TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 W169 2228229-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W169 2228229-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde XXXX alias XXXX, geb. XXXX StA. Vietnam alias VR China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2020, Zl. 1255990709-191313483, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 53, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, reiste am 19.12.2019 unter Vorlage eines chinesischen Reisepasses mit portugiesischem Sichtvermerk am Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein. Er wurde am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten und wegen des Verdachts der Fälschung besonders geschützter Urkunden, Fälschung von öffentlichen Beglaubigungszeichen sowie des unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet angezeigt und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgeführt.

1.2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.12.2019 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, Staatsangehöriger von Vietnam zu sein. Er sei zu Hause unterrichtet worden und habe noch nicht gearbeitet. Er sei geschieden. Seine Eltern seien verstorben und Geschwister habe er nicht. Der Beschwerdeführer habe den Vietnam im Juli 2019 verlassen, habe sich sodann in Malaysia aufgehalten und sei anschließend in Europa gewesen, wisse aber nicht mehr, in welchen Ländern. Sein vietnamesischer Reisepass sei ihm von den Schleppern abgenommen worden, den chinesischen Reisepass habe er von einem Unbekannten in Europa erhalten. Der Beschwerdeführer habe rund EUR 15.500,- für die Reise nach Europa gezahlt, habe noch etwa EUR 100,- bei sich und verfüge weder über eine Bankomat- noch eine Kreditkarte. Er habe keine Angehörigen oder sonstigen Kontakte in Österreich und spreche kein Deutsch. Sein Zielland sei Deutschland gewesen. Der Beschwerdeführer wolle nicht nach Vietnam zurückkehren und würde sich einer Abschiebung widersetzen.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel gebracht.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag, Zl. 1255990709-191301868, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Vietnam zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf 5 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

1.5. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck die Sicherung der Abschiebung verhängt.

2.1. Am 23.12.2019 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus der Provinz Thanh Hoa stamme und die Sprache Vietnamesisch spreche. Er gehöre der Volksgruppe der Kinh (Viet) an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer zehn Jahre die Grundschule ohne Abschluss besucht. Er habe keine Berufsausbildung und nicht gearbeitet. Seine Eltern seien verstorben und er habe keine Geschwister. Der Beschwerdeführer sei geschieden und kinderlos. Er sei im Juli 2019 legal mit seinem vietnamesischen Reisepass nach Malaysia geflogen und sodann über eine unbekannte Route mittels Flugzeug nach Österreich eingereist. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass er in seiner Heimat Probleme mit der Mafia gehabt habe. Er sei grundlos von einem der Angehörigen der Mafia geschlagen worden. Er wisse nicht, warum sie ihn geschlagen hätten. Der Beschwerdeführer habe aus Angst um sein Leben seine Heimat verlassen.

2.2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.01.2020 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus der Provinz Thanh Hoa stamme. Er sei der Volksgruppe der Kinh zugehörig. Im Herkunftsstaat habe er bis zu seinem 15. Lebensjahr die Schule besucht. Er habe als Feldarbeiter gearbeitet. Er sei seit Anfang 2019 geschieden, kinderlos und habe nach dem Unfalltod seiner Eltern vor ungefähr fünf Jahren alleine im Elternhaus gewohnt. Der Beschwerdeführer habe keine Geschwister und keine Verwandten. Er habe seinen Unterhalt als Feldarbeiter verdient. Er habe zu niemandem in Vietnam Kontakt. Er habe sein Elternhaus zur Finanzierung der Ausreise verkauft. Er sei gesund.

Der Beschwerdeführer sei im Juli 2019 legal mit seinem vietnamesischen Reisepass von Vietnam nach Malaysia ausgereist und im Dezember 2019 in Österreich mit einem gefälschten chinesischen Reisepass eingereist.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass Banden immer Geld von ihm hätten haben wollen, er aber kein Geld gehabt habe. Sie hätten gesagt, dass sie ihn schlagen würden, wenn er zur Polizei gehe. Der Beschwerdeführer sei zusammengeschlagen worden und habe einen Bruch am Fuß erlitten. Da er Angst bekommen habe, sei er ausgereist.

Zu den Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Familienangehörigen oder Verwandten habe. Er habe vietnamesische Freunde, die schon länger in Österreich leben, zu denen aber kein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Er wisse nicht, welchen Aufenthaltstitel seine Freund haben. Der Beschwerdeführer habe geplant, bei seinen Freunden zu leben, wisse aber nicht, bei wem und wo. Seine Freunde hätten ihm gesagt, dass er nach Österreich kommen solle, um zu arbeiten. Der Beschwerdeführer sei nach Österreich gekommen, weil er eine Arbeit gesucht habe. Er spreche kein Deutsch, sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und gehe keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach.

Dem Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme die Möglichkeit geboten, in die aktuellen Länderberichte zur Situation in Vietnam Einsicht zu nehmen und eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausfolgung der Länderberichte und brachte vor, dass das Leben in seinem Dorf schwer gewesen sei. Er habe dort das ganze Jahr über am Feld arbeiten müssen. Es gebe keine andere Arbeit und man bekomme wenig Geld dafür.

2.3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Vietnam (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Vietnam zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2, 5 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf 5 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Vietnam sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der äußerst kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Vietnam. Es sei einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, da der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche und gegen den Beschwerdeführer bereits vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen worden sei. Es bestehe aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Die Erlassung eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG sei notwendig, da der Beschwerdeführer mittellos sei, bereits zuvor eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot erlassen worden sei, er ausgeführt habe, ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Dokumente einer Arbeit nachgehen zu wollen, er mittels gefälschter Dokumente eingereist sei, der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz missbräuchlich gestellt worden sei, und die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer untertauche, wodurch gesamt betrachtet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet werde.

2.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der Fluchtgründe insbesondere ausgeführt, dass das Verfahren aufgrund von Leerbegründungen mangelhaft sei. Es bestehe für den Beschwerdeführer gegen Kriminelle und die Mafia kein wirksamer Rechtsschutz, da das in Vietnam herrschende antidemokratische System mit Mafiastrukturen verwoben sei. Der Beschwerdeführer habe sich zudem "unter anderem" um den Aufbau demokratischer Strukturen bemüht und wäre bei seiner Rückkehr von Folter bedroht. Der Beschwerdeführer sei dazu nicht befragt worden und habe aufgrund seiner Traumatisierung gegenüber Behörden Angst, eigeninitiativ darüber zu reden. Der "völlig unbescholtene und unauffällige" Beschwerdeführer sei aus seinem Herkunftsstaat entwurzelt und habe soziale Bindungen zu Österreich.

Beantragt wurden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

2.5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die gegenständliche Beschwerde mitsamt Verfahrensakt am 25.02.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Vietnam aus der Provinz Thanh Hoa, gehört keiner Religionsgemeinschaft an und ist der Volksgruppe der Kinh zugehörig. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprache Vietnamesisch. Im Herkunftsstaat besuchte er zehn Jahre die Grundschule und lebte mit seinen Eltern im Elternhaus. Er arbeitete als Feldarbeiter und konnte sich dadurch seinen Unterhalt finanzieren. Der Beschwerdeführer ist geschieden, kinderlos und gesund.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten oder Familienangehörigen in Vietnam hat.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Vietnam eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Er hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland. Der Beschwerdeführer verließ sein Heimatland aus rein wirtschaftlichen Gründen.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen und Verwandten in Österreich. Er spricht kein Deutsch. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Er geht keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist mittellos. Er ist strafgerichtlich unbescholten, wurde aber wegen des Verdachts auf Fälschung besonders geschützter Urkunden und Fälschung von öffentlichen Beglaubigungszeichen angezeigt, da er unter Verwendung einer falsche Identität mit einem gefälschten chinesischen Reisepass, der einen ebenso gefälschten portugiesischen Sichtvermerk enthielt, in das Bundesgebiet einreiste. Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer befand sich vom 20.12.2019 bis 03.02.2020 im PAZ Hernalser-Gürtel in Schubhaft. Seit Entlassung aus der Schubhaft verfügt der Beschwerdeführer über keine aufrechte Meldung in Österreich. Er stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz erst nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot aus dem Stande der Schubhaft.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

Sicherheitslage

Nachdem es mehrfach zu gewaltsamen Übergriffen Roter Khmer auf vietnamesisches Territorium gekommen war, marschierte Vietnam 1978 in Kambodscha ein und bekämpfte bis 1989 die Roten Khmer im Kambodscha. Auch nach der Lösung dieses Konflikts durch das Pariser Friedensabkommens 1991 kommt es immer wieder zu Spannungen und Grenzstreitigkeiten (GIZ 12.2018a).

Nicht explodierte Minen und Munition stellen eine anhaltende Gefahr auf ehemaligen Schlachtfeldern dar, insbesondere in Zentralvietnam und entlang der Laosgrenze, die früher vom Ho Chi Minh Pfad durchquert wurde (FCO 19.12.2018). Einige Proteste in den letzten Jahren sind gewalttätig geworden oder wurden von den Behörden gewaltsam unterdrückt (FCO 19.12.2018). Insbesondere bewaffneter Widerstand gegen Landraub bedrohte das Gewaltmonopol des Staates (BTI 2018).

Quellen:

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

- FCO - Foreign and Commonwealth Office (19.12.2018): Foreign travel advice Vietnam, Safety and Security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/vietnam/safety-and-security, Zugriff 14.1.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz ist nicht unabhängig, sondern steht unter der vollen Kontrolle der Partei (BTI 2018; vgl FH 1.2018; HRW 18.1.2018). Richter werden von Parteikomitees für eine feste Amtszeit von fünf Jahren ernannt (BTI 2018). Die Justiz umfasst drei Ebenen: Bezirk-, Provinz- und Nationalgericht (Oberster Gerichtshof). Ebenso gibt es drei Berufungsgerichte in Vietnam. Gegen eine Entscheidung eines Amtsgerichts kann nur einmal Berufung eingelegt werden. Es gibt eine eigene Staatsanwaltschaft, die, nach sowjetischem Vorbild, parallel zum Gerichtssystem organisiert ist (BTI 2018).

Die in der Verfassung vom 1.1.2014 festgeschriebenen Prinzipien zu Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Grundrechtsschutz finden häufig keinen Niederschlag in den gesetzlichen Regelungen, im Verwaltungshandeln oder in der Rechtsprechungspraxis. Insbesondere mit Blick auf ein faires Verfahren bestehen erhebliche Defizite in puncto Rechtsstaatlichkeit. Das bezieht sich zum Teil auf Mängel der Strafprozessordnung, zum Teil auf Missachtung straf-prozessualer Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote durch Ermittlungsbehörden und Gerichte. So führt das Herbeiführen von Aussagen oder Geständnissen unter Zwang in den meisten Fällen nicht zu Beweisverwertungsverboten (AA 14.12.2018).

Das Justizministerium und seine lokalen Niederlassungen sind mit der Überwachung der juristischen Ausbildung, wichtigen Statistiken und der Ausarbeitung einiger Gesetze beauftragt (BTI 2018). Die Justizorgane können wegen häufig unzureichender Ausbildung, mangelhafter (Personal-) Ausstattung und politischer Vorgaben ihrem Auftrag der Zivil- und Strafrechtspflege sowie der Kontrolle exekutiver Entscheidungen nicht im verfassungsrechtlich gebotenen Maß nachkommen. Die Gerichte sind zwar laut Verfassung unabhängig, unterstehen aber praktisch der Exekutive und strategischen, manchmal sogar einzelfallbezogenen Anordnungen der Partei (AA 14.12.2018).

Laut Verfassung ist für die Verhaftung einer Person ein von einem Gericht oder Staatsanwalt ausgestellter Haftbefehl notwendig, außer im Fall einer "offenkundigen Straftat". Mehrere Personen wurden im Jahr 2017 gemäß Berichten aufgrund solch dringender Umstände ohne Haftbefehl verhaftet. Laut Gesetz können Personen aufgrund vager Bestimmungen des Strafgesetzbuches zur nationalen Sicherheit festgenommen und über einen längeren Zeitraum festgehalten werden (USDOS 20.4.2018) Die Behörden halten weiterhin viele Personen ohne Gerichtsverfahren fest, einschließlich Blogger und Menschenrechtsverteidiger (HRW 19.1.2018). Die Behörden verhängen gegen Aktivisten und mutmaßliche Straftäter regelmäßig Verwaltungshaft oder Hausarrest (USDOS 20.4.2018).

Landesweit sind nur ca. 11.000 Rechtsanwälte zugelassen, sodass die Verteidigungsmöglichkeiten im Strafverfahren für den Angeklagten schon mangels qualifizierten Rechtsbeistandes begrenzt sind. Kann ein Angeklagter sich keinen Anwalt leisten, besteht Anspruch auf einen (Pflicht-) Verteidiger nur dann, wenn eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren oder mehr droht, der Beschuldigte sich aufgrund einer Behinderung nicht selbst verteidigen kann, oder er das 18. Lebensjahr nicht vollendet hat (AA 14.12.2018).

Die Tatsache, dass das Justizsystem in Vietnam sehr langsam arbeitet und das mangelnde Vertrauen in die Polizei und das Rechtssystem im Allgemeinen haben zur Folge, dass viele Vietnamesen das Recht in die eigene Hand nehmen. In extremen Fällen wird von Selbstjustiz gesprochen (GIZ 12.2018a).

Eine Diskriminierung nach bestimmten Merkmalen (Rasse, Religion etc.) ist bei der Strafverfolgung oder Strafzumessungspraxis nicht feststellbar (AA 14.12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442521.html, Zugriff 18.12.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422603.html, Zugriff 11.12.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden haben wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Das Ministerium für öffentliche Sicherheit ist für die innere Sicherheit zuständig und kontrolliert die nationale Polizei, eine spezielle nationale Ermittlungsbehörde für Sicherheit, und andere innere Sicherheitsabteilungen. Die Abteilung für Einwanderungsmanagement des Ministeriums für öffentliche Sicherheit ist für die Überwachung der Auswanderung zuständig (USDOS 20.4.2018). Mitglieder des Militärs und des Sicherheitsapparates sind zahlenmäßig sehr stark im Zentralkommittee und im Politbüro vertreten (GIZ 12.2018a).

Auf Provinz- und lokaler Ebene hat die Polizei bei ihren Aktivitäten oft einen erheblichen Ermessensspielraum. Volkskomitees (die Exekutive der lokalen Regierungen) haben auf Provinz-, Bezirks- und lokaler Ebene erheblichen Einfluss auf Polizeikräfte und Staatsanwälte (USDOS 20.4.2018).

Die Polizei schüchtert Personen, die versuchen, an Gerichtsprozessen gegen Aktivisten teilzunehmen regelmäßig ein, auch durch Drohungen gegen Familienmitglieder oder Freunde. Polizeibrutalität, die manchmal zu Todesfällen in Polizeigewahrsam führt, war im Laufe des Jahres 2017 üblich (HRW 18.1.2018). Vorwürfe des Missbrauchs durch Sicherheitskräfte werden durch die "Untersuchungsstelle der Obersten Volksstaatsanwaltschaft" untersucht. Vier der 18 Mitglieder des Politbüros waren oder sind selbst Beamte des Ministeriums für öffentliche Sicherheit. Trotz der Untersuchungsbefugnisse der Obersten Volksstaatsanwaltschaft operieren die Polizeiorganisationen mit erheblichem Ermessensspielraum, wenig Transparenz und begrenzter öffentlicher Aufsicht und handeln Polizeibeamte manchmal ungestraft. Auf Gemeindeebene unterstützen Schutztruppen, die sich aus Anwohnern oder Mitgliedern regierungsnaher sozialer Organisationen zusammensetzen, die Polizei und begingen manchmal Menschenrechtsverletzungen. Die Polizei ist im Allgemeinen effektiv bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, aber andere polizeiliche Fähigkeiten, insbesondere Ermittlungen, sind sehr begrenzt (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422603.html, Zugriff 11.12.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

Korruption

Vietnam scheint im Korruptionswahrnehmungsindex 2017 von Transparency International auf Platz 107 von insgesamt 180 Ländern auf (TI 21.2.2018), im Vergleich zu Rang 113 von 176 im Jahr 2016 (TI 25.1.2017).

Allgegenwärtige Korruption zerstört das Vertrauen in staatliches Handeln (AA 14.12.2018). Als besonders korruptionsanfällige Bereiche werden die Polizei, das Bildungssystem und das Gesundheitswesen genannt (GIZ 12.2018a). Der Zugang zu öffentlichen Ämtern wird in den meisten Fällen entweder durch Geld oder durch politische Verbindungen ermöglicht. Es ist üblich, dass Kinder die Büros ihrer Eltern erben, unabhängig von ihren Fähigkeiten (BTI 2018). Korruption ist auch bei Polizei und Militär weit verbreitet und stellt damit eine Herausforderung für das staatliche Gewaltmonopol dar (BTI 2018). Interne polizeiliche Aufsichtsstrukturen existieren zwar, sind aber politischem Einfluss unterworfen. Die Polizei handelt manchmal ungestraft (USDOS 20.4.2018).

Im Mai 1998 erließ die Regierung als Reaktion auf Bauernunruhen in der Provinz Thai Binh das sogenannte "Grassroots Democracy Decree" mit dem Ziel, die Verwaltung auf lokaler Ebene transparenter zu gestalten und Bürgern mehr Kontrollmöglichkeiten und Mitwirkungsrechte zu geben. Häufige Bauernproteste gegen illegale Inbesitznahme von Land durch lokale Beamte deuten nach wie vor auf weit verbreiteten Machtmissbrauch hin. Gleichzeitig mehren sich Bürgerbeschwerden über korrupte Kader. Manche Bürger wehren sich sogar offen gegen Polizisten, die bei Verkehrsdelikten die "üblichen" Bestechungszahlungen verlangen (GIZ 12.2018a).

Das Anti-Korruptionsgesetz von 2006 schreibt den Medien eine wichtige Rolle bei der Korruptionsbekämpfung zu, indem es sie aufruft, über den Kampf der Regierung gegen dieses "soziale Übel" zu berichten. Allerdings ist Kritik eingeschränkt, soweit Korruptionsursachen dem politischen System zugeschrieben werden (AA 14.12.2018). Auf ihrem 12. Parteitag im Jänner 2016 musste die Parteiführung eingestehen, dass trotz der verstärkten Anstrengungen in den letzten Jahren bei der Korruptionsbekämpfung wenige Fortschritte erzielt worden seien (GIZ 12.2018a).

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption vor, jedoch wird es von der Regierung nicht immer effektiv umgesetzt und Beamte, die in Korruption verwickelt waren, bleiben manchmal ungestraft. Im Jahr 2017 führte die Regierung neue Antikorruptionsmaßnahmen ein. Das Anti-Korruptionsgesetz verlangt von hochrangigen Regierungsvertretern und Mitgliedern der Nationalversammlung, ihr Einkommen und Vermögen offenzulegen und Änderungen im Hinblick auf die vorjährige Offenlegung zu erklären (USDOS 20.4.2018).

In den Jahren 2015 bis 2017 wurden keine Informationen über die Zahl der Korruptionsfälle veröffentlicht. Mehrere hochkarätige Korruptionsfälle, die bekannt wurden, betreffen das Ministerium für Handel und Industrie und den staatlichen Ölkonzern (BTI 2018). Seit dem Frühjahr 2017 nehmen die korruptionsbezogenen Verhaftungen und Strafverfolgungen gegen leitende Beamte zu (AA 14.12.2018; vgl. FH 1.2018, USDOS 20.4.2018) und betrafen auch ein hochrangiges Politbüromitglied (AA 14.12.2018; vgl. FH 1.2018). Die Beamten wurdenmit lebenslanger Haft oder der Todesstrafe teils hart bestraft (AA 14.12.2018). Diese Bestrafung eines hohen Mitglied des Politbüros ist äußerst ungewöhnlich (FH 1.2018). Im Allgemeinen ist die Durchsetzung von Antikorruptionsgesetzen selektiv und oft mit politischen Rivalitäten verbunden, und diejenigen, die versuchen, Korruption unabhängig aufzudecken, werden weiterhin mit Zensur und Verhaftung konfrontiert (FH 1.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442521.html, Zugriff 18.12.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

- TI - Transparency International (25.1.2017): Corruption Perception Index 2016, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 6.12.2018

- TI - Transparency International (21.2.2018): Corruption Perception Index 2017, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 6.12.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Eine neue Verfassung ist am 1.1.2014 in Kraft getreten (AA 14.12.2018). In dieser wird den Menschenrechten erstmals ein eigener Abschnitt gewidmet, der das Recht auf Leben und Privatsphäre, frei von willkürlicher Verhaftung und Folter garantiert (BTI 2018). Die zahlreichen angeführten Grundrechte werden in der Regel jedoch durch eine restriktive Konkretisierung, durch umfassende Eingriffsrechte oder mangelhaften Schutz aufgrund von Umsetzungsdefiziten beschnitten (AA 14.12.2018). Artikel 258 des Strafgesetzbuches besagt, dass "jeder, der die Meinungs-, Presse-, Religions-, Vereinigungs-, Versammlungs- und sonstigen Freiheiten nutzt, um die Interessen des Staates und die Rechte und Rechtsinteressen anderer Organisationen und Bürger zu beeinträchtigen, bestraft wird". Die Bestrafung reicht von Verwarnungen über drei Jahre Umerziehung in einem Zwangsarbeitslager bis zu einer drei- bis siebenjährigen Haftstrafe. Dieses Gesetz ermöglicht es der Polizei, friedlichen Protesten mit übermäßiger Gewalt zu begegnen und politische Aktivisten zu verhaften, die sich friedlich für politische Rechte, Demokratie und Veränderungen in der Regierungspolitik gegenüber China einsetzen (BTI 2018). Um innenpolitische Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik zu unterdrücken wendet die Regierung Überwachung, Strafverfolgung und Inhaftierung, Eingriffe in die persönliche Kommunikation und Einschränkungen bei der Ausübung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit an (USDOS 20.4.2018). Die Vorstellung von Grundrechten als Abwehr- und Schutzrechte gegenüber dem Staat beginnt sich nur zögerlich durchzusetzen (AA 14.12.2018).

Vietnam hat sieben der wichtigsten Menschenrechtskonventionen gezeichnet bzw. ratifiziert. Probleme gibt es vor allem bei der Umsetzung international eingegangener Verpflichtungen. So werden elementare, von den Menschenrechtskonventionen garantierte Menschenrechte wie Meinungs-, Versammlungs-, Religionsfreiheit weiterhin zum Teil stark eingeschränkt. Vietnam ist an folgende internationale Menschenrechtsabkommen gebunden:

- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte;

- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte;

- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung;

- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau;

- Übereinkommen über die Rechte des Kindes mit seinen beiden Zusatzprotokollen betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und den Verkauf von Kindern sowie Kinderprostitution und Kinderpornographie.

- Anti-Folter-Konvention

- UN-Behindertenrechtskonvention (AA 14.12.2018).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsverletzungen gehören: willkürliche und rechtswidrige Tötungen; Folter und grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung von Personen; systemischer Missbrauch im Rechtssystem einschließlich der Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt, der Besuche von Familienangehörigen und eines fairen und schnellen Prozesses; Eingriffe der Regierung in die Privatsphäre, die Familie, das Zuhause und die Korrespondenz; Beschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs-, Bewegungs- und Religionsfreiheit, einschließlich der Zensur der Presse und Beschränkungen der Internetfreiheit; Korruption; häusliche Gewalt; Kindesmissbrauch; und Beschränkungen des Rechts der Arbeitnehmer auf Gründung und Beitritt zu unabhängigen Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

Die Regierung ergreift manchmal Korrekturmaßnahmen einschließlich Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Beamte, die gegen das Gesetz verstoßen haben, dennoch handeln Polizisten manchmal ungestraft. Es gibt auch Berichte über willkürliche oder rechtswidrige Tötungen, wobei Sicherheitsbeamte in einigen Fällen zur Verantwortung gezogen werden. Es gibt keine Berichte über das Verschwinden von Personen durch oder im Namen von Regierungsbehörden (USDOS 20.4.2018).

Die repressive Linie des vietnamesischen Sicherheitsapparates wird von der nationalistischen "Rote-Flaggen-Bewegung" unterstützt. Diese ist vor allem im Internet aktiv, scheut aber auch nicht vor physischen Einschüchterungsversuchen liberaler Regimekritiker zurück (GIZ 12.2018a).

Im Menschenrechtsbereich ist die vietnamesische Führung innerhalb enger Grenzen zu internationaler Zusammenarbeit bereit und führt mit der EU, Schweiz, Norwegen, Australien, Neuseeland und den USA Menschenrechtsdialoge (USDOS 20.4.2018). Mit der EU führt Vietnam seit 2001 einen jährlichen Menschenrechtsdialog. Der letzte Dialog fand im Dezember 2017 in Hanoi statt (AA 10.2018). Anfragen an die Regierung zu Menschenrechtsfällen werden nur in Einzelfällen beantwortet. Vietnam war von 2014 bis 2016 Mitglied des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen und hat sich 2014 dem Staatenüberprüfungsverfahren der Vereinten Nationen (Universal Periodic Review, UPR) unterzogen. Für Anfang 2019 steht Vietnam erneut zum UPR an (AA 14.12.2018). Im November 2017 erlaubte die Regierung den Besuch des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung (USDOS 20.4.2018).

Mit der Entführung eines vietnamesischen Staatsangehörigen aus Berlin im Sommer 2017 durch vietnamesische staatliche Stellen hat das Bemühen um weitere internationale Integration und die Förderung des vietnamesischen Ansehens in der Welt einen Rückschlag erlitten (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- AA - Auswärtiges Amt (10.2018): Vietnam, Außen- und Europapolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/vietnam-node/-/217340, Zugriff 17.12.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

Ethnische Minderheiten

In Vietnam leben zwischen 92 und 97 Millionen Menschen, wobei die Kinh (Vietnamesen) etwa 86 bis 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen (AA 14.12.2018; vgl. CIA 4.12.2018; GIZ 12.2018b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (4.12.2018): The World Factbook - Vietnam, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/vm.html, Zugriff 6.12.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018b): Vietnam, Gesellschaft, https://www.liportal.de/vietnam/gesellschaft/, Zugriff 7.12.2018

Bewegungsfreiheit

Die von der Verfassung garantierte Bewegungsfreiheit - freie Wohnsitzwahl im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr - wird von der Regierung für bestimmte Personen eingeschränkt. Insbesondere für solche Personen, die wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit verurteilt wurden oder solche, die offen Kritik an der Regierung üben (USDOS 20.4.2018). Auch Rechtsaktivisten werden unter Anführung vager nationaler Sicherheitsgründe von Auslandsreisen abgehalten (HRW 18.1.2018).

Die Intensität staatlicher Repressionen ist regional und lokal unterschiedlich stark ausgeprägt. Ausweichmöglichkeiten des Einzelnen sind aufgrund weit verbreiteter Armut im ländlichen Bereich (insbesondere im zentralen Hochland und in den Bergregionen im Nordwesten) und aufgrund administrativer Niederlassungsbeschränkungen Grenzen gesetzt. So ist die Umschreibung des sog. "Familienbuches" auf einen neuen Wohnort nicht ohne weiteres möglich. Dieser bleibt Nebenwohnort, d.h. man hat kein Recht, hier ein Auto anzumelden, zu heiraten, ein Haus zu kaufen etc. Soweit finanzielle Mittel vorhanden sind, kann aber zumindest der Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen erkauft werden (AA 14.12.2018). Die Behörden setzen die Wohnsitzgesetze nicht strikt um und die Abwanderung aus ländlichen Gebieten in die Städte ist ungebrochen (USDOS 20.4.2018).

Für Reisen in gewisse Gebiete benötigen Einheimische und ansässige Ausländer gesonderte Genehmigungen. Dazu gehören unter anderem Grenzgebiete, Gebiete mit Verteidigungseinrichtungen und Gebiete, die für die nationale Verteidigung von Bedeutung sind (USDOS 20.4.2018).

Für die Ausreise aus Vietnam wird ein Pass benötigt. Obwohl auf die Ausstellung kein Rechtsanspruch besteht, wird der Pass im Regelfall ohne Probleme ausgestellt. Passversagungen gegenüber Personen, die wegen angenommener regierungskritischer Äußerungen nicht ins Ausland reisen sollen, sind jedoch bekannt und nehmen zu. Pässe sind grundsätzlich für alle Länder gültig. Es werden auch Touristenreisen gestattet (AA 14.12.2018). Potenzielle Auswanderer haben gelegentlich Schwierigkeiten, einen Reisepass zu erhalten. Behörden beschlagnahmen regelmäßig Pässe, zeitweise auf unbestimmte Zeit (USDOS 20.4.2018).

Mehrere Aktivisten berichteten 2017, dass ihre Personalausweise beschlagnahmt wurden, was sie an Inlandsflugreisen und an der Durchführung routinemäßigern administrativer Angelegenheiten hinderte. Aktivisten und religiöse Führer berichteten 2017 von einer geringeren Bewegungsfreiheit im Land im Vergleich zu den Vorjahren. Die Regierung verbietet weiterhin mehreren ehemaligen politischen Gefangenen, ins Ausland zu reisen und verweigert auch Familienmitgliedern einiger Aktivisten die Passausstellung. Auch politische Dissidenten ohne Verurteilungen sind mit Einschränkungen konfrontiert (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422603.html, Zugriff 11.12.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

Grundversorgung und Wirtschaft

Die Sozialistische Republik Vietnam befindet sich in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess von einem zentral gesteuerten zu einem marktwirtschaftlich orientierten System mit dem Anspruch, sozialistisch zu sein. Steigende (versteckte) Arbeitslosenzahlen, unter anderem bedingt durch eine hohe Zahl von Schulabgängern (ca. 1 bis 1,5 Millionen jährlich), sowie ein wachsendes Gefälle zwischen Stadt und Land und zwischen Arm und Reich sind Begleiterscheinungen des Wandels. Reformen konzentrieren sich jedoch überwiegend auf den Wirtschaftssektor; in der Politik hält die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) an ihrem politischen Machtmonopol weiter fest (AA 14.12.2018).

Die vietnamesische Wirtschaft boomte mit einer kurzen Unterbrechung während der asiatischen Finanzkrise und erzielte laufend hohe Wachstumsraten. Vor allem die Privatbetriebe, die im Zuge von Doi Moi, der seit 1986 eingeleiteten Reformpolitik, entstanden sind, tragen hierzu bei. In der ersten Hälfte des Jahres 2018 erreichte das Wirtschaftswachstum mit sieben Prozent den höchsten Wert seit acht Jahren (GIZ 9.2018).

Der allgemeine Lebensstandard ist, vor allem auf dem Land, niedrig. Das Angebot an Grundnahrungsmitteln ist gesichert. Vietnam ist weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt, obgleich hier in den letzten Jahren eine positive Entwicklung verzeichnet werden konnte (Pro-Kopf-Einkommen 2017: 2.300 US-Dollar (2011: 1.500 US-Dollar), Platz 116 auf dem Human Development Index 2018 (2016: Platz 115) (AA 14.12.2018). Bei der Bekämpfung der Armut konnten in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte erzielt werden. Die Armutsrate ging von 58 Prozent im Jahre 1993 auf 13,5 Prozent zurück (GIZ 9.2018). Die nationale Armutsgrenze wurde von der Regierung 2017 angepasst und liegt nun bei 8,4 Millionen Vietnamesischen Dong (VND) [Anm.: ca. 315 Euro] pro Kopf und Jahr. Im Jahr 2017 lebten 6,7 Prozent aller vietnamesischer Haushalte (1,642 Millionen Haushalte) unterhalb der Armutsgrenze. 212.229 Familien (fast 1 Millionen Menschen) leben in extremer Armut (AA 14.12.2018).

Es bestehen erhebliche Einkommensunterschiede zwischen den relativ "reichen" Städten und ländlichen Gebieten (AA 14.12.2018). Während in den Städten eine Mittelschicht und eine Schicht konsumorientierter Neureicher entstanden ist, ist die Armutsrate in einigen Regionen unverändert hoch. Dies betrifft vor allem ethnische Minderheiten im Nordwesten und im Zentralen Hochland (GIZ 12.2018b). Die zum Teil verdeckte Arbeitslosigkeit in ländlichen Gebieten ist hoch und es herrscht eine, insbesondere saisonale, Unterbeschäftigung (AA 14.12.2018).

Das Sozialversicherungssystem verfügt zwar mittlerweile über eine solide Grundstruktur, die jedoch aufgrund einer Vielzahl von jüngsten Reformen noch nicht als gefestigt angesehen werden kann. Von ca. 53 Millionen Erwerbstätigen in Vietnam sind ca. zehn Millionen renten- und arbeitslosenversichert. Diese niedrige Zahl erklärt sich vor dem Hintergrund, dass lediglich die im formellen Sektor arbeitenden Vietnamesen sich eine derartige Pflichtversicherung leisten können. Die im informellen Sektor tätigen ca. 42 Millionen Vietnamesen verfügen weit überwiegend über keine Renten- und Arbeitslosenversicherung, da sie auch von der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung keinen Gebrauch machen. Im Ergebnis scheint die Finanzierbarkeit eines sozialen Sicherungssystems in Vietnam noch nicht gewährleistet (AA 14.12.2018).

Berufstätige mit unbefristeten oder befristeten Verträgen über drei Monaten müssen ein Prozent ihres Gehalts in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Um für Arbeitslosenhilfe bezugsberechtigt zu sein, muss man für 24 bis 36 Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses in die Versicherung eingezahlt und den Antrag auf Arbeitslosenhilfe innerhalb von drei Monaten nach Vertragsauflösung eingereicht haben. Die Arbeitslosenhilfe beträgt 60 Prozent des Durchschnittslohns der letzten sechs Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit. Die Dauer des Leistungsbezugs variiert je nach Einzahlungsdauer. Bei einer Beitragszahlung von 12 bis 36 Monaten erhält man drei Monate lang Bezüge. Bei 36 bis 72 Monaten sind es sechs Monate, bei 72 bis 144 Monaten sind es neun Monate und bei mindestens 144 Beitragsmonaten erhält man für ein Jahr Arbeitslosengeld (IOM 2018).

Vietnams Rentensystem besteht aus einer staatlichen und freiwilligen Rentenversicherung (IOM 2018). Frauen gehen mit 55, Männer erst mit 60 Jahren in Rente (AA 14.12.2018; vgl. IOM 2018). Jeder, der mindestens 20 Jahre Versicherungsbeiträge gezahlt hat, kann Rente beziehen. Der monatliche Rentensatz beträgt 75 Prozent des Durchschnittsgehalts der gesamten Beitragszeit für die Sozialversicherung (IOM 2018). Die Sozialrenten decken 1,3 Prozent der 60- bis 79-Jährigen und 79 Prozent der über 80-Jährigen ab. Das Leistungsniveau ist mit unter zehn Prozent des Pro-Kopf-Einkommens bescheiden. Insgesamt erhalten die meisten Menschen ab 60 Jahren keinerlei Rente (BTI 2018).

Für Schutzbedürftige Personen - Personen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen, Minderheiten, Frauen, Kinder, Ältere, HIV-Infizierte, Drogenabhängige, LGBT oder vom Klimawandel betroffene Personen - gibt es verschiedene Projekte, deren Dauer jedoch variieren können und die vom Ministerium für Arbeit, Invaliden und Soziales (MoLISA), dem Roten Kreuz, Agenturen der Vereinten Nationen, IOM, internationalen Organisationen und NGOs angeboten werden (IOM 2018).

Behinderungen führen in Vietnam häufig zur Auflösung der Familienbande und zu sozialer Ausgrenzung aufgrund der Stigmatisierung. Laut Gesetz sollen Menschen mit Behinderungen zwei bis drei Prozent der Belegschaft eines Betriebs bilden, andernfalls drohen den Unternehmen Geldstrafen. Die Einhaltung der Quote wird allerdings nur sporadisch überprüft. Chancen für die Aufnahme einer geregelten Erwerbstätigkeit bestehen für Menschen mit Behinderung in Vietnam somit kaum. Vietnam hat die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz Behinderter im Jahr 2014 ratifiziert (AA 14.12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Vietnam, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/vietnam/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 7.12.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018b): Vietnam, Gesellschaft, https://www.liportal.de/vietnam/gesellschaft/, Zugriff 7.12.2018

- IOM - International Organization for Migration (Autor), veröffentlicht von ZIRF - Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (2018): Vietnam - Country Fact Sheet 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS%20_2018_Vietnam_DE.pdf, Zugriff 7.1.2019

Rückkehr

Die ungenehmigte Ausreise aus Vietnam und der unerlaubte Verbleib im Ausland stehen grundsätzlich unter Strafe (Art. 274 StGB, Art. 35 Änderungsgesetz zum StGB). Dem deutschen Auswärtigen Amt, anderen befragten westlichen Botschaften in Vietnam und dem UNHCR sind keinerlei Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber Rückkehrern wegen ungenehmigter Ausreise bekannt. Auch eine Drangsalierung von Rückkehrern ist dem Auswärtigen Amt in den letzten Jahren nicht bekannt geworden (AA 14.12.2018). Das Ministerium für öffentliche Sicherheit befragte Personen die in andere Länder ausgewandert waren oder es versucht hatten, einschließlich Asylbewerber, nach ihrer Rückkehr nach Vietnam (USDOS 20.4.2018).

Rückkehrern kann allerdings im Einzelfall eine Bestrafung wegen Propaganda gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung nach dem Strafgesetzbuch drohen. Dies hängt vom Charakter der jeweiligen politischen Betätigung ab. Sollten vor der Ausreise aus Vietnam sonstige Straftaten begangen worden sein, muss mit einer Strafverfolgung nach der Rückkehr gerechnet werden. Der Grundsatz "ne bis in idem" (gegen Doppelbestrafung) ist in Art. 28 Abs. 3 StGB enthalten (AA 14.12.2018).

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Rahmen des Programmes AVRR Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr an (IOM 2018). Die Hilfeleistungen beinhalten, abhängig von den jeweiligen Projekten und finanziellen Ressourcen, die Aufnahme nach der Ankunft, weiterführende Reise zum Zielort, temporäre Unterkunft, kurz- oder mittellange Reintegrationshilfe, inklusive Geschäftseröffnung, Berufsschule, Bildung, medizinische Hilfe und weitere maßgeschneiderte Hilfe. Spezielle Wohnungsangebote für Rückkehrer gibt es nicht. Außer durch IOM gibt es keine spezielle, offizielle Unterstützung für Rückkehrende (IOM 2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnam-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- IOM - International Organization for Migration (Autor), veröffentlicht von ZIRF - Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (2018): Vietnam - Country Fact Sheet 2018, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS%20_2018_Vietnam_DE.pdf, Zugriff 7.1.2019

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Vielmehr wies der Beschwerdeführer sich bei seiner Einreise in das Bundesgebiet mit einem gefälschten chinesischen Reisepass aus. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat, sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten und Familienangehörigen hat, kein Deutsch spricht, keinem Erwerb nachgeht, mittellos ist, keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgeht, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist, geschieden, kinderlos und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.01.2020.

Dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen oder Verwandten in Vietnam hat , ist - wie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtig festgehalten - Folge der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, die sich im unglaubhaften Fluchtvorbringen und der versuchten Identitätsverschleierung (s. jeweils unten) äußert.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Dass der Beschwerdeführer der Fälschung besonders geschützter Urkunden und der Fälschung von öffentlichen Beglaubigungszeichen verdächtigt ist, folgt aus einem im Akt aufliegenden Amtsvermerk der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 19.12.2019. Dass der Beschwerdeführer unter Verwendung einer falschen Identität mit einem gefälschten chinesischen Reisepass, der einen ebenso gefälschten portugiesischen Sichtvermerk enthielt, in das Bundesgebiet einreiste und erst nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer vom 20.12.2019 bis 03.02.2020 in Schubhaft befand und seit der Entlassung aus der Schubhaft über keine aufrechte Meldung mehr in Österreich verfügt, ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug.

Dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den Behörden in seinem Herkunftsstaat hatte, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine diesbezüglichen Probleme vorbrachte. Soweit im Beschwerdeschriftsatz behauptet wird, dass der Beschwerdeführer sich in Vietnam um den "Aufbau demokratischer Strukturen" bemüht habe und aufgrund "seiner Traumatisierung" gegenüber Behörden nicht eigeninitiativ über eine politische Motivation seiner Flucht sprechen habe können, so sind diese Angaben einerseits lediglich unsubstantiiert und andererseits aktenwidrig, da der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 02.01.2020 ausdrücklich befragt wurde, ob er sich in seiner Heimat politisch betätigt habe, ob er Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt habe, ob er jemals festgenommen oder verhaftet worden sei sowie ob ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig sei, wobei der Beschwerdeführer diese Fragen jeweils ausdrücklich verneinte. Unabhängig davon ist dieses erstmals in der Beschwerde getätigte Vorbringen auch aufgrund des Neuerungsverbotes des § 20 Abs 1 BFA-VG unzulässig, zumal keine Hinweise darauf vorliegen, dass eine der in § 20 Abs. 1 BFA-VG vorgesehenen Ausnahmen vom Neuerungsverbot gegeben sind.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Bedrohung durch Privatpersonen nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Erstbefragung am 24.12.2019 als auch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.01.2020 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch, wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten, als widersprüchlich, wenig konkret und detailliert, und logisch nicht nachvollziehbar zu qualifizieren.

Wie im angefochtenen Bescheid zu Recht festgehalten, war das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers lediglich vage und entbehrte jegliche Details. In der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dazu aufgefordert, die konkreten Fluchtgründe mit so vielen Details wie möglich zu schildern, beschränkte sich der Beschwerdeführer auf die auffallend oberflächliche Behauptung, dass "Banden" von ihm "immer" Geld verlangt hätten, er aber kein Geld gehabt habe. Er sei von nicht näher genannten Personen bedroht worden, geschlagen zu werden, wenn er zur Polizei gehe. Nochmals befragt, erweiterte der Beschwerdeführer wiederum lediglich vage, dass er, wiederum von nicht näher genannten Personen, zusammengeschlagen worden sei und sein Fuß gebrochen gewesen sei. Weiter befragt, ob er etwas ergänzen möchte, antwortete der Beschwerdeführer: "Nein. Ich habe alles gesagt.". Selbst konkrete Nachfragen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachten kaum weitere Details zu Tage. Der Beschwerdeführer sei "seit vielen Jahren schon" bedroht worden. Er sei "sehr oft" bedroht worden, zuletzt Anfang Mai 2019. Der Bandenführer heiße "Toan" und sei schon oft im Gefängnis gewesen. Dazu aufgefordert, den letzten Vorfall konkret zu schildern, erwiderte der Beschwerdeführer: "Wie konkret soll ich den Vorfall schildern[?]". Dazu aufgefordert, den Vorfall sehr konkret wiederzugeben und sich für die Antwort Zeit zu nehmen, führte der Beschwerdeführer lediglich an, dass der Vorfall "auf der Straße" passiert sei, "diese Menschen" Geld von ihm verlangt hätten, er habe keines gehabt habe. Er sei bedroht worden, das nächste Mal getötet zu werden. Wiederum dazu aufgefordert, genauere Angaben zu tätigen, erweiterte der Beschwerdeführer lediglich, dass es sich um "5 oder 6 Personen" gehandelt habe und jeder ihn geschlagen habe. Zu den weiteren Geschehnissen befragt, wiederholte der Beschwerdeführer lediglich sein bisheriges vages Vorbringen. Zum Vorbringen, dass sein Fuß gebrochen gewesen sei, führte der Beschwerdeführer einen eigenständigen, jedoch inhaltsgleichen Vorfall ins Treffen, wonach er erneut von fünf bis sechs Personen auf der Straße geschlagen worden sei und Geld von ihm verlangt worden sei. Dreimal dazu aufgefordert, nähere Angaben zu diesen angeführten Personen zu machen, gab der Beschwerdeführer dreimal unbestimmt an, dass es "eine Gruppe" sei. Gesamt betrachtet konnte der Beschwerdeführer somit weder ein konkretes Geschehen, noch konkrete Verfolger nennen, noch eine zeitliche Eingrenzung der Vorfälle vornehmen, wodurch - wie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid festgehalten - naheliegt, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers um ein gedankliches Konstrukt handelte, zumal er offenkundig nicht bereit war, von sich aus nähere Angaben zu tätigen, sondern konkrete Fragen abwartete und selbst diese nur so oberflächlich wie möglich beantwortete.

Aber selbst dieses ausgesprochen vage Vorbringen war, wie im angefochtenen Bescheid zu Recht festgehalten, widersprüchlich. Denn während der Beschwerdeführer in der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes noch zu Protokoll gab, nicht zu wissen, weshalb er geschlagen worden sei, führte er in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass er um Geld erpresst und geschlagen worden sei, da er keines gehabt habe. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die Erstbefragung im Wesentlichen der Erfragung der Identität und der Reiseroute dient, jedoch sollte das Fluchtvorbringen zumindest in seinen Wesenszügen mit den späteren Angaben übereinstimmen, was konkret jedoch nicht der Fall war.

Wie im angefochtenen Bescheid weiters zu Recht festgehalten, widersprach sich der Beschwerdeführer aber auch gravierend zu seinem Einreisegrund, da er in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Widerspruch zu seinem Fluchtvorbringen zunächst angab, nach Österreich gekommen zu sein, da er eine Arbeit gesucht habe. Ebenfalls rekurrierte der Beschwerdeführer auch am Schluss der Einvernahme nochmals auf die wirtschaftlich schweren Bedingungen in Vietnam und seinen - zumindest konkludent vorgebrachten - Wunsch nach einem besseren Leben.

Schließlich ist, wie ebenso im Bescheid richtig angeführt, selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der Beschwerdeführer letztlich zum äußersten Mittel der Flucht griff, statt zunächst die einfachere und kostengünstigere Möglichkeit der Verlegung des Wohnsitzes an einen anderen Ort in Vietnam zu wählen, zumal er zum einen nicht von staatlicher Seite bedroht worden sei, zum anderen jene Bande, die ihn angeblich bedroht haben will, aus lediglich fünf bis sechs Mitgliedern bestanden habe, somit also offenkundig nur lokal tätig gewesen wäre.

Dementsprechend war dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darin zuzustimmen, dass in Anbetracht des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers davon auszugehen war, dass der Beschwerdeführer aus rein wirtschaftlichen Gründen Vietnam verließ und in das Bundesgebiet einreiste. Dies zeigte sich nicht nur im äußerst vagen, widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, sondern auch in der Einreise mithilfe gefälschter Reisedokumente und unter falscher Identität, der mangelnden Mitwirkung des Beschwerdeführers am Verfahren, dem offen vorgetragenen Einreisezweck der Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet, obwohl keine entsprechende Erlaubnis iSd Ausländerbeschäftigungsgesetz vorlag, der nur verspäteten Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in offenkundiger Absicht, der Verhinderung der Effektuierung der erlassenen Rückkehrentscheidung, und letztlich auch darin, dass der Beschwerdeführer nach Entlassung aus der Schubhaft keine Meldung im Bundesgebiet vornahm.

Die lediglich unsubstantiierten, teils aktenwidrigen und textbausteinartigen Ausführungen des Beschwerdeschriftsatzes waren daher nicht geeignet, die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Zweifel zu ziehen.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Vietnam ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Vietnam ergeben.

Den Länderberichten wurde weder vom Beschwerdeführer noch seinem rechtsfreundlichen Vertreter in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. im Beschwerdeschriftsatz substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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