TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/4 W159 2182919-1

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Veröffentlicht am 04.03.2020
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Entscheidungsdatum

04.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2182919-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2017, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

2. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

3. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 04.03.2021 erteilt.

4. Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig, schiitischer Moslem, zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig, nunmehr volljährig und ledig gelangte am 05.10.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am gleichen Tag erfolgte die Erstbefragung durch das XXXX .

Er gab befragt zu seinem Fluchtgrund an, sein Vater habe bei der nationalen Armee gearbeitet. Seiner Mutter, sei nachdem sie von bärtigen Männer geschlagen worden sei, gedroht worden, sie würden ihren Sohn entführen.

Am 29.11.2017 erfolgte die Niederschrift im Verfahren vor der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer gab an, er habe auf Anweisung seines Schleppers eine falsche Fluchtgeschichte angegeben, um einen positiven Asylbescheid zu erhalten. Nunmehr erklärte er die Fluchtgründe seiner nachgereisten Eltern zu seinen Fluchtgründen.

Der Beschwerdeführer gab an, er habe selbst beschlossen den Iran zu verlassen. Am Anfang seien seine Eltern nicht einverstanden gewesen. Er habe nach Österreich reisen wollen, weil seine Freunde auch nach Österreich gereist seien. Sein Vater hätte schwer im Iran gearbeitet und seine Flucht bezahlt.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid von 06.12.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § Abs. 8 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 Asyl wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig. Es bestehe eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, seine Eltern und sein Bruder würden ebenfalls mit demselben Datum eine Rückkehrentscheidung erhalten.

In der Beschwerde, vertreten durch den XXXX , welche fristgerecht am 28.12.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte, wurde der Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten.

Der Eltern des Beschwerdeführers hätten Afghanistan verlassen, weil der Vater des Beschwerdeführers Grundstückschwierigkeiten mit seinen Nachbarn, der ein Taliban gewesen sei, gehabt hätte. Dies habe die belangte Behörde nicht näher hinterfragt und sei damit der Pflicht gem § 18 Abs. 1 AsylG nicht ausreichend nachgekommen. Bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiären Schutz sei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen seien, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK vestoßenden Behandlung drohe. Hier sei die volatile Sicherheitslage in Afghanistan nicht beachtet worden.

An der öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.01.2020 nahmen der Beschwerdeführer, seine Eltern und sein jüngerer Bruder, alle als Beschwerdeführer, ihre Rechtsvertretung und eine Dolmetscherin teil. Ein Vertreter der belangten Behörde ist entschuldigt nicht erschienen.

Der Beschwerdeführer hielt seine Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er brachte vor, er sei im Iran und nicht in Afghanistan geboren worden. Er bestätigte, bei der Ersteinvernhme nicht die Wahrheit gesprochen zu haben.

Er sei afghanischer Staatsangehöriger, im Iran geboren worden und habe immer im Iran gelebt. Er habe die Möglichkeit gehabt eine öffentliche iranische Schule zu besuchen. Die Familie habe einen Aufenthaltstitel gehabt, welcher jährlich verlängert worden sei. Er sei acht Jahre zur Schule gegangen. Der Vater hätte die Familie versorgt. Im Sommer hätte er Gelegenheitsarbeiten am Bau verrichtet. Einen fixen Job habe er nicht gehabt.

Der Beschwerdeführer gab an, er habe keine Probleme in Afghanistan gehabt, weil er nie dort gewesen sei. Im Iran sei er von seinen Mitschülern gemobbt worden und als Afghane beschimpft worden. Er sei damals 14 Jahre alt gewesen.

Nachgefragt gab er an, er habe den Iran alleine verlassen, weil er dort nicht mehr leben habe können. Dies habe er auch seinen Eltern mitgeteilt. Er habe seine Eltern in Österreich wieder getroffen.

Er besuche zurzeit das Abendgymnasium als außerordentlicher Schüler um Deutsch zu lernen. Er habe den Pflichtschulabschluß gemeistert, habe einige Praktika als KFZ-Mechaniker und bei " XXXX " als Verkäufer gearbeitet. Er sei Mitglied in einem " XXXX " und habe einen Kampfpass erworben. Er habe sehr viele österreichische Freunde und hätte schon eine österreichische Freundin gehabt. Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, er sei nie in Afghanistan gewesen, habe niemals dort gelebt und wisse nicht, wie es dort sei. Er komme mit Afghanen und deren Benehmen auch in Österreich nicht zurecht.

In der übermittelten Stellungnahme vom 04.02.2020 würde auf die prekäre Situation in Afghanistan hingewiesen.

Der Beschwerdeführer ist nicht strafrechtlich verurteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an, war zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig, ist nunmehr volljährig, ledig und schiitischer Moslem. Er ist spätestens am 05.10.2015 alleine, schlepperunterstützt in das Bundesgebiet eingereist und hat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er wurde in Österreich mit seinen Eltern und jüngeren Bruder zusammengebracht. Diese sind ebenfalls illegal zwei Monate später in das Bundesgebiet eingereist.

Es besteht ein enger familiärer Zusammenhalt, er lebt mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder in einem Haushalt. Der Beschwerdeführer ist bemüht sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und seine Eltern zu unterstützen. Er hat den Pflichtschulabschluß bestanden und besucht zurzeit das Abendgymnasium für Berufstätige. Er ist ein kämpfendes Mitglied in einem internationalen Boxclub.

Der Vater des Beschwerdeführers ist laut vorliegenden Befunden schwer krank. Neben einer Nierenerkrankung kann aufgrund der Symptome der erkrankten Mundschleimhaut Morbus Paget (=Osteodystrophia) nicht ausgeschlossen werden. Des weiterem besteht ein tubuläes Adenom und der Verdacht auf Morbus Bahcet eine chronische autoimmun bedingte Entzündung der Gefäße. Er benötigt eine laufende, umfassende ärztliche Behandlung und Medikation.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bemüht die deutsche Sprache zu lernen. Er hat während seines Aufenthalts in Österreich laufend ehrenamtlich einerseits in seiner ehemaligen Aufnahmegemeinde und beim XXXX gearbeitet. Der Vater des Beschwerdeführers ist bemüht sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und hat auch österreichische Freunde gefunden. Er ist arbeitswillig, wäre jedoch nicht in der Lage, das Lebensnotwendige durch Erwerbsarbeit in Afghanistan zu erwirtschaften.

Der Vater des Beschwerdeführers hat ebensowenig wie der Beschwerdeführer ein tragbares soziales Netzwerk in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat sich noch nie in Afghanistan aufgehalten.

Der Beschwerdefüher ist nicht strafrechtlich verurteilt lt. Strafregisterauszug.

Beweis wurde erhoben durch Einvernahmen des Beschwerdeführers

- durch Erstbefragung der Abteilung Femdenpolizei und Anhaltevollzug am 05.10.2015

- durch Einvernahme durch das BFA, Regionaldirektion Kärnten am 29.11.2017

- durch Befragung des Beschwerdeführers, seiner Eltern und seines Bruders im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.01.2020 sowie durch Vorhalt des aktuellen Länderinformationsblattes zu Afghanistan (soweit verfahrensrelevant) durch das Bundesverwaltungsgericht.

2. Beweiswürdigung:

Dem Vater des Beschwerdeführers wurde der Statss des subsidiär Schutzberichtigen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

In Anbetracht der Gewährung von subsidiären Schutz im Familienverfahren war es nicht notwendigeigene Länderfeststellungen zu treffen.

Festzustellen waren jedoch die nachhaltigen Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.

Zu A):

Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat. Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Beschwerdeführer außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.). Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, 90/01/0041).

Im vorliegenden Fall flohen die Eltern des Beschwerdeführers vor seiner Geburt in den Iran. Der Beschwerdeführer ist im Iran aufgewachsen und zur Schule gegangen. Er wurde in der iranischen Schule als Afghane gemobbt.

Eine etwaige unwürdige Behandlung im Iran ist nicht asylrelevant. Die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt (VwGH 08.11.1989, 89/01/0338). Eine Abweisung eines Antrags auf Asyl ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sich die vom Asylwerber konkret geschilderten, seine betreffenden Fluchtgründe nicht auf eine Bedrohung in seinem Herkunftsstaat beziehen, sodass insofern keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde (VwGH 02.03.20016, 2004/20/020).

Auch das Bundesverwaltungsgericht konnte keine Anhaltspunkte für eine asylrelevante Gefährdung im Herkunftsstaat ableiten. Für den Beschwerdeführer war dementsprechend auch keine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, fassbar. Daher war dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

2. und 3. Zu Spruchpunkt II. und III.:

§ 34 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

Dem Asylwerber ist gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.).

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.40.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes."

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art. 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt.

Mit seinem Vater führt der Beschwerdeführer ein Familienleben. Er und sein Vater sind Familienangehörige gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, wonach dem Beschwerdeführer ein Familienleben getrennt von seinem Vater in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre.

In Hinblick auf die Eigenschaft als Familienangehöriger, welcher von seinen Eltern (Vater) ableiten möchte ist auf den Zeitpunkt der Antragsstellung abzustellen. Es muss, um Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu gelten, in diesem Zeitpunkt minderjährig und ledig sein. Der Eintritt der Volljährigkeit schadet nicht. Es ergeben sich auch aus den Erläuterungen zu § 34 AsylG 2005 keine Hinweise daraufm dass der BEgirff "Familienangehöriger" innerhalb des § 34 AsylG 2005 unterschiedlich aufzufassen sei und daher insbesondere der in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 verwendeten Begriff des "minderjährigen ledigen Kinder". (VwGH 29.04.2019, Ra 2018/20/0031, Rn 31).

Der Vater des Beschwerdeführers, aber auch der Beschwerdeführer würden vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der sie betreffenden individuellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht in Betracht kommt, zumal er dort kein normales Leben ohne unangemessene Härten führen kann (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/001).

Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen würde (siehe auch BVwG vom 04.09.2019, Zahl: W246 2183379-1/11E und mündlich verkündetes Erkenntnis des BVwG vom 24.06.2019, W252 2155351-1/E.

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG 2005) und der BF andererseits unbescholten ist (Z 3 leg.cit.).

Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war stattzugeben, da dem Vater des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt wurde. Dementsprechend ist dem Beschwerdeführer, gemäß § 34 AsylG wie oben bereits ausgeführt, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 war dem Beschwerdeführer daher auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in der Dauer von einem Jahr zu erteilen.

4. Behebung Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Auf Grund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten waren die Spruchpunkte IV. - VI. des angefochtenen Bescheides- gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) - ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Familienverfahren Glaubhaftmachung Herkunftsstaat mangelnde Asylrelevanz subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W159.2182919.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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