TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/17 W239 2228918-1

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Veröffentlicht am 17.03.2020
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Entscheidungsdatum

17.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W239 2228917-1/3E

W239 2228918-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2019 zu den Zahlen 1.) XXXX und 2.) XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ( XXXX ) ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ). Beide sind iranische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin stellte im österreichischen Bundesgebiet am 17.12.2019 für sich und als gesetzliche Vertreterin für die Zweitbeschwerdeführerin die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Zur Person der Erstbeschwerdeführerin findet sich im Visa-Informationssystem (VIS) folgender Treffer:

- Ausstellung eines Schengen-Visums Typ C durch die italienische Vertretungsbehörde in Teheran/Iran, gültig von 20.11.2016 bis 15.12.2016

Es liegen zudem folgende EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vor:

- zu Finnland vom 08.04.2017

- zu Italien vom 08.01.2018

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 17.12.2019 gab die Erstbeschwerdeführerin zu Beginn über Nachfrage an, dass sie gesund sei und der Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Zu ihren Angehörigen führte sie aus, ihr Vater lebe im Iran, ihre Mutter in Schweden und ihre beiden Brüder seien in Finnland. Ihre Tochter sei mit ihr mitgereist.

Ende 2016 habe die Erstbeschwerdeführerin den Entschluss gefasst, ihren Herkunftsstaat zu verlassen; ihr Reiseziel sei Finnland gewesen, da ihre beiden Brüder dort leben würden. Sie habe ihren Herkunftsstaat legal mit einem Reisepass sowie einem italienischen Visum verlassen. Zur Reiseroute führte sie aus, dass sie zwei Wochen in Dänemark, etwa neun Monate in Finnland und anschließend etwa zwei Jahre in Italien gewesen sei, bevor sie nach Österreich gekommen sei. Ihren Reisepass habe sie in Finnland vernichtet. Sie habe in Finnland und in Italien um Asyl angesucht. Wie das Verfahren in Finnland ausgegangen sei, wisse sie nicht; sie sei nach Italien abgeschoben worden, obwohl sie dort grundsätzlich gerne geblieben wäre. In Italien habe das Asylverfahren positiv geendet. Sie habe gemeinsam mit ihrer Tochter Asyl erhalten und beiden sei ein Fremdenpass ausgestellt worden (ausgestellt am 06.03.2019, gültig bis 10.10.2023).

Zur Frage, ob etwas dagegenspreche, nach Finnland oder Italien zurückzukehren, erklärte die Erstbeschwerdeführerin, ihr Wunsch sei es, nach Finnland geschickt zu werden und dort ein positives Verfahrensergebnis zu erhalten. Sie wolle lieber sterben, als nach Italien zurückzukehren. Ihre Tochter möge Italien auch nicht.

Abschließend erstattete die Erstbeschwerdeführerin ein Vorbringen zu ihrem Fluchtgrund.

3. Am 19.12.2019 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) für beide Beschwerdeführerinnen ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien und führte unter Bezug auf die Angaben der Erstbeschwerdeführerin und der vorliegenden EURODAC-Treffer sowie der Treffer in der VIS-Datenbank unter anderem aus, dass es den genauen asylrechtlichen Status der Beschwerdeführerinnen in Italien nicht kenne und daher annehme, dass Italien weiterhin der nach der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedstaat sei ("We don't know exactly above named persons actual status in Italiy and therefore we suppose Italy is still the responsible member state acc. to art. 18/1/d Dublin-III-Regulation.").

Italien ließ das Ersuchen vorerst unbeantwortet, sodass das BFA die italienische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 03.01.2020 davon in Kenntnis setzte, dass Verfristung vorliege und Italien nunmehr gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO zur inhaltlichen Führung des Asylverfahrens zuständig sei.

4. Nach durchgeführter Rechtsberatung und im Beisein einer Rechtsberaterin fand am 13.01.2020 eine niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA statt. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde altersbedingt nicht eigens einvernommen, doch hatte die Erstbeschwerdeführerin die Gelegenheit, auch für diese ein Vorbringen zu erstatten.

Dabei gab die Erstbeschwerdeführerin zu Beginn über Nachfrage an, sie fühle sich psychisch und physisch dazu in der Lage, der Einvernahme zu folgen. Zu ihrem Gesundheitszustand führte sie aus, sie sei vor einigen Jahren an Leukämie erkrankt gewesen; diese habe sie nach erfolgter Chemotherapie 2015 oder 2016 besiegt. Die Ärzte hätten ihr gesagt, dass sie die Krankheit endgültig besiegt habe. Seitdem müsse sie sich alle sechs Monate regelmäßigen Kontrollen unterziehen. Im Moment benötige sie keine Medikamente, sie habe nur Beruhigungsmittel vom Arzt bekommen, da der ansonsten entstehende Stress zum Wiederausbrechen ihrer Krebserkrankung führen könnte. Sie habe diese jedoch nicht eingenommen, da sie Medikamente aufgrund ihrer Vorgeschichte meide.

Ihre Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, sei wegen der Flucht psychisch sehr belastet. Obwohl sie in Italien gesagt habe, dass ihre Tochter eine Behandlung benötige, sei eine solche nicht durchgeführt worden. In Österreich habe sie ebenfalls um eine Behandlung ihrer Tochter gebeten. In Italien sei diese eines Tages in der Schule gestürzt, wobei sie sich an der Lippe, am Arm und am Bein verletzt habe. Dennoch sei sie nicht medizinisch behandelt worden, keiner habe sich darum gekümmert. Die Lehrerin habe verweigert, den Vorfall überhaupt zu melden. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihre Tochter selbst in eine andere Stadt bringen müssen, um sie behandeln zu lassen, denn in ihrer Stadt habe es keine Klinik gegeben. Die Behandlung habe die Erstbeschwerdeführerin aus eigener Tasche bezahlen müssen. Sie selbst habe auch starke Zahnschmerzen und eine Zahnvenenentzündung gehabt und sei diesbezüglich auch in eine andere Stadt zur Behandlung gefahren.

Die Beschwerdeführerinnen seien in Italien zwar krankenversichert gewesen, hätten aber keine medizinische Behandlung bekommen; sie hätten alle Behandlungen selbst bezahlen müssen. Zudem habe es in der Stadt, in der sie aufhältig gewesen seien, keine Fachärzte für ihre Erkrankungen und Beschwerden gegeben. Die Erstbeschwerdeführerin erklärte anhand eines Beispiels, dass sie bei einem Vorfall 20,-- EUR zahlen habe müssen. Befragt, ob sie medizinische Unterlagen vorlegen könne, verneinte die Erstbeschwerdeführerin das.

Zu etwaigen familiären Anknüpfungspunkten erklärte die Erstbeschwerdeführerin, sie habe in Österreich - abgesehen von der mitgereisten Tochter - keine Verwandte. Sie habe zwei Brüder in Finnland; ihre Mutter und ein Bruder seien in Schweden. Ihr Onkel wohne in Deutschland und ihre Tante sei in Kanada. Auch sonst gebe es in Österreich keine Personen, von denen sie abhängig sei oder zu denen ein besonderes enges Verhältnis bestehe.

Der Erstbeschwerdeführerin wurde sodann die geplante Vorgehensweise des BFA zur Kenntnis gebracht, worauf sie zusammengefasst entgegnete, sie wolle auf keinen Fall nach Italien zurückkehren, da sie und die Zweitbeschwerdeführerin dort sehr unmenschlich und vor allem ungerecht behandelt worden seien; sie seien beschimpft, erniedrigt, manchmal sogar misshandelt worden. Sie hätten zwar beide dort Asyl, aber keine Sicherheit. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich in Italien verschlechtert; die Zweitbeschwerdeführerin sei dort psychisch erkrankt und habe Angstzustände. Man habe den Beschwerdeführerinnen in Italien klargemacht, dass es keinen Psychologen für sie gebe. Sie übertreibe nicht, wenn sie sage, dass sowohl ihres als auch das Leben der Zweitbeschwerdeführerin dort in Gefahr seien. Sie sei ferner in Italien gezwungen worden, den angeblichen Erhalt des ihnen zustehenden Betreuungsgeldes mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, obwohl sie nichts erhalten habe. Ihr größtes Problem in Italien sei gewesen, dass ihr - immer, wenn sie sich wegen der mangelhaften Unterkunft, des nichterhaltenen Betreuungsgeldes usw. beschwert habe - damit gedroht worden sei, sie von ihrer Tochter zu trennen. Diesbezüglich führte die Erstbeschwerdeführerin Mängel hinsichtlich der Unterkunftssituation ins Treffen und schilderte, dass es zu Problemen mit anderen Mitbewohnern gekommen sei. Sie habe ursprünglich vorgehabt, nach Frankreich, Großbritannien oder in einen anderen europäischen Staat zu reisen. Sie seien aber psychisch derart fertig gewesen, dass sie im ersten Nachbarstaat Italiens geblieben seien.

Zu den aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Italien gab die Erstbeschwerdeführerin keine Stellungnahme ab. Die anwesende Rechtsberaterin erstattete kein weiteres Vorbringen.

5. Mit Schreiben vom 14.01.2020 setzte die italienische Dublin-Behörde das BFA davon in Kenntnis, dass der Erstbeschwerdeführerin in Italien bereits internationaler Schutz gewährt worden sei und sie über eine bis 10.10.2023 gültige Aufenthaltserlaubnis verfüge. Von daher falle der gegenständliche Fall nicht mehr in die Kompetenz der italienischen Dublin-Behörde und es werde die Überstellung der Beschwerdeführerinnen über eine andere, näher genannte behördliche Stelle abgewickelt.

6. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 07.02.2020 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführerinnen nach Italien zurückzubegeben haben (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführerinnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und es wurde gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Zur Lage der Schutzberechtigten in Italien traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert):

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung für fünf Jahre. Um die Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, brauchen die Schutzberechtigten eine Meldeadresse, was manchmal ein Problem sein kann. Manche, aber nicht alle Questuras akzeptieren bei wohnungslosen Schutzberechtigten die Adresse einer Hilfsorganisation als Meldeadresse. Verlängerungen des Aufenthalts müssen postalisch beantragt werden. Dies kann mehrere Monate in Anspruch nehmen (AIDA 4.2019).

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt), wurde der humanitäre Schutz weitgehen umgestaltet. Letzterer wurde zuvor für die Dauer von zwei Jahren gewährt, wenn "besondere Gründe", insbesondere "humanitären Charakters", vorlagen. Zwischen 2014 und 2018 war der humanitäre Schutz die häufigste in Italien zuerkannte Schutzform. Nach der neuen Rechtslage ist der Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen an eine restriktive und vor allem taxative Liste von Gründen gebunden, aus denen eine befristete Aufenthaltserlaubnis (unterschiedlicher Dauer) erteilt werden kann:

1. für medizinische Behandlung ("cure mediche") (1 Jahr gültig; verlängerbar);

2. Spezialfälle ("casi speciali"):

a) für Opfer von Gewalt oder schwerer Ausbeutung

b) Für Opfer häuslicher Gewalt (1 Jahr gültig);

c) bei außergewöhnlichen Katastrophen im Herkunftsland (6 Monate gültig; verlängerbar);

d) in Fällen besonderer Ausbeutung eines ausländischen Arbeitnehmers, der eine Beschwerde eingereicht hat und an einem Strafverfahren gegen den Arbeitgeber mitwirkt;

e) bei Handlungen von besonderem zivilem Wert (zu genehmigen vom Innenminister auf Vorschlag des zuständigen Präfekten) (2 Jahre gültig; verlängerbar);

f) wenn zwar kein Schutz gewährt wurde, der Antragsteller aber faktisch nicht außer Landes gebracht werden kann ("protezione speciale" = non-refoulement).

Die Territorialkommissionen der nationalen Asylbehörde sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr für die Prüfung der humanitären Gründe zuständig. Wenn kein Asylstatus oder subsidiärer Schutz zuerkannt wird, prüfen sie nur noch, ob Gründe gegen eine Ausweisung vorliegen. Ist das der Fall, leiten sie dies an die Quästuren weiter, welche für die Prüfung der humanitären Gründe zuständig sind. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass ein zu weiter Ermessensspielraum in der Vergangenheit zu einem Ausufern der humanitären Aufenthaltstitel geführt hat (rund 40.000 in den letzten drei Jahren), jedoch zumeist ohne dass eine soziale und berufliche Eingliederung der Betroffenen stattgefunden hätte (VB 22.2.2019).

Es kommt jedoch zu keiner Aberkennung bestehender humanitärer Titel. Diejenigen, die bereits einen (alten) Titel aus humanitären Gründen zuerkannt bekommen haben, können weiterhin alle damit verbundenen Ansprüche geltend machen. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, werden jedoch nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch durch rechtzeitigen Antrag nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen, in einen anderen Titel umgewandelt werden, etwa Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung, etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage (VB 25.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019).

Nach frühestens fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts besteht für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen langfristigen Aufenthalt zu erhalten. Anträge auf Familienzusammenführung sind für Schutzberechtigte ohne Zeitlimit möglich. Schutzberechtigte dürfen sich frei im Land niederlassen, wenn sie sich selbst erhalten können. Asylwerber haben nach Zuerkennung von internationalem Schutz Zugang zu den Unterbringungseinrichtungen der 2. Stufe (SIPROIMI). Nähere Bestimmungen für diesen Übergang fehlen allerdings. Ein Verbleib in einer Erstaufnahmeeinrichtung oder im CAS ist für Schutzberechtigte nicht vorgesehenen, kann aber je nach Zentrum für einen Tag bis hin zu mehreren Monaten gewährt werden. Die diesbezügliche Praxis ist entsprechend unterschiedlich (AIDA 4.2019).

SIPROIMI (Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e minori stranieri non accompagnati)

Diese Einrichtungen zur Unterbringung von Schutzberechtigten (und unbegleiteten Minderjährigen) sind der Nachfolger des vormaligen SPRAR-Systems. Es besteht mehr oder weniger aus denselben öffentlich finanzierten, kleinteiligen, dezentral organisierten und von lokalen Behörden und NGOs betriebenen Unterbringungseinrichtungen, welche auch Unterstützung und Integrationsmaßnahmen bieten. Es gibt mit Stand Jänner 2019 875 Einzelprojekte mit insgesamt 35.650 Plätzen (davon 3.730 Plätze in 155 Projekten für unbegleitete Minderjährige und 704 Plätze in 49 Projekten für psychisch beeinträchtigte Personen). International Schutzberechtigte können dort für sechs Monate ab Statuszuerkennung bleiben (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den Leistungen der Erstaufnahme auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Rechtlich haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Zugang zu Sozialwohnungen, zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen im selben Ausmaß wie italienische Staatsbürger. In manchen Regionen ist dieser Zugang an eine bestimmte ununterbrochene Mindestmeldezeit in der Region gebunden (z.B. fünf Jahre in Friaul) (AIDA 4.2019).

Manchmal ist es Asylwerbern und Flüchtlingen, die illegaler Arbeit nachgehen, besonders in großen Städten nicht möglich Wohnungen zu mieten. Oft leben sie unter schlechten Bedingungen in besetzten Gebäuden. Die Regierung unternimmt begrenzte Versuche, Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren (USDOS 13.3.2019).

Im Februar 2018 waren in ganz Italien geschätzt mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung faktisch ausgeschlossen, darunter Asylwerber und Schutzberechtigte. Sie leben nicht selten in besetzen Gebäuden, von denen mittlerweile durch Involvierung von Regionen oder Gemeinden aber auch viele legalisiert wurden. Die NGO Baobab Experience betreibt in Rom ein informelles Migrantencamp und betreut nach eigenen Angaben eine steigende Zahl von Inhabern eines Schutztitels (MSF 8.2.2018).

Wie Asylwerber, müssen sich Personen mit einem Schutzstatus in Italien beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Registrierung gilt für die Dauer der Aufenthaltsberechtigung und erlischt auch nicht in der Verlängerungsphase. Probleme beim Zugang zu medizinischer Versorgung für Schutzberechtigte können durch das Fehlen einer Meldeadresse entstehen. In einigen Regionen Italiens sind Schutzberechtigte nicht mehr von der Praxisgebühr ("Ticket") ausgenommen, während in anderen Regionen die Befreiung weiter gilt, bis die Schutzberechtigten einen Arbeitsplatz finden (AIDA 4.2019).

Schutzberechtigte müssen ihren Wohnsitz anmelden, um Zugang zu medizinischer Versorgung zu erhalten. Um dieses Recht auch in der Praxis durchzusetzen, brauchen sie aber oft die Hilfe von NGOs oder Rechtsbeiständen, da in den Ämtern die diesbezügliche Rechtslage oft nicht bekannt ist (SFH 8.5.2019).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 23.9.2019.

- MSF - Médecins Sans Frontières (8.2.2018): "Out of sight" - Second edition, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424506.html, Zugriff 8.10.2019.

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019.

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430262.html, Zugriff 24.9.2018.

- VB des BM.I Italien (25.2.2019): Auskunft des VB, per E-Mail.

- VB des BM.I Italien (22.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail.

Begründend führte das BFA aus, dass den Beschwerdeführerinnen in Italien der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie in Italien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen seien oder diese dort zu erwarten hätten. Es sei somit davon auszugehen, dass sie in Italien Schutz vor Verfolgung gefunden habe.

Es lägen weder die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen vor, noch seien Fälle hinsichtlich einer notwendigen Gewährleistung der Verfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen bekannt. Die Beschwerdeführerinnen seien auch keine Zeuginnen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel.

Die Beschwerdeführerinnen hätten keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte, die einer Ausweisung iSd Art. 8 EMRK entgegenstünden. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass bei ihnen eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe.

7. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen durch ihre bevollmächtigte Vertretung am 21.02.2020 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Gerügt wurde zusammengefasst, das BFA habe es unterlassen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Beschwerdeführerinnen in Italien mit der notwendigen Unterstützung durch die italienischen Behörden, insbesondere mit einer adäquaten Unterkunft und mit notwendiger medizinischer Versorgung, rechnen könnten. Als alleinerziehende Mutter gehöre die Erstbeschwerdeführerin zu den schutzbedürftigen Personen im Sinne des Art. 21 Aufnahmerichtlinie; auch hätte sich die belangte Behörde aufgrund ihres Vorbringens, an Leukämie erkrankt gewesen zu sein, näher mit der Lage der medizinischen Versorgung in Italien befassen müssen.

Zudem sei anzuführen, dass dich das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen mit den Schilderungen vieler anderer Asylwerber decke und nachvollzogen werden könne. Bekanntlich werde gegenüber Flüchtlingen von den italienischen Behörden eine grundsätzliche Gleichgültigkeit an den Tag gelegt. Es komme zu einer systematischen, notorischen Verletzung fundamentaler Menschenrechte; in Italien bestehe ein aggressives, feindliches Klima gegenüber Fremden. Die aktuellen politischen Geschehnisse und die Kapazitätsprobleme hätten die Situation in Italien massiv verschärft; mangelnde Versorgung und die Verweigerung von Unterkunftsmöglichkeiten seien Realität. Asylwerber, welche gemäß der Dublin-III-Verordnung nach Italien rücküberstellt würden, bekämen wegen der nachgewiesenen Kapazitätsprobleme keine Unterkunft und Verpflegung, hätten keinen tatsächlichen Zugang zum Arbeitsmarkt und der Zugang zur Gesundheitsversorgung erweise sich als sehr schwierig. Die Versorgung von in Italien aufhältigen Asylwerbern sei in keinster Weise gewährleistet. Zudem werde Flüchtlingen die Asylantragstellung massiv erschwert sowie teilweise verweigert, indem sie einfach aufgefordert würden, das Land zu verlassen; Flüchtlinge würden in Italien auf der Straße und ohne jegliche Unterstützung leben.

Die Beschwerdeführerinnen würden durch eine Abschiebung nach Italien ernstlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden und wären dadurch in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt.

Der Beschwerde war ein Konvolut an schwer lesbaren bzw. unleserlichen medizinischen Unterlagen der Erstbeschwerdeführerin beigelegt, wobei erkennbar ist, dass diese noch aus der Heimat stammen, zumal sich der Schriftzug "Erfan Hospital" entziffern lässt, welches sich in Teheran befindet.

8. Die Beschwerdevorlage langte am 25.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerinnen, iranische Staatsangehörige, reisten unter Verwendung eines italienischen Schengen-Visums Typ C in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und stellten am 08.04.2017 in Finnland einen Antrag auf internationalen Schutz. Aufgrund der Zuständigkeitsnormen der Dublin-III-VO wurde sie von Finnland nach Italien überstellt und suchten dort am 08.01.2018 um internationalen Schutz an. Ihnen wurde in Italien der Status der Asylberechtigten zuerkannt und es wurde ihnen zuletzt am 06.03.2019 jeweils eine bis 10.10.2023 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt und jeweils ein für denselben Zeitraum gültiger italienischer Fremdenpass ausgestellt. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass den Beschwerdeführerinnen der Asylstatus zwischenzeitlich aberkannt worden wäre.

Nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt in Italien reisten die Beschwerdeführerinnen gemeinsam nach Österreich weiter und stellten hier am 17.12.2019 die nunmehr gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführerinnen gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im Zielstaat sprechen würden, liegen nicht vor.

Die Beschwerdeführerinnen leiden an keinen schweren physischen oder psychischen Erkrankungen, welche in Italien nicht behandelbar wären und einer Überstellung nach Italien entgegenstünden.

Die Beschwerdeführerinnen verfügen im österreichischen Bundesgebiet über keine weiteren Familienangehörigen oder Verwandten; es bestehen keine Anhaltspunkte für besonders ausgeprägte private oder berufliche Bindungen bzw. eine fortgeschrittene Integration.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten mittels italienischem Schengen-Visum und die Antragstellungen in Finnland und Italien beruhen auf den glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin, den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen und dem Ergebnis des VIS-Abfrage sowie auf dem Antwortschreiben der italienischen Dublin-Behörde vom 14.01.2020. Die Feststellungen zu den gegenständlichen Anträgen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

Dass den Beschwerdeführerinnen in Italien der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und sie über bis zum 10.10.2023 gültige Aufenthaltsberechtigungen verfügen, ergibt sich insbesondere aus den von ihnen im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten italienischen Konventionsreisepässen sowie dem Antwortschreiben der italienischen Dublin-Behörde vom 14.01.2020.

Die Gesamtsituation von Schutzberechtigten in Italien resultiert aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung neben Ausführungen zur Unterbringung von Schutzberechtigungen auch Feststellungen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zur medizinischen Versorgung getroffen, die letztlich auch durch das im Verfahren erstattete Vorbringen hinsichtlich etwaiger negativ empfundener Vorerfahrungen in Italien nicht entkräftet werden konnten.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen ergibt sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin. Ihren Angaben zufolge hat sie zwar eine Leukämieerkrankung hinter sich, doch ist diese ausgeheilt und bedarf lediglich regelmäßiger, halbjährlicher Kontrolluntersuchungen, die zweifelsfrei auch in jedem anderen europäischen Mitgliedstaat, so auch in Italien, durchführbar sind. Die ihr verschriebenen Beruhigungsmittel nimmt die Erstbeschwerdeführerin eigenen Aussagen nach derzeit nicht ein. Darüberhinausgehende Erkrankungen lassen sich auch den mit der Beschwerde vorgelegten, schwer leserlichen medizinischen Unterlagen nicht entnehmen und sind diese auch nicht aktuell, zumal sie offenbar noch aus der Heimat stammen. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wurde zwar vage vorgebracht, dass sie psychische Probleme habe, doch steht die Zweitbeschwerdeführerin diesbezüglich nicht in Behandlung - und zwar auch hier im Bundesgebiet nicht, wo sie jederzeit einen Arzt aufsuchen könnte - und es wurden dazu ebenso wenig aktuelle medizinische Befunde vorgelegt. Es wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu berühren.

Dass keine Anhaltspunkte für familiäre, verwandtschaftliche oder besonders ausgeprägte private oder berufliche Bindungen bzw. eine fortgeschrittene Integration der Beschwerdeführerinnen in Österreich bestehen, ergibt sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin, die im Verfahren durchwegs gleichlautend angab, hier - abgesehen von der mitgereisten Tochter - keine weiteren Angehörigen zu haben und auch sonst keinerlei Anknüpfungspunkte ins Treffen führte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:

"§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

..."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

..."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 24/2016)"

Den Beschwerdeführerinnen wurde in Italien der Status der Asylberechtigten zuerkannt. In diesem Zusammenhang ist Folgendes festzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 03.05.2016, Ra 2016/18/0049) hat festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und dieser dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener in § 4 AsylG 2005 - keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann, stellt § 4a AsylG 2005 darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei der Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen könnte oder diesem etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könnte, ist gemäß § 4a AsylG 2005 somit nicht zu prüfen.

Aus dem festgestellten Sachverhalt, insbesondere aus dem Schreiben der italienischen Dublin-Behörde vom 14.01.2020, ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerinnen bereits als Asylberechtigte anerkannt wurden und deren Verfahren dort rechtskräftig abgeschlossen ist. Aus diesem Grund gelangt gegenständlich unzweifelhaft § 4a AsylG 2005 zur Anwendung.

Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin-III-VO (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/19/0072).

Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellung, wonach die Beschwerdeführerinnen in Italien aufgrund einer dort erfolgten Asylantragstellung bereits asylberechtigt sind somit in Italien Schutz vor Verfolgung gefunden haben, ging das BFA zutreffend davon aus, dass sich die nunmehr in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz im Lichte des § 4a AsylG 2005 wegen Unzuständigkeit Österreichs als unzulässig erweisen.

Die Beschwerdeführerinnen befinden sich erst seit Dezember 2019 im Bundesgebiet und deren Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie sind nicht Zeuginnen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs wäre allerdings dann unzulässig, wenn die Beschwerdeführerinnen dadurch in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt würden. Dies trifft allerdings gegenständlich aus den folgenden Erwägungen nicht zu:

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat kann jedoch ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden, rechnen muss. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben.

Es entspricht ebenfalls ständiger Judikatur des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ. Es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, wofür die Behörden verantwortlich gemacht werden können (EGMR 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rz 29; 28.02.2008 (GK), 37201/06, Saadi/Italien, Rz 134).

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 9.5.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl auch 16.7.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.1.2007, 2006/01/0949).

Im Urteil vom 19.03.2019 in den verbundenen Rechtssachen C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17, setzte sich der Europäische Gerichtshof mit den Lebensbedingungen von subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auseinander und kam zum Schluss, dass Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig im Sinne des Art. 33 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2013/32/EU (VerfahrensRL) wegen Gewährung von subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat abgelehnt werden können, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu erfahren. Der Umstand, dass Personen, denen solch ein subsidiärer Schutz zuerkannt wird, in dem Mitgliedstaat keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch insofern anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser Antragsteller dort tatsächlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wäre, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände.

Wie der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 19.03.2019, C-163/17, Jawo, ausgeführt hat, wäre diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen wird diese Schwelle nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits subsidiären Schutz gewährenden Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren.

Der angefochtene Bescheid enthält - wie oben dargestellt - Feststellungen zur Lage von Personen mit Schutzstatus in Italien. Vor dem Hintergrund dieser Länderberichte und der erstinstanzlichen Erwägungen kann jedenfalls nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Drittstaatsangehörige, die von Österreich nach Italien überstellt werden, aufgrund der italienischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde.

Wie aus den Feststellungen zur Situation in Italien hervorgeht, haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Zugang zu Sozialwohnungen, zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen im selben Ausmaß wie italienische Staatsbürger. Nach einer Registrierung beim Nationalen Gesundheitsdienst in Italien haben sie auch dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. So berichtete die Erstbeschwerdeführerin auch davon, in Italien krankenversichert gewesen zu sein. Sofern sie angab, teilweise offenbar einen Selbstbehalt für Behandlungen gezahlt zu haben, so ist dies von ihr hinzunehmen; die Tatsache spricht jedenfalls noch nicht dafür, dass das Gesundheitssystem insgesamt mangelhaft wäre. Zwar ist der gleichberechtigte Zugang zu sozialen Rechten in der Praxis durch verschiedene Faktoren erschwert, doch ergibt sich aus den Länderberichten auch, dass Schutzberechtigte in Bezug auf ihre Unterbringung und Versorgung etwa auch auf Hilfsangebote von NGOs zurückgreifen können.

Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang auszuführen, dass sich durch die Änderung der italienischen Rechtslage durch das sogenannte "Salvini-Dekret" keine maßgebliche Verschlechterung der Lage von Schutzberechtigten in Italien ergibt. Personen mit Schutzstatus in Italien werden nunmehr in sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR, jetzt SIPROIMI) untergebracht, in welchen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden. Dass in Italien möglicherweise geringere Integrationsmöglichkeiten bestehen, als in anderen europäischen Ländern, verletzt die Beschwerdeführerinnen nicht in ihren Grundrechten. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass sie in Italien keinerlei Existenzgrundlage vorfänden. So ist zu bedenken, dass grundsätzlich anerkannte Flüchtlinge bzw. Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung gehalten sind, ihre Existenz - so wie auch alle Staatsbürger eines Landes - selbst zu erwirtschaften. Im Hinblick darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin arbeitsfähig ist und an keinen schweren Erkrankungen leidet, bestehen keine Bedenken, dass es ihr möglich sein wird, eine - wenn auch bescheidene - Existenzgrundlage für sich und ihre Tochter in Italien zu schaffen. Im Übrigen haben die Beschwerdeführerinnen bereits mehrere Jahre in Italien gelebt und sind mit den dortigen Gegebenheiten schon vertraut. Es ist ihnen sohin zuzumuten, nach einer Rücküberstellung nach Italien allfällige anfängliche Schwierigkeiten aus eigenem zu überwinden bzw. erforderlichenfalls auch auf bestehende Hilfsangebote von NGOs zurückzugreifen.

Über etwaige konkrete Vorfälle gegen ihre Personen während deren zwei Jahre dauernden Aufenthalts in Italien haben die Beschwerdeführerinnen nicht berichtet. Die ins Treffen geführten Vorerfahrungen mit Mitbewohnern, die angeblich Straftaten (beispielsweise illegaler Drogenkonsum, Prostituation) begangen hätten, hätten jederzeit bei der italienischen Polizei zur anzeige gebracht werden können. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die italienischen Sicherheitsbehörden, eine entsprechende Anzeige vorausgesetzt, nicht willens und fähig wären, Asyl- bzw. Schutzberechtigte vor Übergriffen welcher Art auch immer zu schützen. Es besteht kein Zweifel an der Schutzfähigkeit und der Schutzwilligkeit der italienischen Sicherheitsorgane.

Wie im angefochtenen Bescheid dargelegt, gewährleistet Italien grundsätzlich ausreichend Schutz für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte und ist somit nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Überstellung nach Italien Gefahr liefen, in ihren durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden. Nach den Länderberichten zu Italien kann letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass Drittstaatsangehörige im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefen, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Jedenfalls hätten die Beschwerdeführerinnen die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken habe im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rz 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515). Diese "ganz außergewöhnlichen Fälle" hat der EGMR kürzlich im Fall Paposhvili/Belgien (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rz 183-192) näher präzisiert.

Wie festgestellt, leiden die Beschwerdeführerinnen an keinen Erkrankungen, die als gravierend einzustufen wären. Im Hinblick auf das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, in der Vergangenheit an Leukämie erkrankt gewesen zu sein und in ihrem Herkunftsstaat eine Chemotherapie in Anspruch genommen zu haben sowie deshalb regelmäßige fachärztliche Kontrolluntersuchungen vornehmen lassen zu müssen, ist festzuhalten, dass diese Kontrollen auch in Italien durchführbar sind und es sich bei einer grundsätzlich ausgeheilten Krankheit jedenfalls um keine gravierende Erkrankung im Sinne der oben angeführten höchstgerichtlichen Judikatur sowie der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte handelt. Selbiges gilt für das Vorbringen, dass die Zweitbeschwerdeführerin an Angstzuständen leide, wobei auch an dieser Stelle nochmals darauf verwiesen wird, dass sie derzeit diesbezüglich nicht in ärztlicher Behandlung steht und auch keinerlei medizinische Unterlage dazu vorgelegt wurden.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Die Zweitbeschwerdeführerin ist die minderjährige Tochter der Erstbeschwerdeführerin und sohin Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005. Im gegenständlichen Beschwerdefall liegt daher ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.

Da die Beschwerdeführerinnen über keine weiteren Angehörige im Bundesgebiet verfügen und gegen beide eine gleichlautende Anordnung zur Außerlandesbringung im Sinne einer gemeinsamen Überstellung nach Italien erlassen wird, stellt die gegenständliche Entscheidung keinen Eingriff in ihr Familienleben dar.

Hinsichtlich des Rechts auf Privatleben ist festzuhalten, dass der etwa dreimonatige Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet nur ein vorläufig berechtigter war und zudem gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist erkennbar, dass etwa ab einem 10-jährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können [VwGH vom 09.05.2003, Zl. 2002/18/0293]; gleiches gilt etwa für einen 7-jährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt [VwGH vom 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124]) als bei Weitem kein ausreichend langer Zeitraum zur Erreichung einer Verfestigung zu qualifizieren ist. Es liegen sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (VfGH 26.02.2007, 1802, 1803/06-11), da der bisherige Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen nur eine sehr kurze Dauer aufweist.

Die privaten Interessen der Beschwerdeführerinnen an einem Verbleib im Bundesgebiet, etwa deren Wunsch, in Österreich medizinische Untersuchungen sowie Behandlungen vornehmen zu lassen, welche gemäß den getroffenen Länderfeststellungen grundsätzlich, wenn auch zu möglicherweise weniger günstigen Bedingungen, auch in Italien verfügbar sind, haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere einem geordneten Fremdenwesen, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass im gegenständlichen Fall eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführerinnen keinen unzulässigen Eingriff in deren durch Art. 8 EMRK gewährleistetes Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerinnen auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass allenfalls temporär bestehende faktische Hindernisse bei der Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Italien in der gegenständlichen Entscheidung außer Betracht zu bleiben haben, zumal die Durchführung der Überstellung der Fremdenpolizeibehörde obliegt.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG sind gegenständlich erfüllt). Es ergab sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit der Erstbeschwerdeführerin zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten meritorischen Entscheidung entfallen.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbeso

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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