TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/19 W261 2180881-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2020
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Entscheidungsdatum

19.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W261 2180881-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Paschtune, stellte am 08.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am 08.12.2015 statt. Als Fluchtgrund gab er an, dass er für die Taliban Motorräder hergerichtet habe, weswegen er von den afghanischen Sicherheitsbehörden für 10 Monate inhaftiert worden sei. Als er aus dem Gefängnis entlassen worden sei, habe er in seinem Lebensmittelgeschäft übernachtet. Dieses sei eines Nachts angezündet worden, er sei schwer verletzt gewesen. Dies sei vor vier Jahren passiert. Danach habe er kein Geschäft und keine Arbeit gehabt, weswegen er beschlossen habe, Afghanistan zu verlassen.

2. Die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 19.10.2017 statt, wobei der Beschwerdeführer angab, dass er nebenbei in seinem Lebensmittelgeschäft auch Treibstoff verkauft habe. Er sei aus diesem Grund inhaftiert worden, weil er im Verdacht gestanden sei, den Treibstoff an die Taliban verkauft zu haben. Nachdem er inhaftiert worden sei, habe er keinen Treibstoff mehr verkauft. Die Taliban hätten das jedoch von ihm verlangt, weswegen sie seinen Laden angezündet hätten. Er sei verletzt worden und habe sich lange Zeit im Krankenhaus aufgehalten. Als er wieder nach Hause zurückgekehrt sei, hätten die Taliban seinen Bruder entführt. Er habe Afghanistan verlassen, damit die Taliban seinen Bruder freilassen würden. Es sei ihm nicht möglich, in sein Heimatdorf in der Provinz Baghlan zurückkehren, weil er von den Taliban verfolgt und getötet werde. Der Beschwerdeführer legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe, wonach er von den Taliban bedroht werde, nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Er könne eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

4. Der Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE - Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde. Er brachte im Wesentlichen vor, dass er neben der Verfolgung durch die Taliban auch befürchte, von der Regierung verfolgt zu werden, weil dem Bruder des Beschwerdeführers unterstellt werde, dass er ein Mitglied der Taliban gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei in Österreich sehr gut integriert. Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, indem sie unzureichende Länderinformationen zur Anwendung gebracht habe. Die Sicherheitslage in Kabul lasse nicht zu, dass sich der Beschwerdeführer dort ansiedle. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, was sich auch in einer mangelhaften Beweiswürdigung widerspiegle. Zu den divergierenden Aussagen sei es aus dem Grunde gekommen, weil es zu Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gekommen sei. Die rechtliche Beurteilung sei unrichtig, ihm sei der Status des international Schutzberechtigten zu gewähren gewesen, eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm nicht zur Verfügung. Jedenfalls hätte er subsidiären Schutz erhalten müssen, es sei ihm nicht zuzumuten, sich außerhalb seines Heimatortes anzusiedeln. Eine Abschiebung nach Afghanistan würde eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Eine Rückkehrentscheidung würde eine Verletzung nach Art. 8 EMRK nach sich ziehen, weswegen die Rückkehrentscheidung für dauerhaft als unzulässig erklärt hätte werden müssen.

5. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 20.12.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vor, wie dieses am 27.12.2017 in der Gerichtsabteilung W263 einlangte.

6. Die belangte Behörde teilte dem Bundesverwaltungsgericht am 09.01.2018 mit, dass der Beschwerdeführer mit 31.12.2017 aus der Grundversorgung des Landes XXXX entlassen worden sei, weil der Beschwerdeführer seit 23.12.2017 einer Beschäftigung nachgehe.

7. Mit Eingabe vom 23.02.2018 legte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter weitere Integrationsunterlagen vor.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.02.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W263 abgenommen und der Gerichtsabteilung W261 neu zugewiesen, wo dieses am 27.01.2020 einlangte.

9. Das Bundesverwaltungsgericht holte am 28.01.2020 einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister ein, wonach der Beschwerdeführer seit 24.09.2019 nicht mehr mit einem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet ist. Ein Auszug aus dem Strafregister vom selben Tag belegt, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten ist. Ein Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 28.01.2020 bestätigt, dass der Beschwerdeführer derzeit keine Mittel aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

10. Mit Schreiben vom 10.02.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die aktuellen Länderinformationen und räumte diesen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

11. Mit Eingabe vom 18.02.2020 teilte die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH mit, dass die Vollmacht für den Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung zurückgelegt werde, weil kein Kontakt zum Beschwerdeführer hergestellt werden könne.

12. Mit Schreiben vom 19.02.2020 erfolgte die Zustellung des Schreibens des Bundesverwaltungsgerichtes durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch, wonach dieses Schreiben gemäß § 24 Abs. 4 ZustG mit 19.02.2020 als zugestellt gilt. Der Beschwerdeführer gab bis zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Stellungnahme zu den Länderinformationen ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen und dem Stamm der XXXX an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er spricht zudem Dari und Deutsch auf Niveau A2. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Baghlan, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und wuchs dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern auf. Der Beschwerdeführer besuchte vier Jahre lang die Schule. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf. Der Beschwerdeführer arbeitete einige Jahre mit seinem Vater in der familieneigenen Landwirtschaft, bevor er gemeinsam mit seinem Vater ein Lebensmittelgeschäft führte.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht. Der Beschwerdeführer hatte keinen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht.

Der Beschwerdeführer wird auch nicht von der afghanischen Regierung bzw. von afghanischen Behörden gesucht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Lebensgefahr durch die afghanische Regierung bzw. afghanische Behörden.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten oder zur Volksgruppe der Paschtunen konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit 08.12.2015 in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 08.12.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau A2. Der Beschwerdeführer besuchte Integrationskurse.

Der Beschwerdeführer lebt derzeit nicht von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner angemeldeten Erwerbstätigkeit nach.

Der Beschwerdeführer hat seit 24.09.2019 keinen ordentlich gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich. Er teilte dem Bundesverwaltungsgericht nicht mit, dass er seinen Wohnsitz änderte. Der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers ist unbekannt.

Er arbeitete ehrenamtlich als Trainer im "Projekt XXXX " für jene Gemeinde, in welcher er wohnte.

Der Beschwerdeführer unterzog sich im Oktober 2016 einer Hauttransplantation an den Vorderseiten der Sprunggelenke. Am 15.07.2017 unterzog sich der Beschwerdeführer einer Blinddarmoperation.

Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich.

Der Beschwerdeführer wird von seinen Vertrauenspersonen als engagiert, mit großer Ruhe, mit Einfühlungsvermögen und als wertvolles Mitglied des Teams beschrieben.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz Baghlan aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Eltern, ein Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers wohnen derzeit in seinem Heimatdorf in der Provinz Baghlan. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinem Vater. Der Familie des Beschwerdeführers gehört ein Haus im Heimatdorf des Beschwerdeführers landwirtschaftliche Grundstück. Derzeit versorgt der Vater des Beschwerdeführers seine Familie. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zumindest vorübergehend finanziell unterstützen. Der Beschwerdeführer kann Unterstützung durch die Mitglieder seines paschtunischen Stammes im Sinne von Paschtunwali in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer hat Verwandte, zwei Onkel väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits, in Afghanistan. Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),

- UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),

- EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und

- ecoi.net Themendossier zu Afghanistan: "Sicherheitslage und die soziökonomische Lage in Herat und in Masar-e Scharif" vom 15.01.2020 (ECOI Herat und Masar-e Sharif).

1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen anderen gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses System funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bieten die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

1.5.3. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).

Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar (LIB, Kapitel 22.1).

1.5.4. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).

Ethnische Paschtunen sind mit ca. 40% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime. Die Paschtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in ANA und der ANP repräsentiert (LIB, Kapitel 17.1).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden, und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (LIB, Kapitel 17.1).

1.5.5. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).

1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).

1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).

Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).

1.5.9. Provinzen und Städte

1.5.9.1. Herkunftsprovinz Baghlan

Baghlan liegt im Nordosten Afghanistans. Eine knappe Mehrheit der Einwohner von Baghlan sind Tadschiken, gefolgt von Paschtunen und Hazara als zweit- bzw. drittgrößte ethnische Gruppen. Außerdem leben ethnische Usbeken und Tataren in Baghlan. Die Provinz hat 995.814 Einwohner (LIB, Kapitel 3.4).

Baghlan gehört zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans. Aufständische der Taliban sind in gewissen unruhigen Distrikten aktiv, in denen sie oftmals terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitsinstitutionen durchführen. Im Jahr 2018 gab es 261 zivile Opfer (68 Tote und 193 Verletzte) in Baghlan. Dies entspricht einer Steigerung von 17% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDs) und gezielten Tötungen (LIB Kapitel 3.4).

In der Provinz Baghlan kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich ist, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

1.5.9.2. Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).

1.5.10. Situation für Rückkehrer/innen

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) (LIB, Kapitel 23).

Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit in Afghanistan Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und in der Beschwerde. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schulausbildung und seiner Berufserfahrung als Landwirt und Inhaber eines Lebensmittelgeschäftes gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, er ist dort zur Schule gegangen und hat dort als Landwirt und im Handel gearbeitet.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Das Asylverfahren bietet, wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8, wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Das Vorbringen des Asylwerbers muss - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

Der Beschwerdeführer bringt bei seiner Ersteinvernahme im Dezember 2015 als Fluchtgrund vor, dass er hinter seinem Geschäft in Afghanistan mit einem Freund in einer Werkstatt Motorräder hergerichtet habe. Er habe Taliban als Kunden gehabt, was die afghanischen Behörden erfahren hätten, weswegen er für zehn Monate inhaftiert worden sei. Nach seiner Entlassung sei er wieder in sein Geschäft bekommen, wo er übernachtet habe, um dieses zu schützen. Eines nachts habe sein Geschäft angefangen zu brennen, er vermute, dass jemand bewusst sein Geschäft in Brand gesetzt habe. Er habe schwere Verbrennungen erlitten. Er habe den Vorfall bei der örtlichen Polizei angezeigt, diese hätten ihn jedoch nicht ernst genommen. Das alles sei vor vier Jahren passiert. Die Heilung habe eineinhalb Jahre gedauert, danach habe er kein Geschäft und keine Arbeit gehabt, deswegen habe er beschlossen, Afghanistan zu verlassen. Das sei sein Fluchtgrund, andere Gründe habe er nicht (vgl. AS 15).

Ganz anders schildert der Beschwerdeführer die Gründe des Verlassens seines Heimatdorfes in seiner Ersteinvernahme im Oktober 2017 vor der belangten Behörde. Er gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er ein Lebensmittelgeschäft gehabt habe, in welchem er auch Treibstoff verkauft habe. Danach seien die Taliban in sein Heimatdorf gekommen und hätten dieses okkupiert und hätten das Dorf in Unruhe gebracht. Er habe die Lebensmittel und den Treibstoff in Pul-e Khumri gekauft und in sein Heimatdort gebracht, die staatliche Polizei habe ihn verfolgt. Er sei, nachdem er dies drei- bis vier Mal gemacht habe, von der Polizei festgenommen und inhaftiert worden. Er sei durch eine Bürgschaft freigekommen. Nach seiner Entlassung hätten ihn die Taliban gezwungen, an sie Treibstoff und Gas zu verkaufen, was er aus Angst vor der Regierung nicht gemacht habe. Er habe daher Angst gehabt, dass sein Geschäft ausgeraubt werde, weswegen er dort übernachtet habe. Eines Nachts seien die Taliban gekommen, und hätten sein Geschäft angezündet. Er sei schwer verletzt worden und habe eineinhalb Monate im Krankenhaus verbracht. In dieser Zeit habe ihn die Regierung gesucht, weil er sich wegen der Bürgschaft regelmäßig bei der Polizei hätte melden sollen, was er nicht gekonnt hätte. Als er nach Hause gekommen sei, habe er gesehen, dass die Taliban seinen Bruder mitgenommen hätten. Sein Vater habe sich an die Taliban gewandt, damit sein Bruder freigelassen werde. Diese hätten das abgelehnt und hätten gesagt, dass von jeder Familie ein junger Mann bei ihnen sein dürfe. Danach habe sein Vater gedacht, dass der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen solle, damit es in deren Haus keinen jungen Mann mehr geben würde, dadurch könne es sein, dass sein Bruder von den Taliban freigelassen werde. Ansonsten gebe es keine Gründe, weswegen er Afghanistan verlassen habe (vgl. AS 65). Es gebe aktuell keine Fahndungsmaßnahmen der afghanischen Behörden gegen ihn (vgl. AS 63). Über Nachfragen der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban auch den Beschwerdeführer hätten mitnehmen wollen, die Taliban würden alle Personen, welche das 19. Lebensjahr erreicht haben, mitnehmen wollen (vgl. AS 69). Die Taliban hätten damals mit seinem Vater über seinen Bruder gesprochen, dann hätten sie diesem gesagt, dass der Bruder des Beschwerdeführers gehen könne, wenn dieser statt dem Bruder zu den Taliban gehen würde (vgl. AS 71).

In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer erstmals vor, dass der Beschwerdeführer neben der Verfolgung durch die Taliban auch Verfolgung durch den afghanischen Staat befürchte, weil dem Bruder des Beschwerdeführers unterstellt werde, ein Mitglied der Taliban gewesen zu sein (vgl. AS 309).

In gegenständlichen Beschwerdeverfahren liegen demnach drei voneinander unterschiedliche Aussagen zu den Gründen vor, weswegen der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen haben will.

Es liegt ein wahrer Kern in der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers, und zwar der Umstand, dass der Beschwerdeführer bei einem Brand schwere Verbrennungen erlitt. Die Narben sind auch heute noch zu sehen und waren der Anlass für eine Hauttransplantation, welcher sich der Beschwerdeführer im Oktober 2016 unterzog.

Wann und wie sich dieser Vorfall genau ereignete, auch darüber machte der Beschwerdeführer verschiedene Angaben. So gab er bei der Erstbefragung an, dass sich dieser Vorfall 2011 ereignet habe (vgl. AS 15), während er bei seiner Ersteinvernahme angab, dass sich dieser Vorfall 2009 ereignet haben soll (vgl. AS 67). Ganz unabhängig von den zeitlichen Divergenzen steht fest, dass sich dieser Vorfall jahrelang vor seiner Ausreise aus Afghanistan, welche Mitte 2015 stattgefunden hat (vgl. AS 13), zugetragen hat. In diesen Jahren lebte der Beschwerdeführer unbehelligt von den Taliban und den afghanischen Behörden in seinem Heimatdorf.

Auch darüber, wer den Laden des Beschwerdeführers angezündet hat, verstrickt sich der Beschwerdeführer in Widersprüche. So gab er bei seiner Erstbefragung nicht an, dass es die Taliban gewesen sein sollen, die das Geschäft angezündet haben sollen (vgl. AS 15), während er bei seiner Ersteinvernahme anführte, dass es die Taliban gewesen sein sollen (vgl. AS 67), wiewohl er die Täter nicht gesehen haben will (vgl. AS 69).

Weitere Widersprüche gibt es im Umstand, ob der Beschwerdeführer den Brandanschlag bei der Polizei angezeigt haben will, oder nicht. Während er bei der Erstbefragung aussagte, dass er den Vorfall bei der Polizei angezeigt habe (vgl. AS 15), führte er bei seiner Ersteinvernahme aus, dass dies nicht der Fall gewesen sei (vgl. AS 69).

Alle diese Widersprüche lassen den Schluss zu, dass sich dieser Vorfall nicht ereignet hat, und der Beschwerdeführer weder ins Visier der Taliban geriet, noch von diesen dessen Geschäft angezündet wurde, noch er von diesen jemals bedroht wurde.

Es wird richtig sein, dass der Beschwerdeführer aufgrund von Vergehen für 10 Monate in Haft war. Weswegen dies der Fall war, darüber verstrickt sich der Beschwerdeführer wiederum in Widersprüche, einmal soll es der Grund sein, weil er für die Taliban Motorräder reparierte, ein anderes Mal, weil er an diese Treibstoffe verkauft habe (vgl. AS 65). Feststeht, dass der Beschwerdeführer seine Strafe absaß, und aus diesem Grund gegen ihn keine Fahndungsmaßnahmen der afghanischen Behörden laufen, wie er dies selbst ausführte (vgl. AS 63). Der Beschwerdeführer selbst brachte in seinen Einvernahmen vor, dass die afghanischen Behörden nicht nach ihm fahnden (vgl. AS 63). Davon, dass der Beschwerdeführer von den afghanischen Behörden wegen des Umstandes, dass sein Bruder bei den Taliban sei, bedroht werde, sagt der Beschwerdeführer in seinen Einvernahmen kein Wort. Sohin geht das diesbezügliche - übersteigerte - Vorbringen in der Beschwerde ins Leere.

Wie die belangte Behörde auch, geht die erkennende Richterin bei genauer Würdigung seiner Aussagen davon aus, dass er Beschwerdeführer nicht ins Visier der Taliban geriet, und diese Vorfälle keinen Bezug zu den Taliban hatten. Seine Aussagen zu seinen Fluchtgründen sind vage, widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Vor diesem Hintergrund bestehen bereits im Hinblick auf die Steigerung des Vorbringens massive Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers, weswegen die entsprechenden Feststellungen getroffen werden.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Afghanistan primär aus wirtschaftlichen Gründen verließ, wie er dies bei seiner Erstbefragung angab.

2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in Ersteinvernahme sowie auf die von ihm im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen hinsichtlich des unbekannten Aufenthaltes und des nicht vorhandenen Hauptwohnsitzes in Österreich gründen sich auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.4. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Baghlan ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten.

Die Feststellungen zum Aufenthaltsort, zu den Eigentums- und Vermögensverhältnissen sowie zur finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan ergeben sich daraus, dass der Beschwerdeführer dazu ausführlich anlässlich seiner Ersteinvernahme vor der belangten Behörde am 19.10.2017 ausführte. Die Feststellung zum regelmäßigen Kontakt zu seinem Vater ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer angab, dass er mit seinem Vater telefoniert (vgl. AS 63). Die Feststellung zur finanziellen Unterstützungsfähigkeit seiner Familie in Afghanistan, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Ersteinvernahme, wonach er angab, dass es seiner Familie finanziell mittel geht, nicht ganz gut, aber auch nicht ganz schlecht (vgl. AS 61). Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer einem großen paschtunischen Stamm angehört, in welchem laut den zitierten Länderinformationen Pasachtunwali gilt, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass er im Falle seiner Rückkehr auch von den Mitgliedern seines Stammes unterstützt werden wird. Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.

Die Feststellung zur Anpassungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er in Österreich einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachging, er sich in Österreich an sich zurechtfindet, und er angab, einer Arbeit nachgehen zu können. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in der Stadt Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in der Stadt Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Stadt Mazar-e Sharif als relativ sicher gilt und unter der Kontrolle der Regierung steht Diese ist auch sicher erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in dieser Stadt grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Er kann sich daher in der Stadt Mazar-e Sharif zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat vier Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer verfügt über jahrelange Berufserfahrung als Landwirt und als Inhaber eines Lebensmittelgeschäftes. Der Beschwerdeführer ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, alleinstehend, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer kann von seiner Familie und seinem paschtunischen Stamm zumindest vorübergehend finanziell unterstützt werden. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, in Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann.

2.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.3. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nicht im Visier der Taliban. Da der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall sich nicht ereignet hat, droht dem Beschwerdeführer aus diesem Grund auch keine Gefahr durch die Taliban bei einer Rückkehr nach Afghanistan. Es liegt beim Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund vor. Der Beschwerdeführer läuft auch nicht Gefahr, von der afghanischen Regierung oder von afghanischen Behörden gesucht zu werden.

3.1.4. Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen.

3.1.5. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.

3.1.6. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.2.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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