TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/23 W155 2229635-1

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Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W155 2229635-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Arabischen Republik Ägypten, wurde am 03.03.2020 im Bundesgebiet im Zuge einer Verkehrskontrolle fremdenpolizeilich angehalten und legte eine französische ID Karte vor, die nach Überprüfung nicht mit seiner Person übereinstimmte.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 04.03.2020 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Abklärung des Sachverhalts nach illegaler Einreise, stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, aus Ägypten, XXXX , zu stammen und über die Türkei, Griechenland, Serbien, Rumänien, Ungarn nach Österreich gelangt zu sein. Zielland sei Frankreich gewesen, weil er dort Bekannte habe. In Rumänien sei die Lage für Flüchtlinge nicht gut gewesen. Er habe seine (Reise)Dokumente bei der Überfahrt mit dem Schlauchboot nach Griechenland verloren. Auf Grund eines EURODOC-Treffers in Bezug auf Rumänien leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) am selben Tag ein Konsultationsverfahren mit Rumänien nach der Dublin-III Verordnung ein, der BF wurde festgenommen.

Mit Bescheid vom 04.03.2020 ordnete die belangte Behörde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin- VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm §57 Abs.1 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens an. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF bereits in Rumänien einen Asylantrag gestellt habe und ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, mit gefälschten Dokumenten nach Frankreich habe weiterreisen wollen. Auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 6 und Z 9 FPG liege erhebliche Fluchtgefahr vor, weil sich der BF erneut den Behörden entziehen werde, um nach Frankreich zu gelangen. Die Entscheidung sei verhältnismäßig, da sich die BF dem Asylverfahren in Rumänien entzogen habe und nicht gewillt sei, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Auf Grund einer fehlenden Verankerung in Österreich, seines bisherigen nicht vertrauenswürdigen Verhaltens und dem Wunsch nach Frankreich zu reisen, bestehe die Gefahr des Untertauchens. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels im Rahmen von Aufenthalts- und Meldepflichten könne auf Grund der finanziellen Situation des BF, der fehlenden hinreichenden Bindung an Österreich und der festgestellten Fluchtgefahr im Sinne einer Weiterreise in weitere Mitgliedstaaten nicht das Auslangen gefunden werden.

Der BF trat vom 09.03.2020 bis 11.03.2020 in einen Hunger- und Durststreik.

Am 16.03.2020 erhob der BF Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, dass eine erhebliche Fluchtgefahr im Sinne der Dublin Verordnung nicht vorliege und jedenfalls mit gelinderen Mitteln das Auslangen gefunden werde könnte. Die angeordnete Schubhaft sei unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Unbestritten sei, dass der BF in Rumänien erkennungsdienstlich behandelt worden sei und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Er habe jedoch keine weiteren Informationen zum Asylverfahren erhalten. Der BF habe sich bei seinen Befragungen kooperativ gezeigt und sei gewillt, behördlichen Anordnungen Folge zu leisten. Dass er nicht für das Verfahren und die Außerlandesbringung zur Verfügung stehe, sei daher nicht nachvollziehbar. Es sei auf Grund der Ausnahmesituation bezüglich der Covid19-Pandemie unsicher und nicht absehbar, wann mit einer Erledigung des Konsultationsverfahrens, des Asylverfahrens und einer allfälligen Überstellung nach Rumänien gerechnet werden könne. Auf Grund des Asylverfahrens könne mit periodischen Meldepflichten, Unterkunft in bestimmten angeordneten Räumlichkeiten als gelindes Mittel Auslangen gefunden werden. Alleine der Umstand, dass der BF über keine finanziellen Mittel und über keine ausreichende soziale Anbindung im Bundesgebiet verfüge, vermag keine erhebliche Fluchtgefahr zu indizieren.

Die belangte Behörde legte die angeforderten Aktenteile mitsamt einer Stellungnahme vor. In dieser wurde ausgeführt, dass der BF in einem sicheren Mitgliedstaat der europäischen Union einen Asylantrag gestellt habe. Dass er nicht über den weiteren Verfahrensverlauf informiert worden wäre, sei eine Schutzbehauptung. Durch seine Weiterreise habe er sich dem Ersuchen um Unterschutzstellung entzogen. Hinsichtlich seines kooperativen Verhaltens hielt die belangte Behörde fest, dass der BF absichtlich widerrechtlich eine Vielzahl an Mitgliedsstaaten durchquert habe, um mittels gefälschten Dokumenten ein Aufenthaltsrecht in Frankreich vorzutäuschen. Erst im Zuge der Verkehrskontrolle und Vorliegen von Unstimmigkeiten sei seine Identität überprüft worden und erfolgte die Asylbeantragung in Österreich. Er habe kein Unrechtbewusstsein erkennen lassen und habe Frankreich nach wie vor als Zielland im Auge. Nach Rumänien wolle er nicht zurück. Nach Verhängung der Schubhaft sei er in den Hungerstreik getreten. Insgesamt sei aus seinem Verhalten nicht erkennbar, dass er sich in Zukunft an Gesetze, behördliche Auflagen oder gerichtliche Entscheidungen halten werde und sein Vorhaben nach Frankreich zu gelangen, umsetzen werde. Die Angaben des BF in der Beschwerde, dass hinsichtlich der Ausnahmesituation Covid 19-Pandemie schnelllebige Entwicklungen vorherrschen würden, wurde von der belangten Behörde bestätigt und hinzugefügt, dass Rücküberstellungen genauso schnell wiederaufgenommen werden könnten. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens wurde nach wie vor als erforderlich betrachtet.

In einem ergänzenden Schriftsatz vom 19.03.2020 führte der BF aus, dass Flüge nach Rumänien eingestellt worden seien und eine Beförderung mittels Sammeltransport durch Ungarn nach Rumänien auf Grund der geschlossenen Grenzen zu Ungarn nicht mehr möglich sei. Es sei derzeit nicht absehbar, wann mit einer allfälligen Überstellung nach Rumänien gerechnet werden könne. Eine weitere Anhaltung sei damit jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schreiben vom 18.03.2020, eingelangt am 23.02.2020 stimmte Rumänien zur Übernahme gem. Dublin III VO zu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Ägypten, seine Muttersprache ist demnach arabisch. Die im Spruch genannte Identität des BF ist seine Verfahrensidentität. Er besitzt weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch ist er in Österreich asylberechtigt bzw. subsidiär Schutzberechtigter. Er hat in Rumänien und nunmehr in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten, er wird seit 04.03.2020 zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens in Schubhaft angehalten.

Er hat keine sozialen Bindungen in Österreich und verfügt weder über Unterkunft noch finanzielle Mittel.

Zur Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

Der BF reiste illegal mit einem Pkw und einem Schlepper von Rumänien über Ungarn in das Bundesgebiet ein, sein Zielland war Frankreich. Er wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle fremdenpolizeilich kontrolliert und wies sich mit einer gefälschten französischen ID-Karte aus. Eine EURODAC-Anfrage ergab einen Treffer in Bezug auf Rumänien. Das von der belangten Behörde am 04.03.2020 eingeleitete Konsultationsverfahren mit Rumänien wurde beantwortet und die Zustimmung zur Übernahme gemäß Dublin III-VO erteilt. Ob die Entwicklung der Covid 19-Pandemie eine allfällige Überstellung des BF nach Rumänien beeinflussen wird, ist derzeit nicht zu klären. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung wurde zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nicht erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verfahrensakt, das Einvernahmeprotokoll, den Ausführungen im Bescheid und der Beschwerde, die teilweise unbestritten geblieben sind.

Unklar ist, ob und inwiefern die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Covid 19-Pandemie eine künftige Überstellung verzögern.

Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF legte kein geeignetes, überprüfbares Identitätsdokument vor. Eine Überprüfung ergab die im Verfahren namentlich bezeichnete Individualisierung als Verfahrenspartei.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Strafregisterauskunft.

Zur Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

Dass sich der BF mit einem Pkw auf der Durchreise von Rumänien über Österreich nach Frankreich befand, ergibt sich aus den Ausführungen des BF im Zuge der Ersteinvernahme und wurde nicht bestritten. Die Festnahme erfolgte aufgrund des Festnahmeauftrages der belangten Behörde. Die Angaben über die Asylantragstellungen des BF in Rumänien ergibt sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere aus einer EURODAC Anfrage. Eine Zustimmungserklärung seitens Rumänien zur Übernahme liegt vor.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zuständig.

Zu Spruchpunkt A) I

Gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG darf eine Schubhaft ua. angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Artikel 28 Dublin III-Verordnung "Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung" lautet:

"Haft

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle, dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

[...]"

Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedsstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme (vgl. Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-VO).

Insoweit enthält die Dublin III-VO zeitliche Grenzen für die Schubhaft. Eine weitere Grenze ergibt sich - unabhängig von der Einhaltung der in Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO festgelegten Fristen - aber aus Art. 28 Abs. 4 der Verordnung iVm Art. 9 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie. Demnach rechtfertigen Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht dem Antragsteller zuzurechnen sind, keine Fortdauer von Schubhaft, sodass also dem Dublin-Regime unterliegende Personen im Fall derartiger, die Unverhältnismäßigkeit der Anhaltung bewirkender Verzögerungen nicht weiter in Schubhaft belassen werden dürfen (VwGH 29.05.2018, Ro 2018/21/0005).

Eine vom BF befürchtete unverhältnismäßige Verzögerung der Überstellung auf Grund der Entwicklung der Covid 19-Pandemie muss einer Beurteilung dieser nunmehr zu treffenden Maßnahmen vorbehalten werden. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Überstellungen innerhalb der sechswöchigen Frist möglich sind. Maßgeblich für einen Ersatz der Schubhaft durch gelindere Mittel kann nur sein, wenn infolge der Covid 19 Entwicklungen die Überstellung im sonst üblichen Zeitrahmen nicht möglich sein sollte.

Im vorliegenden Fall ist eine Zustimmung zur Übernahme des BF im Sinne Dublin III-VO erfolgt. Es wird sich erst in den folgenden Wochen herausstellen, ob eine Überstellung ohne maßgebliche Verzögerung möglich ist.

Fluchtgefahr im Sinne der Dublin III-VO (Art. 2 lit n) bedeutet das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein zu überstellender Fremder dem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die gesetzlichen Kriterien sind in § 76 Abs. 3 FPG festgelegt.

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere unter anderem zu berücksichtigen,

(Z 6) ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

(Z 9) der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Es muss auch der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall:

Erhebliche Fluchtgefahr

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder asylberechtigt noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständliche Schubhaft auf der Überlegung beruhte, der BF könne nach der Dublin III-VO nach Rumänien überstellt werden, zur Sicherstellung dieser Überstellung wurde sie angeordnet. Wie bereits schon die belangte Behörde, geht das erkennende Gericht ebenfalls von erheblicher Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus. Nach § 76 Abs. 3 Z 6 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, auch zu berücksichtigen, ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist. Von dieser Annahme ging die belangte Behörde im gegenständlichen Fall aus, da eine EURODAC-Anfrage in Bezug auf Rumänien einen Treffer ergab und dies vom BF auch nicht bestritten wurde. Er hat den Ausgang des Asylverfahrens nicht abgewartet und eine Weiterreise nach Frankreich angestrebt (§ 76 Abs.3 Z 6 lit a, b, c).

Die erhebliche Fluchtgefahr ist schon durch die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat mit gefälschten Papieren evident.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich (§76 Abs. 3 Z 9 FPG) zu berücksichtigen. Der BF verfügt weder über ein soziales Netzwerk, noch einen Wohnsitz sowie über finanzielle Mittel. Es liegen daher in einer Gesamtbetrachtung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF aufgrund des Grades einer familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat, um sich seinem Überstellungsverfahren nicht zu entziehen.

Dass beim BF - wie in der Beschwerde behauptet - keine Fluchtgefahr vorliegt, kann aufgrund obiger Erwägungen nicht erkannt werden. Der BF hat sein Schutzverfahren nicht abgewartet, gab in der Einvernahme an, dass er nicht nach Rumänien zurückwolle, weil die Lage für Flüchtlinge in Rumänien nicht gut sei. Zielland sei Frankreich, wo ein Cousin des BF aufhältig ist. Zudem hat der BF ein Dokument verwendet, dass auf einen anderen Namen ausgestellt ist. Er hat versucht, seine Identität zu verschleiern und eine Aufenthaltsberechtigung für Frankreich vorgetäuscht. Die belangte Behörde ist daher zu Recht vom Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr ausgegangen.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass das Verhalten des BF nicht vertrauenswürdig ist. Er hat durch Vortäuschen eines Aufenthaltsrechtes und Vorlage eines nicht mit seiner Identität übereinstimmenden Dokumentes versucht, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen und erst auf Grund der zufälligen Kontrolle in Österreich einen weiteren Asylantrag gestellt, der nicht vorgesehen war. Durch die illegale Weiterreise durch Mitgliedsstaaten entzog sich der BF dem Asylverfahren in Rumänien. Seine Absicht war nach Frankreich weiterzureisen. Er erklärte in seiner Einvernahme, nicht nach Rumänien zurückkehren zu wollen ("ich will nicht nach Rumänien zurück, die Lage für Flüchtlinge ist nicht gut"), was eine Abschiebung erschweren könnte. Auf Grund einer vorzunehmenden Verhaltensprognose ergibt sich ein Sicherungsbedarf, da ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF verfügt zudem in Österreich nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung und liegen keine Anhaltspunkte für eine Verankerung des BF im Inland vor. Im Ergebnis kann vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen werden.

Zur Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft:

Bei der Verhältnismäßigkeit ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Wie schon die belangte Behörde ausführte, kommt einem geordneten Fremdenwesen im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seine europäischen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen. Bei der Interessenabwägung wurde das private Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintangestellt. Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung ihrer Aufenthaltsbeendigung. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Im Übrigen kann von einer Unverhältnismäßigkeit auch deshalb keine Rede sei, weil die gesetzliche Frist zur Überstellung noch läuft.

Gelinderes Mittel:

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.

Aufgrund des vom BF gesetzten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er ohne den Ausgang seines Asylverfahrens abzuwarten mit gefälschten Dokumenten in einen dritten Mitgliedsstaat gelangen wollte, kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung des Überstellungsverfahrens führen. Der BF wollte nach seinen Angaben auf Grund der schlechten Lage für Flüchtlinge nicht nach Rumänien zurück, sondern nach Frankreich zu einem Bekannten weitereisen und um bessere Bedingungen vorzufinden. Es ist somit nicht zu erwarten, dass der BF bei Entlassung aus der Schubhaft seinen fremdenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen werde. Er hat auch keine familiären oder sozialen Bindungen an Österreich und verfügt hier über keinen eigenen Wohnsitz. Es ist daher nicht zu erwarten, dass der BF in Freiheit belassen seine Überstellung nach Rumänien abwarten werde, sondern Handlungen setzen wird, um nach Frankreich zu gelangen.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, ein gesichertes berstellungsverfahren zu gewährleisten.

Zu Spruchpunkt A) II

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das BVwG, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das BVwG nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und "ermächtigt" das BVwG, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage "in der Sache" zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Schubhaft besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 6 und 9 FPG eine erhebliche Fluchtgefahr des BF sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung seiner Abschiebung - somit ein erheblicher Sicherungsbedarf - zu bejahen ist. Es besteht damit ein öffentliches Interesse, Personen wie den BF in jenen Staat zu überstellen, der für die Führung des Asylverfahrens - und gegebenenfalls in weiterer Folge für eine Abschiebung in den Herkunftsstaat - zuständig ist.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Dies insbesondere auch deshalb, weil der BF nicht in das für das Asylverfahren zuständige Land zurückkehren will. Es ist daher umso mehr davon auszugehen, dass der BF bei Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich dem Verfahren entziehen werde. Damit liegt die geforderte "Ultima-ratio-Situation" für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft auch weiterhin vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt A) III. und IV

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG siehe VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid und gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch die belangte Behörde haben einen Antrag auf Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen gestellt. Die belangte Behörde ist aufgrund der Abweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Dem BF gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

Der belangten Behörde gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 4 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 368,80 für den Schriftsatzaufwand und gemäß § 1 Z 3 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 57,40 für den Vorlageaufwand, sohin insgesamt EUR 426,20.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu Spruchpunkt B) Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme der belangten Behörde findet sich ein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Dublin III-VO Fluchtgefahr Pandemie Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W155.2229635.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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