TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 W154 2228477-2

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W154 2228477-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1092260510 / 191042115, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stellte in Österreich erstmalig am 25.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde erstinstanzlich vollständig abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.07.2018, W255 2188195-1/8E, zur Gänze abgewiesen.

2. Am 18.06.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Asylfolgeantrag, der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) mit Bescheid vom 11.08.2019 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden ist.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.09.2019, W270 2188195-2/3E, als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 08.12.2019 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Mit Beschluss des VfGH vom 16.12.2019 wurde dem Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben.

3. Mit Bescheid vom 14.10.2019, Zahl 1092260510 / 191042115, ordnete das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG an. Noch am selben Tag wurde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) eingeleitet. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15.10.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt.

4. Am 17.10.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen insgesamt dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Noch am selben Tag hielt das Bundesamt die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG mittels Aktenvermerk fest. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 25.10.2019 des Bundesamtes wurde der faktische Abschiebeschutz im zweiten Asylfolgeverfahren gemäß § 12a AsylG aberkannt. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer auch der afghanischen Botschaft zur Identitätsprüfung vorgeführt. Die Entscheidung bezüglich §12a AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 04.11.2019, W263 2188195-3/4E, aus formalen Gründen ersatzlos behoben.

5. Am 11.02.2020 wurde der Verfahrensakt zur ersten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

In der Entscheidung wurden folgende Feststellungen getroffen:

"Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines Herkunftsstaates Afghanistan vor. Dem Beschwerdeführer kommt im Zusammenhang mit der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (im ersten Asylfolgeverfahren) kein faktischer Abschiebeschutz zu. Zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die Zusage Afghanistans zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats liegt ebenfalls vor. Derzeit kommt der Beschwerde im zweiten Asylfolgeverfahren ein faktischer Abschiebeschutz zu. Dieses Verfahren steht kurz vor dem erstinstanzlichen Abschluss.

Der Beschwerdeführer war in Österreich seit Jänner 2018 nur noch sporadisch gemeldet; von 22.08.2018 bis 18.07.2019 verfügte er über keine Meldeadresse im Bundesgebiet. Zuletzt war er ab 09.09.2019 lediglich "obdachlos" gemeldet. Der Beschwerdeführer hält sich seit knapp viereinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Er ist wegen gewalttätiger Übergriffe gegen seine Ex-Frau und die gemeinsame Tochter vorbestraft und erhielt in diesem Zusammenhang auch Kontaktverbote. Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat besteht; ein HRZ wurde bereits zugesagt. Nach Wegfall des faktischen Abschiebeschutzes im zweiten Asylfolgeverfahren besteht kein Hindernis für eine Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Das Eintreten dieser Situation binnen weniger Wochen ist jedenfalls realistisch. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft beträgt damit nicht mehr als einige Wochen, allenfalls wenige Monate.

Der Beschwerdeführer ist nur eingeschränkt vertrauenswürdig. Er ist in Österreich beruflich nicht integriert, spricht nur wenig Deutsch und verfügt über lediglich geringe soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Familiäre Anknüpfungspunkte sind nur in sehr geringer Form gegeben. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und ist mittellos. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig."

Dazu wurde beweiswürdigend ausgeführt:

"[...]

2.3. Hinweise für das Fehlen einer realistischen Möglichkeit der Rücküberstellung sind nicht hervorgekommen. Vielmehr liegen zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt eine Zusage zur HRZ-Ausstellung und ist der Abschluss des zweiten Asylfolgeverfahrens mit dem gleichen Ergebnis wie im ersten jedenfalls realistisch. Abschiebungen nach Afghanistan sind auch grundsätzlich zulässig und finden regelmäßig statt. Im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zudem nicht Folge gegeben, womit dieses Verfahren einer Effektuierung der Rückkehrentscheidung nicht entgegensteht.

2.4. Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem zuletzt mehrmonatigen Aufenthalt im Verborgenen. Dieser sowie die folgende Obdachlosenmeldung sprechen auch gegen eine substanzielle soziale Integration, wobei integrative Elemente (insbesondere Freundschaften) hier jedenfalls vorliegen. Hingegen sind familiäre Anknüpfungspunkte (Tochter und Ex-Gattin) unstrittig, werden aber durch die erwiesene Gewalttätigkeit des Beschwerdeführers gegen eben diese Familienangehörigen (strafrechtliche Verurteilung; gerichtliche Kontaktverbote) in hohem Maße entwertet. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten."

In der rechtlichen Beurteilung wird im Erkenntnis im Wesentlichen ausgeführt:

"Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1 und 3 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusstes Entziehen vor einem behördlichen Zugriff - durch mehrmonatigen Aufenthalt im Verborgenen - erfüllt.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts deutlich reduzierter persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist zumutbar, zumal er sich dem Zugriff der Behörden entzogen hatte. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Die nunmehr noch zu erwartende Anhaltedauer liegt bei einigen Wochen, allenfalls wenigen Monaten. Dies liegt deutlich unter der höchstzulässigen Anhaltedauer und ist unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des Beschwerdeführers jedenfalls auch verhältnismäßig. Zudem hegt auch der Verfassungsgerichtshof effektiv keine Bedenken gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers vor seiner Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit dem ersten Asylfolgeverfahren.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

4. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bis zur gegenständlichen Entscheidung auf Basis des Aktenvermerks gemäß § 76 Abs. 6 FPG angehalten worden ist. Dieser hat mit seiner Übergabe an den Beschwerdeführer § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als Rechtsgrundlage der Anhaltung abgelöst."

7. Am 06.03.2020 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Verwaltungsakt erneut gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor. In der erstatteten Stellungnahme führte das Bundesamt nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass der Bescheid gemäß § 68 AVG der EAST Ost vom 18.02.2020 dem Beschwerdeführer am 24.02.2020 zugestellt worden sei und sich nunmehr in der Rechtsmittelfrist befände. Am 31.03.2020 werde eine Charterabschiebung nach Afghanistan stattfinden. Sollte der Beschwerdeführer keine Beschwerde einbringen und der Bescheid in Rechtskraft erwachsen, sei eine Abschiebung zu diesem Termin geplant. Zusammenfassend gelangte die Behörde zum Ergebnis, dass zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft weiterhin aufrechtzuhalten sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen zur mittlerweile erlassenen Entscheidung des BFA gemäß § 68 AVG und der ehestmöglichen Abschiebung im Fall, dass diese Entscheidung rechtskräftig werden sollte.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidung.

Die Feststellungen zur ehestmöglichen Abschiebung im Fall, dass die Entscheidung des BFA rechtskräftig werden sollte, ergeben sich aus der Stellungnahme des BFA vom 05.03.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. - Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf das Vorerkenntnis zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.

Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers - siehe die Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen - mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Zur Dauer der Schubhaft:

§ 80 FPG ("Dauer der Schubhaft") lautet:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen."

Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand des Abs. 5 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Der Beschwerdeführer hat nach wie vor keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und insbesondere vor dem Hintergrund der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers auch verhältnismäßig.

Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In Hinblick auf die mittlerweile erlassene Entscheidung des BFA gemäß § 68 AVG ist nach wie vor sichergestellt, dass der Haftzweck zeitnah erreicht werden kann.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus.

3.4. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchteil B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Gewalttätigkeit Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2228477.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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