/06/0203; vgl. auch VwGH 13.9.2011, 2011/22/0035; 23.2.2012, 2012/22/0002; 19.9.2012, 2012/22/0114; 20.8.2013, 2012/22/0119; 9.9.2013, 2013/22/0161; 9.9.2013, 2013/22/0215; 3.10.2013, 2012/22/0068; 11.11.2013, 2013/22/0252; 22.1.2014, 2013/22/0007; 10.4.2014, 2011/22/0286; 10.4.2014, 2013/22/0198; 19.11.2014, 2012/22/0056; 19.11.2014, 2013/22/0017; 19.4.2016, Ra 2015/22/0052). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (späteren) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684). Soweit nicht das Bundesasylamt, das Bundesamt oder der unabhängige Bundesasylsenat, sondern der Asylgerichtshof oder das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig entschieden hat, ist Maßstab nicht ein Bescheid, sondern die Entscheidung des Gerichtes.
Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196; 17.2.2006, 2006/18/0031; 14.12.2015, Ra 2015/09/0076) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391; 13.9.2016, Ra 2015/01/0256), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Das bedeutet, dass erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, keine Änderung des Sachverhalts darstellen, sondern nur einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens bilden können (zum VwGVG VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN; 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043; 25.10.2018, Ra 2018/07/0353).
Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183, mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431; 17.9.2008, 2008/23/0684; 6.11.2009, 2008/19/0783; vgl. zum VwGVG: VwGH 25.10.2018, Ra 2018/07/0353: "Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst").
Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG 2005 - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN, zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 2005, nämlich § 28 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76; 17.9.2008, 2008/23/0684; weiters VwGH 6.11.2009, 2008/19/0783). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 17.9.2009, 2009/07/0045; 31.7.2014, 2013/08/0163; 9.3.2015, Ra 2015/19/0048; 25.2.2016, Ra 2015/19/0267; 12.10.2016, Ra 2015/18/0221; 24.5.2018, Ra 2018/19/0187; 27.11.2018, Ra 2018/14/0213). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides (Vorerkenntnisses) einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; vgl. auch VwGH 4.6.1991, 90/11/0229).
Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391; 26.7.2005, 2005/20/0343; 27.9.2005, 2005/01/0363; 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.12.2005, 2005/20/0556; 16.2.2006, 2006/19/0380; 22.6.2006, 2006/19/0245; 21.9.2006, 2006/19/0200; 25.4.2007, 2005/20/0300; 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; vgl. weiters VwGH 26.9.2007, 2007/19/0342).
Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid (Vorerkenntnis) auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235; 12.12.2002, 2002/07/0016; 19.9.2013, 2011/01/0187; zum VwGVG: VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; 8.8.2018, Ra 2017/04/0112).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (jetzt: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235; 26.2.2004, 2004/07/0014; 24.6.2014, Ra 2014/19/0018). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400; 15.9.2010, 2008/23/0334, mwN; 15.12.2010, 2007/19/0265).
"Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, das Verwaltungsgericht darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Verwaltungsbehörde den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Es hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - die Beschwerde abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die Verwaltungsbehörde, gebunden an die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Das Verwaltungsgericht darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207; 7.10.2010, 2006/20/0035; 18.12.2014, Ra 2014/07/0002).
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage, ob das Bundesamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Bei § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG 2014 handelt es sich um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG 2014 abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG 2014 genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Diese Sonderbestimmung gelangt für sämtliche Beschwerden im Zulassungsverfahren, wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählt, zur Anwendung (vgl. VwGH 21.3.2018, Ro 2018/18/0001).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch das BFA Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom BVwG in der für die Erledigung gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattzugeben ist. Ist hingegen davon auszugehen, dass das BVwG die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes) selbst vorzunehmen. Dabei hat es sich bei der Beurteilung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung, ob eine Verhandlung durchzuführen ist, auch davon leiten zu lassen, ob die vorhandenen Ermittlungsmängel zweckmäßigerweise durch im Rahmen der Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden können (etwa wenn es gilt, allein die Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers einer näheren Beurteilung zu unterwerfen; siehe z. B. VwGH 19.10.2017, Ra 2017/20/0144, mwN).
Einer behebenden Entscheidung im Sinn des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG muss sohin auch - unter Überbindung der Rechtsansicht - entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde unterlaufen sind. Zudem hat das Verwaltungsgericht in seiner Begründung offenzulegen, warum es nicht in der Lage ist, die Ermittlungsmängel in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden Beschwerdeverfahrens - gebotenen Eile zu beseitigen (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0017).
Für die gegenständliche Beschwerdesache bedeutet das:
Der BF hat sich einerseits auf die Fluchtgründe berufen, die er bereits im ersten Asylverfahren angeführt hatte (Konversion, Teilnahme an regimefeindlichen Demonstrationen) und andererseits auf eine Verschärfung seiner Situation, u.a. weil sein Cousin im August 2019 von den iranischen Behörden aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung festgenommen worden sei, und schließlich darauf, dass er seine politischen Tätigkeiten insbesondere für den Verein XXXX intensiviert habe.
Auf Grund des rechtskräftigen Erkenntnisses vom 13.06.2019 steht fest, dass der BF damals nicht zum Christentum konvertiert war und es sich bei der behaupteten Konversion um eine Scheinkonversion handelt. Dass der BF in Österreich an Demonstrationen gegen das iranische Regime teilgenommen hat, hat der BF durch die Vorlage von 18 Fotos in der Beschwerdeverhandlung im März 2019 dargelegt. Im Erkenntnis wurde (dazu) festgehalten, dass der BF bei einer Rückkehr in den Iran aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) keiner asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Die Teilnahme des BF an Demonstrationen seit dem Jahr 2017 bzw. 2018 bis zum Juni 2019, sind daher von der Rechtskraft des Erkenntnisses erfasst, ungeachtet dessen, dass der BF bei seinen Einvernahmen vor der bB und in der mündlichen Verhandlung dazu kein näheres Vorbringen erstattet hat (vielmehr hatte er damals zur Frage, ob er etwas zu den Beilagen [damit u.a. gemeint, die in Vorlage gebrachten Fotos zur Teilnahme an Demonstrationen], erzählen möchte, keine Ausführungen getätigt, sondern darauf verwiesen, dass man sehe, um welche Tätigkeiten es sich handle [Verhandlungsprotokoll, Seite 16]; auch die Frage, ob er alle Probleme, die er im Iran habe, geschildert habe, bejahte der BF [Verhandlungsprotokoll, Seite 23]).
Nun brachte der BF vor, dass sein Cousin im August 2019 - sohin nach Rechtskraft des Erkenntnisses - von den iranischen Behörden aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung festgenommen worden sei. Davon habe er durch eine SMS im August 2019 erfahren, die er von den iranischen Behörden erhalten habe. Er habe seinem Cousin außerdem - seit dem Jahr 2018 - regimefeindliche Fotos geschickt, die dieser im Iran öffentlich verbreitet habe. Ihm drohe daher Verfolgung seitens des iranischen Regimes. Diesbezüglich hielt die bB in hinreichend substantiierter Weise fest, dass diesem Vorbringen kein "glaubhafter Kern" zu entnehmen sei. Weder die Verhaftung noch eine damit in Verbindung stehende Bedrohung habe der BF aufgrund seiner nicht nachvollziehbaren Angaben glaubhaft machen können.
Anders liegt es bei den behaupteten politischen Aktivitäten u.a. im Rahmen seiner Mitgliedschaft des im Juli 2019 gegründeten Vereins XXXX , insbesondere der Teilnahme an antiislamischen Demonstrationen in Österreich sowie der Abhaltung einer regimekritischen Rede im öffentlichen Rahmen in Wien (Niederschrift vom 16.12.2019, Seite 2, 4 und 8). Mit diesen Behauptungen hat sich die belangte Behörde nur sehr oberflächlich auseinandergesetzt. So lässt sich dem Akteninhalt bzw. dem bekämpften Bescheid nämlich gerade nicht entnehmen, wann bzw. ob der BF nach Rechtskraft des Erkenntnisses an Demonstrationen teilgenommen bzw. wann der BF die behauptete öffentliche Rede gehalten hat. Dazu wurde im Einvernahmeprotokoll lediglich pauschal vermerkt, dass der BF Fotos von Demonstrationen aus den letzten Jahren vorlegte (Niederschrift vom 16.12.2019, Seite 4). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der BF nach Rechtskraft des Erkenntnisses an Demonstrationen teilgenommen hat und dadurch unter Umständen in das Licht der iranischen Behörden gerückt ist, obwohl der BF gleich zu Beginn seiner Befragung bei der Frage, weshalb er einen neuen Asylantrag gestellt habe, allgemein darauf hinwies, an antiislamischen Demonstrationen teilzunehmen (Niederschrift vom 16.12.2019, Seite 2). Auch aus der in Vorlage gebrachten Bestätigung des Vereins " XXXX " vom 18.01.2020 geht hervor, dass der BF seit Dezember 2017 bei diversen Kundgebungen gegen das Regime im Iran aktiv beteiligt sei.
Ob die politischen Aktivitäten des BF daher von der Rechtskraft des Erkenntnisses bereits umfasst sind und ein "neues" Vorbringen darstellen, lässt sich dem Akteninhalt bzw. dem bekämpften Bescheid nicht eindeutig entnehmen. Bezüglich dieser Aspekte hätten weitere Abklärungen - insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes, der Art und der Häufigkeit der Aktivitäten und der dabei dem BF zukommenden Rolle (im Verein bzw. bei den Demonstrationen) - erfolgen müssen.
Der von der belangten Behörde ermittelte Sachverhalt ist somit grundlegend ergänzungsbedürftig.
Der vorliegende Sachverhalt erweist sich so mangelhaft, dass eine Ergänzung desselben und damit verbunden eine weitere Befragung des BF unvermeidlich erscheint, sodass der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattzugeben war.
Das erkennende Gericht erachtet es unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit gerechtfertigt, nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG vorzugehen, den Bescheid zu beheben und der belangten Behörde, die in diesem Zulassungsverfahren näher am Beweis ist, die weitere Befragung zu überlassen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Diese Entscheidung war in Form eines Erkenntnisses zu treffen, weil § 28 Abs. 1 VwGVG dies als Regelfall vorsieht und das Gesetz nicht vorschreibt, dass ein Beschluss zu erlassen wäre. Eine Analogie zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, der eine kassatorische Entscheidung in Beschlussform vorsieht, kommt nicht in Frage, weil diese Bestimmung die Möglichkeit einräumt, anstatt einer Entscheidung in der Sache (mit Erkenntnis) die Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen (vgl. dazu auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Stand 15.01.2016, § 21 BFA-VG, Seite 261, K10); im Fall des § 68 Abs. 1 AVG kommt aber eine stattgebende Entscheidung in Erkenntnisform gar nicht in Betracht, weil Gegenstand des Verfahrens nur die Frage ist, ob der Antrag zu Recht zurückgewiesen worden ist.
II.3.1.1. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG kann unbeschadet des Abs. 7 das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.
Vor diesem Hintergrund konnte im gegenständlichen Verfahren von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
II.3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem erkennenden Gericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen Grundlage für die zu treffende Entscheidung war.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Demonstration entschiedene Sache exilpolitische Aktivität mangelnde Sachverhaltsfeststellung politische Aktivität Rückkehrentscheidung behoben WohnsitzauflageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W245.2191054.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020