TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/6 W251 2183882-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.2020
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Entscheidungsdatum

06.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2183882-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zl. 1091621204 - 151578801, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 18.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 19.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er als Journalist als Kriegsberichterstatter tätig gewesen sei. Vor 6 Monaten sei sein Vater verschwunden. Der Sender habe eine Berichterstattung bei einer Militärstation durchführen wollen, währenddessen sei die Station von den Taliban überfallen worden. Dabei seien ca. 11 Soldaten getötet worden. Der Beschwerdeführer und seine Kollegen seien in die Hände der Taliban geraten, die Aufnahmegeräte seien weggenommen worden. Nach 16stündiger Gefangenschaft seien die Gefangenen befreit worden. Bei seiner Rückkehr nach Kabul sei sein Vater verschollen gewesen und gebe es kein Lebenszeichen.

3. Am 12.09.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er für einen TV Sender gearbeitet habe, der TV Shows veranstaltet habe, weshalb der Sender als "unrein" angesehen würde. Der Beschwerdeführer selbst, sei in der Sendung gewesen weshalb er von Mullahs über das Telefon bedroht worden sei. Im Jahr 2015 sei er wegen einer Nachrichtensendung nach Kunduz gereist. In einer Moschee sei er als Geisel festgehalten worden. Anwesende Polizisten habe man vor den Augen des Beschwerdeführers getötet. Der Beschwerdeführer und die anderen Geiseln seien geschlagen worden, weil sie "unrein" seien. Dann seien der Beschwerdeführer und die weiteren Geiseln durch die afghanische Regierung befreit worden. Im Krankenhaus sei er telefonisch bedroht worden und habe er Drohbriefe erhalten. Er habe die Wohnung verlassen und sei weggegangen. Ein paar Tage nach dem Umzug sei sein Vater entführt worden und nicht mehr zurückgekommen. Er habe dann einen Anruf erhalten, indem er erfahren habe, dass sein Vater in Gewahrsam des Anrufers sei und dass der Vater und die gesamte Familie des Beschwerdeführers umgebracht würden. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer Anzeige bei der Polizei erstattet, wobei ihm mitgeteilt worden sei, dass die Polizei ihm nicht helfen könne. Dann habe der Beschwerdeführer sich im Keller bei seinem Onkel versteckt und einen Drohbrief erhalten, woraufhin der Beschwerdeführer auf Anraten seines Onkels Afghanistan verlassen habe.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der in seiner Heimatprovinz, in Kabul oder auch in Mazar-e Sharif nicht in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass das Ermittlungsverfahren, die Länderfeststellungen sowie die Beweiswürdigung mangelhaft sei und sich aus diesen Verfahrensfehlern eine unrichtige rechtliche Beurteilung ergebe. Zudem sei die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht und der Beschwerdeführer nicht in der Lage, im Falle einer Rückkehr seine wirtschaftlichen Grundbedürfnisse zu decken, insbesondere da ihm seine Familie im Falle seiner Rückkehr keine Unterstützung zukommen lassen würde. Auch hinsichtlich des Art. 8 EMRK habe das Bundesamt sein Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt, da entscheidungswesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt worden seien. Der Beschwerdeführer sei sehr bemüht Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Er habe einen Lehrvertrag und Kontakte zur österreichischen Bevölkerung geknüpft und sei er gänzlich unbescholten.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.06.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

7. Mit Schreiben vom 08.10.2019 übermittelte der Beschwerdeführer einen Amtsvermerk über seine Unterstützung bei der Aufklärung einer Straftat.

8. das Bundesverwaltungsgericht übermittelte am 27.02.2020 aktuelle Länderinformationen an den Beschwerdeführer und räumte diesem auch die Möglichkeit ein allfällige Neuerungen seit der letzten Verhandlung bekannt zu geben.

9. Der Beschwerdeführer brachte am 05.03.2020 eine Stellungnahme zu den Länderberichten ein, wobei er diesen nicht substantiiert entgegen getreten eist. Er legte Integrationsunterlagen vor und beantragte die Einvernahme eines Zeugen zum Beweis dafür, dass er sich um Integration bemüht, indem er bei der Aufklärung einer Straftat bzw. der Ausforschung eines Beschuldigten behilflich war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Bei seiner polizeilichen Erstbefragung hat der Beschwerdeführer das Geburtsdatum XXXX angegeben und beim Bundesamt als Geburtsdatum den XXXX genannt (AS 1, 131, 219, 222; OZ 16, S. 7).

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest, er ist jedenfalls volljährig. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache sowie Farsi, Paschtu und etwas Englisch (AS 1; AS 219; Verhandlungsprotokoll vom 20.06.2019, OZ 16, S. 3, S. 9).

Der Beschwerdeführer wurde in Panjshir geboren (AS 131) und hat in weiterer Folge bis zu seinem 6, 7 oder 8. Lebensjahr in Teheran im Iran gelebt. Danach hat er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan in Kabul gelebt (OZ 16, S. 9). Der Beschwerdeführer hat in Kabul in einem Haus, gemeinsam mit seinen Eltern, seinen beiden Brüdern und seiner Schwester gelebt (OZ 16, S. 9). Der Beschwerdeführer hat 12 Jahre lang in Afghanistan eine Schule besucht und zwei Jahre lang eine Ausbildung bzw. Lehre im Bereich Wirtschaft und Handel gemacht. Zuletzt war der Beschwerdeführer an der Universität im Studienfach Rechtswissenschaften inskribiert (OZ 16, S. 8).

Der Beschwerdeführer ging in Afghanistan einer beruflichen Tätigkeit nach, er hat jedoch niemals für das Fernsehen gearbeitet oder als Kameramann oder Journalist. Die zuletzt ausgeübte tatsächliche berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers in Afghanistan konnte nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat bereits als Geschäftsführer und in der Buchhaltung einer Firma gearbeitet (AS 224).

Der Beschwerdeführer ist verlobt und hat keine Kinder (AS 221; OZ 16, S. 7).

Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Die Mutter, die beiden Brüder und die Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Kabul. Auch der Vater des Beschwerdeführers lebt nach wie vor gemeinsam mit der Mutter und den Geschwistern des Beschwerdeführers in Kabul. Ein weiterer Onkel mütterlicherseits sowie 4 Tanten mütterlicherseits leben in Afghanistan, 7 Onkel väterlicherseits und weitere 6 oder 7 Tanten väterlicherseits leben ebenfalls in Afghanistan. Ein Onkel väterlicherseits lebt in Mazar-e Sharif, ein weiterer Onkel väterlicherseits lebt in Jalalabad, alle anderen Verwandten des Beschwerdeführers wie auch dessen Verlobte leben in Kabul (OZ 16, S. 10).

Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers haben alle jeweils Eigentumshäuser, auch die Onkel väterlicherseits in Mazar-e Sharif und Jalalabad haben Eigentumshäuser in Kabul und Mietshäuser in den Städten Mazar-e Sharif und Jalalabad. Den Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Afghanistan ging es jedenfalls bis zu dessen Ausreise finanziell gut. Alle hatten ein gutes, durchschnittliches Leben. Der Vater des Beschwerdeführers hatte zwei Geschäfte, eines wurde verkauft, von den Erträgen des zweiten Geschäfts lebt die Familie des Beschwerdeführers (OZ 16, S. 10). Die Familie des Beschwerdeführers hatte ein Auto (OZ 16, S. 18).

Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Mutter und zu seiner Verlobten (OZ 16, S. 10). Der Beschwerdeführer hat seiner Verlobten bisher zwei oder drei Mal Geld geschickt (OZ 16, S. 8).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest 18.10.2015 durchgehend in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer hat zwei Deutschkurse für Asylwerbende im Ausmaß von je 60 Unterrichtseinheiten von Mai 2016 bis Jänner 2017 (Beilage ./C; Beilage ./D). Der Beschwerdeführer hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 gut bestanden (Beilage ./B). Der Beschwerdeführer hat grundlegende Deutschkenntnisse (OZ 16, S. 11). Er hat an einem Brückenkurs zum Pflichtschulabschluss im Ausmaß von 200 Lehreinheiten von April bis Juli 2017 teilgenommen (Beilage ./A).

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung (Beilage ./I). Er hat von 04.07.2016 bis 15.07.2016 im Ausmaß von 20 Stunden gemeinnützige Leistungen für Asylwerbende in seiner Wohnsitzgemeinde erbracht (AS 211). Der Beschwerdeführer hat bei einem Verein zur Flüchtlingshilfe mitgearbeitet (AS 143). Der Beschwerdeführer wird wegen seines Eifers und Engagements und seiner Hilfsbereitschaft von seiner Deutschlehrerin und Vereinsmitgliedern der Flüchtlingshilfe geschätzt (AS 141 und AS 143).

Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu Flüchtlingshelfern aus seiner ehemaligen Wohnsitzgemeinde, zu denen sich eine freundschaftliche Beziehung entwickelt hat (OZ 16, S. 12 f).

Der Beschwerdeführer hat österreichische Behörden bei der Aufklärung einer Straftat unterstützt, wodurch eine erhebliche Menge an Suchtgift sichergestellt werden konnte (OZ 18).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund (OZ 16, S. 4, 13; AS 219).

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen (OZ 16, S. 14).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nicht für das Fernsehen bzw. als Kameramann oder Journalist, Berichterstatter, Director oder Regisseur tätig. Der Beschwerdeführer verfügt über keine journalistischen Kenntnisse und kein Fachwissen als Fernsehreporter, Kameramann oder Berichterstatter, Director oder Regisseur. Der vom Beschwerdeführer behauptete Vorfall einer Talibangeiselnahme hat nicht stattgefunden. Der Vater des Beschwerdeführers wurde niemals entführt.

Der Beschwerdeführer wurde niemals von den Taliban oder anderen Personen, Organisationen oder regierungsfeindlichen Truppen gesucht oder bedroht. Der Beschwerdeführer hat keinen Drohbrief von den Taliban erhalten.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie hatten jemals Kontakt zu den Taliban. Auch aktuell wird weder der Beschwerdeführer noch dessen Familie von den Taliban oder anderen Personen gesucht, bedroht oder verfolgt.

1.2.2. Der Beschwerdeführer wurde auch von keinem afghanischen Ministerium oder von afghanischen Gelehrten mit dem Tode bedroht. Der Beschwerdeführer wurde auch niemals in seinem Auto von einem Motorradfahrer verfolgt.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban, durch Aufständische oder durch andere Personen.

1.2.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten oder zur Volksgruppe der Tadschiken konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sunniten oder der Volksgruppe der Tadschiken in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Sunniten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

1.2.4. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens in Kabul verbracht hat, er hat dort gemeinsam mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise gelebt und der Großteil seiner Familienangehörigen lebt nach wie vor in Kabul.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Heimatstadt Kabul kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Kabul wieder Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Zudem kann der Beschwerdeführer zumindest vorübergehend Unterstützung durch seine in Kabul lebenden Familienangehörigen erhalten.

Zudem kann sich der Beschwerdeführer auch in der Stadt Mazar-e Sharif niederlassen. Der Beschwerdeführer verfügt dort ebenfalls über ein familiäres Netzwerk. Ein Onkel väterlicherseits lebt in Mazar- e Sharif und ist im Besitz von einem Mietshaus. Als alleinstehender, junger und gesunder Mann kann er in der Stadt Mazar-e Sharif, auf Grund der dort herrschenden Versorgungs- und Sicherheitslage, Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen. Zudem kann er zumindest vorübergehend - auf die Unterstützung seines Onkels zurückgreifen.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),

- UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR)

- EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und

- Arbeitsübersetzung Landinfo Report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 (Landinfo 1) und

- Arbeitsübersetzung Landinfo Report "Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban" vom 29.06. 2017 (Landinfo 2) und

- Bericht ACCORD, Sicherheitslage und die soziökonomische Lage in Herat und in Masar-e Scharif" vom 15.01.2020 (ECOI Herat und Masar-e Sharif) und

- EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018

1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapital 4.2.).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

1.5.3. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).

Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar (LIB, Kapitel 22.1).

1.5.4. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).

Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan, sie macht etwa 27-30% der afghanischen Gesellschaft aus und hat deutlichen politischen Einfluss im Land. In der Hauptstadt Kabul ist sie knapp in der Mehrheit. Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien vertreten, sie sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert. Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt (LIB, Kapitel 17.2).

1.5.5. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).

1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).

1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

Taliban:

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).

Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges, oder Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer "feindlicher" Regierungen, Kollaborateure oder Auftragnehmer der afghanischen Regierung oder des ausländischen Militärs, oder Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer "Verurteilung" durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich "feindseligen" Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. (Landinfo 1, Kapitel 4)

1.5.9. Provinzen und Städte

Kabul:

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Die Stadt Kabul ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, sie hat 5.029.850 Einwohner. Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt (LIB, Kapitel 3.1). Die Stadt Kabul ist über Hauptstraßen mit den anderen Provinzen des Landes verbunden und verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB Kapitel 3.1 und Kapitel 3.35).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele durch, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Hauptursache für zivile Opfer in der Provinz Kabul (596 Tote und 1.270 Verletzte im Jahr 2018) waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (LIB, Kapitel 3.1).

Kabul zählt zu jenen Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

In Kabul leben 70.000 bis 80.000 Binnenvertriebene (LIB, Kapitel 3.1).

Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Es gibt eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Die besten (Arbeits-)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. Trotz der niedrigeren Erwerbsquoten ist der Frauenanteil in hoch qualifizierten Berufen in Kabul (49,6 %) am größten (LIB, Kapitel 21).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).

1.5.10. Situation für Rückkehrer

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden bzw. in das vom Beschwerdeführer vorgelegte Video und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX als Verfahrensidentität führt und die Feststellung zu seinem Geburtsort, waren aufgrund des vorgelegten afghanischen Reisepasses zu treffen. Die weiteren vom Beschwerdeführer angegebenen Geburtsdaten bzw. der von ihm angegebene Geburtsort Kabul, waren nicht mit den Eintragungen in seinem Reisepass in Einklang zu bringen und daher nicht glaubhaft und werden aufgrund der eigenen diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei bzw. dem Bundesamt als Aliasdaten geführt. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und weiteren Sprachkenntnissen und seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schul- und Berufsausbildung) gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers waren seine Angaben nicht glaubhaft. Dazu wird auf Punkt II.2.2.2. verwiesen. Die tatsächlich vom Beschwerdeführer in Afghanistan zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit konnte mangels glaubhafter Angaben nicht festgestellt werden. Da der Beschwerdeführer jedoch in Afghanistan verlobt ist, für sich selbst gesorgt hat und er erst im Alter von ca. 23 Jahren Afghanistan verlassen hat, geht das Gericht davon aus, dass er in Afghanistan seinen Lebensunterhalt erwirtschaftet hat und er daher einer Arbeit nachgegangen ist und über Berufserfahrung verfügt. Aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers die im Verfahren unwiderlegt geblieben sind, war festzustellen, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsleiter und in der Buchhaltung einer Firma gearbeitet hat (AS 224).

Die Feststellungen zum Familienstand und zur Kinderlosigkeit des Beschwerdeführers waren aufgrund seiner eigenen, diesbezüglich gleichbleibenden Angaben zu treffen (AS 221; OZ 16, S. 7).

Dass der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, er ist dort zur Schule gegangen und hat dort gearbeitet und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht.

Dass der Beschwerdeführer noch über Verwandte in Afghanistan verfügt zu denen er auch Kontakt hat und die Feststellungen zur finanziellen Situation und den Vermögens- und Eigentumsverhältnissen seiner Familienangehörigen, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (OZ 16, S. 8 ff). Dass der Vater des Beschwerdeführers nach wie vor gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Kabul lebt, war aufgrund der Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens festzustellen. Das damit in Zusammenhang gebrachte Verschwinden des Vaters des Beschwerdeführers war - wie das gesamte Fluchtvorbringen - unglaubhaft. Dazu wird auf die Ausführungen unter Punkt II.2.2.2. verwiesen.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Einreise, zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkursen, der Deutschprüfung, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16, S. 12 f) sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Beilage ./A bis ./D).

Es konnte von der Einvernahme des beantragten Zeugen (OZ 22) Abstand genommen werden, da den Feststellungen zugrunde gelegt wurde, dass der Beschwerdeführer die österreichischen Behörden bei der Aufklärung einer Straftat unterstützt hat, wodurch eine erhebliche Menge an Suchtgift sichergestellt werden konnte. Dies hat sich bereits aus den vorgelegten und unbedenklichen Urkunden (OZ OZ 18) ergeben. Dieses Beweisthema ist sohin unstrittig, sodass von der Einvernahme des Zeugen abgesehen werden konnte (VwGH vom 29.07.2015, 2012/07/0105).

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen zum Teil verstanden und auf Deutsch beantwortet hat (OZ 16, S. 11).

Dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Eifers und Engagements von seiner Deutschlehrerin und Vereinsmitgliedern der Flüchtlingshilfe geschätzt wird, war aufgrund der vorliegenden, nachvollziehbaren Schreiben festzustellen (AS 141, AS 143).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (OZ 16, S. 4, 13; AS 219) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungs- und arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er in Österreich einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen ist und er sich in Österreich ansich zurechtfindet. Er selbst hat angegeben, arbeitsfähig zu sein und sind im Verfahren zudem keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen (OZ 16, S. 14).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch die Taliban oder andere, weil er für einen afghanischen Fernsehsender bzw. als Kameramann oder Journalist bzw. Berichterstatter gearbeitet haben soll, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

2.2.2. Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen von sich aus abschließend und möglichst umfassend, detailliert, sowie wahrheitsgemäß darzulegen. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden.

Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Obwohl der Beschwerdeführer teilweise ein weitschweifiges Vorbringen zu seinen Fluchtgründen erstattete, waren seine Angaben wenig detailreich und waren betreffend seine Fluchtgeschichte etliche Ungereimtheiten und Widersprüche enthalten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

Wenngleich geraume Zeit zwischen den behaupteten Vorfällen und der Schilderung durch den Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vergangen ist, so hätte es dem Beschwerdeführer jedenfalls möglich sein müssen, zumindest seine zweijährige und potentiell gefährliche Tätigkeit als Fernsehmitarbeiter sowie Details zu seiner Tätigkeit, wie insbesondere als Berichterstatter nachvollziehbar zu beschreiben. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Tätigkeit als Mitarbeiter eines TV Senders bzw. Kameramann bzw. Journalist bzw. Director, Regisseur oder Berichterstatter in Afghanistan waren hingegen vage und ausweichend.

Bereits hinsichtlich der grundlegenden Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben:

Zunächst führte der Beschwerdeführer bei seiner polizeilichen Erstbefragung aus, als Journalist und Kriegsberichterstatter tätig gewesen zu sein (AS 1 und 9).

Vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, als Videojournalist bzw. Kameramann und Reporter in Kriegsgebieten gearbeitet zu haben (AS 222).

Beim Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, dass er Director bzw. Regisseur einer Nachrichtensendung gewesen sei bzw. er als Videojournalist gearbeitet habe (OZ 16, S. 15 f).

Die grundlegende Frage nach der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers beantwortete der Beschwerdeführer widersprüchlich und waren seine Angaben nicht in Einklang zu bringen. Hinsichtlich der angeführten vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten beruflichen Tätigkeiten für einen Fernsehsender bestehen markante Unterschiede, der Beschwerdeführer verwendete im Laufe seines Asylverfahrens jedoch alle angeführten unterschiedlichen Berufsbezeichnungen. Bereits aufgrund dieser Tatsache war die Glaubhaftigkeit seiner Angaben hinsichtlich einer Tätigkeit für einen Fernsehsender erschüttert.

Zudem charakterisierte der Beschwerdeführer seine Aufgaben beim Fernsehsender trotz mehrmaliger Aufforderung seinen Tätigkeitsbereich genau darzulegen, nur pauschal und oberflächlich sowie ohne Details. Der Beschwerdeführer machte zu seiner beruflichen Tätigkeit folgende Angaben:

"R: Was genau haben Sie gemacht?

BF: Ich war Video-Journalist. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage hat der TV-Sender immer nur eine Person in das Gebiet entsandt. Dieser Journalist musste sowohl den Bericht aufzeichnen und das Interview führen. Das war meine Aufgabe.

R: Schilder Sie bitte nochmals genau Ihre Tätigkeit.

BF: Ich habe Leute zu den jeweiligen Themen befragt und dieses Interview aufgezeichnet." (OZ 16, S. 16)

Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Angestellter zu seinem eigenen Tätigkeitsbereich auch nach längerem Zeitablauf detaillierte und umfassende Angaben machen können müsste, weshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers auch aus diesem Grund nicht glaubhaft war. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer niemals als Mitarbeiter eines Fernsehsenders tätig war.

2.2.3. Zur vorgebrachten Talibangeiselnahme bzw. dem Talibanangriff im Zuge einer Reportagetätigkeit in Kunduz wird ausgeführt, dass auch in den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers erhebliche Widersprüche enthalten sind, die sein Fluchtvorbringen, wonach er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bedroht worden sei, gänzlich unglaubhaft scheinen lassen.

Bereits hinsichtlich der zeitlichen Angaben war die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Geiselnahme durch Taliban widersprüchlich und unplausibel. In diesem Zusammenhang wird zunächst festgehalten, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesamt angegeben hat, sich hinsichtlich der von ihm angegebenen Daten eventuell geirrt zu haben (AS 232). Bei der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass einige Daten aufgrund einer Fehlübersetzung falsch protokolliert worden seien (OZ 16, S. 6 f). Dabei gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, am 12.04.1394 (03.07.2015) nach Kunduz gegangen zu sein. Am 13.04.1394 (04.07.2015) sei er in weiterer Folge von den Taliban festgehalten worden. Am 14.04.1394 (05.07.2015) sei er von einem Militärkommando befreit worden und am 15.04.1394 (06.07.2015) im Krankenhaus in Kabul gewesen (OZ 16, S. 6).

Selbst bei Außerachtlassung der mehrfach divergierenden Datumsangaben, die der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens angegeben hat, bleibt festzuhalten, dass auch bei Zugrundelegung der korrigierten Datumsangaben zu Beginn der Beschwerdeverhaltung, die zeitlichen Abläufe nicht mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden in Einklang zu bringen waren:

Auf der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung des Krankenhauses ist vermerkt, dass der Beschwerdeführer am 15.05.1394 (06.08.2015) in das Krankenhaus gebracht wurde (AS 181), womit das vom Beschwerdeführer angegebene Datum 15.04.1394 (06.07.2015) abweicht.

Auch gab der Beschwerdeführer an, dass er am 25.05.1394 (16.08.2015) bei der Polizei Anzeige erstattet habe (AS 229; OZ 16, S. 14). Aus der vorgelegten Anzeige des Beschwerdeführers geht jedoch hervor, dass erst am 25.05.1394 (16.08.2015) der Reportageauftrag für Kunduz erteilt worden sei und dieses Schriftstück von der Kriminalpolizei mit 09.06.1394 (31.08.2015) abgestempelt wurde (AS 179). Nachdem die Anzeigenerstattung den eigenen Angaben des Beschwerdeführers zufolge nur wenige Tage nach der behaupteten Entführung des Vaters des Beschwerdeführers durch die Taliban stattgefunden haben solle, ist es nicht plausibel, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich war, hinsichtlich des Datums der Anzeigenerstattung übereinstimmende und gleichbleibende Aussagen zu machen.

Auch waren die Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Talibangefangennahme nicht glaubhaft.

Im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zum behaupteten Talibanangriff an, dass er als Berichterstatter für einen Fernsehsender bei einer Militärstation tätig gewesen sei, als diese von den Taliban überfallen worden sei (AS 9). Beim Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer hingegen aus, dass sich der Angriff der Taliban in einer Moschee zugetragen habe (AS 226; OZ 16, S, 14). Es ist nicht nachvollziehbar und daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer derartig widersprüchliche Angaben zum Vorfallsort machen würde, hätte der Talibanangriff tatsächlich stattgefunden. Ein solcher Vorfall würde jedenfalls detailliert in Erinnerung bleiben und wäre es dem Beschwerdeführer auch möglich dazu gleichbleibende Angaben zu machen. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Übersetzungsfehler waren in diesem Zusammenhang als Schutzbehauptung zu qualifizieren.

Hinsichtlich der Dauer der behaupteten Gefangenschaft durch die Taliban waren die Angaben des Beschwerdeführers - selbst unter Berücksichtigung der von ihm gemachten Korrekturen zu Beginn der Beschwerdeverhandlung - nicht Einklang zu bringen. Während der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung von einer Gefangenschaft von 16 Stunden berichtete (AS 9), brachte er beim Bundesverwaltungsgericht hingegen vor, dass er 24 Stunden in Gefangenschaft verbracht habe (OZ 16, S. 14). Es ist nicht nachvollziehbar und auch nicht plausibel, dass die genaue Dauer einer Gefangennahme durch Taliban, auch nach längerem Zeitablauf nicht gleichbleibend und stringent geschildert werden konnte. Die diesbezüglich widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers waren auch daher nicht glaubhaft.

Zudem waren die Angaben des Beschwerdeführers auch betreffend die Todesopfer durch den behaupteten Talibanangriff widersprüchlich. Im Rahmen der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass circa 11 Soldaten getötet worden seien (AS 9). Beim Bundesamt führte der Beschwerdeführer aus, dass 10 Personen getötet worden seien (AS 226). In seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer hingegen dargelegt, dass 11 Polizisten, im Zuge der Geiselnahme erschossen worden seien (OZ 4, S. 3). Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung hingegen gab der Beschwerdeführer 10 Polizisten als Todesopfer an (OZ 16, S. 14).

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die genaue Anzahl der Todesopfer, insbesondere nachdem der Beschwerdeführer angab, dass er selbst die Tötungen gesehen habe, nicht stringent wiedergegeben werden konnte. Ein solcher Vorfall wäre einprägsam und wäre es dem Beschwerdeführer möglich die Anzahl der Todesopfer auch nach längerem Zeitablauf konkret und stringent zu beziffern.

Beim Bundesamt schilderte der Beschwerdeführer zudem, dass der Talibanangriff nach etwa 2 Stunden stattgefunden habe (AS 226), beim Bundesverwaltungsgericht hingegen gab der Beschwerdeführe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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