TE Bvwg Beschluss 2020/3/16 W109 2177219-2

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Veröffentlicht am 16.03.2020
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Entscheidungsdatum

16.03.2020

Norm

AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §2 Abs4
B-VG Art133 Abs9
B-VG Art135 Abs4
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art89 Abs2
VwGG §25a Abs3

Spruch

W109 2177219-2/7Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. BÜCHELE im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 05.10.2017, Zl. XXXX :

A) Das Bundesverwaltungsgericht stellt gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den

Antrag,

§ 2 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Sachverhalt:

Beim Bundesverwaltungsgericht ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl anhängig, dem folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

1. Antrag auf internationalen Schutz:

Am 25.10.2016 stellte der - damals minderjährige - Beschwerdeführer des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Der (damals) minderjährige Beschwerdeführer reiste allein ohne Begleitung eines Familienangehörigen.

Mit Bescheid vom 05.10.2017, zugestellt am 19.10.2017, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers nach niederschriftlicher Einvernahme am 23.08.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Am 16.11.2017 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017 bei der Behörde ein; diese wurde an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet und ist unter der Zl. W109 2177219-1 protokolliert.

2. Straffälligkeit und Abspruch über den Verlust des Rechts auf Aufenthalt (§ 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005):

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27.07.2018, 143 Hv 54/2018m, rechtskräftig am 31.07.2018, wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG schuldig gesprochen (Jugendstraftat) und gemäß § 13 JGG der Ausspruch der Strafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Am 01.09.2018 trat § 2 Abs. 4 iVm § 73 Abs. 20 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 - FrÄG 2018) in Kraft.

Mit weiterem - verfahrensgegenständlich in Beschwerde gezogenem - Bescheid vom 26.09.2018, zugestellt am 26.09.2018, sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 aus, der Beschwerdeführer habe sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 31.07.2018 verloren. Begründend werden lediglich die Rechtsgrundlagen referiert. Auf die näheren Umstände wird nicht eingegangen. Zusammen mit dem Bescheid vom 26.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer die Verfahrensanordnung gemäß § 13 AsylG 2005 über den Verlust des Aufenthaltsrechtes zugestellt.

Am 24.10.2018 langte die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018 bei der Behörde ein; diese wurde an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet und ist unter der Zl. W109 2177219-2 protokolliert.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14.12.2018, 151 Hv 125/2018m, rechtskräftig am 14.12.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 2a SMG unter Einbeziehung des Schuldspruchs vom 27.07.2018, Zl. 143 Hv 54/2018m, zum nachträglichen Strafausspruch zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten verurteilt (Jugendstraftat).

3. Am 24.07.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Rechtslage:

§§ 2, 13, 73 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018, lauten auszugsweise wie folgt (die zur Prüfung beantragte Stelle ist durch Unterstreichung hervorgehoben):

"Begriffsbestimmungen

§ 2. [...]

(3) Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er

1. wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, oder

2. mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist

rechtskräftig verurteilt worden ist.

(4) Abweichend von § 5 Z 10 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 - JGG, BGBl. Nr. 599/1988, liegt eine nach diesem Bundesgesetz maßgebliche gerichtliche Verurteilung auch vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist."

"Aufenthaltsrecht

§ 13. (1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.

(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn

1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,

3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder

4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.

Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

(3) Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen."

"Zeitlicher Geltungsbereich

§ 73. [...]

(20) Die §§ 2 Abs. 1 Z 22, 2 Abs. 4, 4a, 7 Abs. 2 und 2a, 15b Abs. 1, 3 und 4, 15c Abs. 1, 17 Abs. 3, 17a, 28 Abs. 2, 35 Abs. 1, 55 Abs. 1 Z 2, 68 Abs. 1, 72 Z 4, 75 Abs. 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2018 treten mit 1. September 2018 in Kraft. § 70 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2018 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Die §§ 50 Abs. 2 und 3, 51 Abs. 3, 51a Abs. 2 und 52 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2018 treten mit 1. Jänner 2019 in Kraft.

[...]"

§§ 1, 5 Jugendgerichtsgesetz 1988 (JGG), BGBl. Nr. 599/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 154/2015, lauten auszugsweise wie folgt:

"Begriffsbestimmungen

§ 1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. [...]

2. Jugendlicher: wer das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;

3. Jugendstraftat: eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem Jugendlichen begangen wird;

[...]"

"Besonderheiten der Ahndung von Jugendstraftaten

§ 5. Für die Ahndung von Jugendstraftaten gelten die allgemeinen Strafgesetze, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist:

1. [...]

10. In gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen treten nicht ein.

11. [...]"

Die Art. 1, 2 Abs. 2 und 7 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, BGBl. I Nr. 4/2011, lauten wie folgt:

"Artikel 1

Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

Artikel 2

(1) [...]

(2) Jedes Kind, das dauernd oder vorübergehend aus seinem familiären Umfeld, welches die natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder ist, herausgelöst ist, hat Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates."

"Artikel 7

Eine Beschränkung der in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 dieses Bundesverfassungsgesetzes gewährleisteten Rechte und Ansprüche ist nur zulässig, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

III. Zur Zulässigkeit des Antrages:

1. Anfechtungsberechtigung:

Gemäß Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, wenn es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, einen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Anlässlich der Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 26.09.2018 sind beim Bundesverwaltungsgericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der im Antrag angeführten Bestimmung entstanden.

Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018 gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zuständig. Da keine Senatszuständigkeit vorgesehen ist, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 6 BVwGG durch Einzelrichter. Folglich ist der zur Entscheidung über diese Beschwerde zuständige Einzelrichter zur Anfechtung berechtigt (und verpflichtet).

2. Präjudizialität:

Im gegenständlichen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundsamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018 (vgl. oben Punkt I.2.) darüber zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 verloren hat.

Aus dem Gesetzeswortlaut sowie aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Verlust des Aufenthaltsrechtes ex lege eintritt (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0018). Der Abspruch über den Verlust des Aufenthaltsrechtes nach § 13 Abs. 4 AsylG 2005 ist demnach bloß deklarativ (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofe, Asyl- und Fremdenrecht § 13 AsylG K15) und dient lediglich der Rechtssicherheit sowie der Vermeidung eines Rechtsschutzdefizites (Vgl. ErläutRV 1803 Blg NR 24. GP 40). Er erfolgt ohne eigenes "Prüfkalkül" der Verwaltungsbehörde.

Nach § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn er straffällig geworden ist. Nach § 2 Abs. 3 AsylG 2005 ist ein Fremder straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt (Z 1) oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 2).

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.07.2018 (rechtskräftig am 31.07.2018), und vom 14.12.2018 (rechtskräftig am 14.12.2018), wegen vorsätzlich begangener gerichtlich strafbarer Handlungen verurteilt. In beiden Fällen handelt es sich um Jugendstraftaten. Mit dem beim Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheid wurde wegen der ersten Verurteilung durch die belangte Behörde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Aufenthaltsrecht ab dem 31.07.2017 verloren.

§ 5 Z 10 JGG normiert einen Rechtsfolgenausschluss für Jugendstraftaten. Nach dieser Bestimmung sollen für die Ahndung von Jugendstraftaten in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen nicht eintreten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG für Rechtsfolgen, die aufgrund gesetzlicher Anordnung ex lege eintreten und andererseits für vom Gesetz zur Gänze determinierte Rechtsfolgen, auch wenn diese erst aufgrund einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde realisiert werden. Entscheidend ist, dass der Verwaltungsbehörde bei ihrem Vorgehen ein eigenes Prüfkalkül nicht zukommt (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246).

Beim Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 handelt es sich um eine Rechtsfolge im Sinne der eben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Mit dem FrÄG 2018 wurde mit § 2 Abs. 4 AsylG 2005 eine Ausnahme vom Rechtsfolgenausschluss für Jugendstraftaten gemäß § 5 Z 10 JGG eingeführt, nämlich, dass abweichend von § 5 Z 10 JGG eine nach dem AsylG 2005 maßgebliche gerichtliche Verurteilung auch vorliegt, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist. Die Bestimmung trat gemäß § 73 Abs. 20 AsylG 2005 mit 01.09.2018 in Kraft. Übergangsregelungen wurden nicht erlassen.

Den Materialien zum FrÄG 2018 lässt sich entnehmen, dass § 2 Abs. 4 AsylG 2005 unter anderem gerade darauf abzielt, dass der Verlust des Aufenthaltsrechtes nach § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 auch bei einer Verurteilung wegen einer Jugendstraftat eintreten soll (ErläutRV 189 Blg NR 26. GP 21).

Damit hat das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren, in dem es über den Verlust des Aufenthaltsrechtes des Beschwerdeführers gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 zu entscheiden hat, die angefochtene Bestimmung des § 2 Abs. 4 AsylG 2005 ohne Zweifel anzuwenden.

Die Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht als verfassungswidrig angesehenen Norm führt dazu, dass die Jugendstraftaten des Beschwerdeführers als maßgebliche gerichtliche Verurteilungen iSd § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 zu berücksichtigen sind, was zum Verlust des Aufenthaltsrechtes und damit zur Abweisung der Beschwerde führen würde. Demgegenüber würde im Fall der Aufhebung der angefochtenen Norm durch den Verfassungsgerichtshof der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG zum Tragen kommen, wodurch der Verlust des Aufenthaltsrechtes gemäß § 13 Abs. 2 AsylG 2005 nicht einträte und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben wäre.

3. Anfechtungsumfang:

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass durch die Aufhebung des § 2 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, eine verfassungsrechtlich einwandfreie Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren hergestellt wäre, sofern der Verfassungsgerichtshof die unten dargelegten Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts teilt, weil damit die Berücksichtigung der Besonderheiten hinsichtlich jugendlicher Straftäter im Asylverfahren gewährleistet würde.

Neben § 13 Abs. 2 AsylG 2005 führt der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 4 AsylG 2005 zur Nichtanwendbarkeit des Rechtsfolgenausschlusses in den §§ 27 Abs. 2 und 34 Abs. 2 und 3 AsylG 2005. So sind nach § 34 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 jugendliche Straftäter von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005) bzw. der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 34 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005) im Familienverfahren ex lege ausgeschlossen. Hier würde die Aufhebung dazu führen, dass der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG wieder zur Anwendung kommt. Gleiches gilt für das Verfahrensbeschleunigungsgebot des § 27 Abs. 3 AsylG 2005 und die alternative Voraussetzung des § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ["... von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt."].

Zudem führt der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 4 AsylG 2005 zur Nichtanwendbarkeit des Rechtsfolgenausschlusses in § 55a Abs. 2 und Abs. 6 Z 2 FPG, die auf § 2 Abs. 3 AsylG 2005 verweisen. Damit kommen jugendliche Straftäter (ex lege) von vorherein nicht in den Genuss der Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise zum Zweck des Abschlusses einer begonnenen Berufsausbildung (§ 55a Abs. 2 FPG) bzw. erlischt die eingetretene Hemmung des Fristenlaufes ex lege infolge der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Jugendstraftat im Sinne des § 2 Abs. 3 AsylG 2005. Hier würde die Aufhebung ebenso dazu führen, dass der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG wieder zur Anwendung kommt. Auf die §§ 6 Abs. 1 Z 3, 9 Abs. 2 Z 3, 57 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm 52 Abs. 2 FPG und 9 Abs. 2 BFA-VG fände der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG dagegen keine Anwendung, weil die dort normierten Rechtsfolge nicht ex lege eintreten bzw. nicht zur Gänze vom Gesetz determiniert sind (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246). Zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (EuGH 13.09.2018, Ahmed, C-369/17) sowie bezugnehmend auf Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie ausgesprochen, dass jedenfalls eine Einzelfallprüfung durchzuführen und die Schwere der fraglichen Straftat unter Berücksichtigung aller besonderen Umstände des Einzelfalles zu würdigen ist (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295). Beim Ausschlussgrund nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine konkrete fallbezogene Prüfung unter Berücksichtigung aller Tatumstände vorzunehmen (zuletzt VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Für die Beurteilung, ob der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im jeweiligen Einzelfall eine Gefährdungsprognose erforderlich (VwGH 04.04.2019, Ro 2018/01/0014). Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG und § 9 BFA-VG (dessen § 9 Abs. 2 Z 6 BFA-VG die Berücksichtigung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit verlangt) ist ebenso eine Interessenabwägung, die auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles bedacht nimmt, erforderlich (etwa VwGH 17.09.2019, Ra 2019/18/0358). Die Aufhebung des § 2 Abs. 4 AsylG 2005 hätte damit keinen Einfluss auf die Bestimmungen und können im Zuge der anzustellenden Einzelfallprüfung die Besonderheiten des Jugendstrafrechts individuell berücksichtigt werden.

IV. Zu den Bedenken zur Verfassungskonformität des § 2 Abs. 4 AsylG 2005:

1. Aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum JGG aus dem Jahr 1988 lässt sich zur grundlegenden Zielsetzung des Jugendstrafrechts entnehmen, dass der Gesetzgeber in Anerkennung der Notwendigkeit besonderer Vorschriften für die Jugendstrafrechtspflege die Folgen einer Verurteilung jugendlicher Straftäter - im Vergleich zum Strafrecht für Erwachsene - beschränken will. Es müsse hinreichende Rücksicht auf "die Beschleunigung jeder Form von Entwicklung im Jugendalter" genommen werden (ErläutRV 486 Blg NR 17. GP 19). Ähnlich bringt auch der Bericht des Justizausschusses zur Novelle des JGG, BGBl. I Nr. 19/2001, zum Ausdruck, dass Jugendkriminalität überwiegend kein Anzeichen für den Beginn "krimineller Karrieren" darstelle, sondern "Ausdruck vorübergehender Probleme bei der Anpassung an die Erwachsenenwelt" sei, die in aller Regel bald überwunden werden könnten (AB 404 Blg NR 21 GP 1).

Dieses Anliegen hat der Gesetzgeber durch die Sonderbestimmungen für die Ahndung von Straftaten Jugendlicher (und junger Erwachsener) im JGG in die Rechtsordnung übersetzt, wobei insbesondere der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG das Anliegen, die Rechtsfolgen einer Verurteilung jugendlicher Straftäter - im Vergleich zum Strafrecht für Erwachsene - zu beschränken, ausdrückt. Grundsätzlich hat auch der Verwaltungsgerichtshof die Relevanz dieses Anliegens in der Vergangenheit auch für das Asylverfahren anerkannt (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246).

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Rechtsordnung grundsätzlich anerkennt, dass sich die Straftaten Jugendlicher von jenen Erwachsener Unterscheiden. Eine Differenzierung ist aus der Entwicklungspsychologie von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zweckmäßig und sachlich begründet.

2. Die Berücksichtigung dieser eben dargelegten Besonderheiten jugendlicher Straftaten im Vergleich zu den Straftaten Erwachsener im Rahmen des Asylverfahrens soll der mit dem FrÄG 2018 in Reaktion auf die schon zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246; vgl. auch ErläutRV 189 Blg NR 26. GP 21) unterbinden, indem er abweichend von § 5 Z 10 JGG normiert, dass eine nach dem AsylG 2005 maßgebliche gerichtliche Verurteilung auch vorliegt, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist.

Nach Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBI. 390/1973, ist jede Form rassischer Diskriminierung verboten. Hieraus leitet der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie ein Sachlichkeitsgebot ab (vgl. z.B. VfSlg. 14.191/1995; VfSlg. 19.283/2010; VfSlg. 20.049/2016; VfGH 04.10.2018, G 133/2018). Weiter enthält die Bestimmung ein Differenzierungsgebot, das unsachliche Gleichbehandlung verbietet und verlangt, Ungleiches ungleich zu regeln (VfGH 01.12.2018, G 308/2018).

Trotz der bereits oben aufgezeigten Unterschiede zwischen jugendlichen und erwachsenen Straftätern im Tatsachenbereich - die die Rechtsordnung auch grundsätzlich durch die Sonderbestimmungen des JGG anerkennt - trägt der Gesetzgeber diesen Unterschieden nicht durch Differenzierung Rechnung und behandelt im Wegen der in § 2 Abs. 4 AsylG 2005 normierten Ausnahme vom Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG erwachsene und jugendliche Straftäter im Asylverfahren gleich.

Zur sachlichen Rechtfertigung dieser Gleichbehandlung tatsächlicher Unterschiede lässt sich den Materialien zum FrÄG 2018 nichts entnehmen. Es finden sich lediglich Ausführungen zur Zielrichtung, dass Rechtsfolgen iSd § 5 Z 10 JGG gerade auch für Jugendliche gelten sollen sowie dazu, dass die Änderung mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl. Nr. 7/1993 - das unter einem Erfüllungsvorbehalt stehe und keine subjektiv-öffentlichen Rechte, die einer Fremden- oder asylrechtlichen Maßnahme entgegenstehen könnten (VwGH 11.06.2003, 2002/10/0084) begründe - in Einklang stünden sowie zur Vereinbarkeit der Änderung mit dem BVG über die Rechte von Kindern, BGBl. Nr. 4/2011 (ErläutRV 189 Blg NR 26. GP 21; dazu sogleich).

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht ersichtlich, dass die vom Gesetzgeber getroffene Regelung hinsichtlich minderjähriger Straftäter im Asylverfahren angesichts der oben dargestellten Besonderheiten (der Gesetzgeber geht im JGG im Grundsatz gerade nicht von der besonderen Gefährlichkeit jugendlicher Straftäter aus) im Interesse des geordneten Vollzugs im Asyl- und Fremdenwesen oder wegen einer drohenden Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Dem Differenzierungsgebot hinsichtlich ungleicher Sachverhalte ist damit nicht Rechnung getragen und die Regelung erscheint nicht sachlich begründet zu sein. Insbesondere ändert der Umstand, dass der betroffene Jugendliche angesichts dessen, dass ihm auch ohne Aufenthaltsrecht nach § 12 AsylG 2005 faktischer Abschiebeschutz zukommt sowie, dass ihm deshalb nicht zwingend die Abschiebung drohen muss, nichts daran, dass der Gesetzgeber ungleiche Sachverhalte gleich behandelt.

Folglich sieht das Bundesverwaltungsgericht durch § 2 Abs. 4 AsylG 2005 das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß Art. I Abs. 1 BVG-Rassendiskriminierung verletzt.

3. Nach Art. 1 BVG über die Rechte von Kindern muss das Wohl des Kindes bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen eine vorrangige Erwägung sein. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes binden diese verfassungsrechtlichen Vorgaben auch den Gesetzgeber, wenn er die Grundlagen für solche Maßnahmen normiert (VfGH 01.12.2018, G 308/2018).

Art. 2 Abs. 2 BVG über die Rechte von Kindern statuiert zudem einen besonderen Schutz für Kinder und Jugendliche, die sich nicht in ihrem familiären Verband befinden. Diese Bestimmung stellt eine Umsetzung des Art. 20 Abs. 1 des VN Übereinkommens über die Rechte des Kindes dar. Unter einer Herauslösung der Kinder aus ihrem familiären Umfeld sind alle Umstände zu verstehen, bei denen der familiäre Obsorgezusammenhang unterbrochen ist (1051 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP). Kinder und Jugendliche bedürfen nach dieser Bestimmung eines über den Art. 1 BVG über die Rechte von Kindern hinausgehenden besonderen Schutzes.

Bei der Konstellation, dass ein Minderjähriger ohne Begleitung eines für ihn verantwortlichen Erwachsenen aus dem Ausland einreist (oder im Inland ohne Begleitung zurückgelassen wird), handelt es sich um eine Konstellation, die in Verfahren nach dem AsylG häuft auftritt. So handelt es sich auch beim Beschwerdeführer (zumindest zum Zeitpunkt seiner Einreise, seiner Antragstellung, seiner strafgerichtlichen Verurteilung und dem darauffolgenden Ausspruch nach § 13 AsylG 2005 vom 26.09.2018) um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling, der ohne Begleitung von Familienangehörigen in das Bundesgebiet eingereist ist.

Zur Vereinbarkeit von § 2 Abs. 4 AsylG 2005 mit dem BVG über die Rechte von Kindern führen die Materialien aus, das Kindeswohl als vorrangige Erwägung bei Maßnahmen öffentlicher Stellen, die Kinder betreffen, als auch das Recht des Kindes auf regelmäßige persönliche Beziehung und direkten Kontakt zu beiden Elternteilen (Art. 2 BVG über die Rechte von Kindern) würden jeweils dem Eingriffsvorbehalt gemäß Art. 7 BVG über die Rechte von Kindern unterliegen. Diese Anforderungen würde § 2 Abs. 4 AsylG 2005 einhalten, fremdenrechtliche Maßnahmen könnten einzelne Rechte eines Kindes beschränken (ErläutRV 189 Blg NR 26. GP 21).

In den Materialien zum BVG über die Rechte von Kindern - auf die die Regierungsvorlage zum FrÄG 2018 verweist - ist zum Eingriffsvorbehalt des Art. 7 leg. cit. beispielsweise die Beschränkungen einzelner Rechte eines Kindes durch straf- oder fremdenrechtliche Maßnahmen angeführt (IA 935/A BlgNr 24. GP 4). Klargestellt wird hier allerdings auch, dass eine solche Beschränkung nur aus bestimmten, dem Art. 8 Abs. 2 EMRK entsprechenden Gründen gestattet sein soll.

Dementsprechend normiert Art. 7 BVG über die Rechte von Kindern, dass eine Beschränkung der in den Art. 1, 2, 4 und 6 leg. cit. gewährleisteten Rechte und Ansprüche nur zulässig ist, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Anders, als die Erläuterungen zum FrÄG 2018 augenscheinlich vermeinen, stellt der bloße Umstand, dass die Beschränkung einzelner Rechte von Kindern durch eine fremdenrechtliche Maßnahme erfolgt, noch keine sachliche Rechtfertigung für einen Eingriff iSd Art. 7 BVG über die Rechte von Kindern dar.

Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber Jugendstraftaten gerade nicht für einen Ausdruck besonderer Gefährlichkeit des jugendlichen Täters hält und insbesondere von der baldigen Überwindung jugendlicher Kriminalität als Ausdruck vorübergehender Probleme bei der Anpassung an die Erwachsenenwelt (siehe dazu bereits oben) ausgeht, ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht ersichtlich, dass es aus einem der in Art. 7 BVG über die Rechte von Kindern erforderlich ist, einen jugendlichen Straftäter zusätzlich mit dem Verlust seines Aufenthaltsrechtes (§ 13 Abs. 2 AsylG 2005) und mit dem Ausschluss von der von einem Familienangehörigen abgeleiteten Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005) bzw. des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 34 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005) im Familienverfahren zu sanktionieren. Dass der betroffene Jugendliche möglicherweise dennoch nicht von der Abschiebung betroffen ist bzw. ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt, ändert nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nichts daran, dass das Wohl des Kindes auch durch die Berücksichtigung der von der Rechtsordnung anerkannten Besonderheiten hinsichtlich jugendlicher Straftäter zu berücksichtigen ist. Insbesondere scheint der besondere Schutz und Beistand des Staates iSd Art. 2 Abs. 2 BVG über die Rechte von Kindern im Hinblick auf unbegleitete Minderjährige durch den Rechtsfolgenausschluss des § 2 Abs. 4 AsylG nicht gewährleistet, indem sie unterschiedslos von der Rechtswohltat des Rechtsfolgeausschlusses gemäß § 5 Z 10 JGG ausgenommen werden.

Die angefochtene Bestimmung des § 2 Abs. 4 AsylG 2005 steht somit sowohl im Widerspruch zu Art. 1 als auch zu Art. 2 Abs. 2 des BVG über die Rechte von Kindern.

4. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist auch das Vertrauen in die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen durch den Gleichheitsgrundsatz geschützt (VfSlg. 12.186), wobei der Verfassungsgerichtshof auch hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 1 Abs. 1 BVG-Rassendiskriminierung grundsätzlich von einem verfassungsrechtlich verbürgten Vertrauensschutz ausgegangen ist (VfGH 01.12.2018, G 308/2018).

Die Tat zur ersten Verurteilung wurde im Zeitraum April bis Juni 2018 begangen; die Verurteilung erfolgte am 27.07.2018. Zu § 2 Abs. 4 AsylG 2005 sind keine Übergangsbestimmungen vorgesehen und die Behörde hat im vorliegenden Fall die Bestimmung auf eine Jugendstraftat angewandt, die vor dem Inkrafttreten der Bestimmung am 01.09.2018 begangen und rechtskräftig abgeurteilt wurde. Das FrÄG 2018 sieht für diese Konstellation keine Übergangsregelung vor. Die zweite nach § 2 Abs. 4 AsylG 2005 relevante Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Jugendstraftat erfolgte dagegen erst nach Inkrafttreten der Bestimmung.

Fraglich ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts angesichts des klaren Wortlautes der Bestimmung in Zusammenschau mit den Erläuterungen, ob die Bestimmung in verfassungskonformer Interpretation lediglich auf gerichtliche Verurteilungen angewandt werden kann, deren Tat nach ihrem Inkrafttreten am 01.09.2018 begangen wurde (vgl. VfSlg. 19.283/2010).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein rückwirkender Eingriff in Rechtspositionen, der die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Rechtsunterworfenen nachträglich belastet, nicht vereinbar, wenn die Normunterworfenen durch den Eingriff in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtsordnung erheblich enttäuscht werden und keine besonderen Gründe vorliegen, die eine solche Rückwirkung verlangen (VfSlg. 12.186/1989).

In den gegenständlich durch § 2 Abs. 4 AsylG 2005 rückwirkend an eine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung wegen einer Jugendstraftat geknüpften Rechtsfolgen (Verlust des Aufenthaltsrechtes, Ausschluss aus dem Familienverfahren, etc.) liegt zweifellos eine erhebliche nachträgliche Belastung iSd eben zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, die das berechtigte Vertrauen auf die Rechtsordnung erheblich enttäuscht. Besondere Gründe für die Notwendigkeit dieser Rückwirkung sind dagegen nicht ersichtlich.

Folglich sieht das Bundesverwaltungsgericht durch § 2 Abs. 4 AsylG 2005 auch wegen seiner Anwendbarkeit auf vor seinem Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte den Gleichheitssatz des Art. I Abs. 1 BVG-Rassendiskriminierung verletzt.

V. Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG bestimmt das die Organisation und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes regelnde besondere Bundesgesetz inwieweit gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision erhoben werden kann. Gemäß § 25a Abs. 3 VwGG ist eine abgesonderte Revision gegen verfahrensleitende Beschlüsse nicht zulässig.

Schlagworte

Antragsbegehren Aufenthaltsrecht Gleichbehandlung Jugendstraftat Kindeswohl Minderjährigkeit rechtliche Bedenken Rechtswidrigkeit strafrechtliche Verurteilung Verlusttatbestände

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2177219.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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