Entscheidungsdatum
09.03.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W200 2172863-3/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über den Antrag auf Wiederaufnahme des XXXX , StA. Afghanistan, vom 21.02.2020, eingelangt am 25.02.2020, des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2019 abgeschlossenen Verfahrens W200 2172863-1 beschlossen:
A)
Der Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger stellte nach illegaler Einreise am 08.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er zentral an, zum Christentum konvertiert zu sein. Er sei im Iran geboren und habe angeblich dort gelebt. Seine Familie lebe nach wie vor im Iran.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.09.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 08.11.2016 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Zugleich wurde dem Antragsteller gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat nicht zuerkannt und wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.
Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung - mit Erkenntnis des BVwG vom 13.02.2019, W200 2172863-1/42E, als unbegründet abgewiesen. Im genannten Erkenntnis setzte sich das BVwG beweiswürdigend eingehend mit dem Vorbringen des Antragstellers auseinander und erkannte dessen Ausführungen auf Grund von Unplausibilitäten und Widersprüchen als nicht glaubhaft.
Der Antragsteller wurde in weiterer Folge wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 48 Abs. 4 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB sowie mehrfach wegen begangener Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt.
Am 07.12.2019 stellte der Antragsteller aus dem Stande der Strafhaft einen Folgeantrag. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 09.01.2020 wurde der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.
Mit Beschluss des BVwG vom 20.01.2020, W105 2172863-2/5E, wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig war.
Am 25.02.2020 langte beim BVwG ein Antrag vom 21.02.2020 auf Wiederaufnahme des Verfahrens W200 2172863-1 gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG mit der Begründung ein, dass "am 15.02.2020 hervorgekommen sei, dass sich der Antragsteller auf der Oberseite seines linken Unterarms - somit an einer äußerst exponierten Stelle - ein christliches Kreuz tätowieren lassen hätte. Bei Zugrundelegung dieses neu hervorgekommenen Beweismittels wäre dem Antragsteller der Antrag auf internationalen Schutz gewährt worden bzw. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan zuerkannt bzw. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt worden."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
Nach dem die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens betreffenden § 69 Abs. 1 Z 2 AVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) oder neu hervorgekommene Beweismittel - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (Hinweis: E 21.10.1999, Zl. 98/20/0467). (Ra 2014/09/0029 17.02.2015)
Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs 1 lit b AVG 1950 darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist ("nova reperta"), nicht aber wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt ("nova causa superveniens"). (Hinweis auf E vom 4.2.1970, 1532/69, VwSlg 7721 A/70) (83/08/0252 13.12.1984)
Im konkreten Fall ließ sich der Beschwerdeführer erst nach der rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens W200 2172863-1 das Kreuz tätowieren. Weder in der Verhandlung im Verfahren am 08.02.2019 noch bis zur Erlassung des Erkenntnisses W200 2172863-1 brachte der Beschwerdeführer die nun verfahrensgegenständliche Tätowierung vor. Es handelt sich somit nicht um "nova reperta", sondern vielmehr um "nova producta" (neu entstandene Beweismittel).
Doch selbst wenn man annimmt, dass der Beschwerdeführer die Tätowierung bereits vor Beendigung des Erstverfahrens gehabt hätte, so hätte er diese schuldhaft nicht vorgebracht, weshalb ebensowenig die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG erfüllt wären.
Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage nach der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages in diesem Zusammenhang erübrigt sich, weil der als Wiederaufnahmeantrag bezeichnete Schriftsatz vom 21.02.2020, einen Tatbestand, der sich unter die Bestimmung des § 32 Abs. 1 VwGVG subsumieren ließe, zur Gänze vermissen lässt.
Aus diesen Gründen ist der Antrag auf Wiederaufnahme abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
nova producta Voraussetzungen Wiederaufnahme WiederaufnahmeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2172863.3.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020