TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/13 96/19/1712

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Veröffentlicht am 13.02.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
AVG §37;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1968 geborenen A V, vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Krugerstraße 4/4A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. November 1995, Zl. 112.857/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Vertreter des Beschwerdeführers brachte am 29. August 1994 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, der am 20. September 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Auf dem Antragsformular findet sich der handschriftliche Vermerk "Einger. d. Freundin. Hält sich in Österr. auf.". Als derzeitigen Wohnsitz gab der Beschwerdeführer "Österreich", als Aufenthaltszweck einerseits die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit, andererseits "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit seiner Ehegattin an. Als letzter gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Ehegattin war eine Adresse im 3. Wiener Gemeindebezirk angegeben, und zwar ab dem 27. Jänner 1994. Als Ort und Datum der Antragstellung scheint auf dem Antragsformular die Angabe "Wien 26.08.94" auf. Aus einer im Akt erliegenden Kopie eines Staatsbürgerschaftsnachweises ergibt sich, daß die Ehefrau des Beschwerdeführers österreichische Staatsbürgerin ist.

Mit Bescheid vom 26. Jänner 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ab. Der gegenständliche Antrag sei von der Freundin des Antragstellers in der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht worden. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die antragstellende Partei zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Der gegenständliche Antrag sei vom Antragsteller, der mit einer Österreicherin verheiratet sei, vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt worden. Daran ändere es nichts, daß eine vom Antragsteller bevollmächtigte Vertreterin für diesen vor der ausländischen Vertretungsbehörde eingeschritten sei. Für die Vermutung, daß sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht im Ausland befunden habe, finde sich im Verfahren vor der Erstbehörde kein Anhaltspunkt. Bei vollständigen Tatsachenfeststellungen ohne die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wäre festgestellt worden, daß die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vorlägen.

Die Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 28. November 1995 gemäß § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (im folgenden: FrG) abgewiesen. In seiner Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage das Formular für einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung im Inland unterzeichnet und durch einen Vertreter von Österreich aus bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingereicht. Von dort sei der Antrag an die Behörde erster Instanz weitergeleitet worden. Der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Auf seinem Antragsformular habe er als Datum den 26. August 1994 und als Ort "Wien" angegeben und dies auch durch seine Unterschrift beurkundet. Somit habe er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage sei der Beschwerdeführer überdies mit einem Touristensichtvermerk eingereist und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen, weshalb der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes als Fremder in Österreich verletzt. Die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, daß der Antrag nicht schon am 26. August 1994, sondern erst am 29. August 1994 von einer Botin des Antragstellers in der Botschaft in Preßburg eingebracht worden sei. Die Relevanz dieses Mangels liege darin, daß die gesamte Bescheidbegründung unschlüssig sei, insoweit sie darauf hinauslaufe, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer sei vielmehr noch am 26. August 1994 aus Österreich ausgereist, um in seinen Heimatort im Kosovo zurückzukehren. Bei Wahrung des rechtlichen Gehöres hätte die belangte Behörde feststellen können, daß der Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sehr wohl vom Ausland aus gestellt und damit § 6 Abs. 2 AufG entsprochen habe. Die Behörde gehe überdies rechtsirrig davon aus, daß sich der Zeitpunkt und der Ort der Antragstellung nach den im schriftlichen Antrag mit der Unterschrift des Beschwerdeführers beurkundeten Daten ergebe. Aufgrund dieser falschen Rechtsmeinung habe es die Behörde unterlassen festzustellen, daß der Antrag erst am 29. August 1994 durch Einlangen bei der Botschaft in Preßburg gestellt worden sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 7. Dezember 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 391/1995 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG lautete in der Fassung dieser Novelle:

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

Da der Beschwerdeführer weder nach der Aktenlage noch nach seinem eigenen Vorbringen jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde den Antrag zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für dessen Beurteilung § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich ist.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Antragsteller selbst im Inland aufhält, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht. Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 und Zl. 95/19/0895).

Von Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus war nur dann abzusehen, wenn der Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zu Inlandsantragstellung berechtigt ist. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß der Beschwerdeführer zu diesem Personenkreis zählt. Die belangte Behörde hatte den Antrag daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.

Da § 6 Abs. 1 AufG nicht zu entnehmen ist, ein Fremder habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AufG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht aufgrund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Dabei ist der Partei auch ausreichend Parteiengehör zu gewähren. Hingegen braucht die Behörde der Partei solche Angaben nicht vorzuhalten, die diese im Verwaltungsverfahren selbst macht.

Der Beschwerdeführer hat im Antragsformular angegeben, seinen derzeitigen Wohnsitz in Österreich zu haben und den Antrag in Wien unterfertigt zu haben. Unstrittig ist, daß die Überreichung des Antrages in Preßburg nicht durch den Beschwerdeführer selbst erfolgte. Für den Fall, daß sich die Verhältnisse (der Aufenthalt) des Beschwerdeführers zwischen der Antragsunterfertigung und der Antragsüberreichung durch den Vertreter geändert hätten, wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, dies im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht bei der Antragstellung (oder im folgenden Verwaltungsverfahren) von sich aus darzulegen. Eine derartige Darlegung ist im Verwaltungsverfahren jedoch nicht erfolgt. Die in der Berufung vorgebrachte bloße Wiedergabe des Gesetzestextes, daß "der Antrag vom Antragsteller vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt worden sei", kann nicht als ausreichende Darlegung gewertet werden, mit der der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht entsprochen hätte. Daß die Frage seines Aufenthaltes zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Preßburg für den Erfolg seines Antrages ausschlaggebend sein würde, mußte dem Beschwerdeführer angesichts des Bescheides der Behörde erster Instanz, die ihre Abweisung bereits auf § 6 Abs. 2 AufG gestützt hatte, bewußt sein.

Da eine Darlegung der geänderten Verhältnisse im Verwaltungsverfahren nicht erfolgte, war die belangte Behörde befugt, aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers, er habe seinen derzeitigen Wohnsitz in Österreich und habe den Antrag in Österreich unterfertigt, davon auszugehen, daß - mangels einer ihr bekanntgegebenen Änderung der Verhältnisse zwischen der Antragsunterfertigung und der Antragsüberreichung - der Antrag nicht vor der Einreise des Beschwerdeführers vom Ausland aus gestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/0982 sowie bereits das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zl. 96/19/0178).

Die Abweisung des entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages durch die belangte Behörde kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer unbestritten Ehegatte einer österreichischen Staatsangehörigen ist, weil auch ein Rechtsanspruch für den im § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG umschriebenen Personenkreis nur insofern besteht, als sämtliche Erfolgsvoraussetzungen für einen Antrag erfüllt sind.

Dieses Ergebnis erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig, weil der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, bereits mit den Bestimmungen eines § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen und von der Bundesregierung auch genützten Verordnungsermächtigung, jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden, auf die der Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen hat. Bedenken, daß die Umschreibung des durch diese Vorschriften erfaßten Personenkreises, für den auch eine Antragstellung im Inland in Frage kommt, zu eng wäre und Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Der Fall des Beschwerdeführers ist auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmung über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148).

Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht auch den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen hat, nicht eingegangen zu werden.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt und auch eine andere, vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifende Rechtsverletzung nicht hervorgekommen ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1997.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191712.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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