Entscheidungsdatum
03.03.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W184 2176464-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2020, Zl. 1117670001/191137472, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG, §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005, §§ 52, 53, 55 FPG und § 9 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.06.2016 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz ein.
Über diesen Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017 folgende Entscheidung getroffen:
"I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.
III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist.
IV. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 09.05.2019, zugestellt am 09.05.2019, als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei somalische Staatsangehörige sei und aus der Umgebung von XXXX , der Hauptstadt der Region XXXX , knapp 100 km nördlich von Mogadischu, stamme. Sie gehöre dem Clan der XXXX an und bekenne sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, ihre Muttersprache sei Somali. Die beschwerdeführende Partei sei zum zweiten Mal verheiratet, habe drei Kinder und besitze einen Bauernhof, den sie bewirtschaftet habe. Ihre Mutter und weitere Verwandte leben nach wie vor in ihrem Heimatdorf nahe XXXX , ihr Mann lebe mit ihren Kindern in XXXX im Haus einer Verwandten. Die Kinder gehen zur Schule bzw. der älteste Sohn gehe arbeiten.
Ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates habe nicht festgestellt werden können. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführende Partei im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie auch immer gearteten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein werde.
Bei einer Rückkehr nach Somalia in ihr Heimatdorf oder die Stadt XXXX drohe der beschwerdeführenden Partei kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit, sie laufe nicht Gefahr, in der Region um XXXX grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Die beschwerdeführende Partei sei in dieser Region aufgewachsen, habe dort einen Bauernhof bewirtschaftet und ihre Kinder versorgt und sei in einen Familienverband eingebunden gewesen. Die Kernfamilie der beschwerdeführenden Partei und weitere Verwandte halten sich in und um XXXX auf. Es bestehe nach wie vor Kontakt zu ihrer Familie. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb die beschwerdeführende Partei nicht wieder von ihrer Familie aufgenommen werden sollte.
Die beschwerdeführende Partei sei volljährig, gesund und arbeitsfähig. Sie habe in Österreich keine familiären Beziehungen. Sie habe einen Werte- und Orientierungskurs, einen Deutschkurs Niveau A1 und einem VHS-Kurs Lesen-Schreiben-Rechnen besucht, aber kein Zeugnis erworben. Sie gehe keiner Erwerbstätigkeit nach und habe freundschaftliche Kontakte.
Eine gegen dieses Erkenntnis gerichtete Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 26.06.2019 abgelehnt, und eine außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.10.2019 zurückgewiesen.
In der Folge brachte die beschwerdeführende Partei am 07.11.2019 den vorliegenden Folgeantrag auf internationalen Schutz ein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde folgende Entscheidung über den gegenständlichen Folgeantrag getroffen:
"I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
IV. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.
V. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist.
VI. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.
VII. Gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen."
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst (gekürzt und teilweise anonymisiert durch das Bundesverwaltungsgericht):
"A) Verfahrensgang
...
Den ersten Antrag auf internationalen Schutz begründeten Sie in Ihrer Einvernahme im Wesentlichen wie folgt:
Sie haben eine Plantage gehabt, und Mitglieder der Al Shabaab wären fast täglich zu Ihnen gekommen und hätten einen Teil der Ernte und Geld verlangt. Als Sie nicht bezahlen konnten, hätten zwei Männer Sie am 01.02.2016 geschlagen und Ihre Füße verbrannt.
Anlässlich des gegenständlichen Asylverfahrens haben Sie bei der niederschriftlichen Befragung am 07.11.2019 ... im Wesentlichen Folgendes angegeben:
...
Meine Fluchtgründe von damals bei der ersten Vernehmung sind nach wie vor aufrecht und es gibt keine neuen Gründe, die ich angeben kann. Frauen haben keine Rechte in meiner Heimat und als Frau hat man Angst, auf die Straße zu gehen. Ich habe Angst um mein Leben.
...
Am 01.08.2019 wurden Sie beim Bundesamt ... einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalteten sich dabei wie folgt (LA = Leiter der Amtshandlung, VP = Verfahrenspartei):
...
LA: Haben Sie Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
VP: Überweisung für Orthopäden, Befund Lendenwirbelsäule ... Ich habe auch noch am 06.12.2019 einen Frauenarzttermin. Ich habe oft Krämpfe im Unterleib und ich glaube, ich bin krank. Ich war jedoch noch nicht bei einem Frauenarzt ... Ich habe auch Probleme mit meiner Schilddrüse. Ich habe diesbezüglich keine neuen Befunde. Ich habe alle Befunde bei mir im Zimmer.
...
LA: Seit wann leiden Sie schon an den Beschwerden?
VP: Seit September 2019 habe ich Unterleibsschmerzen. Probleme mit der Schilddrüse habe ich vorher schon gehabt. Ich bin in Wien im September die Treppe hinuntergefallen und seitdem habe ich Unterleibsschmerzen. Ich war anschließend bei keinem Arzt vorstellig.
LA: Nehmen Sie Medikamente?
VP: Nein, nur Schmerztabletten momentan. Betreffend meine Schilddrüse nehme ich auch keine Medikamente.
...
LA: Nennen Sie der Behörde Ihre letzte Meldeadresse in Ihrem Heimatland.
VP: In einem kleinem Dorf, XXXX , in der Provinz XXXX . Ich habe immer an derselben Adresse von meiner Geburt an bis zu meiner Ausreise gelebt.
LA: Wie haben Sie in Ihrem Heimatland Ihren Unterhalt finanziert?
VP: Mein Mann, er war Autofahrer. Er hat Lebensmittel transportiert. Er war für eine Privatperson tätig. Nachgefragt, gebe ich an, dass er landwirtschaftlich tätig war. Ich hatte ein kleines Grundstück. Es war kein Fluss in der Nähe. Ich habe die Lebensmittel nicht verkauft. Wenn es geregnet hat, wurde das Feld mit Wasser versorgt, wenn nicht, dann nicht.
LA: Wie finanzieren Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?
VP: Ich bin in der Grundversorgung.
LA: Sind Sie arbeitsfähig? Was möchten Sie gern arbeiten?
VP: Ja, erst Deutsch lernen und dann arbeiten. Ich habe ein bisschen Deutsch gelernt. Eine Lehrerin hat uns einmal die Woche besucht. Der Kurs war vom August 2016 bis zum Mai 2019.
...
LA: Welche Familienmitglieder befinden sich noch im Heimatland?
VP: Niemand, ich weiß es nicht, wo meine Familie ist. Nachgefragt, gebe ich an, dass ich keinen Kontakt zu meiner Familie habe, weil das Telefon von meinem Sohn nicht funktioniert.
LA: Seit wann funktioniert das Telefon von Ihrem Sohn nicht mehr?
VP: März 2019.
LA: Wann war der letzte Kontakt mit Bekannten oder Verwandten?
VP: März 2019.
LA: Wo hat sich Ihr Sohn im März 2019 aufgehalten?
VP: In Mogadischu. Mein älterer Sohn und meine zwei kleinen Kinder waren zusammen.
LA: Geben Sie die Daten Ihrer Kinder bekannt.
VP: ... 18 Jahre (mit ihm hatte ich Kontakt), ... neun Jahre, und ..., zwölf Jahre.
LA: Wo befindet sich Ihr Ehemann?
VP: Ich weiß es nicht.
LA: Wann war der letzte Kontakt zu Ihrem Ehemann?
VP: Im November 2017. Er war in XXXX aufhältig. Nachgefragt, gebe ich an, mein Sohn hat gesagt, dass die Al Shabaab meinen Ehemann umbringen wollten. Meine Kinder sind nach Mogadischu gegangen. Ich weiß nicht, wo mein Ehemann ist.
LA: Warum ist Ihr Ehemann nicht mit Ihren Kindern mitgegangen?
VP: Ich weiß es nicht, mein Sohn weiß es auch nicht.
LA: Wann war der letzte Kontakt zwischen Ihrem Ehemann und Ihrem Sohn?
VP: Ich weiß es nicht, ich kann mich nicht mehr daran erinnern.
LA: Warum sind Sie der Annahme, dass sich Ihre Kinder nicht mehr in Mogadischu und Ihr Ehemann in XXXX befinden?
VP: Ich weiß es nicht. Der letzte Kontakt mit meinem Ehemann war im Jahr 2017. Seitdem weiß ich nicht, wo sich mein Ehemann befindet.
LA: Hat sich in letzter Zeit (Rechtskraft des Verfahrens 09.05.2019) etwas geändert bezüglich Ihrer Familie und Ihrer Verwandtschaftsverhältnisse in Österreich?
VP: Nein.
LA: Sind Ihre Flucht- bzw. Ausreisegründe aus dem Vorverfahren in Österreich weiterhin aufrecht?
VP: Ja.
...
LA: Bezüglich Ihrer Fluchtgründe, hat sich etwas geändert? Hat sich seit Rechtskraft Ihres Erstverfahrens hinsichtlich Ihrer Flucht- bzw. Ausreisegründe etwas Neues ergeben?
VP: Ich weiß nicht, wo meine Kinder sind. Ich vermisse meine Kinder. Der neue Grund ist, dass ich nicht weiß, wo meine Kinder sind. Ich weiß es auch nicht, ob meine Kinder noch leben. In Somalia gibt es Krieg. Meine Kinder leben in einem Flüchtlingslager in Mogadischu, und viele Mädchen werden dort vergewaltigt.
LA: Haben Sie der Behörde im Erstverfahren bereits bekannt gegeben, dass Sie keinen Kontakt mehr zu Ihren Familienmitgliedern in Ihrem Heimatland besitzen?
VP: Nein.
LA: Warum haben Sie das nicht angegeben?
VP: Ich habe nicht gewusst, dass das wichtig ist.
LA: Waren das alle Ihre Fluchtgründe?
VP: Ja.
...
Vertreterin: Hatten Sie davor schon einmal so lang keinen Kontakt zu Ihrer Familie?
VP: Nein. Ich hatte davor immer Kontakt.
Vertreterin: Ist es davor schon einmal vorgekommen, dass sie ein paar Wochen keinen Kontakt zu Ihrer Familie hatten?
VP: Ja.
Vertreterin: Wenn Sie nun allein nach Somalia zurückkehren würden, was wäre nun ihre Angst?
VP: Ich habe Angst von der Al Shabaab. In Somalia ist man als Frau nicht sicher.
...
LA: Haben Sie ein Mobiltelefon?
VP: Ja.
LA: Seit wann haben Sie dieses Telefon?
VP: Seit August 2019.
LA: Haben Sie eine neue Telefonnummer?
VP: Ja.
...
LA: Wann haben Sie zum letzten Mal versucht, Ihren Sohn zu erreichen?
VP: August 2019.
LA: Warum nun nicht mehr?
VP: Ich habe es immer versucht.
...
B) Beweismittel
...
C) Feststellungen
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Zu Ihrer Person:
Die Identität steht nicht fest. Sie sind Staatsangehörige von Somalia und Moslem. Sie waren als Landwirtin tätig. Sie sind volljährig und strafrechtlich unbescholten. Ihre Clanzugehörigkeit, XXXX , konnte festgestellt werden. Sie beziehen in Österreich Grundversorgung.
Sie sind spätestens am 06.06.2016 in Österreich eingereist und seit diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig. Sie sind gesund, leiden weder an einer psychischen noch einer physischen lebensbedrohenden Erkrankung.
Der Großteil Ihrer Familienmitglieder und Verwandten befindet sich in Somalia, XXXX und XXXX .
Ihr Aufenthalt in Österreich erstreckt sich über einen Zeitraum von 06.06.2016 bis in die Gegenwart, wobei Ihre Einreise nach Österreich illegal erfolgte.
Sie sprechen muttersprachlich somalisch. In Österreich sind Sie nicht Mitglied von Organisationen oder Vereinen. Sie sind oder waren in Österreich auch nicht berufstätig. Sie lebten seit Ihrer Einreise nahezu ausschließlich von der Grundversorgung und der Unterstützung der öffentlichen Hand.
Laut eingebrachter Befunde ... leiden Sie an Chondrosis sowie Osteochondrosis und Spondylosis deformans, Anterolisthese L5/S1 Grad I, distal betonte Intervertebralarthrose, Baastrupzeichen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass in Ihrem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.
Zu Ihren Vorverfahren:
Ihr erstes Asylverfahren unter der Zahl 160789194 wurde am 09.05.2019 rechtskräftig abgeschlossen. In diesem Verfahren wurden alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt. Ihr gesamtes Erstverfahren beruhte auf einem nicht glaubhaften Vorbringen.
Zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz:
Sie haben im gegenständlichen Verfahren keinen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens 160789194 entstanden ist.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. In Österreich verfügen Sie über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte: Sie gehen in Österreich keiner Beschäftigung nach. Es leben keine weiteren Verwandten von Ihnen in Österreich. Sie brachten keine finanziellen oder sozialen Abhängigkeitsverhältnisse vor.
Gründe für ein Aufenthaltsrecht aus berücksichtigungswürdigen Gründen konnten nicht ausreichend festgestellt werden.
Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Rückkehrentscheidung nach Somalia entgegenstehen würden.
Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:
Fest steht, dass Sie die gewährte Frist zur Ausreise in Ihr Heimatland von zwei Wochen nicht eingehalten haben. Sie haben somit einer behördlichen Anordnung nicht Folge geleistet und diese gröblich missachtet. Zudem steht fest, dass Sie Ihre Mittel zum Unterhalt nicht nachweisen können.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Politische Lage
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 4.3.2019, S. 5), aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (NLMBZ 3.2019, S. 7). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2018, S. 4).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2018, S. 5). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten (AA 5.3.2019b). Das Land hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs. 78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Der Aufbau von Strukturen auf Bezirksebene geht hingegen nur langsam voran (UNSC 15.5.2019, Abs. 50).
Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 4.3.2019, S. 4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 5.6.2019b, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2018, S. 33).
...
Die Präsidentschaftswahl fand am 8.2.2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten (AA 4.3.2019, S. 6; vgl. BS 2018, S. 14; USDOS 13.3.2019, S. 1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 13.3.2019, S. 1). Im März 2017 bestätigte das Parlament Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 5.3.2019b; vgl. BS 2018, S. 14). Die aktuelle Regierung agiert wie eine Regierung der nationalen Einheit. Sie wurde so zusammengesetzt, dass alle relevanten Clans und Gruppen sich in ihr wiederfinden (AA 4.3.2019, S. 10).
...
Föderalisierung: Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet (AA 5.3.2019b; vgl. USDOS 13.3.2019, S. 1; BS 2018, S. 4f/12). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 5.3.2019b; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs. 22).
...
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S. 55f).
...
Bei dieser Auseinandersetzung kommt u. a. die Krise am Golf zu tragen: In Somalia wird eine Art Stellvertreterkrieg ausgetragen, bei welchem die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse speziell von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine Rolle spielen. Dies hat die schon bestehenden Spannungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten weiter verschärft, erstere ist in zunehmende Isolation geraten (SEMG 9.11.2018, S. 4/30; vgl. ICG 12.7.2019, S. 9; FH 5.6.2019b, C1). Diese Entwicklung hat zur Destabilisierung Somalias beigetragen (NLMBZ 3.2019, S. 10). Allerdings gibt es zumindest Anzeichen für eine Verbesserung der Situation (UNSC 15.5.2019, Abs. 80). So hat sich Präsident Farmaajo für die Verschlechterung der Beziehungen zu den Bundesstaaten öffentlich entschuldigt (ICG 12.7.2019, S. 9). Die Bundesregierung versucht, insbesondere HirShabelle und Galmudug in ihr Lager zu ziehen (BMLV 3.9.2019). Trotzdem bleiben die Spannungen bestehen (UNSC 15.8.2019, Abs.2).
1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Jubaland wurde im Jahr 2013 gebildet, damals wurde auch Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S. 24). Bis Anfang August hatten sich für die Neuwahl des Präsidenten neun Kandidaten registrieren lassen (UNSC 15.8.2019, Abs. 6). Am 22.8.2019 wurde dann Ahmed Madobe als Präsident bestätigt. Die Wahl war allerdings umstritten: Da die Bundesregierung mehr Kontrolle gewinnen möchte, hat sie erklärt, die Wahl nicht anzuerkennen und den Wahlkandidaten der Opposition, Abdirashif Mohamad Hidig, zu unterstützen (BAMF 26.8.2019, S. 6). Der Verwaltung von Jubaland ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Dadurch, dass die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden, wurde die Machtbalance verbessert (BFA 8.2017, S. 57ff). Diese Inkorporation funktioniert auch weiterhin, die Verwaltung in Kismayo hat sich weiter gefestigt. Außerdem konnten durch die Kooperation mit Teilen der Marehan auch die nicht der al Shabaab zuneigenden Gebiete von Gedo gefestigt werden (ME 27.6.2019).
2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Der SWS wurde in den Jahren 2014/2015 etabliert, Sharif Hassan Sheikh Adam zum ersten Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S. 24). Im Dezember 2018 wurde im SWS neu gewählt (AA 5.3.2019b). In der Folge ist im Jänner 2019 mit Abdulaziz Hassan Mohamed "Lafta Gareen" ein neuer Präsident angelobt worden (AMISOM 17.1.2019a; vgl. UNSC 27.12.2018; UNSC 15.5.2019, Abs. 4). Zuvor war es zu Anschuldigungen gegen die Bundesregierung gekommen, sich in den Wahlkampf eingemischt zu haben. Ein Kandidat - der ehemalige stv. Kommandant der al Shabaab, Mukhtar Robow - war verhaftet worden, was zu gewaltsamen Demonstrationen geführt hat (SRSG 3.1.2019, S. 2f; vgl. UNSC 21.12.2018, S. 2). Beim Aufbau der Verwaltung konnten Fortschritte erzielt werden (BMLV 3.9.2019).
3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): HirShabelle wurde 2016 etabliert. Zum Präsidenten wurde Ali Abdullahi Osoble gewählt. Anführer der Hawadle hatten eine Teilnahme verweigert (USDOS 13.3.2019, S. 24f). Im Oktober 2017 wurde Mohamed Abdi Waare zum neuen Präsidenten, nachdem sein Vorgänger des Amtes enthoben worden war (UNSOM, 24.10.2017). Nach politischen Spannungen haben sich die Beziehungen zwischen Exekutive und Legislative verbessert (UNSC 15.5.2019, Abs. 8). Die im Zuge der Bildung des Bundesstaates neu aufgeflammten Clankonflikte sind gegenwärtig weitgehend abgeflaut (ME 27.6.2019). Dazu beigetragen haben Bemühungen des Premierministers und Katars, wobei letzteres Investitionen in Aussicht gestellt hat. Man ist auf die Hawadle zugegangen. Die Clans - v. a. in Middle Shabelle - haben daraufhin ihre Proteste gegen die Regionalverwaltung reduziert. Unklar ist, ob diese neue Haltung Bestand haben wird. In Belet Weyne hingegen treffen Vertreter von HirShabelle nach wie vor auf unverminderte Ablehnung (BMLV 3.9.2019). Sowohl in den von HirShabelle in Middle Shabelle kontrollierten Gebieten wie auch in Belet Weyne ist eine Verbesserung der Verwaltung zu verzeichnen (BMLV 3.9.2019).
4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): Im Jahr 2015 wurde die Regionalversammlung von Galmudug vereidigt. Sie wählte Abdikarim Hussein Guled zum ersten Präsidenten. Dieser trat im Feber 2017 zurück. Unter dem neuen Präsidenten Ahmed Duale Gelle "Haaf" wurden Friedensgespräche mit der Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) initiiert. Die Gruppe kontrolliert Teile von Galgaduud (USDOS 13.3.2019, S. 24). Ende 2017 wurde mit der ASWJ ein Abkommen zur Machtteilung abgeschlossen (UNSC 15.5.2019, Abs. 7; vgl. AMISOM 5.7.2019). Ab September 2018 wuchsen die politischen Spannungen. Im Oktober 2018 wurde in Cadaado ein Gegenpräsident gewählt, während Ahmed "Haaf" weiterhin von Dhusamareb aus regiert (UNSC 21.12.2018, S. 2). In der Folge kam es zu Diskussionen und Spannungen über das Datum der nächsten Wahlen. Im März 2019 hat die NISA sogar die Kontrolle über das Gelände des Präsidentensitzes übernommen (UNSC 15.5.2019, Abs. 7). Während Haaf das Abkommen mit der ASWJ für nichtig erklärt hat, hat diese mit der Bundesregierung eine Einigung erzielt (UNSC 15.8.2019, Abs. 5). Galmudug wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016, S. 17).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019;
AMISOM (5.7.2019): Somalia starts process to integrate Ahlu Sunna forces into the Somali Security Forces, URL, Zugriff 16.7.2019;
AMISOM (17.1.2019a): 17 January 2019 - Morning Headlines [Quelle: Halbeeg News], Newsletter per E-Mail;
AMISOM (15.1.2019a): 15 January 2019 - Daily Monitoring Report [Quelle: Halbeeg News], Newsletter per E-Mail;
AMISOM (12.10.2018): 12 October 2018 - Daily Monitoring Report [Quelle: Jowhar News], Newsletter per E-Mail;
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (26.8.2019): Briefing Notes 26. August 2019;
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation;
BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019;
EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, URL, Zugriff 24.6.2019;
FH - Freedom House (5.6.2019b): Freedom in the World 2019 - Somalia, URL, Zugriff 22.7.2019;
ICG - International Crisis Group (12.7.2019): Somalia-Somaliland: The Perils of Delaying New Talks - Africa Report N°280, URL, Zugriff 8.7.2019;
ISS - Institute for Security Studies / Meressa K Dessu / Dawit Yohannes (28.2.2019): Is this the right time to downsize AMISOM?, URL, Zugriff 13.3.2019;
ME - Militärstrategischer Experte (27.6.2019): Interview mit der Staatendokumentation;
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VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (20.12.2018): Somalia's Parliament Drops Impeachment of President, URL, Zugriff 22.1.2019.
Puntland
Puntland hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Es strebte nie eine Unabhängigkeit von Somalia an und wurde vielmehr zum Vorbild bei der Bildung weiterer Bundesstaaten (BS 2018, S. 4/12). Heute ist Puntland einer von fünf Bundesstaaten Somalias - allerdings mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden (AA 4.3.2019, S. 5; vgl. AA 5.3.2019b; BS 2018, S. 4), und damit ist Puntland insgesamt weniger fragil als die südlicher gelegenen Bundesstaaten (AA 4.3.2019, S. 11; vgl. LIFOS 3.7.2019, S. 33f).
Bereits im Jahr 2014 kam es zu einem friedlichen Machtwechsel an der Staatsspitze (USDOS 13.3.2019, S. 24). Anfang 2019 wählte das Parlament Saed Abdullahi Deni zum neuen Präsidenten. Er hat sich in mehreren Wahlgängen gegen insgesamt 20 Konkurrenten durchgesetzt. Der bisherige Präsident Abdiweli Mohamed Ali "Gaas" wurde abgewählt (VOA 8.1.2019; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs. 5). Auch dieser Machtwechsel verlief friedlich (AA 5.3.2019b; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs. 5). Zuvor war im Dezember 2018 das Parlament neu besetzt worden. Die Clans haben 66 Mitglieder als Abgeordnete nominiert (UNSC 21.12.2018, S. 2; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs. 5).
Im Jahr 2012 hat das Parlament eine Verfassung verabschiedet, welche ein Mehrparteiensystem vorsieht (USDOS 13.3.2019, S. 24).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019;
AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;
BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019;
LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, URL, Zugriff 29.8.2019;
UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019;
UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019;
USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019;
VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (8.1.2019): Somalia's Puntland Region Elects New President, URL, Zugriff 22.1.2019.
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S. 2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S. 17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S. 1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser, etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S. 31).
Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S. 21; vgl. BMLV 3.9.2019).
Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S. 21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und - in noch stärkerem Ausmaß - in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben oder die von niemandem kontrolliert werden oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S. 6).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019;
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019;
AMISOM (7.8.2019): Progress Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Somalia/AMISOM, URL, Zugriff 22.8.2019;
BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019;
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019;
LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (9.4.2019): Somalia - Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, URL, Zugriff 8.5.2019;
NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019;
USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019.
Süd-/Zentralsomalia
Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 15.8.2019, Abs. 13; vgl. AA 17.9.2019). Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Quelle von Unsicherheit in Somalia (SRSG 3.1.2019, S. 3; vgl. SEMG 9.11.2018, S. 4; UNSC 21.12.2018, S. 3).
Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (LWJ 8.1.2019). Al Shabaab hat sich ihre operative Stärke und ihre Fähigkeiten bewahrt (UNSC 21.12.2018, S. 3; vgl. NLMBZ 3.2019, S. 20), führt weiterhin Angriffe auf Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze - z. B. Restaurants und Hotels - durch (UNSC 15.8.2019, Abs. 13; vgl. AA 17.9.2019).
Dabei hat sich die Gruppe in erster Linie auf die Durchführung von Sprengstoffanschlägen und gezielten Attentaten verlegt (SRSG 3.1.2019, S. 3) und kann sowohl gegen harte (militärische) als auch weiche Ziele vorgehen (NLMBZ 3.2019, S. 10). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, komplexe asymmetrische Angriffe durchzuführen (SEMG 9.11.2018, S. 4). Neben Angriffen auf militärische Einrichtungen und strategischen Selbstmordanschlägen auf Regierungsgebäude und städtische Gebiete wendet al Shabaab auch Mörser- und Handgranatenangriffe an, legt Hinterhalte und führt gezielte Attentate durch (NLMBZ 3.2019, S. 10). Al Shabaab verfügt auch weiterhin über Kapazitäten, um konventionelle Angriffe und größere Attentate (u. a. Selbstmordanschläge, Mörserangriffe) durchzuführen (LWJ 15.10.2018). Al Shabaab ist auch in der Lage, fallweise konventionelle Angriffe gegen somalische Kräfte und AMISOM durchzuführen, z. B. am 1.4.2018 gegen sogenannte Forward Operational Bases der AMISOM in Buulo Mareer, Golweyn und Qoryooley (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S. 22). Nach anderen Angaben kann al Shabaab keine konventionellen Angriffe mehr durchführen. Die Gruppe hat sich v. a. auf Sprengstoffanschläge und gezielte Attentate verlegt (SRSG 3.1.2019, S. 3).
Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg an Angriffen in Mogadischu. Es kommt weiterhin zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, Mörserangriffen und gezielten Attentaten. Allein im März 2019 wurden 77 Anschläge mit Sprengsätzen verzeichnet - die höchste Zahl seit 2016. Der Großteil dieser Anschläge betraf Mogadischu, Lower Shabelle, Lower Juba und Gedo (UNSC 15.5.2019, Abs. 12f). Ähnliches gilt für den Monat Ramadan (5.5.-3.6.); danach ging die Zahl an Vorfällen zurück (UNSC 15.8.2019, Abs. 14). Von Gewalt durch al Shabaab am meisten betroffen sind Mogadischu, Lower und Middle Shabelle; Jubaland, Bay und Hiiraan sind zu einem geringeren Ausmaß betroffen (UNSC 21.12.2018, S. 4).
Al Shabaab hat auch die Angriffe mit Mörsern verstärkt. Dabei ist eine zunehmende Treffsicherheit zu verzeichnen. Außerdem führt die Gruppe weiterhin (sporadisch) komplexe Angriffe durch (UNSC 15.5.2019, Abs. 14f).
Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. AMISOM (African Union Mission in Somalia) und al Shabaab (AA 4.3.2019, S. 16; vgl. AA 17.9.2019). Die Gruppe führt täglich kleinere Angriffe auf AMISOM, Armee und Regierung durch, alle paar Wochen kommt es zu einem größeren Angriff (BS 2018, S. 7). Dies betrifft insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle. Die Region Middle Juba steht in weiten Teilen unter Kontrolle von al Shabaab (AA 4.3.2019, S. 16). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIFOS 3.7.2019, S. 22). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus von al Shabaab (ME 27.6.2019). In Süd-/Zentralsomalia bleibt al Shabaab auch für Stützpunkte von Armee und AMISOM eine Bedrohung. Sie behält die Fähigkeit, selbst in schwer befestigte Anlagen in Mogadischu einzudringen (LWJ 3.9.2018).
Ferner kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 17.9.2019). Auch somalische und regionale Sicherheitskräfte töteten Zivilisten und begingen sexuelle Gewalttaten - v. a. in und um die Region Lower Shabelle (USDOS 13.3.2019, S. 11). Zusätzlich wird die Sicherheitslage durch die große Anzahl lokaler und sogar föderaler Milizen verkompliziert (BS 2018, S. 8). Es gibt immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen einzelner Sub-Clans bzw. religiöser Gruppierungen wie Ahlu Sunna Wal Jama'a (AA 4.3.2019, S. 16; vgl. HRW 17.1.2019). Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 4.3.2019, S. 16).
Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften, kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten (HRW 17.1.2019).
Gebietskontrolle: Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 4.3.2019, S. 5). Die Regierung war nicht immer in der Lage, gewonnene Gebiete abzusichern, manche wurden von al Shabaab wieder übernommen (BS 2018, S. 7). Mittlerweile wird zumindest versucht, nach der Einnahme neuer Ortschaften rasch eine Zivilverwaltung einzusetzen, wie im Zuge der Operation Badbaado 2019 in Lower Shabelle zu erkennen war. Trotzdem beherrschen die neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr als die größeren Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt meist auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert. Teils kommt es zu weiteren (militärischen) Exkursionen (ME 27.6.2019). Die meisten von Regierung/AMISOM gehaltenen Städte sind aber Inseln im Gebiet der al Shabaab (LI 21.5.2019a, S. 3; vgl. BFA 8.2017, S. 26). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft oder über See versorgt werden, da Überlandrouten nur eingeschränkt nutzbar sind (UNSC 21.12.2018, S. 9).
In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (ME 27.6.2019). Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände von al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017, S. 26; vgl. BMLV 3.9.2019). Andererseits führen ausstehende Soldzahlungen zu Meutereien bzw. zur Aufgabe gewonnener Gebiete durch Teile der Armee (z. B. in Middle Shabelle im März 2019) (BAMF 1.4.2019).
Al Shabaab kontrolliert große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia und bedroht dort die Städte (LWJ 8.1.2019). Außerdem kontrolliert al Shabaab wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Regierungskontrolle Blockaden aufrecht (HRW 17.1.2019).
AMISOM/Operationen: Die Truppensteller von AMISOM glauben nicht daran, dass Regierungskräfte über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um wichtige Sicherheitsaufgaben zu übernehmen (HRW 17.1.2019). Die Regierung ist selbst bei der Sicherheit von Schlüssel-Einrichtungen auf AMISOM angewiesen (BS 2018, S. 7). Vor desaströsen Auswirkungen eines voreiligen Abzugs von AMISOM wird gewarnt (SRSG 13.9.2018, S. 5). Bereits ein Teilabzug im Rahmen einer "Rekonfiguration" könnte zur Aufgabe sogenannter Forward Operating Bases (FOBs) führen (UNSC 15.5.2019, Abs. 72). Die Kräfte von AMISOM sind ohnehin überdehnt (ME 27.6.2019), und schon in den Jahren 2016 und 2017 fielen manche Städte aufgrund des Abzugs von AMISOM zurück an al Shabaab (LI 21.5.2019a, S. 1). Auch im Rahmen der Truppenreduzierung im Jahr 2019 hat AMISOM FOBs räumen müssen - etwa Faafax Dhuun (Gedo); andere wurden an die somalische Armee übergeben (ME 14.3.2019).
Nach 2015 hat AMISOM keine großen Offensiven gegen die al Shabaab mehr geführt (ISS 28.2.2019; vgl. SEMG 9.11.2018, S. 22), der Konflikt befindet sich in einer Art "Warteschleife" (ICG 27.6.2019, S. 1). Im aktuellen Operationsplan von AMISOM sind ausschließlich kleinere offensive Operationen vorgesehen, welche insbesondere der Absicherung relevanter Versorgungsrouten dienen. Tatsächliche Vorstöße auf das Gebiet der al Shabaab sind so gut wie keine vorgesehen. Das heißt, dass AMISOM lediglich auf die Absicherung wesentlicher gesicherter Räume (v. a. Städte) und wichtiger Versorgungsrouten abzielt (ME 14.3.2019). In diesem Sinne ist auch die Operation Badbaado (Lower Shabelle) zu sehen, bei welcher v. a. somalische Truppen herangezogen wurden (ME 27.6.2019). Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf dieser Grundlage nicht erwartet werden (ME 14.3.2019).
Islamischer Staat (IS): Neben al Shabaab existieren in Süd-/Zentralsomalia auch kleinere Zellen des sog. IS (LWJ 16.11.2018). Deren Aktivitäten haben sich ausgedehnt, der IS verübt Mordanschläge in - v. a. - Mogadischu, Afgooye und Baidoa (SEMG 9.11.2018, S. 4/28f; vgl. LWJ 4.1.2019; NLMBZ 3.2019, S. 15). Dort verfügt der IS über ein Netzwerk. Unklar bleibt, ob dieses mit der IS-Fraktion in Puntland in Kontakt steht (SEMG 9.11.2018, S. 4/28f; vgl. NLMBZ 3.2019, S. 16). Insgesamt hat sich der IS im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2018 zu 50 Attentaten bekannt, tatsächlich konnten nur 13 verifiziert werden (SEMG 9.11.2018, S. 4/28f). Die Fähigkeiten des IS in und um Mogadischu sind auf gezielte Attentate beschränkt (UNSC 21.12.2018, S. 3).
Zivile Opfer: Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch al Shabaab führten 2018 zu hunderten zivilen Todesopfern und Verletzten (HRW 17.1.2019). Allerdings sind Zivilisten nicht das Primärziel (NLMBZ 3.2019, S. 12; vgl. LWJ 9.11.2018), wiewohl sie als Kollateralschaden in Kauf genommen werden (NLMBZ 3.2019, S. 12; vgl. LI 28.6.2019, S. 8). So wurde z. B. als Grund für einen Angriff auf das Sahafi Hotel in Mogadischu am 9.11.2018 von al Shabaab angegeben, dass dort Offiziere und Regierungsvertreter wohnen würden (LWJ 9.11.2018). Der Umstand, dass bei al Shabaab willkürliche Angriffe gegen Zivilisten nicht vorgesehen sind, unterscheidet die Methoden der Gruppe von jenen anderer Terroristen (z. B. Boko Haram) (NLMBZ 3.2019, S. 12).
Im Zeitraum Jänner-September 2018 sind in Somalia bei Sprengstoffanschlägen mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen, 220 wurden verletzt. 43% der Opfer waren Zivilisten; hauptsächlich betroffen waren die Regionen Lower Shabelle und Benadir/Mogadischu (USDOS 13.3.2019, S.13).
Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten. Im Jahr 2018 kam es bei Zusammenstößen zwischen Clanmilizen sowie zwischen diesen und al Shabaab in Puntland, Galmudug, Lower und Middle Shabelle, Lower Juba, Hiiraan und Bay zu Todesopfern. Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, v. a. im Streit um Wasser und Land. Im Jahr 2018 waren davon v. a. die Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle betroffen (USDOS 13.3.2019, S. 2/11f). Derartige Kämpfe sind üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer - generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter - Gewalt verbunden sein (LI 28.6.2019, S. 8).
Insgesamt werden die Zahlen ziviler Opfer (Tote und Verletzte) wie folgt angegeben:
...
Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 12,3 Millionen Einwohnern (UNFPA 1.2014, S. 31f) - wobei andere Quellen von mindestens 14,7 Millionen ausgehen (USDOS 21.6.2019, S. 2) - lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:8163.
Luftangriffe: Es kommt vermehrt zu US-Luftangriffen. Die Zahl stieg von 15 im Jahr 2016 auf 35 im Jahr 2017 und weiter auf 47 im Jahr 2018 (LWJ 8.1.2019). Dabei wurden 2018 von der US-Luftwaffe 326 Personen getötet. Allein im Jänner und Feber 2019 meldete AFRICOM weitere 24 Luftschläge mit 225 Getöteten - nach Angaben von AFRICOM ausschließlich Kämpfer der al Shabaab (TNYT 10.3.2019). Danach ging die Frequenz zurück. Bis Ende April waren es 28 Luftschläge (UNSC 30.4.2019). Angriffe finden in mehreren Regionen statt, in jüngerer Zeit z. B. am 23.2.2019 auf Stützpunkte von al Shabaab in der Ortschaft Qunyow Barrow (Middle Juba), nahe Aw Dheegle (Lower Shabelle) und in Janaale (Lower Shabelle); am 24.2.2019 nahe Belet Weyne (Hiiraan) und am 25.2.2019 nahe Shebeeley (Hiiraan) (BAMF 4.3.2019, S. 6). Auch die äthiopische und die kenianische Luftwaffe führen Angriffe durch (LIFOS 3.7.2019, S. 28).
Die Luftangriffe auf Ausbildungs- und Sammelpunkte von al Shabaab zielen darauf ab, Einsatzfähigkeit und Bewegungsfreiheit der Gruppe einzuschränken. Allerdings führten sie auch dazu, dass mehr al Shabaab-Kämpfer in Städte - und hier v. a. Mogadischu - drängen, wo sie kaum Luftschläge zu fürchten brauchen (UNSC 15.5.2019, Abs. 16).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;
AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019;
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1. April 2019;
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (4.3.2019): Briefing Notes 4. März 2019;
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation;
BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019;
HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Somalia, URL, Zugriff 10.4.2019;
ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab's Insurgency, URL, Zugriff 8.7.2019;
ISS - Institute for Security Studies / Meressa K Dessu / Dawit Yohannes (28.2.2019): Is this the right time to downsize AMISOM?, URL, Zugriff 13.3.2019;
LI - Landinfo (Norwegen) (28.6.2019): Somalia: Praktiske og sikkerhetsmessige forhold på reise i Sør-Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019;
LI - Landinfo (Norwegen) (21.5.2019a): Somalia: Al-Shabaab-områder i Sør-Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019;
LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, URL, Zugriff 29.8.2019;
LWJ - Long War Journal / Bill Roggio (8.1.2019): Counterterrorism strikes in Somalia continue, despite reports of a drawdown, URL, Zugriff 21.1.2019;
LWJ - Long War Journal / Caleb Weiss (4.1.2019): Analysis: Islamic State expanded operations in Somalia in 2018, URL, Zugriff 21.1.2019;
LWJ - Long War Journal / Caleb Weiss / Thomas Joscelyn (16.11.2018): Islamic State warns Shabaab of impending battle in Somalia, URL, Zugriff 21.1.2019;
LWJ - Long War Journal / Caleb Weiss (9.11.2018): Shabaab claims series of suicide bombings in Mogadishu, URL, Zugriff 21.1.2019;
LWJ - Long War Journal / Bill Roggio (15.10.2018): Shabaab attacks Somali force in southern Somalia, URL, Zugriff 21.1.2019;
LWJ - Long War Journal / Bill Roggio / Caleb Weiss (3.9.2018): Shabaab attacks focus on Somali military, African Union forces, URL, Zugriff 21.1.2019;
ME - Militärstrategischer Experte (27.6.2019): Interview mit der Staatendokumentation;
ME - Militärstrategischer Experte (14.3.2019): Telefoninterview durch die Staatendokumentation;
NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019;
SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), URL, Zugriff 8.1.2019;
SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Nicholas Haysom (3.1.2019): Statement to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019;
SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Michael Keating (13.9.2018): Briefing to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019;
TNYT - The New York Times (10.3.2019): Trump Administration Steps Up Air War in Somalia, URL, Zugriff 12.3.2019;
UNFPA - UN Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, URL, Zugriff 23.7.2019;
UNSC - UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 22.8.2019;
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UNSC - UN Security Council (30.4.2019): May 2019 Monthly Forecast, URL, Zugriff 15.7.2019;
UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019;
UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (11.2018): Monthly Briefs on Human Rights in Somalia - November 2018, URL, Zugriff 28.8.2019;
USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019;
USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Somalia, URL, Zugriff 9.7.2019.
Bundesstaat Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba)
Nominell gehören zum Machtbereich von Jubaland die Regionen Lower und Middle Juba sowie Gedo. Die Regierung von Jubaland verfügt aber nicht über die entsprechenden Kapazitäten, um ganz Jubaland kontrollieren zu können (BFA 8.2017, S. 57ff). Viele der ländlichen Teile von Jubaland werden von al Shabaab kontrolliert (NLMBZ 3.2019, S. 22). Angriffe der al Shabaab richten sich vor allem gegen Regierungskräfte und deren Alliierte (LIFOS 3.7.2019, S. 27).
Lower Juba: Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Kolbiyow werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Die Situation in Dif und Badhaade ist hingegen ungewiss (PGN 8.2019; vgl. LI 21.5.2019a, S. 2). Jamaame steht unter Kontrolle von al Shabaab; dies gilt auch für den nördlichen Teil Lower Jubas (PGN 8.2019). Dhobley ist relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S. 64; vgl. PGN 8.2019) und wird als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S. 27). Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Tabta können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).
Die Bevölkerung von Kismayo ist in kurzer Zeit um 30% auf ca. 300.000 gewachsen. Viele der Zuzügler stammen aus dem Umland oder kamen aus Kenia oder der weltweiten Diaspora nach Kismayo zurück (FIS 5.10.2018, S. 20f). Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften (BFA 8.2017, S. 59). Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde (ME 27.6.2019). Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Die al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen (BFA 8.2017, S. 59; vgl. BMLV 3.9.2019). Die Stadt gilt als ruhig und sicher (ME 27.6.2019), auch wenn die Unsicherheit wächst (LIFOS 3.7.2019, S. 27f). Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Der Stadt Kismayo - und damit der Regierung von Jubaland - wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der Regierung ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren (BFA 8.2017, S. 58f; vgl. BMLV 3.9.2019). Regierungskräfte kontrollieren die Stadt, diese ist aber von al Shabaab umgeben (LIFOS 3.7.2019, S. 27f); allerdings hat Jubaland die Front bis in das Vorfeld von Jamaame verschieben können. So ist al Shabaab zumindest nicht mehr in der Lage, entlang des Juba in Richtung Kismayo vorzustoßen. Trotzdem ist es der Gruppe möglich, punktuell auch in Kismayo Anschläge zu verüben (BMLV 3.9.2019).
Middle Juba: Die ganze Region und alle Bezirkshauptstädte (Buale, Jilib, Saakow) stehen unter Kontrolle der al Shabaab (PGN 8.2019; vgl. LI 21.5.2019a, S. 2; BS 2018, S. 15). Die Region gilt als Bastion der Gruppe (BFA 8.2017, S. 62).
Gedo: Die Städte Baardheere, Belet Xaawo, Doolow, Luuq und Garbahaarey sowie die Orte Ceel Waaq und Buurdhuubo werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert (PGN 8.2019). Faafax Dhuun und Buusaar wurden im März 2019 von kenianischen Truppen geräumt (BMLV 3.9.2019) und von al Shabaab übernommen (PGN 8.2019). Die Städte Luuq, Garbahaarey, Doolow und Baardheere können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).
Die Grenzstadt Doolow sowie Luuq und das direkte Grenzgebiet zu Äthiopien sind relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S. 64; vgl. PGN 8.2019). Die beiden genannten Städte werden als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S. 27f). Bilateral eingesetzte kenianische Truppen finden sich im Bereich zur Grenze, in Gherille und Bura Hacha (BMLV 3.9.2019). Trotzdem befinden sich weite Teile von Gedo im Bereich von al Shabaab. Dabei gilt Gedo als sicherer als Lower und Middle Juba. Dies kann mitunter auf die homogenere Bevölkerung und auf die starke Präsenz von Äthiopien und Kenia zurückgeführt werden (NLMBZ 3.2019, S. 22). Der Konflikt in Gedo besteht v. a. zwischen jenen Marehan, die für oder gegen al Shabaab eingestellt sind. Klare Trennlinien lassen sich hier nicht erkennen - auch nicht entlang der Clans. Dies sorgt insbesondere entlang der Grenze zu Kenia für Probleme, wo die Sicherheitslage zusätzlich durch Schmuggler verschlechtert wird (ME 27.6.2019).
In Gedo verfügt die nominell für die Region zuständige Regierung Jubalands nur über schwachen Einfluss. Die dort stehenden Teile der somalischen Armee (teils ehemalige Kämpfer der Ahlu Sunna Wal Jama'a, teils von Marehan-Milizen rekrutiert) kooperieren aber zunehmend mit Jubaland. Luuq und Garbahaarey werden als stabil beschrieben, auch Doolow floriert. Neben Kismayo