Entscheidungsdatum
13.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W204 2133045-2/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther Schneider über die Beschwerde des XXXX M XXXX , geb. XXXX 1998, StA. Afghanistan, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018, Zl. 1060216105 - 180839838/BMI-BFA_SBG_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und III. bis VI. wird stattgegeben und diese werden ersatzlos aufgehoben.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben und dem BF in Stattgebung seines Antrags auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine auf zwei Jahre ab dem Tag der Zustellung dieses Erkenntnisses befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 07.07.2016, Zl. 1060216105 - 150362720, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkte I. und II.) abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Der BF erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, die hinsichtlich Spruchpunkt I. mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2017 zu W137 2133045-1/12E als unbegründet abgewiesen wurde. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wurde stattgegeben und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Sicherheitslage in Daikundi lasse eine Rückkehr zwar grundsätzlich zu, allerdings wäre der BF auf dem Weg dorthin einer Gefahr ausgesetzt, zumal dieser teils durch stark umkämpftes Gebiet führe. Auch in Kabul schließe die Sicherheitslage eine Rückkehr des BF nicht grundsätzlich aus, allerdings verfüge der BF dort über keine gesicherten familiären oder sozialen Kontakte, keine Ortskenntnisse und keine Unterkunft. Auch eine finanzielle Unterstützung durch seine im Iran lebende Familie sei nicht möglich. Zudem gehöre der BF erkennbar einer ethnischen und religiösen Minderheit in Afghanistan an, die Diskriminierungen ausgesetzt sei. Zum Nachteil gereiche ihm auch sein langjähriger Aufenthalt im Iran und dass er iranisches Farsi spreche. Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei ihm daher nicht zumutbar.
I.2. Am 30.07.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, weil sich die Gründe, die zur Zuerkennung geführt hätten, nicht geändert hätten.
I.3. Mit Schreiben vom 05.09.2018 teilte das BFA dem BF mit, dass die Absicht bestehe, ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, weil nach Auffassung des BFA dem BF nunmehr innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung stünden.
I.4. Am 18.09.2018 übermittelte die Arbeitgeberin des BF ein Schreiben, in dem sie ausführt, dass der BF in der Küche beschäftigt sei und es immer schwieriger sei, geeignete Mitarbeiter für diesen Bereich zu finden. Der BF spreche Deutsch, sei stets pünktlich und zuverlässig und sein Verhalten gegenüber den Gästen und den Mitarbeitern sei vorbildlich. Er spiele im örtlichen Fußballverein und sei in der Gemeinde integriert.
I.5. Am 20.09.2018 übermittelte der BF eine Stellungnahme, in der er näher begründet ausführt, es sei nicht richtig, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan soweit verbessert hätte, dass ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde.
Der Stellungnahme waren diverse Integrationsunterlagen beigelegt.
I.6. Am 05.10.2018 wurde der BF von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen und zu seiner Situation in Österreich und zu einer möglichen Rückkehr nach Afghanistan befragt. Der BF führte dazu aus, dass ihm eine Rückkehr nicht möglich sei, weil er Afghanistan mit zehn Jahren verlassen habe und dort niemanden habe. Seine Familie sei im Iran.
Als Beilage zur Niederschrift wurden diverse Integrationsunterlagen genommen.
I.7. Mit Bescheid vom 25.10.2018, dem BF am 30.10.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die ihm erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA aus, die Lage in Afghanistan habe sich seit der Ausreise des BF und der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich gebessert. Insbesondere könne der BF Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen.
I.8. Mit Verfahrensordnung vom 29.10.2018 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.9. Am 22.11.2018 erhob der BF durch den im Spruch genannten Vertreter Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit gegen diesen Bescheid. Es wurde beantragt, den Bescheid vom 25.10.2018 ersatzlos aufzuheben, die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF antragskonform zu verlängern und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Der BF führte dazu auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, ihm drohe bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer Art. 3 EMRK Verletzung. Zudem sei der Bescheid inhaltlich rechtswidrig, weil er sich nicht auf Umstände stütze, die erst nach Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen aufgetreten seien.
I.10. Am 29.11.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.03.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF, seine Vertreterin und eine Vertreterin das BFA teilnahmen. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, seinen Rückkehrbefürchtungen und seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
- Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat und in die vom BF vorgelegten Unterlagen;
- Befragung des BF im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.03.2019;
- Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.
II.1. Sachverhaltsfeststellungen:
II.1.1. Zum BF und zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er bekennt sich zum schiitischen Islam. Der BF spricht iranisches Farsi. Seine Identität ist nicht geklärt.
Der BF wurde in der Provinz Daikundi geboren und hat Afghanistan im Alter von zehn Jahren nach dem Tod seines Vaters gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Bruder und seinem Onkel in den Iran verlassen, wo er bis zu seiner Ausreise nach Europa im Jahr 2014 lebte. Er hat keine reguläre Schule besucht, sondern wurde zusammen mit anderen afghanischen Kindern von einem freiwilligen Lehrer im Iran fünf Jahre lang unterrichtet. Seit seinem elften Lebensjahr arbeitete der BF im Iran gelegentlich als Tagelöhner in der Landwirtschaft.
Dem BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2017 zu W137 2133045-1/12E der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Mutter, der Bruder und der Onkel des BF im Iran. Der BF verfügte in Afghanistan über keine Verwandten oder sonstigen tragfähigen sozialen Kontakte. Zum damaligen Zeitpunkt wäre der BF bei einer Rückkehr in seine Heimatprovinz nicht in eine ausweglose Lebenssituation geraten und es bestand keine reale Gefahr, eine Verletzung seiner durch Art. 2, 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Allerdings wäre der BF auf dem Weg zu seiner Heimatprovinz einer derartigen Gefahr ausgesetzt gewesen, da der Weg dorthin durch teils stark umkämpftes Gebiet führte. Dieses Risiko wurde durch die Jugend des BF, seine fehlende Ortskenntnis und seiner zweifelsfreien Erkennbarkeit als Rückkehrer aus dem Iran verstärkt. Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz war dem BF daher nicht möglich.
Zum damaligen Entscheidungszeitpunkt herrschte in Kabul eine Situation, die nicht hinreichte, um eine Verletzung seiner durch Art. 2, 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte darzustellen. Dem BF war die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative jedoch - obwohl es sich beim BF um einen arbeitsfähigen, gesunden jungen Mann handelte - nicht zumutbar, weil er bloß über informelle Schulbildung und Berufserfahrung als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft verfügte. Zudem wurde berücksichtigt, dass der BF seit seinem zehnten Lebensjahr im Iran lebte, sich niemals in afghanischen Großstädten aufgehalten hatte, dort über keine Ortskenntnisse oder tragfähigen sozialen Kontakte verfügte und die lokalen Gepflogenheiten nicht kannte. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Familie war auch nicht mit einer finanziellen Unterstützung durch diese zu rechnen. Eine erhöhte Vulnerabilität bestand aufgrund seiner damals erst seit eineinhalb Jahren erreichten Volljährigkeit. Eine weitere maßgebliche Erschwernis war, dass der BF erkennbar einer ethnischen und religiösen Minderheit angehörte und ihm seine Sprachfärbung bei der sunnitisch-paschtunischen Mehrheitsbevölkerung im Zusammenhang mit der Suche nach einem Arbeitsplatz zum Nachteil gereichte. Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative war dem BF daher nicht zumutbar.
Die Mutter des BF, sein Bruder und sein Onkel leben nach wie vor im Iran. Seine Mutter arbeitet in der Landwirtschaft, sein Bruder besucht die Schule. Sein Onkel arbeitet im Baubereich. Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie.
Der BF befindet sich seit seiner Einreise durchgehend im Bundesgebiet. Er besuchte mehrere Deutschkurse und beherrscht Deutsch zumindest auf A2-Niveau. Er besuchte den Lehrgang Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch, die er am 30.06.2017 erfolgreich abschloss. Er hat die Ausbildung New Skills Tourismus Selbstbedienung Küche im Ausmaß von 235 Lehreinheiten von 02.10.2017 bis 07.12.2017 besucht und die Abschlussprüfung mit gutem Erfolg abgelegt. Der BF war von 22.12.2017 bis 09.04.2018 und von 10.05.2018 bis Ende der Saison 2018 als Hausmeister und Küchenhilfskraft bei der Hotel M XXXX KG angestellt. Von 19.06.2019 bis 04.11.2019, von 20.11.2019 bis 29.11.2019 und seit 02.12.2019 bis dato ist der BF als Servicemitarbeiter im Haus XXXX Spa Hotel XXXX beschäftigt. Er verdient monatlich knapp ? 1.400 netto und hat freie Kost und Logis. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF war vom Frühjahr 2016 bis 09.07.2018 Mitglied beim TSV XXXX , seit 09.07.2018 ist der BF Mitglied beim FC XXXX und ist Spieler der Kampfmannschaft sowie Jugendtrainer. Der BF verfügt über einen großen Freundeskreis.
Die Sicherheitslage und Situation im Heimatland hat sich seit der Gewährung des subsidiären Schutzes nicht wesentlich verbessert.
II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
II.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben des BF während des gesamten Verfahrens. Diese Umstände wurden bereits vom Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung vom 10.08.2017 und nunmehr auch vom BFA dem Bescheid zugrunde gelegt. Diese Feststellungen wurden vom BF während des Beschwerdeverfahrens nicht bestritten und konnten daher auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden. Ebenso verhält es sich mit den Feststellungen zur Herkunftsprovinz des BF, seinem Umzug in den Iran sowie zu seiner Schulbildung und Berufserfahrung, zumal er diese Umstände in der Beschwerdeverhandlung bestätigte (S. 5ff VP).
II.2.3. Dass und warum dem BF subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, war aufgrund des im Akt einliegenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2017 zu W137 2133045-1/12E festzustellen.
II.2.4. Dass sich seine Mutter, sein Bruder und sein Onkel nach wie vor im Iran befinden, gab der BF bereits in seiner Stellungnahme bekannt (AS 491) und bestätigte dies nochmals anlässlich seiner Einvernahme (AS 524). Auch in der Beschwerdeverhandlung gab der BF dies glaubhaft an (S. 8 VP).
Die Feststellungen zur Lebenssituation des BF in Österreich beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA, dem Bundesverwaltungsgericht sowie den vorgelegten Dokumenten, an deren Echtheit und Richtigkeit kein vernünftiger Grund zu zweifeln besteht. Es ist auch durchaus plausibel, dass der BF aufgrund seiner Arbeitstätigkeit und seiner aktiven Vereinsmitgliedschaften über einen großen Freundeskreis verfügt, wie er auch anlässlich seiner Einvernahme angab (AS 524).
Dass der BF gesund und arbeitsfähig ist, konnte festgestellt werden, zumal der BF während des gesamten Verfahrens nie vorbrachte, unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Er legte auch keine Dokumente vor, aus denen ein gegenteiliger Schluss zu ziehen wäre. Die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit konnte zudem aufgrund seiner momentan ausgeübten Vollzeiterwerbstätigkeit getroffen werden.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister.
Dass die Sicherheitslage im Heimatland einer innerstaatlichen Fluchtalternative bereits mit Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht entgegenstand, ergibt sich aus dem damaligen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts. Dass sich die Situation im Heimatland seither nicht wesentlich verändert hat, ist den ins Verfahren eingeführten und im Akt einliegenden Länderinformationen zu entnehmen.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
II.3.2. Zu Spruchpunkt A)
Zu Spruchpunkt I.
II.3.2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht (1. Fall) oder nicht mehr (2. Fall) vorliegen. Diese Bestimmung verfolgt das Ziel, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Es würde nämlich der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Statusrichtlinie) widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen. Der Verlust des subsidiären Schutzstatus unter solchen Umständen steht mit der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Statusrichtlinie, insbesondere mit Art. 18, der die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nur an Personen vorsieht, die die Voraussetzungen erfüllen, in Einklang (EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn 44 ff).
Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie, der im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation zu berücksichtigen ist, lautet: "Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist." Nach Absatz 2 leg.cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Dabei ist es Aufgabe des BFA - beziehungsweise im Beschwerdeverfahren des Bundesverwaltungsgerichts - offen zu legen, weshalb es davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen. Diesem Grundsatz der Amtswegigkeit korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. In Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz wurde in der Rechtsprechung im Besonderen festgehalten, dass grundsätzlich der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG - diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in §§ 3 und 8 AsylG enthalten sind - glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person liegt grundsätzlich bei dieser, dabei sind aber gleichzeitig die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert ist, in Betracht zu ziehen und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheidet, im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden. Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat geht, ist jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich haben die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liegt an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. zum Ganzen VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314).
Diese Sichtweise hat - auch vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Regelungen in Art. 19 Abs. 4 Statusrichtlinie - im Aberkennungsverfahren nicht uneingeschränkt Platz zu greifen, hat die Behörde die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz doch bereits geprüft und bejaht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der betroffene Fremde im Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes jeglicher Mitwirkungsverpflichtungen enthoben wäre, was sich auch aus Art. 19 Abs. 4 iVm Art. 4 Abs. 1 Statusrichtlinie ergibt. Es ist daher Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, sodass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben. Vermag die Behörde insoweit ihre Ansicht ordnungsgemäß zu belegen, liegt es am betroffenen Fremden, ein entsprechendes Vorbringen ins Treffen zu führen, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weiterhin vorliegen. Dies gilt vor allem dann, wenn er dies auf andere als die bisher maßgeblichen Gründe stützen möchte. Er hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den (in der Regel) Heimatstaat dort gegebenen Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen der Zuerkennungsentscheidung ist es zwar nicht zulässig, die Aberkennung auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes beziehungsweise der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG nicht geändert hat. Soweit aber neue Sachverhaltselemente hinzutreten, die für die Frage der Aberkennung von Bedeutung sein können, ist es der Behörde nicht verwehrt, auch Elemente, die vor Zuerkennung des subsidiären Schutzes beziehungsweise vor Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung liegen, in die Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen. Eine Änderung der maßgeblichen Umstände wird sich regelmäßig daraus ergeben, dass sich die tatsächlichen Umstände im Herkunftsland geändert haben und durch diese Änderung die Ursachen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, beseitigt worden sind, jedoch sieht weder § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG noch Art. 16 Statusrichtlinie vor, dass deren Anwendungsbereich auf einen solchen Fall beschränkt ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Eine Änderung der Sicherheitslage vermag eine Aberkennung des subsidiären Schutzes jedenfalls zu rechtfertigen (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0416). Es kann aber auch eine Änderung des Kenntnisstands der Behörde hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass die ursprüngliche Befürchtung, der Fremde habe eine Verletzung der in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Rechte zu gewärtigen oder er werde einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 Statusrichtlinie erleiden, im Licht der neuen Informationen, die nunmehr zur Verfügung stehen, nicht mehr begründet erscheint. Der EuGH hat zudem - unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie - festgehalten, dass dies jedoch nur gilt, soweit die neuen Informationen, über die der Aufnahmemitgliedstaat verfügt, zu einer Änderung seines Kenntnisstands führen, die hinsichtlich der Frage, ob die betreffende Person die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hinreichend bedeutsam und endgültig sind (vgl. EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn. 49f).
Gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, kommt es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses an. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen. Es sind daher nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
II.3.2.2. Im gegenständlichen Fall stützt sich das BFA ausschließlich auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, nämlich, dass die Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Dazu führt es insoweit aus, dem BF sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, weil die Lage in Afghanistan unruhig gewesen sei und kein gesicherter Familienanschluss habe festgestellt werden können. Das BFA habe "festgestellt", dass sich die Situation in Afghanistan seit seiner Ausreise im Jahr 2008 und dem Zeitpunkt der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich gebessert habe. Zudem habe der BF in Österreich Arbeitserfahrung gesammelt und auch sein aktuelles Lebensalter spreche für die Zumutbarkeit einer Rückkehr.
Dieser Begründung des BFA ist bereits insofern nicht zu folgen, als die Prüfung der geänderten Umstände nicht auf den Zeitpunkt der Ausreise abzustellen hat, sondern die Änderung seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingetreten sein muss. Insofern ist auch die Begründung des BFA, die Sicherheitslage sei damals unruhig gewesen, was ein Mitgrund für die Schutzgewährung gewesen sei, aktenwidrig. Vielmehr hatte das Bundesverwaltungsgericht explizit ausgeführt, dass die Sicherheitslage alleine nicht gegen eine Rückkehr gesprochen hätte (ES 47). Die Sicherheitslage und allgemeine Situation in Afghanistan ist daher, wie eine Einsicht in die vorgehaltenen Länderinformationen im konkreten Fall ergeben hat, nicht entscheidungsrelevant, weil sie sich nicht ausschlaggebend verändert hat, sodass dazu keine weiterführenden Feststellungen zu treffen waren.
Lediglich die Annahme des BFA, die es auch in der Beschwerdeverhandlung noch einmal wiederholte, der BF habe Arbeitserfahrung gesammelt und sei älter geworden, ist daher zutreffend. Das BFA konnte jedoch weder im Bescheid noch in der Beschwerdeverhandlung nachvollziehbar darlegen, inwiefern ihm die Berufserfahrung insbesondere als Küchenhilfe und im Servicebereich bei einer Rückkehr - sei es in sein Heimatdorf oder nach Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif - maßgeblich zugutekommen sollte (VwGH 29.01.2020, Ro 2019/18/0002). Derartiges ist auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich. Das junge Lebensalter des BF war zudem zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar gerade nicht entscheidungserheblich. Vielmehr ging es bereits aufgrund der bloß informellen Schulbildung und der geringen Arbeitserfahrung in Verbindung mit dem Umstand, dass der BF seit seinem zehnten Lebensjahr im Iran lebte und sich niemals in den afghanischen Großstädten aufgehalten hat, er einer ethnischen Minderheit angehört und aufgrund seiner Sprachfärbung als Iran-Rückkehrer erkannt werden würde, davon aus, dass dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei; dies auch unter Beachtung der fehlenden finanziellen Unterstützung durch seine Familie (ES 48f).
Die Situation des BF ist daher seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen unverändert, wohnt seine Familie doch nach wie vor im Iran und kann ihn nicht finanziell unterstützen. Ebenso wenig hat sich daran etwas geändert, dass der BF seit seinem zehnten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan war, einer ethnischen Minderheit angehört und seine Sprachfärbung auffällig ist.
Das BFA würdigte damit dieselbe Situation lediglich anders als zum Zeitpunkt seiner Zuerkennung, was jedoch nicht zulässig ist, da eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat für sich genommen nicht zu einer Aberkennung berechtigt, weil darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262 mit Verweis auf EuGH 23.05.2019, Bilali, C- 720/17, Rn 50).
Eine maßgebliche Änderung wurde vom BFA somit nicht aufgezeigt und war auch vom Bundesverwaltungsgericht nicht festzustellen.
II.3.2.3. Letztlich läuft die Begründung des BFA - auch wenn es sich explizit auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt - darauf hinaus, dem BF den Status aufgrund von § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen, weil das BFA im Gegensatz zur Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgeht, dem BF wäre die Rückkehr in sein Heimatland beziehungsweise die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative möglich und zumutbar.
In diesem Zusammenhang ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass die von Amts wegen durch die belangte Behörde wie auch durch das Bundesverwaltungsgericht zu prüfende Frage, ob einem Antragsteller auf internationalen Schutz eine - ihm auch zumutbare - innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG offensteht oder nicht, eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, welche auf Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0217, Rz 15). "Zumutbar" bedeutet im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/02/0096, mwN). Ebenso handelt es sich bei der Frage, ob eine derartige Situation vorherrscht, die eine Verletzung von Art. 2, 3 EMRK befürchten lässt, um eine Rechtsfrage (VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0616).
Im Erkenntnis vom 10.08.2017 wurde diese amtswegige Prüfung durchgeführt, wobei das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis kam, dass dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar wäre. Unabhängig davon, ob diese Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend war, kann eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht auf § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG gestützt werden. Nach dem Akteninhalt lässt sich nämlich kein Irrtum über die Tatsachen im Zeitpunkt der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigen feststellen. Das BFA ist jedoch nunmehr bei im Wesentlichen gleichbleibender Tatsachenlage, die bereits die Grundlage für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2017 bildete, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gekommen. In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung des EuGH in der Rs Bilali (C-720/17) hinzuweisen, wonach vor dem Hintergrund einer unveränderten Tatsachenlage auch dann nach § 9 Abs. 1 Z 1 1.Fall AsylG abzuerkennen wäre, wenn die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgte, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren. Im Fall Bilali lag ein Irrtum über die Staatsangehörigkeit des BF, also ein Irrtum über Tatsachen, seitens der Behörde vor. Ein solcher Irrtum lag im vorliegenden Fall nicht vor. Vielmehr beurteilte das BFA den im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalt rechtlich anders. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen "Umstand" im Sinne von Art. 16 der Statusrichtlinie, der eine Aberkennung rechtfertigen könnte (vgl. näher BVwG 28.11.2019, W270 2222172-1). Eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat berechtigt für sich genommen nicht zu einer Aberkennung, da darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262, mit Verweis auf EuGH 23.05.2019, Bilali, C- 720/17, Rn 50).
Auch EASO geht davon aus, dass es unter der geltenden Unionsrechtslage nicht ausreicht, dass eine Verwaltungsbehörde zum Schluss gelangt, dass der subsidiäre Schutz nicht hätte gewährt werden dürfen, und sich darum bemüht, ihre ursprüngliche Entscheidung zu revidieren (vgl. EASO, Richterliche Analyse Beendigung des internationalen Schutzes: Artikel 11, 14, 16 und 19 der Anerkennungsrichtlinie, abrufbar unter: https://www.easo.europa.eu/sites/default/ files/ending-international-protection_de.pdf, S. 57). Das BFA hätte diese seiner Meinung nach unrichtige Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts daher mit Revision an den Verwaltungsgerichtshof bekämpfen müssen.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall AsylG zu Unrecht erfolgte. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und III. bis VI. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und diese ersatzlos zu beheben.
Zu Spruchpunkt II.
II.3.2.4. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gilt die einem Fremden erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Mit Spruchpunkt II. wurde dem BF die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen. Auch wenn damit zwar sprachlich der Verlängerungsantrag des BF nicht abgewiesen wurde, sondern sich dieser Spruchpunkt an den Gesetzestext anlehnt, ist darin eine Abweisung des vom BF gestellten Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung zu erblicken, zielt doch auch im Fall eines vor Ablauf der befristeten Aufenthaltsberechtigung gestellten Verlängerungsantrages die behördliche Anordnung darauf ab, das zuvor nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilte Recht zum Aufenthalt nicht weiter bestehen zu lassen. Die Formulierung ist demnach irrelevant (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007, Rz 49ff). Es war daher in Abänderung dieses Spruchpunktes dem - rechtzeitigen - Antrag des BF auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung stattzugeben.
Auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung ist die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Berechtigung ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen. Da die rechtlichen Wirkungen eines Erkenntnisses erst mit dessen Zustellung eintreten und aufgrund der maßgeblichen Rechtsvorschriften eine zweijährige Gültigkeitsdauer der zu verlängernden Aufenthaltsberechtigung vorzusehen ist, hat die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab dem Datum der Zustellung des Erkenntnisses zu erfolgen (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).
II.3.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation Minderheitenzugehörigkeit Rückkehrentscheidung behoben Verlängerung wesentliche Änderung ZumutbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W204.2133045.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020