Entscheidungsdatum
23.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W207 1406632-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2018, Zahl 483628307/180610059, betreffend amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 06.03.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen an, er habe sein Heimatland bereits 1998 verlassen und sei in den Iran gereist, wo er sich bis vor einem Monat aufgehalten habe. Von Teheran aus habe er schlepperunterstützt den Iran verlassen und sei über die Türkei und Italien nach Österreich gelangt. Sein Heimatland habe er verlassen, da seine Cousine mütterlicherseits in Afghanistan geschrien habe, dass sie den Beschwerdeführer heiraten wolle. Ihr Bruder habe den Beschwerdeführer töten wollen, weil dieser gegen diese Heirat gewesen sei und dies eine Schande für ihn gewesen sei. Vom Iran sei er geflüchtet, weil die iranischen Behörden die Afghanen nach Afghanistan zurückschieben würden. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sei dort sein Leben in Gefahr.
Am 28.04.2009 wurde der Beschwerdeführer vor dem (damaligen) Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger und Moslem (Sunnit) sowie ledig zu sein. Seine Mutter sei Pashtunin, sein Vater Tadschike. Seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester würden weiterhin in Afghanistan leben. Sein Vater sei ca. im Jahr 1357/58 (ca. 1979) verschwunden, als der Beschwerdeführer vier oder fünf Jahre alt gewesen sei. Ein Onkel väterlicherseits lebe in Pakistan, die Onkel mütterlicherseits würden in einer näher genannten, zu Kabul gehörenden und nördlich von Kabul liegenden Gemeinde, leben. Zwei Onkel mütterlicherseits seien schon verstorben, Tanten väterlicherseits gebe es nicht. Mütterlicherseits habe er eine Tante, welche ebenfalls in dieser Gemeinde lebe. Eine Tante mütterlicherseits sei bereits verstorben.
Ein Taleb habe die Tochter dieser bereits verstorbenen Tante heiraten wollen. Diese Tochter - also eine Cousine des Beschwerdeführers; in der Folge als Cousine bezeichnet - sei dann ins Haus des Beschwerdeführers gekommen und habe angedeutet, den Beschwerdeführer heiraten zu wollen. Daher hätten ihn dann die Taliban verfolgt und ebenso seine Cousins, die - namentlich näher bezeichneten - Söhne der bereits verstorbenen Tante. Die Cousine sei vielleicht ungefähr zwanzig Jahre alt gewesen. Der Taleb, der sie habe heiraten wollen, habe sie letztlich geheiratet. Als der Taleb den Heiratsantrag gestellt habe, sei die Cousine zum Beschwerdeführer gekommen. Seine Mutter und sein Onkel hätten die Cousine allerdings nach Hause zurückgebracht. Eines Tages sei ein näher genannter Cousin zum Beschwerdeführer gekommen und habe ihm geraten, das Land zu verlassen, da seine Cousins und die Taliban davon erfahren hätten, dass die Cousine den Beschwerdeführer heiraten habe wollen. Damals sei der spätere Gemahl der Cousine ein Taleb gewesen, ein Pashtune aus Wardak, was dieser jetzt sei, wisse der Beschwerdeführer nicht. Er sei dann geflohen und nicht zurückgekehrt. Er sei auf der Flucht, weil seine Cousins und der Mann seiner Cousine ihn töten wollten, da es um die Ehre und um den Ruf gehe. Würden ihn seine Cousins nicht töten, würden dies "diese Pashtunen" machen. In Afghanistan gebe es keine Gesetze. Vor ein paar Tagen erst seien ein Junge und ein Mädchen gepeitscht worden, weil sie nicht verheiratet gewesen und denselben Weg gegangen seien. Damit wolle er sagen, wie die Afghanen über die Ehre denken und wie stolz sie seien. Die afghanischen Behörden würden ihn nicht verfolgen, aber die derzeitige Regierung könne ihm keinen Schutz bieten. Es gebe auch ständig Selbstmordanschläge. Der Beschwerdeführer sei gleich am nächsten Tag, nachdem sein Cousin ihm gesagt habe, dass sein Leben in Gefahr sei, geflüchtet. Mit seiner Mutter habe er noch Kontakt, über diesen Vorfall würde er mit ihr aber nicht reden. Er sei sich sicher, dass "die Geschichte" wieder aktuell werden würde, würde er nach Afghanistan zurückkehren. Seine Cousine sei 1998 zu ihm gekommen, ein genaues Datum könne er nicht nennen. Ca. acht oder zehn Tage danach sei er aus Afghanistan ausgereist. Er könne sich erinnern, ca. einen Monat später im Iran die Fußballweltmeisterschaft gesehen zu haben. In einem anderen Teil Afghanistans könne er nicht leben, weil jemand, der seinen Feind töten wolle, diesen in allen Teilen des Landes finden könne. Er habe viele Verwandte, irgendwann würde seine Nachbarschaft oder die Verwandtschaft von seinem Aufenthalt in Afghanistan erfahren, irgendwann würde man ihn sehen. Wenn er in Afghanistan leben könnte, hätte er seine Mutter nicht allein gelassen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.04.2009, FZ 09 02.809-BAT, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 06.03.2009 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des (damaligen) Asylgerichtshofes vom 04.06.2010, Zl. C18 406.632-1/2009/10E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Hingegen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz - der Asylgerichtshof ging im Wesentlichen von der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe des Beschwerdeführers aus - mit näherer umfassender rechtlicher Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Vorbringen des Beschwerdeführers komme keine Asylrelevanz zu.
Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde vom Asylgerichtshof begründend im Wesentlichen - hier zusammengefasst wiedergegeben - ausgeführt, aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan maßgeblich wahrscheinlich der Gefahr einer Verfolgung durch Privatpersonen in maßgeblicher Intensität ausgesetzt wäre. Bei diesen Privatpersonen handle es sich um den Ehemann seiner Cousine und die Brüder seiner Cousine (also seine Cousins). Es seien die - wenn auch ungesetzlichen, aber in der insbesondere pashtunischen Gesellschaft anerkannten und verbreiteten - Regeln über die Rache wegen einer Ehrverletzung im Falle des Beschwerdeführers anzuwenden, da es sich bei dem vorgetragenen und dieser Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt um einen als Ehrverletzung zu qualifizierenden Tatbestand handle, bei welchem - im Unterschied zur Blutrache - nur derjenige getötet wird, der die Ehre der anderen Familie verletzt habe. Dass der Beschwerdeführer, der von einer Pashtunin und einem Tadschiken abstammt, diesem Regime unterliege, ergebe sich daraus, dass seine Verfolger Pashtunen sind. Seine Cousine und deren Brüder stammten nämlich von der Tante des Beschwerdeführers mütterlicherseits ab, somit von einer Pashtunin, bei dem Ehemann der Cousine handle es sich um einen Pashtunen aus Wardak. Dass bei der drohenden Ermordung des Beschwerdeführers die Intensität der Verfolgungshandlung zu bejahen sei, liege auf der Hand. Die Aktualität einer Gefährdung wegen einer schon mehr als zehn Jahre zurückliegenden Ehrverletzung sei deshalb gegeben, weil nach den getroffenen Feststellungen eine solche Lebensbedrohung nicht verjähre. Dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Afghanistan keinen konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei, spiele - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht des Bundesasylamtes - keine Rolle (vgl. VwGH 28.03.1996, Zl. 95/20/0027; 12.09.1996, Zl. 95/20/0274, 11.11.1998, Zl. 98/01/0274). Die Rückkehr des Beschwerdeführers werde sich unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Heimatstaat zweifellos im Wege von Verwandten und Bekannten herumsprechen. Ausgehend davon sei zu prüfen, ob dem aus Kabul stammenden Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stünde. Diesbezüglich sei auf die Feststellungen zur Situation in Afghanistan zu verweisen, aus welchen hervorgeht, dass die Sicherheitslage im ganzen Land prekär sei. Es bestehe im ganzen Land das Risiko, Opfer von Terroranschlägen, Entführungen, Raubüberfällen, Landminen und Blindgängern zu werden. Die Zentralregierung verfüge nicht über das Machtmonopol, um die Bürger ausreichend zu schützen. Weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch sonstige Akteure seien gefestigt in der Lage, die Sicherheit der afghanischen Bevölkerung zu garantieren. Aus der in ganz Afghanistan prekären Sicherheits- und Versorgungslage ergebe sich für den Fall des Beschwerdeführers, dass dem Beschwerdeführer die Einreise (der Aufenthalt) in einen (in einem) anderen Landesteil nicht gefahrlos möglich bzw. zumutbar sei. Eine Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht nach dem Gesagten im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG. Dem Beschwerdeführer sei daher nach der zuletzt genannten Bestimmung der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Am 16.04.2018 stellte der Beschwerdeführer nach dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.
Am 29.06.2018 erfolgte eine von Amts wegen durchgeführte niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) zum Zwecke der Prüfung der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens. Im Rahmen dieser Einvernahme brachte der Beschwerdeführer - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes vor:
"[...]
LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher? Was ist Ihre Muttersprache?
VP: Gut. Meine Muttersprache ist Dari. Außerdem spreche ich ein wenig Urdu und Paschtu.
LA: Fühlen Sie sich gesundheitlich in der Lage, heute Angaben in Ihrem Verfahren zu machen?
VP: Ja. Ich bin gesund, nehme keine Medikamente und könnte jederzeit leichte Arbeiten machen, ich darf nichts Schweres heben wegen meinem Rücken, das sagte mir mein Arzt.
LA: Was haben Sie mit Ihrem Rücken?
VP: Die Wirbel haben sich verschoben.
LA: Haben Sie einen Befund hierzu?
VP: Ja.
Anmerkung: VP legt 3 Befundberichte vor, welche als Kopie, als Anlage 1 zum Akt genommen werden.
LA: Sollten Sie eine Pause einlegen wollen, kann die Einvernahme jederzeit unterbrochen werden.
VP: Danke.
LA: Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und wahrheitsgemäß darlegen. Sollte die Behörde auf Unwahrheiten oder Verheimlichungen stoßen, kann dies negative Folgen auf das Verfahren haben. Haben Sie das verstanden?
VP: Ich habe das verstanden.
LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?
VP: Ich gehöre der Volksgruppe der Tadschike an und bin sunnitischer Moslem.
LA: Geben Sie einen Lebenslauf von sich an!
VP: Ich bin am XX.XX.XXXX in Kabul geboren und aufgewachsen. Ich habe sieben Jahre die Grundschule besucht. Nach der Schule habe ich verschiedenste Hilfsarbeitertätigkeiten gemacht. Ich war dann Arbeiter bis zu meiner Ausreise.
LA: Wann sind Sie ausgereist?
VP: 1997. 1998 war ich bereits im Iran.
LA: Wie lange waren Sie im Iran?
VP: Ungefähr 8 Jahre.
LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland?
VP: Derzeit nur einen Bruder und eine Schwester, die leben in Kabul.
LA: Sonst noch jemanden? Onkel, Tanten, Cousins?
VP: Eine Tante mütterlicherseits, sie lebt in der Provinz Kabul, Distrikt X. Alle anderen Onkel und Tante sind verstorben.
LA: Cousins und Cousinen?
VP: Ja die gibt es.
LA: Wie viele?
VP: Das kann ich jetzt nicht sagen, ich war seit 23 Jahren nicht mehr dort.
LA: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu einem Ihrer Familienangehörigen?
VP: Vor ca. einem Monat mit meiner Schwester. Sie sagte mir, dass ihr Ehemann, der Polizist in X. war, von den Taliban getötet wurde.
LA: Wie geht es Ihrer Familie?
VP: Es geht Ihnen den Umständen entsprechend gut.
LA: Was berichtet Ihre Schwester sonst über die Situation im Heimatland?
VP: Sie ist am Verzweifeln, ihr Ehemann ist tot, die Sicherheitslage ist in Afghanistan schlecht.
LA: Was sprechen Sie sonst mit Ihrer Familie?
VP: Nur nach dem Wohlbefinden.
LA: Schildern Sie das letzte Gespräch mit allen Details und so lebensnahe wie möglich!
VP: Beim letzten Gespräch weinte meine Schwester am Telefon.
LA: Sonst noch Details dazu?
VP: Nein.
LA: Wie lange dauerte das Gespräch?
VP: Ich weiß es nicht mehr.
LA: Über was sprachen Sie?
VP: Ich habe ihr mein Beileid ausgesprochen.
LA: Sonst noch etwas?
VP: Nein.
LA: Welche Befürchtungen haben Sie aktuell für den Fall einer Rückkehr in Ihr Heimatland?
VP: Ich kann nicht zurückkehren, ich fürchte mich vor dem Tot. Außerdem habe ich eine Feindschaft mit dem Sohn meiner Tante mütterlicherseits.
LA: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?
VP: Nein, das war alles.
LA: Woher wissen Sie, dass die Feindschaft noch existiert?
VP: Eine Feindschaft besteht immer.
LA: Woher wissen Sie, dass der noch lebt?
VP: Ich weiß es.
LA: Woher?
VP: Mein Bruder hat es mir erzählt.
LA: Wann war das?
VP: Irgendwann mal.
LA: Vielleicht ist dieser seitdem verstorben!
VP: Nein, er lebt.
LA: Woher wissen Sie das?
VP: Ich denke das.
LA: Also wissen Sie das nicht!
VP: Ich würde es erfahren, wenn er tot wäre.
LA: Warum fragten Sie Ihre Schwester nicht bezüglich des Cousins?
VP: Ich habe meinen Bruder gefragt.
LA: Wann?
VP: Vor zwei Monaten, das letzte Mal.
LA: Schildern Sie das Gespräch mit allen Details und so lebensnahe wie möglich!
VP: Mein Bruder hat eine Frau für mich gefunden und die Hochzeit fand ohne mich statt. An dem Tag habe ich ihn angerufen und nach meinem Cousin gefragt. Inzwischen bin ich verheiratet.
LA: Seit wann sind Sie verheiratet?
VP: Seit ungefähr drei Monaten.
LA: Haben sie den Bruder am Tag der Hochzeit angerufen?
VP: Ja.
LA: Da das letzte Mal?
VP: Ich habe auch gestern mit meinem Bruder telefoniert.
LA: Schildern Sie das Gespräch!
VP: Ich habe ihn gestern gebeten, mir die Heiratsurkunde zukommen zu lassen.
LA: Ging es sonst noch um etwas?
VP: Nein.
LA: Kennen Sie Ihre Frau?
VP: Persönlich nicht.
LA: Wollen Sie mit dieser Frau, Ihr Leben verbringen?
VP: Sie ist derzeit in der Türkei und will hierher. Sie ist derzeit bei Ihrer Tante aufhältig.
LA: Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihren Familienangehörigen bezüglich Ihres Cousins gesprochen?
VP: Beim Eid Fest, habe ich gefragt ob mein Cousin auch da war. Sie verneinten dies. Das war vor ein paar Wochen.
LA: Welche Befürchtungen haben Sie aktuell für den Fall einer Rückkehr speziell nach Mazar-e-Sharif?
VP: Ich bin seit knapp 25 Jahren nicht mehr in Afghanistan gewesen, ich traue mich nicht mehr zurückzukehren. Außerdem stehen die Afghanen in Kontakt zueinander. Ich kann dort nicht leben. Ich habe dort auch nicht, kein Haus, keine Leute. Es gibt dort kein Sozialsystem wie hier.
LA: Weiß Ihr Cousin, dass Sie in Österreich sind?
VP: Ja.
LA: Wann haben Sie den Cousin das letzte Mal gesprochen oder gesehen?
VP: Damals als die Taliban neu an die Macht gekommen sind.
LA: Warum haben Sie diese Feindschaft?
VP: Meine Cousine hätte einen Taliban heiraten müssen, diese wollte das aber nicht. Die Cousine kam dann zu mir und ich flüchtete mit ihr. Meine Mutter hat mich dann gezwungen, die Cousine heimzubringen. Sie musste dann den Taliban heiraten. Jetzt will mich die ganze Familie umbringen.
LA: Wie lange waren Sie mit Ihr geflüchtet?
VP: Nur drei Stunden war sie bei mir.
LA: Wohin flüchteten sie?
VP: Sie kam zu mir und nach drei Stunden sagte meine Mutter, ich muss sie wieder zurückbringen, danach flüchtete ich alleine in den Iran.
LA: Wo leben die Brüder und Schwestern Ihrer Cousine?
VP: In der Provinz Kabul, Distrikt Shaker-Dara.
LA: Haben Ihre Schwester oder Ihr Bruder deswegen Probleme?
VP: Nein.
LA: Treffen Ihre Schwester oder Ihr Bruder diesen Cousin?
VP: Ja. Bei Beerdigungen oder Hochzeiten. Aber sie haben kein gutes Verhältnis.
LA: Sprechen Ihre Geschwister mit dem Cousin?
VP: Das weiß ich nicht.
LA: Schildern Sie bitte Ihren bisherigen Aufenthalt in Österreich! Was haben Sie alles gemacht?
VP: Ich habe den A1 Deutschkurs besucht. Zwei Monate arbeitet ich in einem iranischen Lebensmittelgeschäft und sechs Monate als Reinigungskraft.
LA: Haben Sie sonst etwas gearbeitet.
LA: Haben Sie familiäre oder private Bindungen an Österreich?
VP: Nein.
LA: Haben Sie hier in Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigte Verwandte?
VP: Nein.
LA: Wovon leben Sie bzw. wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt?
VP: Vom Sozialstaat.
LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation?
VP: Nein.
LA: Warum arbeiten Sie nicht?
VP: Wegen meinem Rücken kann ich nicht. Ich habe schon mindestens 50 Bewerbungen abgeschickt an Reinigungsfirmen.
LA: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich strafbare Handlungen begangen?
VP: Nein.
LA: Wollen Sie noch etwas anführen?
VP: Nein.
LA: Es wird nunmehr mit Ihnen erörtert, auf welcher Basis und unter Zugrundelegung welcher Länderfeststellungen das BFA in Ihrem Fall zur Entscheidung gelangen wird. Sie haben die Möglichkeit, im Anschluss dazu Stellung zu nehmen. Die auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat stützenden Aussagen basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass sämtliche Feststellungen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen. Die Länderfeststellung der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation vom 30.01.2018, werden dem Asylwerber individuell näher erklärt.
Aus der allgemeinen Lage selbst ist ebenso wie aus Ihren persönlichen Merkmalen (Abstammung oder Glauben) nichts abzuleiten, das auf eine Verfolgung oder Furcht vor solcher im Sinne der GFK und den darin genannten Gründen schließen ließe. Da Sie Ihre Schwierigkeiten nicht glaubhaft gemacht haben, umso mehr Sie keinerlei Bedrohung ausgesetzt waren, ist die Rückkehr in Ihr Heimatland zumutbar. Weiters könnten Sie in Mazar-e-Sharif Sicherheit erlangen und auch eine zumutbare Lebenssituation vorfinden.
Ebenso ist nichts festzustellen, dass eine reale Gefahr für Ihr Leben oder die Gesundheit bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Weder lässt sich eine solche Gefahr aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat noch aus einer etwaigen lebensbedrohlichen und in Ihrem Herkunftsstaat nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung Ihrer Person ableiten.
Zudem ist festzuhalten, dass es Ihnen zuzumuten ist, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, umso mehr Sie ja auch auf die Unterstützung Ihrer in Afghanistan lebenden Familie zurückgreifen könnten.
Da auch Ihre persönliche behauptete Gefährdungslage nicht für glaubhaft befunden werden kann und Ihr Vorbringen zudem asylrechtlich irrelevant ist, liegt kein Grund vor, Ihnen den Status eines Asylberechtigten zuzusprechen.
In Anbetracht der Kürze Ihres Aufenthaltes sowie auch fehlender (enger) familiärer oder privater Bindungen in Österreich ist nicht ersichtlich, dass eine Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens darstellen würde.
VP: Warum wird es nicht verlängert? Ich kann nicht zurückkehren. Falls ich eine Arbeit finde, brauche ich den Bescheid. Ohne Bescheid geht das nicht.
LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?
VP: Ich möchte keine weiteren Angaben machen. Ich konnte alles umfassend vorbringen. Ich habe keine Einwände.
LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?
VP: Sehr gut.
[...]"
Mit - dem nunmehr angefochtenen - Bescheid der belangten Behörde vom 18.07.2018, Zahl 483628307/180610059, wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Sein Antrag vom 16.04.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützte Aberkennung des subsidiären Schutzes begründete die belangte Behörde in diesen Bescheid im Wesentlichen damit, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert habe. Der Beschwerdeführer habe eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft machen können. In seinem Fall bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Er könne seinen Lebensunterhalt genauso in Herat oder Mazar-e-Sharif bestreiten und würde ebendort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden.
Die belangte Behörde traf in diesem Bescheid darüber hinaus umfangreiche Länderfeststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 17.08.2018 fristgerecht Beschwerde ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Afghanistan, der einer Mischehe einer Pashtunin und eins Tadschiken entstammt und der Muslim sunnitischer Ausrichtung ist, mit Erkenntnis des (damaligen) Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.
Festgestellt wird, dass die rechtskräftige Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in diesem Erkenntnis - unter Bezugnahme auf die getroffenen Länderfeststellungen - damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Verfolgung maßgeblicher Intensität durch Privatpersonen, nämlich durch den Ehemann seiner Cousine und durch die Brüder seiner Cousine (also seine Cousins), die allesamt der Volksgruppe der Pashtunen angehören, ausgesetzt wäre, dies wegen der insbesondere in der pashtunischen Gesellschaft anerkannten und verbreiteten Regeln über die Rache wegen einer Ehrverletzung.
Festgestellt wird, dass mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.07.2018 der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 rechtskräftig zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten auf der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt wurde. Festgestellt wird, dass diese auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützte Aberkennung des subsidiären Schutzes von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet wurde, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert habe, weil der Beschwerdeführer eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft machen habe können und in seinem Fall nunmehr eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative in Herat und Mazar-e-Sharif bestehe.
Festgestellt wird, dass seit rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers im Sinne des Wegfalles der von ihm vorgebrachten Verfolgungsgefahr durch Privatpersonen, nämlich durch den Ehemann seiner Cousine und durch die Brüder seiner Cousine (also seine Cousins) aus dem Grund der Rache wegen einer Ehrverletzung eingetreten ist.
Festgestellt wird, dass seit rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan im Sinne einer maßgeblichen Verbesserung dieser Lage eingetreten ist.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur rechtskräftigen Zuerkennung und nachfolgenden Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zu den jeweiligen Begründungen gründen sich auf den Akteninhalt bzw. auf den Inhalt des betreffenden Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 bzw. des Bescheides der belangten Behörde vom 18.07.2018.
Die Feststellung, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers im Hinblick auf die von ihm vorgebrachte und im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren als glaubhaft beurteilte Verfolgungsgefahr durch den Ehemann seiner Cousine und durch die Brüder seiner Cousine aus dem Grund der Rache wegen einer Ehrverletzung im Sinne eines nunmehrigen Wegfalles dieser Verfolgungsgefahr eingetreten ist, gründet sich auf den Umstand, dass ein Wegfall dieser Verfolgungsgefahr aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ersichtlich ist und von der belangten Behörde nicht ausreichend plausibel und substantiiert dargetan wurde.
Das von der belangten Behörde als zentrale Entscheidungsgrundlage für die nunmehrige Aberkennung des subsidiären Schutzes herangezogene Argument, der Beschwerdeführer habe eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft machen können, weil der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 29.06.2018 in Bezug auf sein Heimatland Afghanistan keine aktuellen Fluchtgründe zu Protokoll gegeben habe, zumal er in diesem Zusammenhang nur gemeint habe, dass die "alten" Fluchtgründe noch immer Bestand haben würden, vermag in seinem Begründungswert nicht nachvollzogen zu werden.
Insoweit die belangte Behörde aber weiters ausführte, der Beschwerdeführer habe im Rahmen dieser Einvernahme angegeben, er habe Angst vor dem Tod und des Weiteren habe er eine Feindschaft mit dem Sohn seiner Tante mütterlicherseits, dies stehe aber im Widerspruch zu seinen Aussagen beim damaligen Bundesasylamt und beim damaligen Asylgerichtshof, umso mehr als er damals gemeint habe, dass er eine Feindschaft mit seinen Cousins (Mehrzahl) und dem Mann seiner Cousine haben würden, warum der Beschwerdeführer plötzlich nur noch mit einem Mann eine Feindschaft haben würden, habe er nicht aufgeklärt, so ist diesbezüglich anzumerken, dass es sich hierbei allenfalls um einen vermeintlichen Widerspruch handelt, da der Beschwerdeführer zum einen bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, das zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes führte, zum Ausdruck brachte, dass die primäre Ehrverletzung den Ehemann seiner Cousine betraf und diesem damit das Hauptmotiv für die Verfolgung zukam, und zum anderen der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde am 29.06.2018 seine Verfolgungsbehauptung keineswegs auf eine Person einschränkte, sondern im Gegenteil auf die Frage, warum er diese Feindschaft habe, nach kurzer Schilderung der Umstände, die den Angaben im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren entsprachen, u.a. angab, jetzt wolle ihn "die ganze Familie umbringen".
Zutreffend ist, dass der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Einvernahme vor der belangten Behörde am 29.06.2018 divergierende Angaben zu den Zeitpunkten der Kontaktaufnahmen mit seinem noch in Afghanistan lebenden Bruder machte; dieser Widerspruch kann aber noch nicht geeignet sein, den nunmehrigen Wegfall einer ehemals bestanden habenden, rechtskräftig festgestellten Verfolgungsgefahr aus dem Motiv der Rache wegen einer Ehrverletzung als erwiesen ansehen zulassen. Eine Änderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum Entscheidungszeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist diesbezüglich daher nicht ersichtlich.
Schon vor diesem Hintergrund, dass nicht davon auszugehen ist, dass die Verfolgungssituation, die im Fall des Beschwerdeführers zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte, aktuell nicht mehr aufrecht ist, kann auch den weiteren Ausführungen der belangten Behörde, nunmehr habe sich die "subjektive Lage des Beschwerdeführers" im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert, indem ihm nun eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat und Mazar-e-Sharif zur Verfügung stehe, nicht gefolgt werden.
Unabhängig davon aber ergibt sich die Feststellung, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 und seit der Aberkennung dieses Status mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.07.2018 sowie aktuell keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan - auch bezogen auf Herat und Mazar-e-Sharif - im Sinne einer maßgeblichen Verbesserung dieser Lage eingetreten ist, aus einen Vergleich der in diesen beiden Entscheidungen getroffenen Länderfeststellungen sowie aus der Betrachtung der aktuellen Sicherheits- und Versorgunglage in Afghanistan.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
§ 9 AsylG lautet:
"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."
Die belangte Behörde stützte die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht auf § 9 Abs. 2 AsylG - der Beschwerdeführer ist in Österreich aktuell strafgerichtlich unbescholten -, sondern sie stützte diese Aberkennung ausdrücklich auf § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten deshalb nicht mehr vorliegen würden, weil in den subjektiven Verhältnissen des Beschwerdeführers seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eine Änderung eingetreten sei, da der Beschwerdeführer eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft machen habe können und ihm nunmehr eine inländische Fluchtalternative offenstehe.
Ein solche wesentliche Änderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers im Sinne des Wegfalles der Verfolgungsgefahr ist jedoch, wie oben ausgeführt, auf Grundlage des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie auf Grundlage des Inhaltes des dem den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkennenden Bescheides zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes in rechtlicher Hinsicht nicht erkennbar.
Da daher eine entscheidungserhebliche wesentliche Änderung in den Umständen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.06.2010 geführt haben, nicht eingetreten ist und daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass gemäß dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid herangezogenen § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.
Da die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides dem rechtlichen Schicksal des Spruchpunktes I. folgen, war der gesamte angefochtene Bescheid in sämtlichen Spruchpunkten zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht in inhaltlicher Hinsicht keine neuen Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Frage der Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers und zur Lage in Afghanistan in inhaltlicher Hinsicht auf jene, die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegen, gestützt; eine maßgebliche Änderung ist diesbezüglich in Bezug auf den Beschwerdegegenstand nicht eingetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102). Es wurden keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche einer mündlichen Erörterung bedürften, zumal die belangte Behörde im Rahmen der Beschwerdevorlage auf die Durchführung einer und auf die Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung ausdrücklich verzichtet hat.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung private Verfolgung Rückkehrentscheidung behoben Verfolgungsgefahr wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W207.1406632.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020