TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/10 W204 1429176-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.03.2020
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Entscheidungsdatum

10.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W204 1429176-2/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther Schneider über die Beschwerde des XXXX H XXXX , geb. XXXX .1993, StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2016, Zl. 811273009/1419948/BMI-BFA_STM_AST_01, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., III. und IV. wird stattgegeben und diese werden ersatzlos aufgehoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben und dem BF in Stattgebung seines Antrags auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine auf zwei Jahre ab dem Tag der Zustellung dieses Erkenntnisses befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 24.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.08.2012, Zl. 11 12.730 - BAG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.08.2013 erteilt (Spruchpunkte II. und III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt II. ausgeführt, der BF verfüge über keine Schul- oder Berufsbildung und kein Vermögen. Da auch nicht mit einer finanziellen Unterstützung durch seine Familie gerechnet werden könne, könne nicht ausgeschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten werde.

I.2. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.04.2015 zu W171 1429176-1 als unbegründet abgewiesen wurde.

I.3. Die Aufenthaltsberechtigung wurde nach entsprechenden Anträgen bescheidmäßig verlängert, zuletzt bis zum 23.08.2016.

I.4. Am 23.06.2016 stellte der BF einen Antrag auf eine weitere Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung.

I.5. Am 01.09.2016 wurde der BF vom zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari einvernommen und zu seiner Situation in Österreich und seinen Familienangehörigen in Afghanistan befragt. Als Beilage zur Niederschrift wurden diverse Integrationsunterlagen genommen.

I.6. Mit Bescheid vom 19.09.2016, dem BF am 22.09.2016 durch Hinterlegung zugestellt, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I), die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II), ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

I.7. Mit Verfahrensanordnung vom 20.09.2016 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.8. Mit Schreiben vom 19.10.2015 (gemeint wohl: 2016), beim BFA am 20.10.2016 eingelangt, erhob der BF vertreten durch den im Spruch genannten Vertreter vollumfänglich Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Insbesondere wurden dabei mangelhafte (Länder)Feststellungen gerügt. Die Rückkehrentscheidung sei aufgrund des schützenswerten Privatlebens des BF unzulässig, da er sich gut in Österreich integriert habe. Zum Beweis dafür wurden mehrere Lohnbestätigungen und Deutschzertifikate vorgelegt. Es wurde beantragt, den Bescheid zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; in eventu Spruchpunkt III zu beheben und die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und dem BF einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zu erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

I.9. Am 24.10.2016 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.10. Am 29.06.2017 wurde durch das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, an der der BF und sein bevollmächtigter Rechtsvertreter teilnahmen. Im Rahmen der Verhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari unter anderem zu seinem Gesundheitszustand und seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

Als Beilage zur Niederschrift wurden diverse Lohnbestätigungen und eine Kopie des Arbeitsvertrags sowie die vom Vertreter vorgelegten Länderberichte genommen.

I.11. Mit Schreiben vom 04.05.2018 wurde dem BF Parteiengehör gewährt und dieser zu einer Veränderung seiner privaten Verhältnisse befragt. Ebenfalls wurden ihm die aktuellen Länderfeststellungen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.

I.12. Am 15.05.2018 langte eine Stellungnahme ein, in der unter Zitierung mehrerer Berichte und eines Gutachtens in einem deutschen Verfahren vorgebracht wurde, die Situation habe sich nicht nachhaltig verbessert, sondern vielmehr verschlechtert. Dem BF, der überdies den Risikoprofilen der UNHCR-Richtlinie entspreche, drohe daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Darüber hinaus sei ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative auch nicht zuzumuten, weil er dort über kein familiäres oder soziales Netzwerk verfüge.

I.1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.10.2018, W204 1429176-2/14E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und damit zusammenhängende Entscheidungen ausgesprochen wurden, abgewiesen und aufgrund der offenen Rechtsfragen die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zugelassen.

I.2. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 29.01.2020, Ro 2019/18/0002, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF;

- Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat und in die vom BF vorgelegten Unterlagen sowie durch Befragung des BF im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung am 29.06.2017;

- Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zum BF und zur Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem.

Der BF stammt ursprünglich aus der Provinz Daikundi, wo zumindest seine Mutter, seine Tante und deren Mann noch immer wohnhaft sind. In Afghanistan hat der BF keine Schule besucht. Er hat dort Schafe gehütet. Der BF verfügt weiterhin über Kontakte nach Afghanistan.

Die letzten drei Jahre vor seiner Ausreise nach Europa verbrachte der BF im Iran, wo er als Schweißer arbeitete.

Der BF befindet sich seit seiner Einreise im Oktober 2011 im Bundesgebiet. Er befand sich nach Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten noch bis zum 31.05.2013 und dann wieder vom 24.11.2014 bis zum 31.05.2015 in Grundversorgung.

Der BF arbeitete vom 02.05.2013 bis zum 14.09.2013 als Arbeiter bei der XXXX GmbH in Wien. Von 15.09.2013 bis zum 25.09.2013 erhielt der BF eine Urlaubsabfindung. Seit 01.05.2015 bis zumindest August 2018 arbeitet der BF wiederum 40 Wochenstunden als Abwäscher bei dieser GmbH und verdiente zuletzt monatlich EUR 1.500,-- brutto.

Der BF lebt in Österreich mit zwei Afghanen in einer Wohngemeinschaft. Auch sonst verkehrt er hauptsächlich unter Afghanen und hat keinen österreichischen Freundeskreis. Er ist kein Mitglied in einem Verein, besucht jedoch zweimal wöchentlich ein Fitnessstudio. Der BF beschäftigte sich während seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ehrenamtlich. Im Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen des BF.

Die Muttersprache des BF ist Hazaragi, ein Dari-Dialekt. Er spricht auch Dari auf Muttersprachenniveau und kann auf Dari lesen, aber nicht schreiben. Er versteht auch etwas Paschtu. Deutsch beherrscht der BF zumindest auf A2-Niveau und kann sich im Alltag verständigen.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Mit Bescheid vom 24.08.2012, Zl. 11 12.730 - BAG, erkannte das damals zuständige Bundesasylamt dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Dazu stellte das Bundesasylamt fest, dass der BF über keine Schulbildung, keine Berufsausbildung und kein Vermögen verfüge. Er könne auch keine Unterstützung durch seine Mutter oder seinen Onkel im Heimatland erwarten. Zudem habe er drei Jahre im Iran gelebt und es sei ihm wirtschaftlich nicht gut gegangen, weswegen nicht ausgeschlossen werden könne, dass er bei seiner Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten werde.

Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde vom Bundesasylamt beziehungsweise vom dann zuständig gewordenen BFA nach entsprechenden Anträgen des BF jeweils bescheidmäßig verlängert, zuletzt mit Bescheid vom 29.08.2014 zu 811273009-1419948 BMI-BFA_STM_RD bis zum 23.08.2016.

Mit Antrag vom 23.06.2016 begehrte der BF die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF, insbesondere zur Nationalität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit traf bereits das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 27.04.2015 zu W171 1429176-1/7E. Auch das BFA legte diese Feststellungen seiner nunmehrigen Entscheidung zu Grunde. Diese wurden im Beschwerdeverfahren nicht bestritten, sondern vom BF in der Beschwerdeverhandlung selbst bestätigt, sodass sie auch der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten. Ebenso verhält es sich mit der Feststellung zur Heimatprovinz des BF.

Die Identität des BF kann mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden.

II.2.3. Dass die Mutter des BF und weitere Familienangehörige nach wie vor in der Heimatprovinz aufhältig sind, bestätigte der BF selbst während der mündlichen Beschwerdeverhandlung (S. 9f VP). Ebenso gab er glaubhaft an, dass er vor seiner Ausreise nach Europa drei Jahre im Iran und dort als Schweißer tätig war (S. 6, 10 VP). Auch an den Angaben des BF, er habe in Afghanistan keine Schule besucht und sei dort als Schäfer tätig gewesen (S. 6, 11f VP), besteht kein Grund zu zweifeln, sodass eine entsprechende Feststellung erfolgen konnte.

Der Aussage des BF während der Beschwerdeverhandlung, dass er über keinerlei Kontakt nach Afghanistan verfüge (S. 11 VP), kann jedoch nicht gefolgt werden. Eine Nachschau der erkennenden Richterin im Mobiltelefon des BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung (S. 12 VP) ergab, dass sich zahlreiche afghanische Kontakte in der Freundschaftsliste des BF befanden. Mit den Ausführungen des BF, dass er diese Anfragen nie bestätigt habe, konnte der BF einem entsprechenden Vorhalt ebenso wenig wie die Rechtsvertretung des BF mit den von ihr diesbezüglich getätigten Ausführungen am Ende der mündlichen Beschwerdeverhandlung (S. 13f VP) substantiiert entgegentreten. Zudem antwortete der BF bei Nachfrage zu möglichen Kontakten ins Heimatland deutlich leiser als auf andere gestellte Fragen, womit er den Eindruck vermittelte, dass er diesbezüglich falsche Angaben machte. Es entspricht den Länderfeststellungen wie auch den Erfahrungswerten der erkennenden Richterin, dass ein enger Zusammenhalt der Familien und Sippschaften bis hin zu den Dorfbewohnern und Angehörigen einer Volksgruppe (gerade auch in Daikundi) besteht, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass der BF, der über ein Smartphone verfügt, Kontakte nach Afghanistan pflegt oder solche zumindest bei einer Rückkehr leicht wiederaufnehmen kann.

II.2.4. Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF gründen auf dem Akteninhalt, jene zum Bezug der Grundversorgung auf einem Auszug aus dem GVS System. Die Arbeitstätigkeit des BF konnte aufgrund der Aussage des BF festgestellt werden, die durch entsprechende Dokumente belegt wurden, an denen kein Grund zu zweifeln besteht. Daraus waren insbesondere die Arbeitszeiten, die Urlaubsabfindung sowie die Höhe des Bruttolohnes feststellbar. Auch anlässlich der Revision wurden entsprechende Unterlagen vorgelegt (Beilage ./2 zu OZ 15), aus denen die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und der letzte Bruttomonatslohn ohne Zweifel hervorgehen.

Dass der BF in einer Wohngemeinschaft mit zwei Afghanen wohnt und auch sonst unter Afghanen verkehrt und keinen österreichischen Freundeskreis hat, sagte dieser ebenso glaubhaft vor dem Bundesverwaltungsgericht aus wie dass er ein Fitnessstudio besucht, jedoch kein Mitglied in einem Verein ist und sich auch nicht ehrenamtlich betätigte (S. 5ff VP).

Dass der BF gesund ist, ergibt sich ebenso aus der glaubhaften Angabe des BF (S. 4 VP). Auch wurden seit Behebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts im Vorverfahren keine ärztlichen Dokumente vorgelegt, die eine Erkrankung des BF nahelegen würden. Daraus sowie aus seiner Tätigkeit als Abwäscher ergibt sich auch die Arbeitsfähigkeit des BF.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

II.2.5. Dass und warum dem BF subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, war aufgrund des im Akt einliegenden Gewährungsbescheids festzustellen. Auf dem unstrittigen Akteninhalt beruhen auch die Feststellungen zur Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und dem Antrag vom 23.06.2016 auf eine erneute Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A.

Zu Spruchpunkt I.

II.3.2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht (1. Fall) oder nicht mehr (2. Fall) vorliegen. Diese Bestimmung verfolgt das Ziel, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Es würde nämlich der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Statusrichtlinie) widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen. Der Verlust des subsidiären Schutzstatus unter solchen Umständen steht mit der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Statusrichtlinie, insbesondere mit Art. 18, der die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nur an Personen vorsieht, die die Voraussetzungen erfüllen, in Einklang (EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn 44 ff).

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie, der im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation zu berücksichtigen ist, lautet: "Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist." Nach Absatz 2 leg.cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Dabei ist es Aufgabe des BFA - beziehungsweise im Beschwerdeverfahren des Bundesverwaltungsgerichts - offen zu legen, weshalb es davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen. Diesem Grundsatz der Amtswegigkeit korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. In Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz wurde in der Rechtsprechung im Besonderen festgehalten, dass grundsätzlich der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG - diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in §§ 3 und 8 AsylG enthalten sind - glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person liegt grundsätzlich bei dieser, dabei sind aber gleichzeitig die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert ist, in Betracht zu ziehen und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheidet, im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden. Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat geht, ist jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich haben die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liegt an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. zum Ganzen VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314).

Diese Sichtweise hat - auch vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Regelungen in Art. 19 Abs. 4 Statusrichtlinie - im Aberkennungsverfahren nicht uneingeschränkt Platz zu greifen, hat die Behörde die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz doch bereits geprüft und bejaht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der betroffene Fremde im Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes jeglicher Mitwirkungsverpflichtungen enthoben wäre, was sich auch aus Art. 19 Abs. 4 iVm Art. 4 Abs. 1 Statusrichtlinie ergibt. Es ist daher Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, sodass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben. Vermag die Behörde insoweit ihre Ansicht ordnungsgemäß zu belegen, liegt es am betroffenen Fremden, ein entsprechendes Vorbringen ins Treffen zu führen, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weiterhin vorliegen. Dies gilt vor allem dann, wenn er dies auf andere als die bisher maßgeblichen Gründe stützen möchte. Er hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den (in der Regel) Heimatstaat dort gegebenen Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen der Zuerkennungsentscheidung ist es zwar nicht zulässig, die Aberkennung auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes beziehungsweise der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG nicht geändert hat. Soweit aber neue Sachverhaltselemente hinzutreten, die für die Frage der Aberkennung von Bedeutung sein können, ist es der Behörde nicht verwehrt, auch Elemente, die vor Zuerkennung des subsidiären Schutzes beziehungsweise vor Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung liegen, in die Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen. Eine Änderung der maßgeblichen Umstände wird sich regelmäßig daraus ergeben, dass sich die tatsächlichen Umstände im Herkunftsland geändert haben und durch diese Änderung die Ursachen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, beseitigt worden sind, jedoch sieht weder § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG noch Art. 16 Statusrichtlinie vor, dass deren Anwendungsbereich auf einen solchen Fall beschränkt ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Eine Änderung der Sicherheitslage vermag eine Aberkennung des subsidiären Schutzes jedenfalls zu rechtfertigen (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0416). Es kann aber auch eine Änderung des Kenntnisstands der Behörde hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass die ursprüngliche Befürchtung, der Fremde habe eine Verletzung der in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Rechte zu gewärtigen oder er werde einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 Statusrichtlinie erleiden, im Licht der neuen Informationen, die nunmehr zur Verfügung stehen, nicht mehr begründet erscheint. Der EuGH hat zudem - unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie - festgehalten, dass dies jedoch nur gilt, soweit die neuen Informationen, über die der Aufnahmemitgliedstaat verfügt, zu einer Änderung seines Kenntnisstands führen, die hinsichtlich der Frage, ob die betreffende Person die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hinreichend bedeutsam und endgültig sind (vgl. EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn. 49f).

Gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, kommt es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses an. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen. Es sind daher nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

II.3.2.2. Im gegenständlichen Fall stützt sich das BFA ausschließlich auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, nämlich, dass die Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorlägen. Dazu führt es insoweit aus, dem BF sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich aufgrund der Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung, aufgrund des mangelnden Vermögens und mangels einer besonderen Ausbildung zuerkannt worden. In seiner Heimatprovinz, die sicher sei, lebten weiterhin seine Mutter, ein Onkel und eine Tante, bei denen er sich durchaus niederlassen könne und wo er sich zumindest mit Gelegenheitsjobs seinen Lebensunterhalt verdienen könne.

Wie bereits im behobenen Vorerkenntnis ausgeführt, war die Sicherheitslage alleine bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, zumindest aber zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ausreichend sicher und hätte daher nicht grundsätzlich gegen eine Rückkehr gesprochen. Die Sicherheitslage ist daher im konkreten Fall nicht entscheidungsrelevant, sodass dazu keine Feststellungen zu treffen waren.

Wie ebenfalls bereits im behobenen Vorerkenntnis ausgeführt, wurde die Minderjährigkeit des BF zum Antragszeitpunkt vom Bundesasylamt nicht als entscheidungswesentlich für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten angesehen, weswegen auch damit eine Aberkennung nicht begründet werden kann. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner dieses Vorerkenntnis aufhebenden Entscheidung vom 29.01.2020, Ro 2019/18/0002, in Rz 23 festhielt, kann auch in der Tätigkeit des BF als Abwäscher und in der dadurch gewonnenen Berufserfahrung, zumal er nach wie vor über kein Vermögen und keine Berufsausbildung verfügt, keine derart maßgebliche Veränderung in den persönlichen Umständen gesehen werden, die eine Aberkennung rechtfertigen würde. Es ist nämlich nicht ersichtlich, wie dem BF die nunmehrige Berufserfahrung als Abwäscher bei einer Rückkehr in sein Heimatdorf zugutekommen würde.

Soweit das BFA auch noch ausführte, der BF könne bei seiner Mutter (oder seinen sonstigen Verwandten) in seiner Heimatprovinz wohnen und sich durch Gelegenheitsarbeit seinen Lebensunterhalt sichern, wird auch damit keine Änderung im oben beschriebenen Sinn aufgezeigt. Bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lebten nämlich seine Verwandten in seiner Heimatprovinz. Das Bundesasylamt ging damals jedoch - wenn auch ohne nähere Begründung - davon aus, dass diese Hilfe nicht ausreichend sein werde. Das BFA würdigte damit dieselbe Situation lediglich anders als zum Zeitpunkt seiner Zuerkennung, was jedoch nicht zulässig ist, da eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat für sich genommen nicht zu einer Aberkennung berechtigt, weil darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262 mit Verweis auf EuGH 23.05.2019, Bilali, C- 720/17, Rn 50). Dass aber die Verwandten plötzlich vermögender sind als noch zum Zeitpunkt der Zuerkennung, worin allenfalls eine wesentliche Änderung erblickt werden könnte, zumal ihnen die Unterstützung dann leichter fallen würde, hat weder das BFA dargelegt noch kann Derartiges aus der Aussage des BF abgeleitet werden.

Eine maßgebliche Änderung wurde vom BFA somit nicht aufgezeigt und war auch vom Bundesverwaltungsgericht mit Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Ro 2019/18/0002 vom 29.01.2020 (§ 63 Abs. 1 VwGG) nicht festzustellen.

II.3.2.3. Letztlich läuft die Begründung des BFA - auch wenn es sich explizit auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt - darauf hinaus, dem BF den Status aufgrund von § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen, weil das BFA nunmehr in Abkehr von der damaligen Ansicht des Bundesasylamtes davon ausgeht, dem BF wäre eine Rückkehr nach Afghanistan beziehungsweise die Inanspruchnahme einer innerstaatliche Fluchtalternative möglich und zumutbar.

In diesem Zusammenhang ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass die von Amts wegen durch die belangte Behörde wie auch durch das Bundesverwaltungsgericht zu prüfende Frage, ob einem Antragsteller auf internationalen Schutz eine - ihm auch zumutbare - innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG offensteht oder nicht, eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, welche auf Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0217, Rz 15). "Zumutbar" bedeutet im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/02/0096, mwN). Ebenso handelt es sich bei der Frage, ob eine derartige Situation vorherrscht, die eine Verletzung von Art. 2, 3 EMRK befürchten lässt, um eine Rechtsfrage (VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0616)

Unabhängig davon, ob diese Beurteilung des Bundesasylamts zutreffend war, zumal es die amtswegige Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative unterlassen hat, kann eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht auf § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG gestützt werden. Nach dem Akteninhalt lässt sich nämlich kein Irrtum über die Tatsachen im Zeitpunkt der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigen feststellen. Das BFA ist jedoch nunmehr bei im Wesentlichen gleichbleibender Tatsachenlage, die bereits die Grundlage für die Entscheidung des Bundesasylamts im Jahr 2012 bildete, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gekommen. In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung des EuGH in der Rs Bilali (C-720/17) hinzuweisen, wonach vor dem Hintergrund einer unveränderten Tatsachenlage auch dann nach § 9 Abs. 1 Z 1 1.Fall AsylG abzuerkennen wäre, wenn die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgte, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren. Im Fall Bilali lag ein Irrtum über die Staatsangehörigkeit des BF, also ein Irrtum über Tatsachen, seitens der Behörde vor. Ein solcher Irrtum lag im vorliegenden Fall nicht vor. Vielmehr beurteilte das BFA den im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalt rechtlich anders. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen "Umstand" im Sinne von Art. 16 der Statusrichtlinie, der eine Aberkennung rechtfertigen könnte (vgl. näher BVwG 28.11.2019, W270 2222172-1). Eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat berechtigt für sich genommen nicht zu einer Aberkennung, da darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262, mit Verweis auf EuGH 23.05.2019, Bilali, C- 720/17, Rn 50).

Auch EASO geht davon aus, dass es unter der geltenden Unionsrechtslage nicht ausreicht, dass eine Verwaltungsbehörde zum Schluss gelangt, dass der subsidiäre Schutz nicht hätte gewährt werden dürfen, und sich darum bemüht, ihre ursprüngliche Entscheidung zu revidieren (vgl. EASO, Richterliche Analyse Beendigung des internationalen Schutzes: Artikel 11, 14, 16 und 19 der Anerkennungsrichtlinie, abrufbar unter: https://www.easo.europa.eu/sites/default/ files/ending-international-protection_de.pdf, S. 57).

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall AsylG zu Unrecht erfolgte. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., III. und IV. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und waren diese ersatzlos zu beheben.

Zu Spruchpunkt II.

II.3.2.4. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gilt die einem Fremden erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Mit Spruchpunkt II. wurde dem BF die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen. Auch wenn damit zwar sprachlich der Verlängerungsantrag des BF nicht abgewiesen wurde, sondern sich dieser Spruchpunkt an den Gesetzestext anlehnt, ist darin eine Abweisung des vom BF gestellten Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung zu erblicken, zielt doch auch im Fall eines vor Ablauf der befristeten Aufenthaltsberechtigung gestellten Verlängerungsantrages die behördliche Anordnung darauf ab, das zuvor nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilte Recht zum Aufenthalt nicht weiter bestehen zu lassen. Die Formulierung ist demnach irrelevant (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007, Rz 49ff). Es war daher in Abänderung dieses Spruchpunktes dem - rechtzeitigen - Antrag des BF auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung stattzugeben.

Auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung ist die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Berechtigung ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen. Da die rechtlichen Wirkungen eines Erkenntnisses erst mit dessen Zustellung eintreten und aufgrund der maßgeblichen Rechtsvorschriften eine zweijährige Gültigkeitsdauer der zu verlängernden Aufenthaltsberechtigung vorzusehen ist, hat die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab dem Datum der Zustellung des Erkenntnisses zu erfolgen (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

II.3.3. Zum Entfall einer weiteren mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Eine weitere mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben und den Anträgen des BF stattzugegeben ist. Das BFA hat in der Beschwerdevorlage auf die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung verzichtet.

II.3.4. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation Lebensunterhalt Rückkehrentscheidung behoben Verlängerung wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W204.1429176.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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