Entscheidungsdatum
16.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 2221423-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 19.12.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab er zu seinem Fluchtgrund befragt an, während seines Studiums im Jahr 2008 in Bangladesch Mitglied der Studentenflügel der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) namens Chatra Dal geworden zu sein. Seit 2012 sei er Mitglied der Tochterorganisation der BNP namens Jubo Dal. Als Funktionär der Jubo Dal sei er in seiner Heimat auf Grund seiner politischen Gesinnung von Mitgliedern der regierenden Partei verfolgt worden. Im Jahr 2014 habe er einen Studienplatz in Österreich erhalten und das Land verlassen können. Zuletzt sei er am 23.04.2016 nach Bangladesch zurückgekehrt und habe dort seine politischen Aktivitäten wieder aufgenommen. Am 08.06.2016 sei er wieder nach Österreich zurückgereist. Am 16.12.2016 seien Polizisten zu ihm nach Hause gekommen und hätten der Familie des BF mitgeteilt, dass am Tag zuvor ein Strafverfahren gegen den BF eingeleitet worden sei. Seine Familie habe einen Anwalt kontaktiert und sich im Zuge einer Akteneinsicht die Abschriften des Verfahrens ausstellen lassen. Ihm werde fälschlicherweise Schutzgelderpressung, gefährliche Drohung und schwere Körperverletzung zur Last gelegt. Der BF sei unschuldig, die Anzeige sei als politischer Racheakt erfolgt. Da der BF kein Vertrauen zur Justiz habe, könne er nicht nach Hause zurückkehren.
I.2. Am 14.03.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Der BF führte eingangs aus, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Zu Beginn seiner Befragung legte der BF unter anderem seinen bengalischen Reisepass, eine Anzeigebestätigung wegen einer Schlägerei, Schutzgelderpressung und Mordverdacht, einen Bericht zur Übergabe vom Gericht an eine Polizeistation, einen Haftbefehl, Mitgliedsbestätigungen der XXXX und der XXXX , eine Deutschkursbestätigung und private Empfehlungsschreiben vor.
Der BF gab im Wesentlichen an, dass seine ganze Familie für die BNP sei, aber seine Familienangehörigen keine Mitglieder der Partei seien. Der BF habe sich in Bangladesch politisch betätigt und es gebe einen Haftbefehl, aber noch kein Gerichtsurteil gegen ihn.
Der BF habe immer in XXXX gelebt. Seine Familie habe ein Haus in XXXX und sehr viele Grundstücke in XXXX . Seine Eltern und seine Schwester leben derzeit in XXXX . Seine Onkel, Tanten und Großeltern väterlicherseits würden in XXXX leben. Der BF habe regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter und seinen anderen Verwandten. Seine Familie habe ebenfalls Probleme in Bangladesch. Der BF habe zwölf Jahre eine Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Von 2008 bis 2014 habe er die Universität in XXXX besucht und seit 2014 studiere er an der Universität Wien. Derzeit besuche er keine Vorlesungen, er lerne Deutsch. Sein Vater sei in Bangladesch für seinen Lebensunterhalt aufgekommen.
Er sei am 07.06.2014 legal mit einem Studentenvisum in Österreich eingereist. Er sei am 28.07.2014 nach Bangladesch gereist, weil seine Mutter sehr krank gewesen sei. Sie habe Diabetes und einen hohen Blutdruck. Das zweite Mal sei er am 23.04.2016 nach Bangladesch gereist, weil es seiner Mutter wieder nicht gut gegangen sei. Zuletzt sei er am 08.06.2016 legal mit einem Studentenvisum in Österreich eingereist.
Der BF habe weitschichtige Verwandte in Frankreich. In Österreich habe er Freunde. Seit er Probleme in Bangladesch habe, sei er nicht mehr bemüht und konzentriert gewesen, um zu lernen. Derzeit sei er sehr zielstrebig und wolle mindestens das Level B2 erreichen. Er versuche an allen Veranstaltungen der XXXX Gesellschaft teilzunehmen und betreibe an den Wochenenden Sport. Außerdem wolle er in Zukunft ehrenamtlich ältere Personen in einem Altersheim unterstützen. Sein Studentenvisum sei am 24.06.2016 abgelaufen, weil er den Deutschkurs nicht innerhalb von zwei Jahren absolviert habe. Als sein Visum noch gültig gewesen sei, habe er freitags und samstags als Küchenhilfe gearbeitet. Er habe eine Ermahnung wegen Schwarzarbeit erhalten, weil er im Februar oder März 2015 eine Arbeit gesucht und einem potentiellen Arbeitgeber seine e-card gegeben habe. Ihm sei gesagt worden, dass sie sich melden würden. Es habe aber niemand angerufen und mit seiner e-card habe eine andere Person gearbeitet. Der BF habe in Österreich nie "schwarz" gearbeitet.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er 2008 am XXXX zur Bangladesh Jatiotabadi Chatra Dal gegangen sei, einer Studentenorganisation der BNP. Von Anfang 2012 bis 2014 sei er zur Bangladesh Jatiotabadi Jubo Dal gegangen. Ende 2012 habe es ein großes Treffen der Jubo Dal gegeben. Der BF sei zum Vizepräsidenten ernannt worden und habe dieses Amt bis 2014 innegehabt. Seitdem sei er bei verschiedenen politischen Aktivitäten dabei gewesen, als es zu Problemen gekommen sei. Der BF sei in seiner Funktion ständig von der Chatra-League belästigt und bedroht worden. Als es zu diesen Problemen gekommen sei, habe er gedacht, dass er fertig studieren wolle und dies nur in einem anderen Land möglich sei. Die letzten eineinhalb Jahre, also seit 2013 sei er politisch nicht mehr so aktiv gewesen, weil es sonst nicht möglich gewesen wäre, seine Universität abzuschließen. Als er 2014 von Österreich nach Bangladesch zurückgekehrt sei, hätten ihn seine Parteianhänger kritisiert. In den vier Monaten in Bangladesch habe er sonst keine Probleme gehabt. Er sei aber zwei Mal in XXXX gewesen und dort hätten die Dorfbewohner ihn nicht leiden können, weil er die BNP unterstützt habe. Diese hätten versucht, dem BF Schaden zuzufügen und er sei dort schlecht behandelt worden. Als er 2016 erneut in Bangladesch gewesen sei, sei wieder von seinen politischen Anhängern befragt worden, weshalb er nicht politisch aktiv sei. Der BF habe sich daraufhin schlecht gefühlt und zwei bis drei politische Veranstaltungen besucht.
Am 04.06.2016 sei er in einem Teegeschäft in XXXX von einem aktiven Politiker der Awami League befragt worden, weshalb er in Bangladesch sei, weil er gehört habe, dass der BF in Österreich studiere, aber auch in XXXX politisch aktiv sei und öfter nach XXXX komme. Der Cousin des BF habe versucht, ihn zu verteidigen und sei daraufhin geschlagen worden. Es sei zu einer Schlägerei gekommen und eine Person habe nach circa 10 bis 15 Minuten eine Waffe gezogen. Diese Person habe damit auf den BF gezeigt und ihm gesagt, dass er sofort verschwinden solle, sonst würde er ihn erschießen. Innerhalb einer Stunde sei der BF zurück nach XXXX gegangen und habe nach drei Tagen den Flug nach Wien genommen.
Am 16.12.2016 seien drei bis fünf Polizisten zum BF nach Haus gekommen und hätten gesagt, dass sie nach dem BF suchen würden. Nach diesem Vorfall habe der Vater des BF einen Anwalt kontaktiert, um mehr Informationen zu erhalten. Danach sei dem BF die Anzeigebestätigung übermittelt worden.
Weitere Fluchtgründe habe der BF nicht.
Nachgefragt, weshalb der BF Bangladesch verlassen habe, da er die Vorgeschichte zu seiner Flucht zwar sehr umfangreich dargelegt habe, jedoch die Angaben zum fluchtauslösenden Ereignis oberflächlich und vage gehalten habe, gab der BF an, dass die Probleme 2012 begonnen hätten. Da es einfach gewesen sei, mit einem Studentenvisum auszureisen, sei er so ausgereist. Da jetzt aber ein größeres Problem bestehe, könne er nicht zurückreisen.
Erneut aufgefordert, den konkreten Grund für seine Ausreise zu nennen, führte der BF an, dass er das erste Mal wegen des Studiums ausgereist sei. Das zweite Mal genauso, danach sei er nicht mehr zurückgekehrt.
Nachgefragt, ob der BF Bangladesch in erster Linie wegen seines Studiums verlassen habe, gab er an, dass dies der Hauptgrund gewesen sei, aber das Ziel des Studiums im Ausland wegen der Probleme in Bangladesch gewesen sei.
Noch einmal aufgefordert, den Grund für das Verlassen seines Herkunftslandes so präzise wie möglich darzulegen, gab der BF an, dass 2014 die derzeitige Partei an die Macht gekommen sei und Anhänger und Mitglieder von der Regierung gefoltert, geschlagen und gedemütigt worden seien. Sehr viele Menschen seien verschwunden und unschuldige Menschen seien inhaftiert worden. Aufgrund dieser problematischen Situation habe der BF sich gesagt, ins Ausland zu gehen, um dort zu studieren.
Befragt, was in der Anzeigebestätigung steht, die der BF vorgelegt habe, gab er an, dass er beschuldigt werde, dass er am 15.12.2016 in der Provinz XXXX eine namentlich genannte Person sowie vier bis fünf weitere Personen geschlagen und mit Waffen attackiert und verletzt haben soll. Außerdem soll der BF Schutzgeld von umgerechnet circa 1000 Euro verlangt haben. Außerdem soll der BF das Handy dieser namentlich genannten Person gestohlen haben und gedroht haben, bei ihm zu Hause ein Feuer zu entzünden.
Die Frage, ob der BF noch mehr dazu angeben könne, verneinte er.
Aufgefordert, alles zu schildern, was er von dem Ereignis als die Polizei bei ihm zu Hause gewesen sei, zu erzählen, führte der BF an, dass die Polizei gekommen sei und nach dem BF gesucht habe. Sie hätten seine Eltern befragt, wo der BF sei und sie aufgefordert, Auskunft über den BF zu geben. Als seine Eltern gefragt hätten, weshalb nach dem BF gesucht werden würde, hätte man ihnen gesagt, dass eine Anzeige gegen den BF vorliege.
Nachgefragt, was der BF noch zu diesem Vorfall angeben könne, gab er an, dass sein Vater dem BF am 18.12.2016 die Anzeigekopie geschickt habe. In der Nacht habe er die E-Mail der Bestätigung erhalten und am 19.12.2016 habe er den gegenständlichen Asylantrag gestellt. Letztes Jahre im Juni oder Juli 2017 sei ein Haftbefehl gegen den BF ausgestellt worden. Die Polizei suche sowohl in XXXX als auch in XXXX nach dem BF.
Die Frage, ob der BF noch etwas zu diesem Vorfall angeben könne, verneinte er.
Aufgefordert, umfangreiche Angeben rund um seine Bedroher zu machen, gab der BF den Namen an und führte auf wiederholte Nachfrage aus, dass dieser ein Befürworter der Awami League und eine Art Krimineller sei. Die anderen Personen kenne der BF nicht.
I.3. In der vom BFA beauftragen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 20.02.2019 wurde ausgeführt, dass dem Bericht des Vertrauensanwalts zu entnehmen sei, dass im angegeben Zeitraum vom 10.12.2016 bis 31.12.2016 kein Schreiben über eine schriftliche Anordnung wegen Körperverletzung (schwer), Erpressung, Diebstahl, Raub und Morddrohung abgefasst worden sei. Darüber hinaus seien alle in diesem Zeitraum dokumentierten Fälle am Distriktgericht XXXX abgewiesen worden und keiner dieser Fälle sei gegenwärtig anhängig. Weiter wurde ausgeführt, dass die durch den Vertrauensanwalt durchgeführte Recherche ergeben habe, dass XXXX von 2010 bis 2018 die Funktion des Vorsitzenden der Bangladesh Jatiyotabadi Jubo Dal für den Verwaltungsbezirk XXXX im Wahlbereich Nr. 48, derzeit die Nr. 14, innegehabt habe. Weiters wurden die Namen von acht Personen angeführt, welche im oben genannten Zeitfenster hohe Funktionen innerhalb der Jatiyotabadi Jubo Dal für den Verwaltungsbezirk XXXX innegehabt hätten. (Anm: der Name des BF ist nicht angeführt)
I.4. In der vom BFA beauftragen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.04.2019 wurde ausgeführt, dass dem Bericht des Vertrauensanwalts entnommen werden könne, dass es im Zeitraum vom 15.09.2017 bis 20.09.2017 zu vier verschiedenen Eingaben bezüglich der Delikte Erpressung, vorsätzliche Körperverletzung und Diebstahl gekommen sei. Drei Fälle seien zum Zeitpunkt der Recherche noch von der Polizei ermittelt und ein Fall sei am 09.08.2018 eingestellt worden, da sich die Anschuldigungen als falsch herausgestellt hätten. Es gebe zu diesen Fällen daher keine Urteile und Haftbefehle.
I.5. Am 07.06.2019 fand eine weitere Befragung des BF vor dem BFA statt. Der BF gab darin ergänzend im Wesentlichen an, dass er wegen der Religion verfolgt werde, weil die derzeitige Regierung darauf fokussiert sei. Es gebe offiziell Religionsfreiheit, aber wenn man bestimmten Religionen angehöre, arbeite die Regierung negativ daran. Seine Familie habe ein Grundstück in XXXX gekauft und der Verkäufer habe gegen seine Eltern ein Strafverfahren eingeleitet. Aktivisten der Awami League würden nicht zulassen, dass ein Haus darauf gebaut werde. Er halte seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht, sein Strafverfahren laufe noch und es gebe monatlich Anhörungen.
Dem Vorhalt, dass nicht festgestellt haben werde können, dass der BF eine politische Funktion bis 2014 innegehabt habe und laut Antwort der Staatendokumentation in der Liste sein Name nicht angeführt werde und diese nicht mit dem vom BF vorgelegten Bestätigungsschreiben der Partei übereinstimme, erwiderte der BF, dass falls es eine Fälschung wäre, er ja nur seinen Namen hinzugefügt oder ausgetauscht hätte, aber es unlogisch sei, dass alle Namen anders seien. Außerdem seien in den Büros lediglich die Vorsitzenden und Generalsekretäre angeführt, die darunter stehenden Organisationssekretäre und deren Stellvertreter würden nicht von der Ebene des Polizeiverwaltungsbezirks ernannt.
Dem Vorhalt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass das Gericht XXXX eine schriftliche Anweisung wegen Körperverletzung, Erpressung, Diebstahl, Raub und Morddrohung erlassen habe, erwiderte der BF, dass ständig die Polizei komme und monatlich Anhörungen stattfinden würden und dass die Recherche daher nicht nachvollziehbar sei.
Der BF legte im Rahmen seiner Befragung den Kaufvertrag des Grundstücks und Verfahrensunterlagen gegen seine Eltern vor.
I.6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 07.06.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der Erhebungen vor Ort davon ausgegangen werden müsse, dass der BF in seiner Heimat nicht politisch tätig gewesen sei und kein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden sei. Das Vorbringen des BF entspreche somit nicht den ermittelten Tatsachen. Der BF habe offensichtlich verfälschte bzw. gefälschte Beweismittel vorgelegt, weshalb das BFA nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht gelange, dass es nicht glaubhaft sei, dass dem BF im Herkunftsstaat Verfolgung droht.
Dass der BF im Fall einer Abschiebung in eine ausweglose Lage geraten würde, sei nicht feststellbar. Es sei auch davon auszugehen, dass der BF nach wie vor über familiäre und soziale Beziehungen innerhalb Bangladesch verfüge. Es sei ihm zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung in Bangladesch den Lebensunterhalt zu sichern.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.7. Mit Schriftsatz vom 10.07.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des - rechtsfreundlich vertretenen - BF zur Gänze angefochten.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF vermute, dass die Anfrage betreffend die von ihm vorgelegte Mitgliederliste möglicherweise an die falsche organisatorische Ebene der BNP gestellt worden sei und die vorgelegte Liste daher nicht mit jener, die der Vertrauensanwalt an das BFA übermittelte, übereinstimme. Mangels Einsicht in die Ermittlungsergebnisse sei es dem BF jedoch nicht möglich, sich detailliert zu äußern.
I.8. Am 17.07.2019 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.9. Am 13.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.
In der Verhandlung vor dem BVwG führte der BF aus, dass er an einem erhöhten Cholesterinspiegel leide und er über ärztliche Empfehlung deshalb Übungen mache und seine Nahrungsaufnahme kontrolliere. Ansonsten sei er gesund.
Mit seiner Familie, Eltern sowie eine Schwester, welche alle in Bangladesch leben, habe er regelmäßigen, ein- bis maximal dreimal pro Woche, Kontakt. Seiner Familie gehe es finanziell durchschnittlich. In Österreich habe er keine Verwandten, keine Kinder und auch keine Beziehung. Er habe jedoch zumindest zwei österreichische Freunde.
Hinsichtlich einer Konversation in deutscher Sprache konnte in der Verhandlung festgestellt werden, dass diese durchaus möglich ist, weil insbesondere ein ausreichender Sprachwortschatz vorhanden ist, auch wenn die Antworten nicht immer in vollen Sätzen erfolgten.
Der BF kam mit einem Studentenvisum legal nach Österreich. Allerdings konnte er sein Studium in Österreich nicht beginnen, weil er die erforderlichen Deutschkenntnisse für das Studium nicht erbrachte. Festgestellt wurde, dass der BF an der Universität Wien "english and american studies" studieren wollte. Befragt, weshalb er diese Studien nicht auf einer englischen oder amerikanischen Universität studieren wollte, erklärte der BF, dass die Universität Wien sehr namhaft sei und ein hohes "ranking" habe. Darüber hinaus würde die Universität Wien keine Studiengebühren nehmen, im Gegensatz zu anderen Universitäten in England und Amerika, wo diese Studiengebühren sehr hoch seien. Gefragt, was man bei "english and american studies" lerne, führte der BF aus, dass man anfänglich ein viermonatiges Visum bekäme und dann ein jährliches Visum. Man müsse dann innerhalb von zwei Jahren ein Deutsch-Niveau B2 erreichen, welches er nicht geschafft habe, da seine Mutter in Bangladesch krank war. Er sei öfters mit dem Studentenvisum legal nach Österreich gekommen und immer wieder nach Bangladesch zurückgekehrt. Zuletzt sei er am 07.06.2017 mit dem Studentenvisum eingereist. Befragt, warum der BF nach Österreich gekommen sei, führte er wörtlich aus: "Der Grund ist, dass ich zwar mit dem Studentenvisum gekommen bin, aber bereits zuvor seit 2 Jahren politische Probleme hatte. Ich bin mit dem Studentenvisum nach Österreich gekommen, weil es im Vergleich zu den anderen Möglichkeiten die einzige war, die möglich war."
Derzeit arbeitet der BF als selbständige Reinigungskraft und verzeichnet nach seinen Aufzeichnungen für 2019 Brutto-Einnahmen in der Höhe von ? 11.984.
Nach seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er von 2008 bis 2011 bei einer Studentenorganisation der BNP auf seinem Campus gewesen sei. Von Anfang 2012 bis zu seiner Ankunft in Österreich (2014) sei er bei einer Parteiorganisation der BNP auf Polizeiverwaltungsbezirksebene gewesen. 2016, bei einem Heimatbesuch, habe er wieder seine politischen Aktivitäten aufgenommen.
Es sei dann zu einem Zwischenfall mit einem Gegner von der Awami League gekommen. In seinem Heimatdorf habe der BF gemeinsam mit einem jüngeren, minderjährigen Cousin im Bazar Tee getrunken. Ein Vertreter der politischen Gegner sei auf sie zugegangen und habe den BF, was er hier mache. Daraufhin habe der Cousin die Gegenfrage gestellt, "warum geht sie das an, wieso fragen sie?". Es sei daraufhin zu einer Auseinandersetzung, in weiterer Folge zu einer Rangelei, letztlich zu einer Schlägerei gekommen. Am Ende sei der BF auch mit einer Waffe bedroht worden und sei er sowie sein Cousin nach XXXX geflüchtet. Sein Cousin würde sich noch immer in XXXX befinden, da er nicht mehr in das Dorf zurückkehren könne. Der BF sei vier Tage nach diesem Vorfall wieder am 08.06.2016 nach Österreich mit dem noch gültigen Studentenvisum eingereist.
Zum Beweis seiner behauptetermaßen weiterhin bestehenden politischen Verfolgung legte der BF Dokumente vor, insbesondere Vorladungstermine eines Gerichtes in Bangladesch. Es sei gegen ihn eine Anzeige am 15.12.2016 erstattet worden und es gäbe nunmehr fast monatlich Anhörungstermine bei Gericht. Die letzte Anhörung sei am 01.03.2020 gewesen und die nächste Anhörung sei für den 29.03.2020 angesetzt worden. Dazu legte der BF konkrete Dokumente, auch in beglaubigter deutschsprachiger bzw. englischsprachiger Übersetzung, vor, welche in Kopie der Verhandlungsschrift beigefügt wurden.
Nach Durchsicht der vom BF in der Verhandlung vor dem BVwG vorgelegten Dokumente ergeben sich begründete Zweifel an ihrer Echtheit bzw inhaltlichen Richtigkeit. Dies insbesondere bei jenem Dokument, welches der BF als Beweis der monatlichen Anhörung vorlegte (Seite 4 der Vorlage). Faktum ist, dass auf dem Dokument, welches behaupteter maßen die Anhörung vom 01.03.2020 beinhaltet und die nächste Anhörung für den 29.03.2020 terminisiert zwei "Stempel" folgenden (deutschsprachig übersetzten) Inhalt aufweisen: Stempel links, dritter von unten: "Unterschrift unleserlich, Duplikat, Md Solaiman 03.02.2020" bzw Stempel rechts unten: "Genau doppelt bestätigt, Verwaltungsbeamter, Unterschrift unleserlich; 03.02.2020; Oberster Richter Patuakhali; Wird durch Abschnitt ermächtigt 76 des Gesetzes 1 von 1872."
Andere Fluchtgründe, insbesondere auch religiöse Gründe, gab der BF, der in der Verhandlung angab, dem Islam anzugehören, nicht an.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Der BF ist ledig.
Der BF hat in Bangladesch zwölf Jahre eine Grundschule besucht. Von 2008 bis 2014 studierte er an der Universität in XXXX . Der BF hat in Bangladesch keinen Beruf ausgeübt. Sein Vater ist für seinen Lebensunterhalt aufgekommen.
Die Eltern und die Schwester des BF sowie weitere Verwandte des BF väterlicherseits leben in Bangladesch. Der BF hat regelmäßigen, wöchentlich 1 bis 3 mal, Kontakt zu seinen Verwandten in Bangladesch. Die Familie des BF verfügt über mehrere Grundstücke in XXXX und XXXX .
Der BF reiste erstmals am 07.06.2014 legal mit einem Studentenvisum in Österreich ein. Von 28.07.2014 bis 24.11.2014 und von 24.04.2016 bis 08.06.2016 hielt sich der BF aufgrund einer Erkrankung seiner Mutter in Bangladesch auf.
Am 14.06.2016 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels. Am 25.06.2016 endete der Aufenthaltstitel des BF, weil der BF den erforderlichen Deutschkurs nicht absolvierte. Der BF absolvierte in Österreich keine Prüfungen an der Universität Wien.
Am 19.12.2016 stellte der BF den gegenständlichen Asylantrag.
Der BF bezog im Dezember 2016 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er lebt in Österreich gemeinsam mit zwei bengalischen Staatsangehörigen in einer privaten Unterkunft. Der BF ist Mitglied der XXXX sowie der XXXX . Der BF hat am 10.03.2018 an der Integrationsprüfung B1 teilgenommen, diese aber nicht bestanden. Laut Prüfungsergebnis erreichte der BF ein Sprachniveau A2.
Der BF hat von 23.12.2014 bis 08.08.2017 mehrere geringfügige Beschäftigungen ausgeübt und war von 01.11.2017 bis 31.01.2018 sowie seit 01.04.2018 gewerblich selbständig erwerbstätig (als " XXXX "-Fahrer sowie selbständige Reinigungskraft). Seit 01.11.2017 verfügt der BF über eine Gewerbeberechtigung "Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten". Der BF ist selbsterhaltungsfähig.
Im Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen des BF.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist gesund, hat jedoch einen hohen Cholesterinspiegel, welchen er über ärztlichen Rat mittels Bewegung und gezielter Nahrungsaufnahme verringert.
II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF macht politische Gründe für seine Flucht geltend.
Der BF, welcher sunnitischen Glaubens ist, machte bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 07.06.2019 auch religiöse Gründe geltend (AS 537), die er jedoch nicht konkretisierte und in der Verhandlung vor dem BVwG nicht erwähnte.
Der BF kam mit einem Studentenvisum legal nach Österreich, konnte sein Studium jedoch mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht studieren. Festgestellt wird, dass der BF an der Universität Wien "english and american studies" studieren wollte, weil diese sehr namhaft sei und ein hohes "ranking" habe. Darüber hinaus würde die Universität Wien keine Studiengebühren nehmen, im Gegensatz zu anderen Universitäten in England und Amerika, wo diese Studiengebühren sehr hoch seien.
Festgestellt wird, dass dem BF die Erlangung des Studentenvisums besonders wichtig war, weil es für ihn "im Vergleich zu den anderen Möglichkeiten die einzige war", für zwei Jahre nach Österreich zu kommen.
Festgestellt wird, dass der BF behauptet, für einige Jahre für Organisationen der BNP tätig gewesen zu sein und er deshalb verfolgt werde. Eine Verifizierung durch die Staatendokumentation brachte diesbezüglich keine Bestätigung.
Festgestellt wird, dass der BF behauptet, auf einem Bazar in seinem Dorf nach einer verbalen Auseinandersetzung und folgender "Dorfschlägerei" von einem Anhänger der Awami League mit einer Waffe bedroht worden zu sein. Festgestellt wird, dass der dabei anwesende Cousin des BF, welcher zur verbalten Auseinandersetzung beigetragen hatte, sich seitdem angeblich in Dhaka aufhält.
Nach legaler Einreise in Österreich hielt sich der BF in den Jahren 2014 und 2016 für jeweils mehrere Monate in Bangladesch auf, bis er im Dezember 2016 den gegenständlichen Asylantrag stellte, nachdem sein berechtigter Aufenthalt in Österreich im Juni 2016 geendet hatte.
Der BF konnte sowohl im Jahr 2014 als auch im Jahr 2016 ohne Probleme nach und aus Bangladesch ausreisen.
Es wird nicht festgestellt, dass in Bangladesch seit 2016 eine oder mehrere Anzeigen gegen den BF erhoben wurden und dass gegen den BF ein Haftbefehl ausgestellt wurde. Ebenso wenig wird festgestellt werden, dass der BF in Bangladesch von der Polizei gesucht wurde bzw. gesucht wird. Es wird nicht festgestellt werden, dass der BF von Anhängern der Awami League oder von staatlichen Akteuren politisch verfolgt wurde.
Es wird festgestellt, dass der BF dem BVwG Dokumente vorlegte, die wegen inhaltlichen Widerspruchs als gefälscht anzusehen sind.
Eine Verfolgung des BF aus religiösen Gründen ist nicht im Verfahren hervorgekommen.
Der BF ist in seinem Herkunftsland keiner konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen ausgesetzt gewesen und droht ihm auch keine Verfolgung im Falle einer Rückkehr.
Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung aus politischen und religiösen Gründen brachte der BF im Verfahren keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.
Eine Verfolgung des BF aufgrund der Grundstückstreitigkeiten der Eltern des BF ist im Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) - mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).
Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die Awami League (AL) und Bangladesh Nationalist Party (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).
Durch eine Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018): Bangladesch - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017)
- BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019
- bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019
- BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019
- BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019
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- DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019
- DT - Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019
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- DW - Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 7.3.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
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- ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019
- RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019
- WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019
Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere zwischen der Awami League und der Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen auf Grund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).
Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21.2.2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere die Zahl der Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
- AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019
- BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- UKHO - UK Home-Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Rechtsschutz/Justizwesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).
Quellen:
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices
Korruption
Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.10.2017; vgl. LIFOS 25.2.2019). Der Vorsitzende der Antikorruptionsbehörde, Iqbal Mahmood, wird mit den Worten zitiert, die Korruption habe ein solches Ausmaß erreicht, dass er ratlos sei, wie er sie reduzieren könne (AA 27.10.2017). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2018 den 149. Platz unter 180 untersuchten Staaten, das ist eine Verschlechterung von sechs Plätzen im Vergleich zum Jahr 2017 (143/180) (TI 29.1.2019).
Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 12.2018).
Laut Transparency International haben im Jahr 2015 47 % der befragten Haushalte und 49 % der befragten Unternehmen Bestechungsgeld gezahlt (TI 30.5.2016). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NGOs genießen den besten Ruf (AA 27.10.2017).
Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als "eher zahnloser Papiertiger" sowie "reines Aushängeschild" beurteilt (ÖB 12.2018). Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die ACC der Korruption verdächtigte Beamte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 27.10.2017). Im Gegenzug wird der Regierung vorgeworfen, die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung zu nutzen (USDOS 20.4.2018), beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 1.2018).
Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weit verbreiteten Polizeikorruption (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (25.2.2019): Bangladesh falska handlingar, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458189/1226_1551169348_190225550.pdf, Zugriff 5.3.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- TI - Transparency International (29.1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, https://www.transparency.org/files/content/pages/2018_CPI_Methodology.zip, Zugriff 6.3.2019
- TI - Transparency International (30.5.2016): U4 Expert Answer - Corruption and governance indicators in selected Asian countries, https://knowledgehub.transparency.org/assets/uploads/helpdesk/Corruption_trends_in_Asia_Pacific_region.pdf, Zugriff 6.3.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 12.2018; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17.5.2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die "National Human Rights Commission" wurde im Dezember 2007 unter dem "National Human Rights Commission Ordinance" von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 12.2018).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 12.2018a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2017 sollen nach Angaben der bangladeschischen Menschenrechtsorganisation Odhikar 117 Personen durch Sicherheitskräfte getötet, 13 Personen dabei zu Tode gefoltert bzw. geprügelt worden sein (Odhikar 12.1.2018). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 12.2018, siehe auch Abschnitt 5).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen zählen weiters, auch auf Grund des Fehlens von Rechenschaftspflicht, Einschränkungen der Bürgerrechte inklusive der Rede- und Pressefreiheit, der Aktivitäten von NGOs, ein Mangel an Freiheit, um an politischen Prozessen teilzunehmen, Korruption, Gewalt und Diskriminierung basierend auf Geschlecht, Religion, Kaste, Stamm, inklusive indigener Personen, sexueller Orientierung und Genderidentität. Auch Menschenhandel, Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte und schlimme Formen der Kinderarbeit sind weiterhin ernsthafte Probleme (USDOS 20.4.2018).
Die meisten NGOs können uneingeschränkt arbeiten, jedoch werden Gruppen, die als übermäßig regierungskritisch gelten, überwacht und schikaniert und ihnen werden regelmäßig notwendige behördliche Genehmigungen verweigert (FH 1.2018).
Im April brachte die EU während der jährlichen bilateralen Menschenrechtskonsultationen ihre Besorgnis über Berichte über außergerichtliche Tötungen und gewaltsames Verschwindenlassen zum Ausdruck und forderte von der Regierung das Problem der Gewalt und Belästigung von Gewerkschaftern anzugehen (HRW 17.1.2019).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, es wird jedoch nicht effektiv durchgesetzt. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 20.4.2018). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung und Blasphemie juristisch zu verfolgen (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018).
Die Regierung unternimmt Anstrengungen den "Prevention and Suppression of Human Trafficking Act (PSHTA)" von 2012 umzusetzen, erreicht aber noch nicht die Minimalstandards zur Verhinderung von Menschenhandel. Für 2017 hat die Regierung 778 Fälle von Menschenhandel gemeldet, wobei ein Vergleich mit den Jahren davor nicht möglich ist. Verurteilungen sind selten, da nicht ausreichend Ressourcen für die Ermittlungen in allen Fällen bereitgestellt werden. Für Frauen und Kinder, die Opfer von Menschenhandel waren, stellt die Regierung für maximal fünf Tage Unterkunft in Schutzhäusern zur Verfügung. NGOs kritisieren, dass die Unterstützung nicht ausreichend ist und die Gefahr neuerlich Opfer zu werden hoch ist. NGOs unterstützen männliche Opfer, bieten jedoch keine Unterkunft an (USDOS 28.6.2018).
Quellen:
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 5.3.2019
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- Odhikar (12.1.2018): Bangladesh Annual Human Rights Report 2017, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2018/01/Annual-HR-Report-2017_English.pdf, Zugriff 1.3.2019
- UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 5.3.2019
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
- USDOS - US Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives: A-C, S 89ff, https://www.state.gov/documents/organization/282800.pdf, Zugriff 28.2.2019
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch beschnitten. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden und die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 27.10.2017).
Es sind Fäll