Entscheidungsdatum
12.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 2220074-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Vorverfahren (erster Antrag auf internationalen Schutz):
I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger aus Bangladesch, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 02.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 02.01.2016 wurde der BF von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab hierbei zusammengefasst an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er an, dass er ein gläubiger Hindu sei und Muslime ihn geschlagen und sein Haus zerstört hätten, weshalb er nicht mehr in seinem Dorf habe leben können. Der BF habe bei der Polizei eine Klageschrift bekannt gegeben und sei danach in seinem Dorf mit dem umbringen bedroht worden, sollte diese Klageschrift bis zum Gericht gehen. Die Dorfbewohner hätten sein Haus zerstört und seinen Sohn und Neffen geschlagen. Der BF habe sofort sein Dorf verlassen und sich entschlossen, sein Heimatdorf zu verlassen.
Am 16.06.2016 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Er gab im Wesentlichen an, schlecht zu sehen und Zahnbeschwerden zu haben; außerdem sei er in Gedanken immer bei seiner Familie, von der er nicht wisse, wo sich diese derzeit aufhalte. In Österreich sei er bereits bei einem Zahnarzt gewesen; der Augenarzt habe ihm gesagt, er solle in ein Krankenhaus gehen. Er sei jedoch noch nicht im Krankenhaus gewesen und habe auch keine medizinischen Unterlagen. In Österreich habe er weder Familienangehörige noch sonstige Verwandte.
I.1.2. Mit Bescheid des BFA vom 21.06.2016 wurde I. der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Kroatien zur Prüfung des Antrags zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung des BF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.
Der Bescheid enthält ausführliche Feststellungen zum kroatischen Asylverfahren. Der BF leide nicht an einer schweren, lebensbedrohenden Krankheit. Er verfüge in Österreich nicht über familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Kroatien sei aufgrund Verfristung für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig. Es könne nicht festgestellt werden, dass der BF in Kroatien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese zu erwarten habe. Der kroatische Staat sei schutzfähig und schutzwillig. Eine entsprechende Unterbringung und (auch medizinische) Versorgung seien gewährleistet.
I.1.3. Gegen diesen Bescheid wurde am 01.07.2016 fristgerecht Beschwerde eingebracht. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Zustände in Kroatien untragbar seien und der dort von Polizisten geschlagen worden sei, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden könne. Durch die Vorfälle in Kroatien sei der BF "psychisch krank" geworden und benötige ärztliche Behandlung.
I.1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.07.2016, XXXX , wurde der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Begründend wurde angeführt, dass das Verfahren des BF zugelassen worden sei, obwohl gegenständlich ein Dublin-Verfahren (und demnach kein zugelassenes Verfahren) vorliege.
I.1.5. Gegen dieses Erkenntnis erhob das BFA eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 30 VwGG.
I.1.6. Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.10.2016, XXXX , wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.07.2016 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
I.1.7. Am 09.12.2016 wurde der BF auf dem Luftweg nach Kroatien überstellt.
I.1.8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.03.2017, XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 21.06.2016 als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass der BF nach eigenen Angaben an "leichten" Magenproblemen, an einer Sehschwäche, an Zahnbeschwerden und psychischen Problemen leide. Die angeführten Beschwerden wurden vom BF weder näher spezifiziert noch bis dato durch Befunde belegt. Ein stationärer Aufenthalt sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen. Es würden somit keine schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen. Abgesehen davon sei in Kroatien die Gesundheitsversorgung in ausreichendem Maße gewährleistet. Die Unterbringungszentren würden medizinische Basisversorgung und psychologische Beratung anbieten. Der BF habe somit keine besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Kroatien sprechen, glaubhaft machen können.
Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
I.2. Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz:
I.2.1. Am 04.07.2017 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.
Der BF gab darin an, Anfang 2014 den Entschluss zur Ausreise aus Bangladesch gefasst zu haben. Im Juli 2017 habe er den letzten Staat seines dauernden Aufenthalts, Italien, verlassen, nachdem er sich dort zwei Monate in einem Flüchtlingslager aufgehalten habe. Im Jahr 2016 habe er in Österreich um Asyl angesucht und im Dezember 2016 sei er nach Kroatien überstellt worden. Dort habe er sich drei Monate aufgehalten und sei anschließend nach Italien gereist.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er an, dass er in Bangladesch zu einer Minderheit gehöre. Er sei Hindu und Bangladesch sei ein islamisches Land. Er sei geflüchtet, weil Hindus in Bangladesch verfolgt werden würden.
I.2.2. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 04.07.2017 wurde über den BF die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens im Hinblick auf die Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nach Kroatien nach wie vor gültig sei, da seit seiner Abschiebung am 16.12.2016 noch keine 18 Monate vergangen seien.
Mit Mitteilung des BFA vom 06.07.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass das BFA gemäß der Dublin-Verordnung Konsultationen in Form einer Anfrage mit Kroatien führe.
Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 01.08.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublin-Staates Kroatien angenommen werde.
Mit Bescheid des BFA vom 21.08.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 04.07.2017 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, weil für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 (1) c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Kroatien zuständig sei (Spruchpunkt I). In Spruchpunkt II wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass die Abschiebung nach Kroatien gemäß § 62 Abs. 2 FPG zulässig sei.
Dieser Bescheid wurde aufgrund der unterlassenen Mitteilung des BF über die Änderung seiner Abgabestelle durch Hinterlegung im Akt zugestellt.
Am 07.09.2017 erfolgte ein Festnahmeauftrag durch das BFA an die Landespolizeidirektion wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF.
Am 22.07.2017 wurde das gegenständliche Asylverfahren aufgrund des Untertauchens des BF eingestellt.
I.2.3. Am 05.03.2019 meldete sich der BF bei einer Polizeiinspektion, weshalb das Asylverfahren fortgesetzt und der BF am 18.03.2019 beim BFA einvernommen wurde.
In seiner Befragung gab der BF an, dass er öfters Atemnot bekomme, sich aber nicht in ärztlicher Behandlung befinde und keine Medikamente nehme. Er gab ebenso an, dass er in seiner Erstbefragung nichts verstanden habe, weil er in Hindi befragt worden sei. Der BF gab weiters an, Staatsbürger von Bangladesch zu sein, der Volksgruppe der Bengalen und dem Hinduismus anzugehören. Er sei verheiratet und habe zwei Söhne. Seine Ehefrau und seine Söhne würden sich in Bangladesch aufhalten. Der BF habe seit circa eineinhalb Jahren keinen Kontakt zu seiner Familie, könnte sich aber die Telefonnummer über einen Freund besorgen. Der BF habe zu einem Freund in Bangladesch Kontakt. Der BF sei in XXXX geboren und aufgewachsen. Seine Eltern seien bereits verstorben. Ansonsten würden noch seine vier Brüder in Bangladesch leben. In Bangladesch habe er vier Jahre eine Grundschule besucht und danach bis zu seiner Ausreise als Tischler gearbeitet.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, zur Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) zu gehören, weshalb er von der Polizei geschlagen und gesucht worden sei. Er habe Angst vor der Polizei, weshalb er seine Heimat verlassen habe. Die Fragen, ob er vorbestraft sei, von der Polizei gesucht werde, von Behörden festgenommen oder verhaftet worden sei, wegen seiner Religion, Rasse, Nationalität, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, verneinte der BF und gab dazu an, dass er von der Polizei geschlagen worden sei, weil er bei der BNP gewesen sei und wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden.
Konkret danach befragt, weshalb der BF nunmehr einen anderen Fluchtgrund als bei seinen vorherigen Befragungen angibt, gab er an, dass er nicht gewusst habe, was er sagen hätte sollen. Bei der Erstbefragung habe er den Dolmetscher nicht verstanden, weil er Hindi nicht verstehen könne.
Weiter gab der BF an, dass er mehrmals von der Polizei geschlagen und zu Hause attackiert worden sei. Wie oft genau, wisse er nicht mehr. Er wisse auch nicht mehr, in welchem Zeitraum dies gewesen sei.
Konkret dazu befragt, gab er an, dass er nicht versucht habe, sich mittels eines Rechtsanwalts gegen die Übergriffe zu wehren und nie darüber nachgedacht habe, mit seiner Familie in einen anderen Landesteil zu gehen. Er habe die Übergriffe auch nicht bei den Behörden angezeigt, weil sein Heimatort von der regierenden Partei, der Awami League, dominiert sei. Ein Freund habe ihm geraten, das Land zu verlassen.
Die Frage, ob er auch von Mitgliedern der Awami League bedroht und angegriffen worden sei, verneinte der BF und gab ergänzend an, dass nur die Polizei ihn belästigt und einmal festgenommen habe. Wann er festgenommen worden sei, wisse er nicht mehr. Auch wie oft es zu Angriffen gekommen sei, wisse er nicht mehr. Ebensowenig wisse er, in welchem Zeitraum sich diese Übergriffe zugetragen haben.
Der BF gab weiter an, dass er seit seinem 17. oder 18. Lebensjahr einfaches Mitglied der BNP sei und keine Funktion innegehabt habe. Befragt, wer der Führer der BNP sei, schrieb er den Namen " XXXX " auf. Er wisse nicht, von dem die Partei gegründet worden sei, aber er liebe die BNP. Was am 05.01.2014 geschehen sei, wisse er nicht. Er wisse auch nicht, welche Parteifarbe die BNP habe, aber er möge die BNP.
Die Frage, ob es abgesehen von dem soeben geschilderten Fluchtgrund noch andere Gründe gebe, weshalb der BF sein Heimatland verlassen habe, verneinte er. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst, wieder von der Polizei belästigt zu werden.
In Österreich habe der BF einen Freund, welcher wie ein Bruder für ihn sei, von dem er den Nachnamen allerdings nicht wisse. Diesen treffe er alle zwei Wochen und dieser unterstütze den BF finanziell. Er erhalte auch von anderen Landsleuten kleine finanzielle Unterstützungen. In Österreich habe er einen Deutschkurs besucht, sei aber danach nach Kroatien geschickt worden. Er habe nicht um eine Arbeitsbewilligung angesucht, weil er keine Papiere habe. Er sei obdachlos und gehe den ganzen Tag spazieren. Hin und wieder habe er in der Vergangenheit ein religiöses Haus besucht. Er habe keine privaten Interessen, wie zB Grundstücke, Firmen oder Aktien, in Österreich. Er sei in keinem Verein Mitglied und arbeite nicht ehrenamtlich. Er habe keine Kurse besucht. Zu konkreten Integrationsschritte befragt, gab er an, dass er nichts gemacht habe. Er lebe von der Unterstützung durch Freunde und arbeite nicht. Er habe keine Probleme mit den Gesetzen in Österreich, aber er habe Angst vor der Polizei. Er wolle allerdings in Österreich bleiben und hier arbeiten.
Im Rahmen seiner Einvernahme legte der BF eine Deutschkursbestätigung vor.
I.2.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.05.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Absatz 2 Z 6 FPG wurde ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).
Im Bescheid wurde ausgeführt, dass es aufgrund des Untertauchens des BF von circa 19 Monaten zu einer Verfristung bezüglich der Zuständigkeit Kroatiens gekommen sei und nunmehr Österreich für sein Verfahren zuständig sei.
In der rechtlichen Beurteilung wurde dargelegt, dass dem Vorbringen des BF über seine Asylgründe die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei und sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Asylgrundes ergeben hätten. Weiters wurde ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, dass der BF im Fall einer Rückkehr in eine Notlage geraten würde und seine Verwandten als soziales Auffangnetz zur Verfügung stehen würden. Der BF sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der seinen Unterhalt zumindest mit Gelegenheitsjobs finanzieren könne. Zudem sei eine Wiederaufnahme seiner bisherigen Tätigkeit als Tischler oder Landwirt zumutbar. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten. Zum verhängten Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der BF in Österreich keiner Beschäftigung nachgehe und die Intention für seine Asylantragstellung von Anfang an darin gelegen sei, von der Grundversorgung zu leben bzw. sich eine adäquate medizinische Versorgung zu sichern. Der BF habe das Bundesgebiet bereits zwei Mal illegal betreten und sei untergetaucht gewesen. Der BF verfüge über keine finanziellen Mittel und Selbsterhaltungsfähigkeit sei nicht gegeben. Beim BF sei daher davon auszugehen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
I.2.5. Mit Schriftsatz vom 07.06.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des - rechtsfreundlich vertretenen - BF zur Gänze angefochten.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF sein Fluchtvorbringen detailliert geschildert habe und die belangte Behörde übersehe, dass der BF keine schulische Ausbildung habe, um beurteilen zu können, welche Angaben für ein Asylverfahren wichtig seien. Betreffend das Privat- und Familienleben des BF wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde sich mit der Erkrankung des BF kaum auseinandergesetzt habe. Auch die Erlassung eines Einreiseverbotes sei zu Unrecht erfolgt, da der BF glaubwürdig angegeben habe, von seinem Freund finanziell unterstützt zu werden.
I.2.6. Am 11.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.
Im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG stellte sich heraus, dass der BF grundsätzlich gesund ist, auch wenn er manchmal gegen Schmerzen Tabletten nehmen muss.
Der BF hat in Österreich keine Verwandten, Kinder oder eine Beziehung. Vielmehr hat der BF in Bangladesch eine Ehefrau und zwei Söhne sowie vier Brüder, von denen einer in Singapur lebt, und zu denen der BF angeblich keinen Kontakt hat.
Der BF hat im geringen Umfang soziale Kontakte in Österreich, besondere Integrationsbemühungen, wie umfangreiche freiwillige Arbeit in Vereinen (zB der XXXX ), sind lediglich vereinzelt feststellbar, auch wenn einzelne Empfehlungsschreiben vorgelegt wurden. Die freiwillige Arbeit überwiegt Tätigkeiten in der Gemeinde gegen geringe Zuwendungen.
Der BF lebt von der Grundversorgung.
Deutschkenntnisse sind faktisch nicht gegeben. Wie in der Verhandlung festgestellt werden konnte ist eine Konversation mit dem BF sehr schwer möglich, insbesondere mangels entsprechenden Wortschatzes. Seinen Antworten muss mit großer Aufmerksamkeit gefolgt werden, so Ferne überhaupt welche kommen.
Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass er als Hindu und Anhänger der BNP von den Mitgliedern der Awami League verfolgt worden sei.
Er sei einfaches Mitglied der BNP gewesen und habe, als die BNP an der Macht gewesen sei, als Tischler Aufträge erhalten. Nach dem Machtwechsel zur Awami League sei er einige Male zur Polizeistation gebracht, misshandelt und bedroht worden. Man habe ihn getreten und mit einer Waffe bedroht.
Er habe Anfang 2014 Bangladesch verlassen. Einen konkreten fluchtauslösenden Grund brachte der BF - trotz wiederholter Nachfrage vor dem BVwG - nicht zur Sprache. Widersprüchlich zu seinen Angaben, wann der BF Bangladesch verlassen habe - nämlich "Anfang 2014" - legte sich der BF darauf fest, dass er "als von Juli bis Dezember 2014 Verhaftungen und cross fire passierten" sich entschlossen habe, das Land zu verlassen.
Unwissend zeigte sich der BF auf über seinen Fluchtweg, insbesondere durch welche Länder der BF gereist sei und führte dies auf seine geringe Bildung zurück.
Der BF gab auch an, dass er über seine Flucht weder mit den Brüdern noch mit seinem Vater, welcher "damals ein alter Mensch, der nicht richtig sprechen und nichts mit seinen Ohren hören konnte" gesprochen habe. Dieser Vater habe ihm jedoch Geld für die Flucht gegeben und gesagt, er solle in ein Land gehen, wo es ihm gut gehe, um sein Leben zu retten".
Befragt, wie seine Ehefrau mit den beiden Kindern auf seine Fluchtabsichten reagiert habe, meinte der BF zuerst, er habe mit seiner Ehefrau keinen Plan machen können. Er habe ir gesagt: "Schau, wenn ich z Hause bleibe, dann könnte ich jederzeit umgebracht werden. Außerdem bin ich ein Hindu, es gibt schon wenige Hindu in Bangladesch und dann mach ich noch BNP".
Befragt, ob er sich nicht Sorgen um das Leben seiner Frau und die beiden Kinder gemacht habe, meinte der BF: "Man sagt, wenn man sich selbst rettet, dann fällt der Name des Vaters. Wenn man Angst um sein Leben hat, denkt man nicht mehr an das Leben der Kinder".
Er habe das letzte mal 2017 Kontakt mit seiner Ehefrau gehabt.
Seine gesamte Familie seien Hindu.
Hinsichtlich seiner politischen Tätigkeit führte der Bf aus, dass er Mitglied der BNP gewesen sei. Er sei zu Veranstaltungen gegangen, wenn die BNP dazu eingeladen haben. Eine Votar card hätte er nicht besessen, diese habe es nicht gegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Hindus. Seine Muttersprache ist Bengali.
Der BF hat in Bangladesch vier Jahre eine Volksschule besucht und danach bis zu seiner Ausreise - zuerst als Hilfskraft, danach selbständig - als Tischler gearbeitet. Der BF ist Eigentümer von zwei landwirtschaftlichen Flächen in seinem Heimatdorf.
Der BF ist verheiratet und hat zwei Söhne. Die Ehefrau und die Kinder des BF leben in Bangladesch. Die Ehefrau des BF ist Hausfrau und wird von einem Freund in Bangladesch unterstützt. Die Eltern des BF sind verstorben. Drei Brüder des BF leben in Bangladesch, einer in Singapur. Der BF hat derzeit keinen Kontakt zu seiner Familie in Bangladesch.
Der BF stellte am 02.01.2016 nach illegaler Einreise in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 21.06.2016, Zl. 1100735400-160003654, ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen wurde. Im Bescheid wurde ausgesprochen, dass Kroatien zur Prüfung des Antrags zuständig sei und die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.07.2016, W185 2129414-1, wurde der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Gegen dieses Erkenntnis erhob das BFA eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 30 VwGG. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.07.2016 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben. Am 09.12.2016 wurde der BF auf dem Luftweg nach Kroatien überstellt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.03.2017, W185 2129414-1, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 21.06.2016 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
Am 04.07.2017 stellte der BF - nach erneuter illegaler Einreise - den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 21.08.2017, Zl. 1100735400-170782758, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 04.07.2017 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, weil für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 (1) c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Kroatien zuständig sei. Ebenso wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass die Abschiebung nach Kroatien gemäß § 62 Abs. 2 FPG zulässig sei.
Von Juli 2017 bis März 2019 war der BF untergetaucht und hat sich damit dem gegenständlichen Asylverfahren entzogen. Am 22.09.2017 wurde das gegenständliche Asylverfahren aufgrund des Untertauchens des BF eingestellt. Am 05.03.2019 meldete sich der BF bei einer Polizeiinspektion, weshalb das Asylverfahren fortgesetzt und der BF am 18.03.2019 beim BFA einvernommen wurde.
In Österreich bezog der BF von Februar bis Dezember 2016 Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF hatte nach der zweiten Einreise nach Österreich im Juli 2017 zu Beginn seines Aufenthalts keinen festen Wohnsitz und war zeitweise obdachlos. Seit März 2019 wird der BF im Rahmen der Grundversorgung versorgt und untergebracht. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er erhält finanzielle Unterstützung von einem Freund und weiteren Bengalen in Form von kleinen finanziellen Beträgen.
Der BF hat seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich von August 2016 bis September 2016 an einer Lerngruppe Alpha 1 teilgenommen. Die Deutschkenntnisse des BF sindäußerst gering. Der BF hat keine Deutschprüfung abgelegt, ist in Österreich kein Mitglied in einem Verein und hat sich nicht ehrenamtlich kaum engagiert. Der Freundeskreis des BF besteht großteils aus Bengalen.
Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist arbeitsfähig und leidet - mittlerweile - an keinen schweren Erkrankungen, die einer Behandlung bedürfen. Gelegentliche Schmerzen werden mit Schmerztabletten behandelt.
II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Festgestellt wird, dass der BF, der Hindu ist, in Bangladesch keine Funktion in der BNP innehatte, sondern nach seinen Behauptungen einfaches Mitglied der BNP war.
Eine Verfolgung, sowohl aus religiösen Gründen als auch aus politischer Motivation, konnte der BF nicht glaubhaft machen.
Der BF hat vor dem BVwG nicht vorgebracht, dass er von muslimischen Dorfbewohnern aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Hindus verfolgt bzw. sein Haus zerstört worden sei. Der BF bestätigte, dass seine Familie - Eltern, vier Geschwister, Ehefrau und Kinder - Hindu sind. Eine Verfolgung seiner Familie aus religiösen Gründen hat der BF vor dem BVwG nicht substantiiert vorgebracht.
Der BF ist in seinem Herkunftsland keiner konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen ausgesetzt gewesen und droht auch keine Verfolgung im Falle einer Rückkehr.
Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung aus politischen und religiösen Gründen brachte der BF im Verfahren, insbesondere auch vor dem BVwG, keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) - mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).
Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die Awami League (AL) und Bangladesh Nationalist Party (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).
Durch eine Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018): Bangladesch - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017)
- BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019
- bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019
- BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019
- BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019
- DS - Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 11.3.2019
- DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019
- DT - Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019
- DT - Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia's candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019
- DW - Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 7.3.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018a): Bangladesch - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 7.3.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch - Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019
- Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 7.3.2019
- Hindu, The (1.1.2019): Hasina's triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 7.3.2019
- NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019
- ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019
- RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019
- WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019
Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere zwischen der Awami League und der Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen auf Grund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).
Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21.2.2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere die Zahl der Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
- AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019
- BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- UKHO - UK Home-Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Rechtsschutz/Justizwesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).
Quellen:
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices
Meinungs- und Pressefreiheit
Die laut Verfassung garantierte Meinungs- und Pressefreiheit wird von der Regierung nicht immer respektiert und es gibt deutliche Einschränkungen (USDOS 20.4.2018). Die Regierung nutzt weiterhin repressive Gesetze, um die Meinungsfreiheit in unangemessener Weise einzuschränken und Journalisten und Menschenrechtsverteidiger gezielt zu verfolgen und zu schikanieren (AI 23.5.2018).
Bangladesch verfügt über eine lebhafte Medienlandschaft, vor allem im Bereich der Printmedien. Der einzige terrestrische staatliche TV-Sender (BTV) sowie das staatliche Radio berichten hauptsächlich aus Sicht der jeweiligen Regierung (ÖB 12.2018). Die unabhängigen Medien sind aktiv und drücken eine Vielzahl von Ansichten aus, werden allerdings Druck seitens der Regierung ausgesetzt, wenn sie diese kritisierten. So werden Pressekanäle durch das Zurückhalten finanziell wichtiger Regierungsinserate sowie durch Einflussnahme auf Privatunternehmen, ihre Werbung einzuschränken, beeinflusst. Aus Angst vor Belästigung und Repressalien zensieren sich Journalisten auch selbst (USDOS 20.4.2018).
Im September 2018 verabschiedete die Regierung mit dem "Digital Security Act" ein Gesetz, das die Überwachung der gesamten elektronischen Kommunikation ermöglichen soll. Dieses neue Gesetz sollte missbräuchliche Bestimmungen des "Information and Communication Technology Act" (ICT-Act) behandeln, enthält jedoch selbst ähnliche Bestimmungen sowie neue Abschnitte zur Kriminalisierung der freien Meinungsäußerung (HRW 17.1.2019). Auf Basis des ICT Act wurden 2018 mehrere Dutzend Personen für Online-Verbrechen, wie Verleumdung und Blasphemie, inhaftiert, darunter auch Aktivisten und Journalisten (FH 1.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Für das Jahr 2017 berichtet Odhikar von 32 Verhaftungen auf Grund des ICT-Gesetzes, die Betroffenen veröffentlichten Kommentare über hochrangige Regierungsmitglieder oder deren Familien (Odhikar 12.1.2018).
Die Verfassung setzt Kritik an der Verfassung mit Verhetzung gleich. Die Strafe für Verhetzung reicht von drei Jahren bis zu lebenslanger Haft. Im Jahr 2016 wurden mehrere Prominente der Verhetzung beschuldigt, darunter die Parteivorsitzende der Oppositionspartei BNP, sowie zwei Mediengrößen. Die Fälle der Mediengrößen wurden von der Regierung nicht weiter verfolgt (USDOS 20.4.2018). Auch Hassreden sind verboten, die Regierung hat aber auf Grund der fehlenden Definition im Gesetz einen breiten Interpretationsspielraum (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Regierung kann die Redefreiheit einschränken, wenn sie als gegen die Sicherheit des Staates gerichtet, gegen freundschaftliche Beziehungen mit ausländischen Staaten, gegen die öffentliche Ordnung, Anstand oder Moral oder wegen Missachtung des Gerichts, Verleumdung oder Anstiftung zu einer Straftat erachtet wird (USDOS 20.4.2018).
Die "Bangladesh Telocommunication Regultory Commission" (BTRC) ist mit der Regulierung der Telekommunikation beauftragt, beschränkt den Internetzugang und filtert Internetinhalte. Es gibt ein gesetzliches Verbot der Nutzung von Virtual Private Networks und VOIP-Telefonie, das jedoch kaum exekutiert wird (USDOS 20.4.2018). Der "Official Secrecy Act" verbietet Journalisten das Sammeln von Informationen von staatlichen Quellen. Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 12.2018).
Die Bedrohungslage für Blogger und Herausgeber im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit bleibt hoch (FH 12019). Journalisten sehen sich auch gewalttätigen Angriffen ausgesetzt, die mitunter zum Tode führen. In den letzten Jahren wurden wiederholt Blogger, die für ihre säkulare oder anti-islamische Haltung bekannt waren, von Extremisten getötet. Es mehrten sich zuletzt wieder Medienberichte über angegriffene oder verschwundene Journalisten. Nicht alle tauchen wieder auf (ÖB 12.2018).
Neben den Sicherheitskräften stellen auch Parteiaktivisten und islamisch-fundamentalistische Gruppen eine potenzielle Gefahrenquelle für Medienvertreter dar (ÖB 12.2018; vgl. FH 1.2019). Ein Klima der Straflosigkeit ist die Norm. Dutzende Blogger sind weiterhin untergetaucht oder im Exil (FH 1.2019) Die schleppende strafrechtliche Verfolgung der Tötungen säkularer Aktivisten in den Jahren 2015 und 2016 sorge in der Zivilgesellschaft nach wie vor für Beunruhigung (AI 23.5.2018; vgl. FH 1.2019). Im März 2017 wurde die bewaffnete Gruppe Ansar al-Islam verboten, die sich zu den Tötungen bekannt hatte (AI 23.5.2018).
Im Vorfeld der 11. Parlamentswahlen vom 30.12.2018 haben unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen und Medien Einschränkungen bei ihren Aktivitäten erfahren. Im November 2018 gab es 72 Angriffe auf Journalisten, 39 Verhaftungen im Zusammenhang mit dem ICT-Act von 2006 und neun Verhaftungen im Zusammenhang mit dem "Digital Security Act" (FIDH 9.1.2019).
Quellen:
- AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019
- FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- Odhikar (12.1.2018): Bangladesh Annual Human Rights Report 2017, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2018/01/Annual-HR-Report-2017_English.pdf, Zugriff 1.3.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch beschnitten. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden und die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 27.10.2017).
Es sind Fälle bekannt geworden, in denen politischen Gruppen, unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz, die Versammlungsfreiheit abgesprochen wurde (AA 27.10.2017). Bei politischen Versammlungen oder Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Übergriffen seitens rivalisierender Parteiaktivisten oder der Sicherheitskräfte kommen (ÖB 12.2018). Die Regierung beendete in verschiedenen Fällen verbotene Versammlungen gewaltsam (AA 27.10.2017). Im Jahr 2017 wurden mehrere Versammlungen von verschiedenen politischen Parteien verboten und angegriffen (Odhikar 12.1.2018). Durch Verhaftungen von Parteiaktivisten versucht die Regierung Kundgebungen zu verhindern. Oft werden Demonstranten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, gelegentlich sogar getötet (FH 1.2018).
Die Gründung von Gewerkschaften wurde auf Grund einer Gesetzesreform 2015 erleichtert, jedoch sehen sich Gewerkschaftsführer Entlassungen und körperlicher Einschüchterung ausgesetzt. Ebenso sehen sich Arbeitsrechts-Organisationen, wie "Bangladesh Center for Workers' Solidarity" Belästigung ausgesetzt. Beschwerden wegen unsicherer Arbeitsbedingungen, besonders in der Bekleidungsindustrie, führen immer wieder zu Protesten. Im Zuge eines wochenlangen Streiks im Dezember 2016 wurden hunderte Arbeiter entlassen und zahlreiche Gewerkschaftsführer inhaftiert (FH 1.2018).
Die Regierung scheint in ihrer Macht gefestigt und es gibt politische Stabilität. Diese Stabilität wird jedoch durch häufige Zusammenstöße mit Oppositionsanhängern sowie durch Fraktionskämpfe innerhalb der Parteien auf lokaler Ebene bedroht. Die großen politischen Parteien haben starke Organisationsstrukturen in deren Basis und können über ihre Vorfeldorganisationen wie Studenten- und Berufsverbindungen mobilisieren. Alle politischen Parteien zeigen Tendenzen zu Klientelismus, der mithilft, die Parteibasen intakt zu halten. Politische Polarisierung, durch Nepotismus charakterisiert, führt zu einer Volatilität im Wahlverhalten. Parteien wie Jamaat Islami haben ideologische Verbindungen zu ihren Kadern und können diesen durch ihr umfangreiches wirtschaftliches Netzwerk Arbeitsplätze verschaffen (BTI 2018).
Die Mitgliedschaft oder die Unterstützung einer Oppositionspartei führt nicht per se zu einer Verfolgung durch die Regierung. Allerdings hat die Regierung seit dem Wahlboykott Anfang 2014 viele Oppositionspolitiker verhaften lassen. Allein im Januar 2015 sollen 7.000 Aktivisten verhaftet worden sein, wobei auch vor hochrangigen Politikern nicht Halt gemacht wurde. Verhaftungen und strafrechtliche Verfahren werden traditionell mit Vorwürfen wegen Korruption, Steuerhinterziehung oder Erpressung begründet. Hinzu kommen nun auch Vorwürfe wegen Anstiftung zu bzw. Durchführung von Brandanschlägen (AA 27.10.2017). In vielen Fällen sind die Vorwürfe konstruiert (BTI 2018).
Im Vorfeld der 11. Parlamentswahl in Bangladesch, welche am 30.12.2018 stattfand, wurden, nach Angaben der Opposition, seit Anfang November 2018 bis zu 21.000 ihrer Mitglieder und Aktivisten verhaftet. Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses, wie Mainul Hosain wegen krimineller Diffamierung und Dr. Zaffrullah Chowdhury wegen Verrat, Erpressung und Fischdiebstahl (FIDH 9.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Transformation Index (BTI) 2018 - Country Report Bangladesh, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Bangladesh.pdf, Zugriff 5.3.2019
- FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
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Religionsfreiheit
Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion, betont aber auch das säkulare Prinzip. Sie verbietet Diskriminierung und schafft Gleichberechtigung für alle Religionen. Etwa 89 % der Bevölkerung ist sunnitischen Glaubens, 10 % werden dem Hinduismus zugerechnet. Darüber hinaus gibt es Christen, Theravada-Hinayana Buddhisten, kleine Gruppen schiitischer Moslems, Bahais, Animisten, Ahmadis, Agnostiker und Atheisten. Viele Anhänger religiöser Minderheiten sind gleichzeitig Vertreter