TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 I422 2010104-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2010104-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Tunesien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2020, Zl. 62339206/200053808, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerechte Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 07.02.2020, Zl. 62339206/200053808. Mit diesem wies die belangte Behörde den zweiten Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist tunesischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Berber sowie der islamischen (sunnitischen) Glaubensgemeinschaft. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen derartigen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, die in Tunesien nicht behandelbar sind und sie einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht entgegenstehen. Er ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2013 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und war während seines Aufenthaltes in Österreich zeitweise unter einer Alias-Identität bekannt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist verheiratet und hat ein Kind, welches mit der Kindesmutter in Italien aufhältig ist.

Die weitere Familie des Beschwerdeführers, unter anderem bestehend aus seiner Mutter, lebt nach wie vor im Herkunftsstaat. Er verfügt über eine mehrjährige Schulausbildung in Tunesien und Berufserfahrung als Maler und Anstreicher.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären oder privaten Beziehungen und über keine maßgeblichen Merkmale einer Integration in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht. Der Beschwerdeführer verbrachte den überwiegenden Teil seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in österreichischen Haftanstalten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich mehrfach vorbestraft:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.05.2016 zu 61 Hv 25/2016s wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs 2 SMG, des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15 StGB, §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB, sowie des Vergehens des versuchten des unerlaubten Umganges nach § 15 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde am 22.06.2018 aus der Freiheitsstrafe unter Gewährung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 15.10.2018 zu 501 Hv 105/2018h wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten rechtskräftig verurteilt. Darüber hinaus wurde die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers widerrufen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 16.05.2019 zu 512 Hv 125/2018f wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach §§ 107 Abs 1, 107 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in Strafhaft in der Justizanstalt Graz-Karlau.

1.2. Zu den bisherigen Verfahren und dem gegenständlichen Folgeantrag:

Der Beschwerdeführer stellte am 14.06.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass er aus wirtschaftlichen Überlegungen aus Tunesien geflüchtet sei. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.06.2014, Zl. 62339206/14708968 wurde der Antrag sowohl hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen sowie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.09.2016, GZ: I406 2010104-1/7E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und erwuchs die Entscheidung in Rechtskraft.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.04.2018, Zl. IFA: 62339206-VerZl.: 160294756 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund dessen Straffälligkeit ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2018, GZ: I407 2010104-2/10E unbegründet abgewiesen und erwuchs das Erkenntnis in Rechtskraft.

Am 22.05.2018, Zl. 62339206/180476905 stellte der Beschwerdeführer seinen ersten Folgeantrag mit der Begründung, er habe im Jahr 2003 wegen seines Bruders Probleme mit Privatpersonen gehabt. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.06.2018 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Der unbekämpft gebliebene Bescheid erwuchs am 11.07.2018 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer stellte am 13.01.2020 den gegenständlichen (zweiten) Folgeantrag und begründete diesen sowohl vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch vor der belangten Behörde damit, dass er von einer verfeindeten Familie aufgrund eines Vorfalls im Jahr 2003 mit dem Tod bedroht werde. Seine Mutter habe ihm mitgeteilt, dass seine Feinde ihr ein an den Beschwerdeführer gerichtetes, bedrohliches Video gesendet sowie persönlich in ihrem Haus nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten. Am 11.01.2020 sei sein Bruder von Italien nach Tunesien gereist und am 17.01.2020 von dieser verfeindeten Familie getötet worden. Vor seiner Flucht nach Österreich sei er auch in Italien verfolgt und angeschossen worden.

Die im gegenständlichen Folgeverfahren vorgebrachten Gründe für die Antragstellung wurden darüber hinaus vom Beschwerdeführer zu großen Teilen bereits im Zuge des Verfahrens betreffend seinen Asylantrag vom 22.05.2018 vorgebracht bzw. waren dort schon bekannt. Dieses Fluchtvorbringen weist keinen glaubhaften Kern auf.

Es liegt daher keine Änderung der Sachlage zwischen dem rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vor. Auch in Bezug auf die Situation in Tunesien war keine wesentliche Änderung eingetreten, ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor.

Der Beschwerdeführer wird daher im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgung oder wie immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 07.02.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Tunesien auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, des bekämpften Bescheides und seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Einsicht genommen wurde auch in den Gerichtsakt I406 2197709-1 zum bereits rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahren des Beschwerdeführers sowie zum Gerichtsakt I407 2010104-2. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems der Grundversorgung und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften und nicht widerlegten Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde sowie aus den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der sich im Verwaltungsakt befindlichen Kopie seines Reisepasses fest.

Die Feststellung zur Gesundheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Ausführungen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde. Soweit der Beschwerdeführer angab, er nehme die Medikamente Lyrica und Revotril gegen Stress, steht dies der Feststellung zu seiner Gesundheit nicht entgegen. Im Beschwerdeschriftsatz wurde weder ein entgegenstehendes Vorbringen erstattet noch wurden entsprechende medizinische Unterlagen vorgelegt, sodass das erkennende Gericht - wie schon die belangte Behörde - von der Gesundheit des Beschwerdeführers ausgeht.

Die Feststellungen betreffend seine illegale Einreise ins Bundesgebiet sowie die Verwendung einer Alias-Identität ergeben sich zweifellos aus dem vorliegenden Verwaltungsakt. Insofern spricht dieses Verhalten des Beschwerdeführers jedenfalls für eine mangelnde persönliche Glaubwürdigkeit.

Die Feststellungen betreffend seine persönlichen Verhältnisse und Lebensumstände - insbesondere, dass sich seine Frau und das gemeinsame Kind in Italien aufhalten und er in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt -beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht aufweist, ergibt sich aus dem Umstand, dass bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.09.2016 die fehlende Integration des Beschwerdeführers festgestellt wurde und er sich seitdem beinahe durchgehend in Haft befunden hat. Darüber hinaus wurde in diesem Folgeantragsverfahren weder entsprechendes Vorbringen erstattet noch langten beim erkennenden Gericht etwaige Bescheinigungsmittel ein.

Laut Zentralem Melderegister war der Beschwerdeführer die Zeit vom 23.02.2016 bis zum 22.06.2018, vom 01.08.2018 bis zum 18.09.2018 sowie seit 28.11.2018 in österreichischen Justizanstalten inhaftiert und gründet darauf die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich in Haft verbrachte.

Seine strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister und den sich zum Teil im Verwaltungsakt befindlichen Urteilen.

2.3. Zu den bisherigen Verfahren und dem gegenständlichen Folgeantrag:

Die Feststellungen zu seinen bisherigen Anträgen auf Asyl wurden den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes entnommen.

Im gegenständlichen Folgeverfahren bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er von einer anderen Familie wegen eines Vorfalles im Jahr 2003 mit dem Tod bedroht und seitdem verfolgt werde. Darüber hinaus sei am 17.01.2020 sein Bruder von dieser verfeindeten Familie getötet worden.

Zunächst stützt sich der Beschwerdeführer auf eine bereits seit dem Jahr 2003 bestehende Privatverfolgung. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer eine derartige Verfolgung schon in seinem ersten Asylverfahren namhaft machen hätte können. Demgegenüber begründete er seinen ersten Asylantrag lediglich mit der schlechten wirtschaftlichen Situation in Tunesien.

Erstmals erwähnte er in seinem ersten Folgeantrag Probleme mit einer anderen Familie, jedoch sprach die belangte Behörde diesem Vorbringen die Glaubhaftigkeit ab und stellte fest, dass dieser Umstand keinen neuen objektiven Sachverhalt darstellt. Der Beschwerdeführer bekämpfte den negativen Bescheid der belangten Behörde vom 08.06.2018 nicht, sodass die Entscheidung rechtskräftig wurde. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer bei Unterstellung der Richtigkeit seines Vorbringens gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel erhob.

In seinem generellen Fluchtvorbringen stützt sich der Beschwerdeführer insofern auf solche Umstände, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, von ihm im vorangegangenen Asylverfahren auch vorgebracht und bereits rechtskräftig mitberücksichtigt wurden.

Den zusätzlichen Umständen, welche der Beschwerdeführer nunmehr ausschmückend vorgebracht hat, ist mangels eines glaubhaften Kerns die Glaubhaftigkeit abzusprechen (vgl VwGH 05.04.2018, Ra 2019/18/0376; 12.11.2019, Ra 2019/18/0376). Bei Unterstellung der Richtigkeit seines Vorbringens erweist es sich für das erkennende Gericht als nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keinerlei nähere Informationen zum Tod seines Bruders oder der Bedrohung der Mutter vorbrachte. Weder in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde noch im Beschwerdeschriftsatz führte der Beschwerdeführer Detailwissen über die jeweiligen Umstände an. Der Beschwerdeführer legte auch keinerlei Bescheinigungsmittel zur Unterstützung seiner Behauptungen der Beschwerde bei. Eine lebensnahe Betrachtung der behaupteten Situation des Beschwerdeführers weist auf ein Konstruieren seines Fluchtvorbringens hin, welches er im Verlauf des Folgeantragsverfahrens auch steigerte.

Der behauptete Tod seines Bruders am 17.01.2020 konnte nicht der Auslöser für die erneute Asylantragstellung sein, da der Beschwerdeführer bereits am 13.01.2020 den gegenständlichen Folgeantrag stellte. Die Bedrohung seiner Mutter durch die verfeindete Familie sei nach seinen Angaben bereits zwei Monate vor der Folgeantragsstellung erfolgt, sodass dieses Abwarten des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar erscheint.

Dem vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren vorgebrachten Fluchtvorbringen spricht die belangte Behörde zu Recht jegliche Glaubhaftigkeit ab.

Des Weiteren konnten aus den Länderberichten keine derartigen Verschlechterungen der Sicherheitslage in Tunesien abgeleitet werden, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würden.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien vom 31.10.2019 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der verwendeten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Der Beschwerdeführer erhielt nachweislich am 23.01.2020 die aktuellen Länderfeststellungen zu Tunesien. Trotz expliziter Nachfrage des Organs der belangten Behörde erstattete der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Stellungnahme keine Stellungnahme, da er laut eigenen Angaben keinen Bezug zu Tunesien habe.

Dem Einwand im Beschwerdeschriftsatz, wonach die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorgenommen habe, konnte wie ausgeführt nicht gefolgt werden.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich trotzdem keine wesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.2. Rechtslage:

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (vgl VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl z.B. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 24.11.2010, 2010/10/0231; vgl auch Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG)..

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl VwGH 25.09.2019, Ro 2019/09/0006; 09.08.2018, Ra 2018/22/0078; 19.01.2016, Ra 2015/01/0070). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerseits den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl VwGH 25.10.2018, Ra 2018/07/0353; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I., 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG).

Ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011; 28.08.2019, Ra 2019/14/0091; 03.04.2019, Ra 2019/20/0104, ua.).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; 29.05.2018, Ra 2018/20/0256).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob die belangte Behörde den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, der Bescheid der belangten Behörde zum vorangegangenen Asylverfahren ist in formelle Rechtskraft erwachsen.

Die belangte Behörde hat - wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung näher ausgeführt- völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der belangten Behörde an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht dazu geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Dies deswegen, da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren keinerlei neue und glaubwürdige Fluchtgründe vorbrachte.

Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen ist.

3.2. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage:

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Tunesien zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch hier ergaben sich keine Sachverhaltsänderungen.

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461-5 darauf hingewiesen, dass es der Statusrichtlinie 2011/95/EU widerspricht, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen. Änderungen hinsichtlich des Vorliegens derartiger Umstände vermochte der Beschwerdeführer nicht darzutun.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen zu Tunesien auch keine Gründe, um davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass kein Rückführungshindernis im Lichte der Art 2 und 3 EMRK feststellbar ist. Aufgrund der Länderberichte ergibt sich, dass sich die Sicherheitslage im Herkunftsstaat, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würde, seit der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren nicht wesentlich geändert hat. Des Weiteren verfügt der Beschwerdeführer in Tunesien nach wie vor über ein familiäres Auffangnetz.

In Bezug auf eine etwaige Rückkehrgefährdung im Sinne einer realen Gefahr einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK verankerten Rechte des Beschwerdeführers war daher ebenso keine Änderung erkennbar.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes II. abzuweisen ist.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht knappe vier Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung. Er ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sich eingehend mit der Thematik "Folgeanträge" sowie "entschiedene Sache" auseinandergesetzt. Wie die zugrundeliegende Judikatur (vgl VwGH 05.04.2018, Ra 2019/18/0376; 24.05.2016, Ra 2016/03/0050; 25.09.2019, Ro 2019/09/0006; 09.08.2018, Ra 2018/22/0078; 24.01.2019, Ro 2018/21/0011; 29.05.2018, Ra 2018/20/0256; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307 ua.) zeigt, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung Bindungswirkung entschiedene Sache Folgeantrag Identität der Sache real risk reale Gefahr Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat subsidiärer Schutz Suchtmitteldelikt Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2010104.3.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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