TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/19 W156 2171898-1

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Veröffentlicht am 19.03.2020
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Entscheidungsdatum

19.03.2020

Norm

ASVG §18b
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W156 2171898-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von Dr. F XXXX H XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 03.07.2017, AZ XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet angewiesen.

B) Die ordentliche Revision ist zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien /im Folgenden als Belangte Behörde bezeichnet) hat mit Bescheid vom 03.07.2017, XXXX , festgestellt, dass der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege der nahen Angehörigen XXXX , geb. XXXX , ab dem 01.04.2016 anerkannt wird und mit 30.04.2016 endet. Für die Zeit von 01.05.2016 bis 31.05.2016 sei die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 31.07.2017 fristgerecht Beschwerde.

3. Mit Schreiben vom 25.09.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W236 zugewiesen.

4. Mit Schreiben vom 25.11.2019 wurde die belangte Behörde aufgefordert, fehlenden Aktenteile sowie weitere verfahrensrelevante Unterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

5. Mit Schreiben vom 11.12.2017 wurden der Antrag des Beschwerdeführers sowie der Schriftsatz zum Verfahren vor dem Landesgericht XXXX vorgelegt.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W156 zur Entscheidung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer lebte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mit der zu betreuenden nahen Angehörigen, seiner Mutter XXXX , geb. XXXX , im gemeinsamen Haushalt.

Frau XXXX bezog ab dem 01.04.2016 Pflegegeld der Stufe 7.

Frau XXXX wurde am 21.04.2016 im LKH Universitätsklinik XXXX stationär aufgenommen und verstarb dort am 26.05.2016, ohne in heimische Pflege entlassen zu werden.

Per Fax vom 28.12.2016 und Antrag vom 28.06.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen im Ausmaß von 13 Monaten.

2. Beweiswürdigung:

Einsicht genommen wurde in den Verwaltungsakt, den Bescheid, die Beschwerde, das Zentrale Melderegister.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Materiellrechtliche Bestimmungen:

§ 18b ASVG lautet:

"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.

(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.

(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.

(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,

1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder

2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.

(4) Der Versicherungsträger hat ab dem dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind. Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.

(5) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.

(6) Die selbstversicherte Person ist dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zugehörig, in dem sie zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Liegen keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz vor, so ist die selbstversicherte Person der Pensionsversicherung der Angestellten zugehörig.

Gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG gelten als Beitragszeiten Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind."

3.2. Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Zeiten der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen im Ausmaß von 13 Monaten hat.

3.2.1. Zeitraum vor dem 01.04.2016

Voraussetzung für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger ist, dass die zu pflegende Person einen Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze hat. Im gegenständlichen Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers erstmals mit 01.04.2016 ein Pflegegeldanspruch der Pflegestufe 7 zugesprochen.

Mangels Erfüllung der Voraussetzung des Pflegegeldanspruches der Mutter vor dem 01.04.2016 können sohin Zeiten vor dem 01.04.2016 nicht als Beitragszeiten für die freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b ASVG herangezogen werden.

3.2.2. Zeitraum nach dem 27.04.2016 bis 25.06.2016

Gemäß § 18b Abs. 3 Z 1 ASVG endet die Selbstversicherung mit dem Ende des Kalendermonats, in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist.

Gemäß § 18b Abs. 1 letzter Satz ASVG wird die Pflege in häuslicher Umgebung durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.

Fraglich ist im gegenständlichen Fall, ob der stationären Aufenthalt der Mutter des Beschwerdeführers im Zeitraum vom 27.04.2016 bis zu ihrem Tod am 26.05.2016 als zeitweiliger stationärer Pflegaufenthalt zu werten ist, der die Pflege in häuslicher Umgebung nicht unterbricht, oder ob die stationäre Aufnahme mit einem Wegfall der Pflegetätigkeit gleichzusetzen ist.

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1111 der Beilagen XXII. GP) des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2005 - SVÄG 2005 selbst lässt sich hiezu nicht gewinnen.

Im herkömmlichen Sprachgebrauch wird das Wort "zeitweilig" als synonym für "vorübergehend" (vgl. https://www.wortbedeutung.info/zeitweilig), "auf eine kürzere Zeit beschränkt, zeitlich begrenzt, vorübergehend; momentan, hin und wieder für eine kürzere Zeit; gelegentlich" (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/zeitweilig) verwendet.

Der in § 18b ASVG verwendete Begriff "zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt" ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes somit dahingehend zu verstehen, dass es sich um eine lediglich vorübergehende Maßnahme handelt und nach Beendigung des stationären Aufenthaltes die Pflege in häuslicher Umgebung wieder aufgenommen wird. Darauf deute auch die Verwendung des weiteren Begriffes "unterbrochen" hin, aus der zu schließen ist, dass die Ausnahmebestimmung des letzten Satzes des § 18b Abs. 1 ASVG lediglich dann zum Tragen kommt, wenn die stationäre Aufnahme wieder von der häuslichen Pflege abgelöst wird.

Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung "zeitweiliger stationärer Aufenthalt" in Verbindung mit "unterbrochen" kann somit geschlossen werden, dass der Gesetzgeber dann keine Unterbrechung und somit ein Fortwirken des Anspruches auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung vorgesehen hat, wenn der stationäre Aufenthalt nur vorübergehend ist, nicht aber, wenn nach dem stationäre Aufenthalt keine häusliche Pflege mehr in Anspruch genommen wird oder werden kann, somit der stationäre Aufenthalt - wie in diesem Fall - als endgültig anzusehen ist.

Die belangte Behörde hat daher nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes den Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung ab dem 01.05.2016 zu Recht verneint.

3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, welche im Übrigen nicht beantragt wurde, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Schriftverkehr geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010, S. 389, entgegen.

3.4. Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung fehlt, wie der Begriff des zeitweiligen stationären Aufenthaltes, insbesondere im Fall des Todes im Zuge eines stationären Aufenthaltes, auszulegen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Krankenanstalt Pensionsversicherung Pflegegeld Revision zulässig Selbstversicherung Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2171898.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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