TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W233 2219942-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W233 2219942-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Turkmenistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019, Zl. 468497408 - 150861181, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.03.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Turkmenistan auf Dauer unzulässig ist und XXXX gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 AsylG, 58 Abs. 2 AsylG, in Verbindung mit § 55 Abs. 1 AsylG, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste am 16.05.2015 unter Verwendung eines ihr von der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Schengen-Visums legal in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein.

Die Beschwerdeführerin stellte am 15.07.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG.

Am 27.12.2016 erfolgte die niederschriftliche Befragung der Beschwerdeführerin zur ihrem Antrag nach § 56 AsylG vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. In dieser Befragung erläuterte die Beschwerdeführern, dass sie diesen Antrag auf Grund ihrer Krebserkrankung gestellt habe. Zudem brachte sie in dieser Einvernahme vor, dass sie vor ihrer Einreise am 16.05.2015 von November 2008 bis März 2014 rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen sei.

In der Folge legte die Beschwerdeführerin medizinische Befunde über ihre Erkrankung der belangten Behörde vor.

Mit Schreiben vom 05.06.2018 richtete das Bundesamt eine Anfrage an die Staatendokumentation betreffend die Verfügbarkeit einer Behandlung von Brustkrebs in Turkmenistan, in Besonderen die Verfügbarkeit einer Nachbehandlung, einer Magnetresonanz und von relevanten Medikamenten.

Die Staatendokumentation berichtete mit Schreiben vom 15.06.2018, dass alle relevanten Behandlungsmöglichkeiten bzw. die angefragten Medikamente mit den Wirkstoffen Exemestan, Goserelin, Pertuzumab und Trastuzumab in Turkmenistan verfügbar seien.

Mit Schreiben vom 30.08.2018 wurde die Beschwerdeführerin darüber informiert, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG iVm einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, abzulehnen.

Mit Eingabe vom 19.09.2018 bezog die gewillkürt vertretene Beschwerdeführerin Stellung zu der oben genannten Mitteilung der belangten Behörde und legte weitere medizinische Unterlagen vor.

Über Ersuchen des Bundesamtes erstattete ein im Dienste der Landespolizeidirektion Wien stehender Polizeichefarzt 04.03.2019 eine Stellungnahme zur Fragestellung, ob eine Abschiebung der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht in ihr Heimatland Turkmenistan möglich sei. Darin wird ausgeführt, dass aufgrund der dem Polizeichefarzt vorliegenden Befunde, die Beschwerdeführerin derzeit aus medizinsicher Sicht nicht in der Lage sei, in ihr Heimatland Turkmenistan abgeschoben zu werden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019, Zahl 468497408 - 150861181, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 56 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FGP gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA-VG bis zum 04.03.2020 vorübergehend unzulässig erklärt.

In seiner Entscheidung stellt das Bundesamt im Wesentlichen darauf ab, dass die formalen Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Fällen im Sinne von § 56 AsylG bei der Beschwerdeführerin nicht gegeben seien. In Bezug auf den in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids erfolgten Ausspruch der vorübergehenden Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stützt sich das Bundesamt auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid hat die gewillkürt vertretene Beschwerdeführerin rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht.

Mit Beschluss des BVwG vom 16.10.2019, wurde ein Sachverständiger in der gegenständlichen Rechtssache zum nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachbereich Gynäkologie bestellt und mit der Erstellung eines Gutachtens über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin beauftragt.

Am 26.11.2019 wurde dem BVwG das Gutachten des Sachverständigen vom 21.11.2019, basierend auf einer Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.11.2019, übermittelt.

Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 02.03.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und ihrer gewillkürten Vertretung und des vom BVwG bestellten Sachverständigen eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Turkmenistan, vom 23.07.2018 (letzte Kurzinformation vom 24.07.2019) in das Verfahren eingebracht und mit der vertretenen Beschwerdeführerin erörtert. Die Beschwerdeführerin legte in der mündlichen Verhandlung einen aktuellen medizinischen Befund vom 26.02.2020 vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin und ihrer Erkrankung:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Sie ist Staatsangehörige der Republik Turkmenistan, der Volksgruppe der Turkmenen zugehörig und bekennt sich zu keiner Religionsgemeinschaft. Ihre Muttersprache ist Turkmenisch und spricht sie auch die Sprachen Russisch und Deutsch fließend. Zudem verfügt die Beschwerdeführerin über ein Zertifikat über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B2.

Die Beschwerdeführer steht in Österreich wegen ihrer Brustkrebserkrankung in regelmäßiger medizinischer Behandlung. Bei ihr besteht ein Zustand nach Mammakarzinom beidseits mit anschließender Hirn-Metastasenbildung. Die Beschwerdeführerin erhält in Form von Studienpräparaten bzw. eine aus den Medikamenten Herceptin und Perjeta bestehende Antikörpertherapie, die nicht durch andere Substanzen ersetzbar ist. Eine regelmäßige Kontrolle ihres Gesundheitszustandes mittels MRT-Untersuchungen ist für ihren Therapieerfolg eine wesentliche medizinische Voraussetzung.

Zudem wurde bei der Beschwerdeführerin eine ungeklärte Thrombozytopenie bei normalen Erythrozyten und Leukozyten diagnostiziert, weswegen ihre Behandlung bis zum Ergebnis einer Biopsie vorübergehend ausgesetzt ist, weil sie eine schlechte Abwehrkraft gegen Infektionskrankheiten aufweist und bei ihr Blutungsgefahr gegeben ist.

Eine Heilung der Beschwerdeführerin ist nicht möglich, allenfalls kann durch die in Österreich zur Verfügung stehende medizinische Behandlung und die Verabreichung der dafür notwendigen Medikamente verhindert werden, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert.

Jede Unterbrechung ihrer in Österreich zur Verfügung stehenden medizinischen Behandlung von mehr als vier Wochen, würde die Gefahr einer Metastasierung im Gehirn und auch anderen Organen, wie der Leber oder der Lunge, oder auch in den Knochen auslösen.

In Turkmenistan steht der Beschwerdeführer keine für ihre Krebserkrankung geeignete medizinische Behandlung zur Verfügung.

Somit kann festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einer Krankheit leidet, die dermaßen schwer, akut lebensbedrohlich und zudem in ihrem Herkunftsstaat nicht behandelbar ist, sodass ihre Abschiebung nach Turkmenistan auf Dauer unzulässig ist.

Die Beschwerdeführerin verfügt im österreichischen Bundesgebiet über einen familiären Anknüpfungspunkt in Form ihrer hier aufhältigen Schwester mit ihrer Familie. Allerdings kann das Bestehen eines finanziellen oder wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses zu in Österreich aufhältigen Familienmitgliedern der Beschwerdeführerin oder einer anderen im Bundesgebiet lebenden Person nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Turkmenistan, vom 23.07.2018 mit Stand 24.07.2019):

[...]

20. Medizinische Versorgung

Die jährlichen Staatsausgaben für Bildung und Gesundheitsfürsorge liegen im Allgemeinen unter zwei Prozent des BIP für jede Verwaltungsregion des Landes, was im internationalen Vergleich sehr niedrig ist (BS 2018).

Die Jahresausgaben des turkmenischen Gesundheitswesens liegen mit 78 USD pro Einwohner im globalen Vergleich im unteren Mittelfeld. Allerdings fließt der größte Teil dieser Ausgaben in prestigeträchtige Neubauten. Insbesondere weitete Präsident Berdimuhamedow das bereits unter Präsident Niyazov initiierte Programm zur Errichtung zahlreicher neuer Kliniken deutlich aus. Diese hochmodernen und opulent dekorierten Kliniken erfahren bislang keine nennenswerte Nutzung und nach Angaben der Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen ist das Personal im Umgang mit den (oft sehr teuren, neuen) Geräten nicht geschult und verfügt über keinerlei Routine im Umgang mit diesen. Zudem mangelt es an technischer Instandhaltung und Ersatzteilen sowie den Kapazitäten und Fähigkeiten zur Behebung von Problemen (GIZ 6.2018b). Vor allem in Aschgabat gibt es einige diagnostische Einrichtungen, doch ist die Behandlung wegen des schlecht ausgebildeten Personals und dem Mangel an Medikamenten und Ausrüstung unzuverlässig oder nicht ratsam (GOV.UK 31.5.2018).

In Folge einer Reihe ausgesprochen problematischer Reformen und Alltagspraktiken, die auf Veranlassung des damaligen Gesundheitsministers Bedimuhamedow bereits unter Präsident Niyazov eingeführt wurden und bis in die Gegenwart unverändert gültig sind, steht das turkmenische Gesundheitssystem entgegen offizieller Bekundungen am Rande des Zusammenbruchs, oder ist nach Meinung einiger Beobachter bereits faktisch zusammengebrochen. Insbesondere seit der Schließung sämtlicher Krankenhäuser außerhalb der Hauptstadt unter Präsident Niyazov im Jahr 2005 hat sich die Situation nicht mehr substanziell verbessert. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gehört Turkmenistan zu den 30 Ländern mit dem schlechtesten Ärzte-Einwohner-Verhältnis weltweit. Zugleich wird Turkmenen der Besuch ausländischer Krankenhäuser erschwert und seit 2012 oft gänzlich untersagt. In keinem Land der Welt ist der durchschnittliche Gesundheitszustand bei Erreichen des 60. Lebensjahres schlechter (GIZ 6.2018b).

Mit etwa 4,5 Prozent ist die Säuglingssterblichkeit in Turkmenistan eine der höchsten weltweit. Die hygienische Situation in den wenigen verbliebenen Kinderkrankenhäusern und Krankenhäusern mit Kinderstationen wird seit mehr als einem Jahrzehnt als unverändert katastrophal bezeichnet. In weiten Teilen vertraut die Bevölkerung bei der Bekämpfung von Krankheiten, auch bei Säuglingen und Kleinkindern, auf traditionelle Methoden und hierbei insbesondere auf Aufgüsse, Tees und andere Zubereitungsformen örtlicher Kräuter, sowie Gebete. Nicht zuletzt aus diesen Gründen sieht die Kinderrechts-NGO Humanium in Turkmenistan eine "schwierige Situation" (GIZ 6.2018b).

Präsident Berdimuhamedow bezeichnet sein Land als generell frei von Infektionskrankheiten und hat daher ein bereits unter Präsident Niyazov informell eingeführtes Verbot der Diagnose von Infektionskrankheiten ausgeweitet. Verboten ist insbesondere die Diagnose von Cholera, Hepatitis (A, B und C), HIV, Masern, Milzbrand, Pest, Ruhr, Tuberkulose (TB) und Typhus. In Folge dessen mangelt es nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen an Wissen um Ansteckungsprävention, ist ein generell unaufgeklärter Umgang des allgemein schlecht ausgebildeten Gesundheitspersonals mit infizierten Personen zu beobachten und erhalten Patienten weder die notwendige Betreuung noch die erforderlichen Medikamente. Hierdurch sinken auch bei vergleichsweise einfach zu behandelnden Krankheiten die Überlebens- und Heilungswahrscheinlichkeiten deutlich. Nach offiziellen Angaben ist es seit der turkmenischen Unabhängigkeit nur zu zwei HIV-Neuinfektionen gekommen, davon keine seit der Amtsübernahme Präsident Berdimuhamedows. Die Regierung bezeichnet das Land daher als HIV-frei. Von unabhängigen Beobachtern werden diese Meldungen aufgrund der großen Zahl an Heroinabhängigen sowie vor dem generellen Hintergrund einer beschleunigten Ausbreitung von HIV in ganz Zentralasien als wenig plausibel eingeschätzt. Da aufgrund der Verbote seit über zehn Jahren auch TBC nicht mehr diagnostiziert wurde, bezeichnete Präsident Berdimuhamedow das letzte verbliebene Präventionszentrum für TBC als überflüssig und ordnete dessen Schließung an. Mit der gleichen Anordnung verkündete er auch die Schließung der nationalen Blutbank, eines Präventionszentrums für Geschlechtskrankheiten sowie eines auf Infektionskrankheiten spezialisierten Krankenhauses in Aschgabat. Aufgrund dieser Maßnahmen bezeichnet die Organisation Ärzte ohne Grenzen die Situation des turkmenischen Gesundheitswesens als katastrophal (GIZ 6.2018b).

[...]

3. Beweiswürdigung:

3.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin beruhen auf ihrem im Akt in Kopie einliegendem Reisepass. Jene über ihre Volksgruppenzugehörigkeit und dass sie keiner Religionsgemeinschaft angehört, stützen sich auf ihre eigenen Angaben. Die Feststellung über ihre Sprachkenntnis gründet sich ebenso auf ihre eigenen Angaben und in Bezug auf die Kenntnisse der deutschen Sprache auf die fließende Verwendung in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen in Bezug auf ihre Krankheit und die Folgen einer Unterbrechung der medizinischen Behandlung im Falle ihrer Abschiebung nach Turkmenistan stützen sich auf die zahlreich in ihrem Akt einliegenden medizinischen Befunde, das über Auftrag des BVwG eingeholte Gutachten über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin und die ergänzende Befragung des vom BvWG bestellten Sachverständigen für Gynäkologie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die belangte Behörde hat zu dem ihr im Wege des Parteiengehörs übermittelten Sachverständigengutachten keine Stellungnahme abgegeben und sich auch sonst im Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die belangte Behörde von einem Polizeichefarzt am 04.03.2019 eine Analyse der medizinischen Befunde der Beschwerdeführerin einholte, da sich der Polizeichefarzt in seiner Stellungnahme nicht mit der Situation der medizinischen Versorgung in Turkmenistan bzw. mit der Frage einer allfälligen Unterbrechung der der Beschwerdeführerin in Österreich zugänglichen medizinischen Behandlung auseinander gesetzt hat.

Dass die Beschwerdeführerin in Österreich über einen familiären Anknüpfungspunkt verfügt, gründet sich auf ihre eigenen Angaben.

Dass die Beschwerdeführerin in Österreich unbescholten ist, kann aufgrund der Einsichtnahme in ihr Strafregister festgestellt werden.

3.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin:

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen über die medizinische Versorgung (siehe oben Punkt 2.2.) gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Turkmenistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Daran vermag auch die von der belangte Behörde am 05.06.2018 über die Staatendokumentation eingeholte Anfrage an "International SOS via MedCOI" über die Behandlung von Brustkrebs in Turkmenistan nichts zu ändern. Denn diese Anfragebeantwortung vom 15.06.2018 berichtet im Gegensatz zu den auch bereits vom Bundesamt in das Administrativverfahren eingebrachten Länderfeststellungen der Staatendokumentation über Turkmenistan vom 23.07.2018, dass alle relevanten Behandlungsmöglichkeiten in Turkmenistan verfügbar seien. Als Quellen dieser Information werden in dieser Anfragebeantwortung das Foreign & Commonwealth Office bzw. die British Embassy Ashgabat angeführt. Als Datum dieser Recherche ist der 04.06.2018 vermerkt. Das Bundesamt hat sich allerdings nicht mit den ebenfalls ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen vom 23.07.2018 in Bezug auf die medizinische Versorgung in Turkmenistan auseinandergesetzt und hat ohne nähere Begründung von deren Inhalt abweichende Schlussfolgerungen gezogen (vgl. Seite 11 ff des angefochtenen Bescheides). Dies deshalb, da die belangte Behörde die Feststellung trifft, dass notwendigen Behandlungen und Medikamente zur Therapie der Krebserkrankung in Turkmenistan vorhanden seien, wobei allerdings in ihrer Feststellung über die medizinische Behandlung ausgeführt ist, dass das turkmenische Gesundheitssystem entgegen offizieller Bekundungen am Rande des Zusammenbruchs oder nach Meinung einiger Beobachter bereits faktisch zusammengebrochen ist. Mit Blick auf diese Berichtslage ist es für den erkennenden Richter des BVwG nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher konkreten Umstände die belangte Behörde zum Schluss gekommen ist, dass die medizinische Behandlung der Beschwerdeführerin in Turkmenistan vorhanden sei.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

4.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

"§ 56 AsylG - Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

§ 56 AsylG stellt als Antragsvoraussetzung auf einen durchgängigen fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet ab. Aufgrund der Formulierung (arg: "1. Zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,...) ist davon auszugehen, dass der fünfjährige Aufenthalt im Bundesgebiet noch andauern muss (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, § 56 AsylG, K 5).

Da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht durchgängig einen fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, der noch im Antragszeitpunkt andauert, aufweist, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

4.2. Zur Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

4.2.1. Zur Zulässigkeit der Abschiebung

"§ 10 AsylG - Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

[...]

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

[...]"

"§52 FPG - Rückkehrentscheidung

[...]

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

[...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

[...]"

"§ 50 FPG - Verbot der Abschiebung

(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) [...]

(3) [...]"

Daraus ergibt sich fallbezogen folgendes:

Die Beschwerdeführerin leidet einer eine schweren und nicht heilbaren Krebserkrankung und ist deswegen in Österreich auf eine regelmäßige medizinische Behandlung angewiesen, damit sich ihr Gesundheitszustand nicht weiter verschlechtert.

In Turkmenistan steht der Beschwerdeführer keine für ihre Krebserkrankung geeignete medizinische Behandlung zur Verfügung.

Die Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann im Hinblick auf eine im Zielstaat unmöglich medizinische Versorgung eine unmenschliche Behandlung, somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen. Im Zusammenhang mit der Erkrankung der Beschwerdeführerin ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinwiesen, wo nach ein Fremder im Allgemeinen kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050).

Wie festgestellt leidet die Beschwerdeführerin an einer ernsten und nicht heilbaren Krebserkrankung und wurden im Beschwerdeverfahren stichhaltige Gründe dargelegt, dass sie wegen der in ihrem Herkunftsstaat nicht verfügbaren medizinischen Behandlung für eine solche Krebserkrankung mit einem realen Risiko konfrontiert werden würde, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands, nämlich konkret der Metastasierung ihres Gehirns, ihrer Leber, ihrer Lunge oder auch anderer Organen bzw. ihrer Knochen ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt, weshalb sich allein schon deshalb die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Turkmenistan als nicht zulässig darstellt. Hinweise darauf, dass sich die Situation der medizinischen Versorgung in Turkmenistan nachhaltig und auf Dauer verbessern würde, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Vielmehr zeigen die einschlägigen Länderinformationen der Staatendokumentation, dass aufgrund einer Reihe von problematischen Reformen das turkmenische Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs oder bereits faktisch zusammengebrochen ist.

4.2.2. Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

"§ 9 BFA-VG - Schutz des Privat- und Familienlebens

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

[...]"

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- oder Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach ständiger Rechtsprechung des EGMR sowie der Höchstgerichte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entfernte verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).

Das Bestehen eines Familienlebens der Beschwerdeführerin in Österreich konnte nicht festgestellt werden (vgl. Punkt 2.1.). Eine Rückkehrentscheidung stellt demnach diesbezüglich keinen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung des Familienlebens dar.

In weiterer Folge ist daher zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt.

§ 9 Abs. 2 BFA-VG enthält eine demonstrative Aufzählung, welche Parameter bei der Beurteilung der Zulässigkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme Berücksichtigung finden können. Entsprechend der Ansicht des VfGH, ist bei allen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die grundrechtliche Position der betreffenden Person zu achten (VfGH v. 17.3.2005, G78/04 unter Verweis auf das Erk. Vom 15. Oktober 2004, G237/03). Im Zusammenhang mit der Behandlung schwerer Krankheiten in Österreich können auch sonst im Kontext von Art. 3 EMRK relevante Parameter in die Prüfung von Art. 8 EMRK einfließen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloiblmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, § 9 K6).

Wie festgestellt, leidet die Beschwerdeführerin an einer schweren Erkrankung, weshalb das Vorliegen eines schützenswerten Privatlebens in Österreich in ihrem Fall daher jedenfalls zu bejahen ist.

Den Interessen der Beschwerdeführerin an der Fortsetzung ihres Privatlebens in Österreich stehen die öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251 u.v.a.). Es besteht ein hohes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, das grundsätzlich von Fremden verlangt, dass diese nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (VwGH 26.06.2013, 2013/22/0138).

Nun ist zu prüfen, ob ein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK insofern gerechtfertigt ist, als dass das öffentliche Interesse der Aufenthaltsbeendigung gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt.

Neben der Aufenthaltsdauer sind bei der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK insbesondere das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloiblmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 117 ff).

Im Zusammenhang mit der Erkrankung der Beschwerdeführerin ist - wie bereits oben abermals - auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinwiesen, wo nach ein Fremder im Allgemeinen kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verfügbarkeit von notwendigen medizinischen Behandlungen im Zielstaat der Abschiebung in die Abwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu etwa VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

Daraus ergibt sich fallbezogen folgendes:

Die Beschwerdeführerin leidet an einer ernsten und nicht heilbaren Krebserkrankung, weswegen sie in Österreich in regelmäßiger medizinischer Behandlung steht. Die Beschwerdeführerin als schwerkranke Person würde im Falle ihrer Abschiebung in ihren Herkunftsstaat Turkmenistan, wegen des dortigen Fehlens angemessener medizinischer Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung ihrer Lebenserwartung führt. Den Ausführungen des als Sachverständigen bestellten Facharztes für Gynäkologie zufolge, ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es im Falle einer mit der Abschiebung der Beschwerdeführerin verbundenen Unterbrechung ihrer regelmäßigen medizinischen Behandlung und der Verabreichung von in Österreich verfügbaren Studienpräparaten bzw. Medikamenten zu einer Metastasierung ihres Gehirns, ihrer Lebern, ihrer Lunge und anderer Organe sowie in ihren Knochen kommen könne.

Wie die einschlägigen Ausführungen im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über die medizinische Versorgung in Turkmenistan zeigen, herrscht dort eine Situation, die als im Lichte der EGMR Rechtsprechung als "exceptional circumstances", also außergewöhnlich, zu bezeichnen ist, welche im Falle der Abschiebung eines Fremden nach Turkmenistan, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen würde. Diese außergewöhnliche Situation ("exceptional circumstances") zeigt sich für den erkennenden Richter in Bezug auf die in Turkmenistan herrschende medizinische Versorgung im Besonderen darin, dass das Gesundheitssystem aufgrund einer Reihe problematischer Reformen, die bereits unter dem vormaligen Präsidenten eingeführt worden und bis in die Gegenwart gültig seien, zu einem faktischen Zusammenbruch des Gesundheitssystems geführt haben, weswegen in weiten Teilen die Bevölkerung bei der Bekämpfung von Krankheiten auf traditionelle Methoden und hierbei insbesondere auf Aufgüsse, Tees und andere Zubereitungsformen örtlicher Kräuter, sowie auf Gebete vertraue (vgl. oben Punkt 2.2., Unterpunkt 20). Da auch die Schließung sämtlicher Krankenhäuser außerhalb der Hauptstadt beschlossen worden ist, ist für den erkennenden Richter nicht erkennbar, dass sich der wie in den Länderinformationen als katastrophal beschriebene Zustand des turkmenischen Gesundheitssystems in absehbarer Zeit verbessern könnte.

Im konkreten Fall der Beschwerdeführerin würde bei einer Rückkehrentscheidung - auf Grund der Nichtverfügbarkeit der für die an Krebs erkrankten Beschwerdeführerin notwendigen medizinischen Behandlung in ihrem Herkunftsstaat - eine Verletzung des Privatlebens der Beschwerdeführerin drohen, die auf Umständen beruht, die nicht vorübergehender Natur sind, weshalb die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Turkmenistan auf Dauer für unzulässig zu erklären ist.

4.2.3. Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK:

Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG, werden Drittstaatsangehörigen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt als:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar (§ 54 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012).

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Gemäß § 9 Abs. 4 IntG, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2019, ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht, 4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,

1. die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;

2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;

3. wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag (§ 9 Abs. 5 IntG).

Die Übergangsbestimmung gemäß § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (NAG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

"Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren."

Die Beschwerdeführerin hat bereits am 09.02.2016 die ÖSD Prüfung auf dem Niveau B2 bestanden und sohin das Modul 1 der Integrationsvereinbarung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes mit 01.10.2017 jedenfalls erfüllt.

Es liegen sohin die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 iVm § 9 Abs. 4 IntG, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2019, iVm § 11 Abs. 2 IntG iVm § 81 Abs. 36 NAG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, vor und ist der Beschwerdeführerin somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat der Beschwerdeführerin den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, auszufolgen, welcher gemäß § 54 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen ist; die Beschwerdeführerin hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, mitzuwirken.

4.3. Zum Themenkomplex Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung

Von einer Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung kann gemäß § 12 Abs. 1 BFA-VG abgesehen werden, da das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der die Beschwerdeführerin ihre fließend guten Deutschkenntnisse unter Beweis gestellt hat, davon ausgeht, dass sie die deutsche Sprache versteht.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel Behandlungsmöglichkeiten besonders berücksichtigungswürdige Gründe Deutschkenntnisse gesundheitliche Beeinträchtigung Integration Interessenabwägung medizinische Versorgung Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W233.2219942.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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