TE Bvwg Beschluss 2020/3/3 W276 2195741-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2020
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Entscheidungsdatum

03.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33
VwGVG §7 Abs4

Spruch

W276 2195890-2/5E

W276 2195741-2/5E

W276 2195895-2/5E

W276 2195880-2/5E

W276 2195897-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH als Einzelrichter über die Beschwerde von 1. XXXX (geb. XXXX ), 2. XXXX (geb. XXXX ), 3. XXXX (geb. XXXX ), 4. XXXX (geb. XXXX ), und 5. XXXX (geb. XXXX ), Staatsangehörigkeit Afghanistan, die minderjährigen BF vertreten durch ihre Mutter, alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchteil I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017, 1. Zl. XXXX , 2. Zl. XXXX , 3. Zl. XXXX , 4. Zl. XXXX und 5. Zl. XXXX :

A)

I. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerden werden als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. XXXX ("BF1") und ihre minderjährigen Kinder XXXX ("BF2"), XXXX ("BF3"), XXXX ("BF4"), und XXXX ("BF5"), alle afghanische Staatsangehörige, reisten, mit einem von der Botschaft in Islamabad/Pakistan ausgestellten Visum, legal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 13.11.2017 Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF1 an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben und die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz deswegen zu stellen, weil der Ehemann der BF1 bzw. der Vater der BF2-BF5, namens XXXX (IFA-Zahl: XXXX ), in Österreich den Status des Asylberechtigten erlangt habe und sie in Österreich den selben Schutz wie dieser beantragen würden. Weiters sei sie mit einer Entscheidung des BFA auf Basis dieser Angaben einverstanden und würde auf eine weitere Einvernahme verzichten.

I.2. Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt ("BFA"), vom 21.11.2017 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (jeweils Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den BF der Status der bzw. des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (jeweils Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Absatz 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.11.2018 erteilt (jeweils Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. (betreffend die Nichtzuerkennung des Status der bzw. des Asylberechtigten) ausgeführt, dass die BF keine eigenen Fluchtgründe hätten und Afghanistan verlassen hätten, um mit ihrem Ehemann bzw. Vater gemeinsam in Österreich zu leben.

I.3. Die Bescheide wurden nach erfolglosem Zustellversuch am 29.11.2017 in der Zustellbasis XXXX hinterlegt. Die Abholfrist begann am 30.11.2017 zu laufen. Diese Bescheide wurden am 29.12.2017 mit dem Vermerk "Nicht behoben" an das BFA retourniert. Am 15.03.2018 kam die BF1 persönlich zum Parteienverkehr in das BFA und erhielt Kopien der Bescheide.

I.4. Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide (betreffend die Nichtzuerkennung des Status der bzw. des Asylberechtigten) erhoben die BF, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung/Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, mit Schreiben vom 20.03.2018 Beschwerde an das BVwG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. "In eventu" stellten die BF Anträge auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieser Anträge.

I.5. Das BFA richtete bezüglich der Zustellung eine Anfrage an die Österreichische Post AG, Zustellbasis XXXX , und erhielt am 09.04.2018 die Auskunft, dass die Hinterlegungsanzeige vom zuständigen Zusteller in das Hausbrieffach der BF "eingefächert" worden sei, es gebe kein Hindernis an dieser Anschrift. Zudem wurde angeführt, dass es sich bei dem Zusteller um einen sehr verlässlichen Kollegen handle.

I.6. Mit Bescheiden des BFA vom 16.04.2018 wurden die Anträge der BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Den Anträgen auf Wiedereinsetzung wurde gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass kein unabwendbares, unvorhergesehenes Ereignis vorliege, welches sie daran gehindert hätte, rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde einzubringen. Sie seien nicht in der Lage gewesen glaubhaft zu machen, dass sie keine Verständigung über die Hinterlegung ("gelber Zettel") erhalten hätten.

I.7. Gegen die Bescheide des BFA vom 16.04.2018 erhoben die BF, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung/Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, mit Schreiben vom 15.05.2018 Beschwerde an das BVwG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften bei deren Einhaltung für die BF günstigere Bescheide erzielt worden wären. Außerdem wurde ein Eventualantrag auf Verfahrenshilfe gestellt.

I.8. Mit Eingabe vom 18.09.2018 stellten die BF Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

I.9. Mit Beschlüssen des BVwG vom 12.10.2018 (Zl. W230 2195890-1/8E, W230 2195741-1/8E, W230 2195895-1/8E, W230 2195880-1/8E und W230 2195897-1/8E) wurde den Beschwerde der BF Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide vom 16.04.2018 ersatzlos behoben.

Begründend führte das BVwG aus, dass die belangte Behörde übersehen habe, dass die Anträge der BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur "in eventu" gestellt worden seien, also die Antragstellung an eine Bedingung geknüpft gewesen sei. Als Bedingung für die Wiedereinsetzungsanträge hätten die Anbringen nach ihrem - insoweit deutlichen und unmissverständlichen - Inhalt auf eine negative Erledigung der Beschwerden gegen die die Asylanträge abweisenden Bescheide abgestellt. Eine solche Erledigung sei aber nicht ergangen und die Antragsbedingung daher noch nicht eingetreten. Weder die belangte Behörde habe diese Beschwerden (mit Beschwerdevorentscheidung) erledigt noch das BVwG. Letzterem seien diese Beschwerden noch gar nicht vorgelegt worden, zumal das Vorlageschreiben den behördlichen Willen zur Beschwerdevorlage nur hinsichtlich der Beschwerden gegen die die Wiedereinsetzungsanträge abweisenden Bescheide erkennen lasse. Die sonstigen Aktenteile seien erkennbar nur informationshalber vorgelegt worden. Über einen Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu entscheiden, solange der Eventualfall nicht eingetreten sei. Wenn ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalls erledigt werde, so sei der Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet und sei daher von der Rechtsmittelinstanz - von Amts wegen - ersatzlos zu beheben.

I.10. Mit Bescheiden des BFA vom 15.11.2018 wurde den BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 27.11.2020 erteilt.

I.11. Am 11.10.2019 langte die Beschwerdevorlage beim BVwG ein. Mit Schreiben vom 08.10.2019 informierte das BFA über gegenständliches Verfahren, in welchem eine Entscheidung gemäß § 3 ergangen ist. Gleichzeitig wurden die dagegen eingebrachten Beschwerden samt Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur dortigen Verwendung weitergeleitet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die BF stellten am 13.11.2017 Anträge auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden des BFA vom 21.11.2017 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (jeweils Spruchpunkt I.).

Die Bescheide vom 21.11.2017 wurden nach erfolglosem Zustellversuch an der Meldeadresse der BF am 29.11.2017 in der Zustellbasis XXXX zur Abholung hinterlegt. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde in der Abgabeeinrichtung der BF eingelegt. Die Abholfrist begann am 30.11.2017 zu laufen. Diese Bescheide wurden am 29.12.2017 mit dem Vermerk "Nicht behoben" an das BFA retourniert.

Bei dem Zusteller handelt es sich um einen sehr verlässlichen Mitarbeiter der Post.

II.2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragsstellung und deren Abweisung mit Bescheiden des BFA vom 21.11.2017 ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die Feststellungen zum erfolglosen Zustellversuch gründen auf der im Akt einliegenden Hinterlegungsanzeige, dem Retournierungsvermerk und der vom BFA eingeholten Anfrage an die Österreichische Post AG, Zustellbasis XXXX . In dem Auskunftsschreiben der Zustellbasis XXXX vom 09.04.2018 wurde bestätigt, dass die Hinterlegungsanzeige vom zuständigen Zusteller in das Hausbrieffach der BF "eingefächert" worden sei, es gebe kein Hindernis an dieser Anschrift. Zudem wurde angeführt, dass es sich bei dem Zusteller um einen sehr verlässlichen Kollegen handle (AS. 161).

In ihrem Schreiben vom 20.03.2018, mit dem sie Beschwerde an das BVwG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhoben und "in eventu" Anträge auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gestellt haben, argumentierten die BF, dass sie keinen "gelben Zettel" erhalten und deshalb die Rechtsmittelfrist versäumt hätten. Die BF führten aus, dass sie regelmäßig den Postkasten kontrolliert und bereits Erfahrung mit hinterlegten Schriftstücken hätten (AS. 133 ff).

Das BFA erklärte in seinen mittlerweile behobenen Bescheiden vom 16.04.2018, dass die BF nicht in der Lage gewesen seien glaubhaft zu machen, dass sie keine Verständigung über die Hinterlegung ("gelber Zettel") erhalten hätten. Im Gegensatz zu den BF die ein vitales Interesse am Verfahrensausgang zeigen würden und es aus menschlicher Sicht durchaus nachvollziehbar sei, dass sie vor der Behörde ein Vorbringen erstatten, das nicht den Tatsachen entspricht, um auf diese Weise die Widereinsetzung zu legitimieren.

Dieser Beweiswürdigung entgegneten die BF mit Schreiben vom 15.05.2018, dass die Zustellbasis XXXX sehr wohl ein Interesse an der Verschweigung eines Zustellmangels hätten, weil der zuständige Mitarbeiter der Post durchaus ein Interesse daran hätte, eine etwaige Unachtsamkeit bei der Zustellung vor seinem Arbeitgeber zu verbergen. Ganz generell läge es nicht im Interesse der Post, einzugestehen, dass deren Mitarbeiter bei der Zustellung von Poststücken unzuverlässig seien.

Aus den bereits im Akt befindlichen Informationen und Verfahrensergebnissen war den glaubwürdigen und inhaltlich nachvollziehbaren Angaben des BFA aber auch der Post AG zu folgen. Der konkret eingeschrittene Mitarbeiter der Österr. Post AG wird als zuverlässiger und erfahrener Mitarbeiter beschrieben, der angab, die Zustellung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben vorgenommen zu haben und insb auch einen Zustellnachweis ("gelber Zettel") hinterlegt zu haben. Es gab keinen Grund, an diesen Verfahrensergebnissen zu zweifeln und daher von einer rechtskonformen Zustellung auszugehen. Den beweiswürdigenden Erwägungen des BFA ist idZ zu folgen, nach denen der Post AG nicht einfach ein verfahrensfremdes Interesse unterstellt werden kann, unrichtige Behauptungen aufzustellen, um angebliche Mängel bei der Zustellung eines Poststückes zu leugnen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen keine gegenteiligen Bestimmungen enthalten sind, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

II.3.1. Zu Spruchpunkt A. I):

II.3.1.1 Zur inhaltlichen Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017:

"§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. [...]

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. [...]

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen. [...]."

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013:

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. [...]

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. [...]."

Der VwGH hat klargestellt, dass - entgegen den Ausführungen in den ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP - bei Versäumen der Frist zur Einbringung einer Beschwerde § 33 VwGVG zur Anwendung gelangt und nicht § 71 AVG. Allerdings ist die Rechtsprechung des VwGH zu §§ 71 f AVG auch im Anwendungsbereich des § 33 VwGVG von Bedeutung (Rosenkranz in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber (Hrsg), VwGVG (2019) § 33 Rz 1-2).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nur bei Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist oder einer mündlichen Verhandlung, zu der die Partei ordnungsgemäß geladen wurde, in Frage (Rosenkranz in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber (Hrsg), VwGVG (2019) § 33 Rz 5).

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen erfolgte die hier verfahrensgegenständliche Zustellung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben und war daher rechtswirksam zumal kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis eine solche Zustellung verhindert hat. Den BF ist es zudem nicht gelungen, einen Zustellmangel glaubhaft zu machen.

Nachdem die Zustellung der hier gegenständlichen Bescheide rechtswirksam erfolgte, waren die Anträge auf Wiedereinsetzung abzuweisen.

II.3.1.2 Zur formalen Ausgestaltung der Wiedereinsetzungsanträge

Nach der Rechtsprechung des VwGH hat ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrags zu machen und die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Antrag nachzuholen. Wurden solche Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrags nicht gemacht und die versäumte Handlung nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt, dann ist der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen (Rosenkranz in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber (Hrsg), VwGVG (2019) § 33 Rz 13).

Im gegenständlichen Fall waren die Anträge der BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gesetzeskonform. Vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlauts des § 33 VwGVG und des § 71 AVG sowie der zitierten Kommentierung des § 33 VwGVG ist die von den BF gewählte Formulierung in ihrem Schreiben vom 20.03.2018 sinnwidrig. Da ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwingend die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist voraussetzt, ist die Stellung eines solchen Antrags "in eventu" gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde im Grundsatz verdreht und deshalb nicht zulässig.

Spätestens nach der Erlassung der Beschlüsse des BVwG vom 12.10.2018 (Zl. W230 2195890-1/8E, W230 2195741-1/8E, W230 2195895-1/8E, W230 2195880-1/8E und W230 2195897-1/8E) hätte den BF zudem auffallen müssen, dass ihre Anträge auf Wiedereinsetzung nicht korrekt gestellt wurden. Es wäre ihnen freigestanden, innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen vierzehntägigen Frist neuerlich rechtsrichtige Anträge auf Wiedereinsetzung zu stellen. Die BF ließen diese Frist ungenützt verstreichen.

Die neuere Judikatur vertritt idZ eine abweichende Auffassung und hält auch eine bereits zuvor, also zeitlich vor der Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages erstattete Prozesshandlung für zulässig. Der VwGH hat früher das Wort "gleichzeitig" idS anders ausgelegt, dass Wiedereinsetzungsantrag und versäumte Prozesshandlung unter einem einzubringen sind. Der VwGH ist von dieser Auffassung mittlerweile abgegangen: Danach muss eine verspätet gesetzte Prozesshandlung nicht neuerlich gesetzt werden. Eine Prozesshandlung muss also nur spätestens mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden. Es schade aber nicht, wenn sie bereits vor dem Wiedereinsetzungsantrag gesetzt worden ist (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 Rz 633).

II.3.2. Zu Spruchpunkt A. II.):

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen.

Gemäß Artikel 130. Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 21.11.2017 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen, folglich wurde dadurch in ihre Rechtssphäre eingegriffen.

Daher konnten die BF gegen Spruchpunkt I. der genannten Bescheide innerhalb einer Frist von vier Wochen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit erheben.

Die Bescheide vom 21.11.2017 wurden nach erfolglosem Zustellversuch an der Meldeadresse der BF am 29.11.2017 in der, Zustellbasis XXXX , zur Abholung hinterlegt. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde in der Abgabeeinrichtung der BF eingelegt. Die Abholfrist begann am 30.11.2017 zu laufen. Diese Bescheide wurden am 29.12.2017 mit dem Vermerk "Nicht behoben" an das BFA retourniert. Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, geht aus der Anfrage an die Österreichische Post AG, Zustellbasis XXXX , hervor, dass die Hinterlegungsanzeige vom zuständigen Zusteller in das Hausbrieffach der BF eingefächert wurde, es gibt kein Hindernis an dieser Anschrift. Zudem handelt es sich bei dem Zusteller um einen sehr verlässlichen Kollegen. Die angefochtenen Bescheide wurden den BF daher am 29.11.2017 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt.

Die am 27.03.2018 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerden waren daher spruchgemäß als verspätet zurückzuweisen.

II.3.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Weiters kann gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 1. Fall VwGVG eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist. Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fristversäumung Glaubhaftmachung Rechtsmittelfrist Verspätung Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung Zustellmangel Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W276.2195741.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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