TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/4 W231 2198087-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2020
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Entscheidungsdatum

04.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W231 2198087-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, vertreten durch RA Dr. Gerhard Mory, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.07.2019 und am 18.09.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer [in Folge: "BF"] stellte am 05.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.11.2015 gab er an, er sei ledig, der Volksgruppe der Tadschiken und dem sunnitischen Islam zugehörig. Er sei in Maidan Shahr in Afghanistan geboren, habe zwölf Jahre die Grundschule in Kabul besucht, sei ein Jahr Wachebeamter beim Verteidigungsministerium und 3 Jahre Büroangestellter beim Innenministerium gewesen und habe zuletzt eine 6-monatige Ausbildung zum Mechaniker absolviert. Kontakt zu seiner Familie habe er telefonisch und über das Internet. Aus den Angaben zu seinem Wohnort ergibt sich, dass er in XXXX , einem westlichen Vorort von Kabul nahe der Universität gewohnt hat. Zu seinen Fluchtgründen sagte er aus, dass er ein Jahr lang beim Verteidigungsministerium gearbeitet habe. Die Taliban hätten ihn zur Kooperation aufgefordert und gewollt, dass er Sprengstoff ins Verteidigungsministerium schmuggle und dort deponiere, weshalb er gekündigt habe. Nach einem Jahr habe er dann angefangen, im Innenministerium zu arbeiten und habe elektronisch Geburtsurkunden erstellt. Die Taliban hätten wieder Kontakt zu ihm aufgenommen und verlangt, dass er im Innenministerium Sprengstoff deponiere. Da die Taliban diesmal damit gedroht hätten, ihn umzubringen, wenn er dies nicht mache, habe er Afghanistan verlassen.

I.3. Bei seiner Einvernahme am 19.12.2017 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Außenstelle Salzburg (in Folge: BFA) an, dass er im Kleinkindalter mit seiner Familie nach Kabul (Dorf XXXX ) gezogen sei, wo er die Schule nach zwölf Jahren mit Matura abgeschlossen habe; er habe auch in Kabul XXXX gelebt. Er spreche Englisch, Paschtu, Urdu und schon Deutsch, habe sechs Monate lang eine Ausbildung zum Mechaniker und eine Computerausbildung absolviert. Außerdem habe er militärischen Unterricht erhalten. Ab dem Jahr 2008 habe er für ca. zwei Jahre und sieben Monate im Verteidigungsministerium gearbeitet. Anfangs sei er einfacher Soldat gewesen und später aufgrund von Ausbildungen "Sergeant Major". Er habe damals im Büro Computerarbeit geleistet. Seine Aufgabe sei gewesen, die Soldaten von Kabul nach Mazar, Baghlan und Kunduz und umgekehrt zu schicken, was er vom Büro aus erledigt habe. Ab ca. 2013 bis zu seiner Ausreise habe er im Innenministerium im Büro gearbeitet; dort sei er für die Führung der Anwesenheitslisten der Angestellten und für die Lohnabrechnungen zuständig gewesen. Darüber hinaus habe er sehr kurz in der Nähe eines militärischen US-Flughafens als Hilfsarbeiter in einem Restaurant gearbeitet. Seine Mutter, seine zwei jüngeren Brüder und zwei Onkel lebten in Kabul. Seine Eltern seien getrennt und sein Vater komme auch ab und zu nach Kabul. Eine Tante mütterlicherseits lebe im Dorf XXXX in Kabul. Eine weitere Tante lebe dort auch irgendwo. Sein älterer Bruder sei in den USA, ein Onkel wohne in Schweden und ein Onkel mütterlicherseits halte sich in Belgien auf.

Zu den Fluchtgründen gab er auf das Wesentlichste zusammengefasst an, dass er wegen seiner Arbeit für das Verteidigungs- und Innenministerium von den Taliban als Ungläubiger bezeichnet worden sei. Er und seine Familie seien von den Taliban mit dem Tod bedroht worden. Sie hätten gesagt, dass der BF ihnen beitreten und sie beim Töten unterstützen solle. Eines Tages hätten die Taliban seinen kleineren Bruder entführt, vergewaltigt und ihm die Augen herausgeschnitten. Da er seine Familie nicht länger gefährden habe wollen, habe er das Verteidigungsministerium verlassen und seine Wohnadresse in Kabul gewechselt. Er sei ca. ein Jahr lang arbeitslos gewesen und habe dann angefangen, beim Innenministerium zu arbeiten. Als die Taliban von seiner Tätigkeit für das Innenministerium erfahren hätten, hätten die Drohungen wieder begonnen. Er habe nicht mehr weiter bei Behörden arbeiten können und ihm sei als einziger Ausweg Europa geblieben.

I.4. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 09.05.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgelegt (Spruchpunkt VI). Gemäß § 15b Abs. 1 ASylG wurde dem BF aufgetragen, ab 22.01.2018 in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF keine asylrelevanten Gründe für seine Ausreise aus Afghanistan glaubhaft machen habe können. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz gem. § 8 AsylG 2005 führen könnten.

I.5. Die Behörde gab dem BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG einen Rechtsberater für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bei.

I.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde. Zusätzlich brachte der BF dort auch vor, seine Zugehörigkeit zur tadschikischen Volksgruppe stelle einen weiteren Risikofaktor für seine Verfolgung in Afghanistan dar.

I.7. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W202 abgenommen und der Gerichtsabteilung W231 neu zugewiesen.

I.8. Am 28.06.2019 langten Integrationsunterlagen des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.9. Am 18.07.2019 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters und eines Vertreters der belangten Behörde statt. Der Rechtsvertreter des BF nahm in der Verhandlung Einsicht in den Akt. Der BF legte weitere Bescheinigungsmittel und diverse Integrationsunterlagen vor; zwei Zeugen zur Integration des BF wurden einvernommen. Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

I.10. Am 31.07.2019 legte der BF ein ärztliches Attest vor, wonach bei ihm Gastritis diagnostiziert und medikamentös behandelt werde.

I.11. Am 18.09.2019 fand am Bundesverwaltungsgericht die fortgesetzte mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters und eines Vertreters der belangten Behörde statt. Der BF legte weitere Bescheinigungsmittel und einen Länderbericht vor.

I.12. Am 08.10.2019 langte eine Stellungnahme des BF bei Gericht ein.

I.13. Am 19.11.2019 wurde dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, zur Stellungnahme ins Parteiengehör übermittelt.

I.14. Am 03.12.2019 langte eine Stellungnahme des BF beim Bundesverwaltungsgericht dazu ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der BF ist volljährig, führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischer Moslem. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er versteht auch Paschtu und spricht Englisch und Urdu.

II.1.2. Der BF ist in der Stadt Maidan Shahr in der Provinz Maidan Wardak geboren. Im Kleinkindalter zog er mit seiner Familie nach Kabul und lebte zuletzt im Stadtteil XXXX , einem westlichen Vorort von Kabul. Der BF hat die Schule nach zwölf Jahren mit Matura abgeschlossen hat. Danach hat er sechs Monate lang eine Ausbildung zum Mechaniker und im Zeitraum von 2010 bis 2012 eine IT-Ausbildung absolviert. Ab dem Jahr 2008 hat er für ca. zwei Jahre und sieben Monate im Verteidigungsministerium gearbeitet und im Innendient Computerarbeit geleistet. Ab ca. 2013 bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan hat er im Innenministerium als Assistent bei der Registrierung elektronischer Tazkiras im Büro gearbeitet und war auch für die Lohnverrechnung und die Bestellung von Büromaterial zuständig.

Es kann nicht festgestellt, dass der BF auf/für einen amerikanischen Stützpunkt gearbeitet hat.

II.1.3. Seine Mutter, seine zwei jüngeren Brüder und zwei Onkel leben in Kabul. Der BF hat Kontakt zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern und steht auch mit seinen ehemaligen Arbeitskollegen in Kabul über Facebook in Kontakt. Sein Vater kommt auch ab und zu nach Kabul. Eine Tante mütterlicherseits lebt im Dorf XXXX in Kabul. Eine weitere Tante lebt auch dort in der Nähe. Sein älterer Bruder lebt in den USA, studiert dort Zahnmedizin, arbeitete nebenbei und unterstützt von den USA aus die Mutter und Geschwister. Ein Onkel des BF wohnt in Schweden, ein anderer hält sich in Belgien auf.

II.1.4. Der BF wurde vom LG für Strafsachen XXXX am 14.02.2018 (GZ: XXXX ) rechtskräftig wegen, des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

II.1.5. Der BF steht wegen Gastritis und Lumboischialgie rechts in ärztlicher Behandlung. Er wird mit Antirheumatika und Pantoprazol behandelt.

Der BF ist arbeits- und erwerbsfähig.

II.1.6. Der BF stellte nach seiner illegalen Einreise in Österreich am 05.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

II.1.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch die Taliban aufgrund seiner Tätigkeiten für das Verteidigungs- und Innenministerium und/oder seiner Weigerung, mit den Taliban zusammenzuarbeiten, oder der Dolmetschertätigkeiten seines älteren Bruders für die US-Armee verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe seitens der Taliban zu befürchten hätte. Die vom BF vorgebrachten Gründe für seine Ausreise werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.

Der BF konnte insgesamt nicht glaubhaft machen, dass er seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und eine mit dieser zusammenhängende (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung zu befürchten hätte.

II.1.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan in seinem Recht auf das Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Der BF kann nach Kabul zurückkehren; es steht ihm auch eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung.

Bei einer Rückkehr bzw. Neuansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif und Herat wird er grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen können, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF verfügt über Schulbildung (Abschluss nach zwölf Jahren mit Matura), Berufsbildung (als Mechaniker und im IT-Bereich) und langjährige Berufserfahrung. Er war im Innendienst im Verteidigungs- und Innenministerium tätig. Er könnte seiner Schul- und Berufsausbildung entsprechend eine Erwerbstätigkeit ausüben. Er spricht bzw. versteht beide Landessprachen des Herkunftsstaates, spricht daneben auch Urdu und Englisch, und hat bis zu seiner Ausreise in Afghanistan gelebt, ist somit mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut.

Der BF hat Angehörige in Kabul und einen Bruder in den USA, der aktuell die Mutter und Geschwister unterstützt; es ist zu erwarten, dass er auch den BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützen wird. Eine räumliche Trennung steht dem nicht entgegen, zumal der Bruder aus den USA bereits derzeit die Mutter und die Brüder des BF in Afghanistan unterstützt. Angesichts seiner Schul- und Berufsbildung, seiner langjährigen Berufserfahrung und mit Unterstützung seiner Angehörigen wird ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage auch in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat möglich sein. Er hat keine Sorgepflichten. Seine Existenz könnte er - zumindest anfänglich - ebenso mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Die Städte Mazar-e Sharif und Herat sind mittels Flugzeug problemlos und sicher erreichbar. Er kann auch Unterstützungsleistungen für Rückkehrer in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

II.1.10. Der BF war seit seiner Asylantragstellung in Österreich für die Dauer seines Asylverfahrens bisher bloß vorläufig aufenthaltsberechtigt. Der BF hält sich seit seiner Einreise nach Österreich im November 2015 seit etwas mehr als vier Jahren im Bundesgebiet auf und konnte spätestens ab Erhalt der seinen Asylantrag abweisenden Entscheidung vom 09.05.2018 nicht mit einem weiteren Bleiberecht in Österreich rechnen.

Der BF lebt von der Grundversorgung. Er ist in Österreich nie einer regelmäßigen Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachgegangen, und somit nicht selbsterhaltungsfähig. Er hat im Sommer 2019 als Saisonarbeitskraft gearbeitet.

Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen.

Der BF hat Deutschkurse bis zum Sprachniveau A2/3 besucht, derzeit besucht er keinen Deutschkurs. Er hat das ÖSD-Zertifikat für das Sprachniveau A1 gut bestanden und spricht schon recht gut Deutsch.

Der BF hat von September bis Dezember 2017 einen Pflichtschulabschlusskurs besucht. Von August 2017 bis Februar 2018 hat er sich bei einer Einrichtung der Caritas freiwillig engagiert und von März 2016 bis Anfang Jänner 2018 als ehrenamtlicher Mitarbeiter eines Wohnservice geholfen, Veranstaltungen vorzubereiten, kleine Reparaturen durchzuführen und Hilfstätigkeiten zu erledigen. Außerdem unterstützt er seit September 2016 ehrenamtlich ein "Repair-Café". Vom 01.04.-14.05.2019 war der BF im Rahmen eines sozialen Projektes "Gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerbende" einem Seniorenwohnhaus zugeteilt. Er hat auch verschiedene Veranstaltungen und Workshops besucht, und an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Im Schuljahr 2018/19 hat er eine Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt besucht. Ein Semesterzeugnis für das Wintersemester 2018 für den Vorbereitungslehrgang für Berufstätige für die Fachrichtung Maschinenbau wurde vorgelegt.

In seiner Freizeit spielt der BF Fußball; er ist aktives Vereinsmitglied eines Fußballvereins und hat freundschaftliche Kontakte zu den anderen Spielern geknüpft.

II.1.11. Zur aktuellen Situation in Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019::

Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 13.11.2019 - LIB 13.11.2019, S. 12).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 13.11.2019, S. 18). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 13.11.2019, S. 18ff).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19).

Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registrierten, im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, S. 24).

Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 1.12.2018 und 15.5.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, S. 25).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).

Taliban: Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 26; S. 29). Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 27). Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, S. 27).

Haqani-Netzwerk: Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, S. 27).

Islamischer Staat (IS/DaesH) - Islamischer Staat Khorasan Provinz: Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, S. 27f).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungszeile bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, S. 29).

Al-Qaida: Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, S. 29).

Sicherheitsbehörden:

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, S. 249).

Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, S. 251).

Kabul:

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans. Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Die Stadt Kabul ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 (LIB 13.11.2109, S. 36). Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt (LIB 13.11.2109, S. 38). Die Stadt Kabul ist über Hauptstraßen mit den anderen Provinzen des Landes verbunden und verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB 13.11.2109, S. 37; S. 237).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele durch, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Hauptursache für zivile Opfer in der Provinz Kabul (596 Tote und 1.270 Verletzte im Jahr 2018) waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 38ff).

In Kabul leben 70.000 bis 80.000 Binnenvertriebene (LIB 13.11.219, S. 41).

Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Es gibt eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Die besten (Arbeits-)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul.

Mazar-e Sharif:

Die Provinzhauptstadt von Balkh ist Mazar-e Sharif. Die Provinz Balkh liegt im Norden Afghanistan und ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Es leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, S. 62). Im Jahr 2018 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 63).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen. Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, S. 61; S. 336).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB 13.11.2019, S. 347).

Herat:

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und ist eine der größten Provinzen Afghanistans. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 105). Die Provinz verfügt über 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 106).

Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen erreichbar (LIB 13.11.2019, S. 106).

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. In der Stadt Herat steigt die Kriminalität und Gesetzlosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 106). Im Jahr 2018 gab es mit 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat einen Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen. Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 108f).

Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB 13.11.2019, S. 336).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, S. 327).

Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, S. 328).

Internet und Mobiltelefonie

Der Zugang zum Internet wird von staatlicher Seite nicht eingeschränkt und es gibt keine Berichte zu Überwachung privater Online-Kommunikation ohne rechtliche Genehmigung. 2017 hatten 11,4% der Bevölkerung Zugang zu Internetverbindungen, hauptsächlich in städtischen Gebieten. Mit Stand 2016 war GSM-Netz in Kabul und allen 34 Provinzen verfügbar. Förderungen für den ländlichen Raum haben die Netzabdeckung in abgelegenen Gebieten verbessert und 85% der Bevölkerung leben in Gebieten, die vom GSM-Netz abgedeckt sind.

In Gebieten unter Talibankontrolle werden den Mobilfunkanbietern Vorgaben gemacht, wann das Netzwerk zur Verfügung gestellt werden darf; häufig müssen die Netze nach Einbruch der Dunkelheit abgeschaltet werden. Die Mobilfunkbetreiber kommen den Anweisungen in der Regel nach, da in den vergangenen Jahren teure Infrastruktur zerstört und Ingenieure und Angestellte angegriffen und getötet wurden, wenn Anweisungen der Aufständischen nicht befolgt worden sind. Der regierungsnahe Mobiltelefonanbieter Salam ist in den von Taliban kontrollierten Gebieten gesperrt. Die Taliban kontrollieren Handys nach Salam-SIM-Karten. Sollte man mit einer solchen SIM-Karte erwischt werden, wird die Karte wahrscheinlich zerstört und deren Besitzer geschlagen (LIB 13.11.2019, S. 269).

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, S. 264).

Medizinische Versorgung:

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, S. 344).

Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, S. 345).

Wirtschaft

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, S. 333).

Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 334f).

In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als In ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).

Rückkehrer:

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, S. 353).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, S. 354).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, S. 354).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, S. 355).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, S. 355).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, S. 355).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, S. 356).

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, S. 356).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, S. 362).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, S. 287f).

Tadschiken

Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan und hat einen deutlichen politischen Einfluss im Land. Sie machen etwa 27 bis 30% der afghanischen Bevölkerung aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan (Provinzen Badakhshan, Takhar, Baghlan, Parwan, Kapisa und Kabul) bilden Tadschiken in weiten Teilen des Landes ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIB 13.11.2019, S. 285).

Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken im Gegensatz zu den Paschtunen keine Stammesorganisation. Aus historischer Perspektive identifizierten sich dari-persisch sprechende Personen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa durch das Siedlungsgebiet oder der Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Panjsher) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete ursprünglich traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Heute werden unter dem Terminus tajik "Tadschike" fast alle dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammengefasst (LIB 13.11.2019, S. 286).

Tadschiken dominierten die "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, welche die Taliban bekämpfte und nach dem Fall der Taliban die international anerkannte Regierung Afghanistans bildete. Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien, die dominierendste davon ist die Jamiat-e Islami, vertreten (MRG o.D.b). Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 13.11.2019, S. 286).

Religionen:

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).

Auszug aus dem LIB Afghanistan in der Fassung 29.06.2018:

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar.

2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Die Identität des BF ergibt sich aus seinen im verwaltungsbehördlichen, wie auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getätigten gleichbleibenden Angaben dazu. Er legte im Laufe des Verfahrens Identitätsdokumente vor, wie die englische Übersetzung seiner Tazkira, einen afghanischen Führerschein und einen Dienstausweis. Das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen § 223 StGB aufgrund des Verdachts auf Fälschung des vorgelegten Führerscheins wurde eingestellt (OZ 22).

Die Staats-, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des BF beruhen auf seinen diesbezüglich ebenfalls glaubwürdigen Angaben im Verfahren.

Die Feststellungen zu den individuellen Verhältnissen des BF in seinem Herkunftsstaat, insbesondere auch zu seinem Schulbesuch und seiner Berufserfahrung, beruhen zunächst auf seinen ebenfalls glaubwürdigen Aussagen im Lauf des Asylverfahrens und den von ihm vorgelegten Bescheinigungsmitteln.

In der Erstbefragung gab er an, dass er von 1997 bis 2009 die Grundschule in Kabul besucht habe (AS. 3). In der Einvernahme vor dem BFA verwies er anfangs darauf, dass das Protokoll der Erstbefragung hinsichtlich seiner Schuldaten Fehler aufweise (AS. 57). Richtigerweise habe er nach zwölfjährigem Schulbesuch im Jahr 2007 maturiert (AS. 57). Er legte diesbezüglich ein Abschlusszeugnis vor (AS. 89).

Zu seiner Berufsausbildung und Arbeitstätigkeit führte er in der Erstbefragung aus, dass er von 2010 bis 2012 eine Ausbildung zum Informatiker gemacht habe. Er sei ein Jahr lang Wachebeamter beim Verteidigungsministerium und drei Jahre lang Büroangestellter beim Innenministerium gewesen. Zuletzt habe er eine sechsmonatige Ausbildung zum Mechaniker absolviert (AS. 2 f., 6 f.). Vor der belangten Behörde erklärte er, dass er länger beim Verteidigungsministerium gearbeitet habe (AS. 57). Er habe ab dem Jahr 2008, für ca. zwei Jahre und sieben Monate, im Verteidigungsministerium gearbeitet. Er sei damals in Kabul und in Nordafghanistan (Mazar) im Einsatz gewesen. Er habe im Büro Computerarbeit geleistet. Seine Pflicht sei es gewesen, Soldaten von Kabul nach Mazar, Baghlan, Kunduz und zurück zu schicken. Dies habe er vom Büro aus erledigt. Ab ca. 2013 bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan habe er im Innenministerium gearbeitet. Auch dort sei er im Büro tätig gewesen und für die Führung der Anwesenheitslisten der Angestellten, für die Lohnabrechnungen und auch für Logistik (z.B. Büromaterial) zuständig gewesen. Er habe Formulare für die Tazkiras erhalten und habe diese an verschiedenen Orten verteilen müssen. Diese Ausführungen bestätigen auch die von ihm vorgelegten Nachweise über Ausbildungen bzw. Schulungen, Arbeitsverträge und sonstige Schreiben der Personalabteilungen des Verteidigungsministeriums bzw. afghanischen Militärs sowie des Innenministeriums (AS. 95-159.). Außerdem legte der BF auch Bestätigungen über seine Aus- und Weiterbildungen zum Mechaniker und Informatiker vor (AS. 91-93, 115, 125, 129).

In der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2019 änderte der BF seine Aussagen hinsichtlich seiner Aufgaben beim Verteidigungsministerium massiv dahingehend, dass er nunmehr behauptete, für den Transport der neuen Rekruten von Kabul nach Mazar-e Sharif und in die Provinz Kunduz persönlich verantwortlich gewesen zu sein; insbesondere sprach er widersprüchlich zu seinen Angaben vor dem BFA, wo er eine reine Bürotätigkeit behauptete, davon, dass er die Rekrutentransporte von der Ausbildungskaserne in die jeweilige Einsatzkaserne persönlich begleitet habe (VHS1 S. 8, 13 f.). Es ist jedoch keineswegs nachvollziehbar, dass der BF diese wichtige Aufgabe erst in der mündlichen Verhandlung erwähnen würde, zumal dies im Zusammenhang mit dem Kern seines Fluchtvorbringens, nämlich der Bedrohung durch die Taliban, steht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der BF durch dieses gesteigerte Vorbringen versuchte, seiner Fluchtgeschichte Nachdruck zu verleihen bzw. noch eine neue Facette hinzuzufügen. In der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung brachte der Rechtsvertreter des BF anfangs vor, dass sich in Korrektur und Ergänzung der Verhandlungsschrift vom 18.07.2019 bei der Vorbesprechung herausgestellt habe, dass der BF eine dreimonatige und anschließend eine sechswöchige militärische Ausbildung in Mazar-e Sharif absolviert habe. Der BF erklärte über Nachfrage, dass es keine weiteren wichtigen Details gebe. Im Widerspruch dazu entgegnete sein Rechtsvertreter, dass dem BF von seinem Vorgesetzten in Mazar-e Sharif befohlen worden sei, in das Verteidigungsministerium zu wechseln und den gefährlichen Job der Begleitung von Soldaten von Kabul nach Mazar-e Sharif und andere Orte zu übernehmen (Verhandlungsschrift vom 18.09.2019 [in Folge: "VHS2"] S. 3 f.). Von sich aus brachte der BF diesen Befehl nicht vor, was ebenfalls ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens in diesem Punkt ist. Schließlich ist im Rahmen der Beweiswürdigung besonders zu erwähnen, dass es dem BF in der mündlichen Verhandlung auch keineswegs gelungen ist, der erkennenden Richterin anschaulich seine Tätigkeit als Begleiter des Rekrutentransports darzulegen (VHS1, S. 13 ff). Es war daher davon auszugehen, dass der BF im Verteidigungsministerium im Innendienst und jedenfalls nicht im Außendienst arbeitete.

Dass er dort eine leitende Position innegehabt hätte, war auch nicht festzustellen: Laut eigenen Angaben in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung hatte der BF den Rang Unteroffizier, "den dritten Rang von unten nach oben", innegehabt (VHS2 S. 12). Die in den vorgelegten Bescheinigungsmitteln verwendete Bezeichnung Sergeant bzw. Korporal sowie das auf den Fotos sichtbare Dienstgradabzeichen auf der Uniform des BF bestätigen diese Angaben. Aus den, im Akt einliegenden, Arbeitsverträgen geht hervor, dass der BF einem Abteilungsleiter hierarchisch untergeordnet und berichtspflichtig war (AS. 149). Entgegen der Stellungnahme vom 08.10.2019 genügt die Teilnahme des BF an einem Seminar aller Personalabteilungschefs der afghanischen Armee, bei dem auch sein ehemaliger Vorgesetzter anwesend war, nicht für die Annahme, dass der BF selbst eine hohe Stellung im Ministerium innehatte.

Der BF wurde eingangs in der ersten mündlichen Verhandlung zur Verständigung mit den Dolmetschern bei seinen früheren Einvernahmen befragt und antwortete, dass er die Dolmetscherin bei der Einvernahme vor der belangten Behörde gut verstanden habe, es aber Fehler im Protokoll gegeben habe. Er habe die Dolmetscherin bei der Rückübersetzung auf einen Fehler aufmerksam gemacht, dieser Einwand sei jedoch lediglich als Ergänzung ins Protokoll aufgenommen worden (VHS1 S. 5). Diese Ergänzung der Niederschrift betrifft aber die, an den BF gerichteten, Forderungen der Taliban und nicht seinen Aufgabenbereich im Verteidigungsministerium (AS. 66). Nachgefragt, ob er diesen vermeintlichen Fehler in der Beschwerde moniert habe, erwiderte er ausweichend, dass er während der Verfassung der Beschwerde beim VMÖ darauf bezuggenommen habe, aber nicht wisse, ob dies tatsächlich in erwähnt worden sei oder nicht. Aus der Beschwerde des BF lassen sich jedenfalls keine Hinweise für Verständigungsprobleme mit der Dolmetscherin vor dem BFA ableiten. Der Rechtsvertreter des BF beantragte in der fortgesetzten Verhandlung die Einholung eines sprachwissenschaftlichen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Unterschiede zwischen Dari und Farsi sprachlich so groß seien, dass eine Dolmetscherin, deren Muttersprache Farsi sei, einen Asylwerber, deren Muttersprache Dari sei, nicht zu hundert Prozent verstehen könne und dieses Verständigungsproblem auch wechselseitig beim Asylwerber bestehe (VHS2 S. 24 f.).

Wie in der Stellungnahme vom 08.10.2019 ausgeführt wurde, unterscheidet sich Dari nur durch Phonetik, Akzentuierung und Silbenstruktur vom Farsi. Insbesondere hat aber der BF nach eigener Einschätzung die Dolmetscherin gut verstanden und es haben sich weder aus der Niederschrift noch aus der Beschwerde Anzeichen für Verständigungsprobleme ergeben. Dass im Protokoll des BFA, betreffend die Verletzung des Bruders des BF, steht, diesem seien "die Augen herausgeschnitten" worden, obwohl der BF gesagt habe, dass dieser eine Schnittverletzung im Auge erlitten habe, stellt zwar eine geringfügige Abweichung in der Formulierung, jedoch keine wesentliche inhaltliche Diskrepanz dar. In der fortgesetzten mündlichen Verhandlung erklärte der BF zudem, dass er gesagt habe, er habe Ende September oder Anfang Oktober Afghanistan verlassen, im Protokoll stehe nur Ende September. Die Dolmetscherin habe eine Zeitangabe weggelassen (VHS2 S. 14). Doch auch dieser, bis dahin nicht geltend gemachte, Umstand stellt keinen beachtlichen Übersetzungsmangel dar. Aufgrund dieser Erwägungen ergeben sich keine begründeten Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der BFA-Niederschrift, die vom BF auch mit seiner Unterschrift bestätigt wurde. Ob es im konkreten Fall tatsächlich Verständigungsprobleme zwischen dem BF und dem jeweiligen Dolmetscher gab, ist letztlich einem sprachwissenschaftlichen Gutachten nicht zugänglich. Bezüglich des Beweisantrags ist daher aus der Aktenlage, insbesondere den Angaben des BF und den Ausführungen in der Stellungnahme vom 08.10.2019 die Sachlage ausreichend und klar dargelegt, dem Beweisantrag war daher nicht nachzukommen.

Weiters gab der BF bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass er sehr kurz in der Nähe eines militärischen US-Flughafens in Kabul, als Hilfsarbeiter in einem Restaurant, gearbeitet habe. Wann er dort gearbeitet habe, wisse er nicht mehr (AS. 59). In der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2019 meinte er, dass er im Zeitraum zwischen 2011 und 2013 für weniger als einen Monat in einem amerikanischen Stützpunkt, der hinter dem Flughafen gelegen habe, durch seine Zusammenarbeit, von zu Hause aus, geholfen habe (VHS1 S. 7). Aufgrund dieser sehr oberflächlichen und teils divergierenden Darstellung konnte nicht festgestellt werden, dass der BF für/auf einen/m amerikanischen Stützpunkt gearbeitet hat.

II.2.2. Die Feststellungen zu der Lebenssituation der Familienangehörigen des BF in Afghanistan gründen auf den Angaben des BF im Rahmen des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab er an, dass seine Mutter, seine zwei jüngeren Brüder und zwei Onkel in Kabul lebten. Sein Vater komme auch ab und zu nach Kabul. Eine Tante väterlicherseits wohne im Dorf XXXX in Kabul und eine andere Tante lebe auch dort irgendwo (AS. 58 f.).

In der ersten mündlichen Verhandlung sagte der BF dann aus, dass sich seine Mutter und seine jüngeren Brüder mittlerweile in der Türkei aufhielten. Als Grund für ihren Umzug nannte der BF die Vergewaltigung seines Bruders durch die Taliban (VHS1 S. 7). In der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung konkretisierte er diese Angaben dahingehend, dass seine Mutter und seine Brüder ca. drei Monate, bevor er seine Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid beim VMÖ eingelegt habe, in die Türkei gezogen sei (VHS2 S. 10). Die vorgebrachte Vergewaltigung steht allerdings im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen des BF. Da aber das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft ist (siehe dazu Punkt II.2.2.1.), entfällt auch der vom BF angeführte Grund für den Umzug seiner Mutter und seiner Brüder in die Türkei. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die angebliche Vergewaltigung des Bruders des BF bereits stattgefunden haben soll, als der BF beim Verteidigungsministerium gearbeitet hat (ca. 2008-2011), sodass auch keineswegs nachvollziehbar ist, dass die Mutter bei Bedrohung der Familie aus diesem Grund danach noch Jahre mit dem Umzug in die Türkei zugewartet haben soll. Es haben sich auch keine sonstigen konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Mutter und die jüngeren Brüder des BF tatsächlich in die Türkei gegangen wären; der BF hat dafür auch keine Belege vorgelegt. Ganz abgesehen davon findet wird auch in der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid nicht dargelegt, dass sich die persönliche Situation des BF insofern geändert hat, als dass seine Kernfamilie nun in die Türkei geflohenen sei, obwohl die Flucht der Mutter vor Einbringung der Beschwerde stattgefunden haben soll. Da noch weitere Familienangehörigen des BF in Afghanistan leben, bestehen für die Mutter und Geschwister wesentliche Bindungen an seinen Herkunftsstaat, sodass ein Aufenthalt seiner Mutter und seiner jüngeren Brüder dort naheliegend ist. Vor diesem Hintergrund ist hingegen ein Umzug in die Türkei, wo sie mangels Aufenthaltstitel Gefahr laufen, wieder abgeschoben zu werden und die Existenzgründung entsprechend erschwert ist, ohne konkreten Anlass unwahrscheinlich. Daher konnte nicht festgestellt werden, dass seine Mutter und seine jüngeren Brüder Kabul verlassen haben und in die Türkei gezogen sind.

Zum Aufenthaltsort seiner übrigen Familienangehörigen, die in Kabul aufhältig waren, führte der BF in der ersten mündlichen Verhandlung nur vage aus, dass er nicht wisse, wo sie jetzt seien (VHS1 S. 6). Er verwies dabei auf die unsichere Lage in Kabul, ein konkreter Grund oder Hinweis auf einen Wohnortwechsel seiner Verwandten ergibt sich aus seinen Angaben jedoch nicht. Es ist jedoch nicht überzeugend, dass der BF den konkreten Aufenthalt seiner Angehörigen nicht kennt, insbesondere da er mit seiner Mutter und Geschwistern in Kontakt steht. Wie sich bereits aus dem LIB idF 29.06.2018 ergibt, ist die Großfamilie die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Insgesamt geht die erkennende Richterin daher davon aus, dass Angehörige des BF weiter in Kabul leben.

Dass er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Kontakt steht lässt sich aus seiner Aussage vor dem BFA ableiten (AS. 59). Einen Kontaktabbruch zu seiner Mutter oder seinen Geschwistern hat er in den beiden Verhandlungen nicht vorgebracht.

In der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung gab der BF a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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