TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/25 W277 2148120-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2020
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Entscheidungsdatum

25.03.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W277 2148120-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der zum Zeitpunkt seiner Antragsstellung minderjährige Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Somalias, reiste illegal in das Bundesgebiet ein, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde am selben Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab zu seinen Fluchtgründen an, dass er seine Heimat wegen des Bürgerkrieges, seiner Stammeszugehörigkeit zu den XXXX , die von größeren Stämmen verfolgt worden wären, und eines Anschlags in seiner Schule verlassen hätte.

2. Der BF wurde am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter dem Spruchpunkt II. wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt. Weiters wurde ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß bis zum XXXX erteilt. Diese wurde mit Bescheid vom XXXX bis zum XXXX und mit Bescheid vom XXXX bis zum XXXX verlängert.

4. Das BFA stellte dem BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

5. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob der BF vertreten durch das XXXX und XXXX binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen die Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unvollständiger Sachverhaltserhebung sowie unterlassener Erhebung von Beweismitteln vor.

6. Mit XXXX wurde der BF aus der Grundversorgung des XXXX entlassen.

7. Mit XXXX informierte das BFA das BVwG, dass sich der BF seit XXXX in Äthiopien auf Urlaub befinde.

8. Am XXXX wurde der BF von seiner im ZMR gespeicherten Meldeadresse abgemeldet. Die XXXX erhob weiters, dass der BF nicht an der gespeicherten Wohnadresse aufhältig gewesen ist und die Bewohner des Wohnhauses angaben, ihn nicht zu kennen.

9. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX , wurde das Asylverfahren des BF aufgrund Verletzung seiner Mitwirkungspflichten eingestellt.

10. Seit XXXX ist der BF wieder mit einem aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

11. Mit Verfahrensanordnung des BVwG wurde das mit Beschluss vom XXXX eingestellte Beschwerdeverfahren wegen nunmehr wiederum aufrechter Meldung des BF fortgesetzt.

12. Mit XXXX erging die Mitteilung an das BVwG, dass der BF den XXXX zu seiner Vertretung bevollmächtigt hat.

13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somali durch, an welcher der BF sowie seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das BFA verzichtete vorab mit Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und ist folglich nicht erschienen. Der BF wurde ausdrücklich zu seiner Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführervertreter legte in der mündlichen Verhandlung die Seiten 1-6 des Human Rights Watch Berichtes mit dem Titel " XXXX " vom XXXX vor.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des BF

1.1.1. Der BF ist ein volljähriger, somalischer Staatsbürger muslimischen Glaubens und ist dem Clan der XXXX zugehörig. Er hat im Herkunftsstaat eine Schulbildung genossen.

1.1.2. Die Mutter, der Vater, die XXXX Geschwister und der Onkel vs. sowie XXXX Tanten XXXX . leben in der Stadt XXXX . Der BF steht in Kontakt zu seiner Familie im Herkunftsstaat und zu seinen Freunden in XXXX .

1.1.3. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

1.1.4. Der BF ist gesund und im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF

Der BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen, entscheidungsrelevanten Situation in Somalia

1.3.1. XXXX

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN - Political Geography Now (8.2019): Somalia Control Map & Timeline - August 2019; vgl. BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation).

Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia, Abs.11) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).

Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, S.42).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt (BMLV 3.9.2019).

In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab's Insurgency, S.5).

Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).

Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, S.35).

Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24). Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).

1.3.2. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind in den meisten Landesteilen hart, da es an sanitären Einrichtungen, an Hygiene, an adäquater Ernährung und an Wasser sowie an medizinischer Versorgung mangelt (USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, S.4; 4.3.2019, S.19). Zum Teil sind die Haftbedingungen lebensbedrohlich (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, S.18). Besser waren die Bedingungen im Central Mogadishu Prison, auch wenn dort, wie in anderen städtischen Haftanstalten, Überbelegung ein Problem darstellt. Zwei Gefängnisse - namentlich jene in Garoowe und Hargeysa - erfüllen internationale Standards (USDOS 13.3.2019, S.4f; vgl. AA 4.3.2019, S.18f) und werden ordentlich geführt. Viele andere Haftanstalten sind baufällig, und die ungeschulten Justizbeamten sind nicht in der Lage, die Sicherheit der Insassen zu gewährleisten (USDOS 13.3.2019, S.4f). Unterstützung von UNDP, UNODC und IKRK beim Gefängnisaufbau und der Schulung von Gefängnispersonal in allen Regionen schafft langsam Abhilfe (AA 4.3.2019, S.18). In Mogadischu wurde im Feber 2019 der erste Bauteil des Mogadishu Prison and Court Complex an die Bundesregierung übergeben (UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, Abs.48).

Al Shabaab hält Personen in den Gebieten unter ihrer Kontrolle in Haft, teils für verhältnismäßig geringfügige Vergehen und unter inhumanen Bedingungen. Haftanstalten der al Shabaab und in entlegenen, von traditionellen Autoritäten geführten Gebieten sind nicht zugänglich; es kann angenommen werden, dass die Haftbedingungen dort hart und manchmal lebensbedrohlich sind (USDOS 13.3.2019, S.4f).

1.3.3. Bevölkerungsstruktur

In weiten Teilen ist die Bevölkerung Somalias religiös, sprachlich und ethnisch weitgehend homogen (AA 4.3.2019, S.12). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85% der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 13.3.2019, S.33). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A).

Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6% bis hin zu 33%. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 3.2019, S.42; vgl. SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, S.12).

Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 4.3.2019, S.12; vgl. SEM 31.5.2017, S.5). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S.5).

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 5.3.2019b). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8). Es gibt keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI - Landinfo (Norwegen) (4.4.2016): Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia, S.9).

1.3.4. Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung. Im Gegensatz zu den "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v.a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017, S.14ff).

Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe auf oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017, S.43f).

In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potentiell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI - Landinfo (Norwegen) (21.5.2019b): Somalia: Rer Hamar-befolkningen i Mogadishu, S.3).

Zur Diskriminierung berufsständischer Kasten trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017, S.44ff). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017, S.44ff).

Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017, S.49).

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des BF

2.1.1. Die Identität des BF ist mangels Vorlage von Dokumenten nicht erwiesen, weshalb hinsichtlich Namen und Geburtsdatum des BF Verfahrensidentität vorliegt.

Die Feststellungen bezüglich seiner Staats- und Religionszugehörigkeit sowie seiner somalischen Herkunft ergeben sich aus seinen insoweit glaubhaften und unbestrittenen Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bzw. seinen Kenntnissen der somalischen Sprache.

Die Zugehörigkeit zum Clan der XXXX wurde mit Bescheid des BFA festgestellt (AS 128) und es ergaben sich aus seinen insoweit konstant gleichbleibenden Angaben keine Gründe daran zu zweifeln (AS 9 sowie 113).

Die Feststellung, dass der BF eine Schulbildung genossen hat, ergibt sich aus seinen Angaben im behördlichen Verfahren.

2.1.2. Die Feststellungen zur Familie des BF sowie dem Kontakt zu dieser und seinen Freunden ergeben sich aus den insoweit konstanten Angaben des BF im Verfahren.

Der BF gab im Verfahren stringent an, dass der Vater, die Mutter und die Geschwister im Herkunftsstaat leben (AS 5, AS 113 sowie Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge; NSV) S. 8).

Die Angaben zur Anzahl seiner Geschwister in der mündlichen Verhandlung ist nicht konstant zu den Angaben im behördlichen Verfahren. In der Erstbefragung gab er an, XXXX zu haben (AS 5), in seiner niederschriftlichen Einvernahme beim BFA gab er hingegen an, XXXX Geschwister zu haben (AS 113). In der mündlichen Verhandlung gab er an, XXXX Geschwister zu haben. Der ältere Bruders XXXX sei XXXX und wohne nicht bei seinen Eltern und studiere (NSV, S. 8).

Er hätte dies in seiner Befragung angeführt, dies wäre jedoch nicht protokolliert worden (NSV S. 8). Der BF erschien diesbezüglich aufgrund seiner detaillierten Angaben ("Anfangs hat er in XXXX studiert. (...). Er studiert noch." (NSV, S. 8)) glaubhaft und es ist auch kein Hinweis hervorgekommen, aus welchem Grund er diesen Bruder im behördlichen Verfahren verschwiegen haben könnte. Es ist daher davon auszugehen, dass er XXXX Geschwister hat.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab er an, dass seine Mutter mit seinen Geschwistern in XXXX wohne und sein Vater verhaftet worden sei (AS 113). In der mündlichen Verhandlung führte er an, dass seine Mutter, sein Vater und seine XXXX Geschwister an einem XXXX km von XXXX entfernten Ort leben. Seine XXXX Tanten XXXX , seine Eltern und Geschwister seien einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG von XXXX an diesen Ort gezogen. Sein Onkel XXXX wohne in XXXX (NSV S. 8). Die diesbezüglich detaillierten Angaben, weshalb die Kernfamilie in die Nähe des Onkels gezogen ist, sind glaubhaft ((...) mein Onkel wollte, dass er meine Familie unterstützt. Er wohnte neben XXXX , deswegen sind sie nach XXXX gezogen. Mein Onkel ist Unternehmer." (NSV, S. 8)). Es konnte somit festgestellt werden, dass die Familie des BF in der Stadt XXXX in XXXX lebt.

Der BF gab beim BFA (AS 113) sowie auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft an, fernmündlichen Kontakt zu seiner Familie (NSV S. 8, NSV S. 9) und auch zu seinen Freunden in XXXX zu haben (NSV S.9).

2.1.3. Dass der BF ledig ist und keine Kinder hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich konstanten Angaben (AS 1, AS 113).

2.1.4. Die Feststellung, dass der BF gesund ist und an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben (AS 112, NSV S. 7). Es ergab sich in der mündlichen Verhandlung auch kein Hinweis daran zu zweifeln.

2.1.5. Die Feststellung, dass der BF unbescholten ist, ergibt sich aus dem vom Gericht eingeholten, aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

2.2. Zum Fluchtvorbringen

2.2.1. Der BF gab in seiner Erstbefragung an, aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der XXXX von größeren Clans verfolgt zu werden (AS 9).

Den unter II.1.3.4. zitierten Länderberichten ist zu entnehmen, dass sich die Situation der XXXX , zu denen auch die XXXX gehören, gebessert hat. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten Es gibt keine gezielten Angriffe auf oder Misshandlungen von XXXX . Auch wenn sie weiterhin die XXXX Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. Es sind auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich

(LIB S. 86). Im Herkunftsort des BF sind Angehörige von XXXX keiner systematischen Gewalt ausgesetzt.

Der BF gab bei der Befragung beim BFA an, persönlich keine Verfolgung bzw. Diskriminierung im Herkunftsstaat erlebt zu haben. Er habe jedoch von anderen gehört, die diskriminiert worden wären, da die XXXX wären und immer Unterstützung von anderen brauchen würden (AS 113). Auch in der mündlichen Verhandlung gab er an, dass es Personen gäbe, die eine Diskriminierung in Somalia erlebt hätten. Dass er selbst aufgrund seiner Clanzugehörigkeit aktuell im Herkunftstaat verfolgt werden würde, könne er nicht angeben (NSV, S.19).

In der mündlichen Verhandlung gab der BF an, dass die "Leute" im Herkunftstaat auch neidisch seien, weil die XXXX Erfolgsmenschen wären. Daher würden sie die von anderen Clans nicht willkommen geheißen werden (NSV, S. 19). Hieraus ist jedoch nicht auf eine asylrelevante Verfolgung zu schließen.

Da der BF somit selbst angibt, nicht persönlich wegen seiner Clanzugehörigkeit verfolgt zu werden, stellt sein diesbezügliches Vorbringen keine asylrelevante Verfolgung dar.

2.2.2. In seiner Erstbefragung führte er den Bürgerkrieg in Somalia als Fluchtgrund an (AS 9). Vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gab er jedoch an, "nie etwas vom Bürgerkrieg erzählt" und nur seine Clanzugehörigkeit als Fluchtgrund genannt zu haben (AS 115, NSV S. 9 und 10). Auch in seiner Beschwerde hat er den Bürgerkrieg nicht als Fluchtgrund angegeben. Zudem ist den unter II.1.3.1 zitierten Länderberichten zu entnehmen, dass XXXX herrscht und die Stadt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM bleibt.

2.2.3. Den in seiner Erstbefragung als Fluchtgrund angeführten Anschlag in seiner Schule (AS 9) erklärte der BF vor dem BFA als einen Übersetzungsfehler und schilderte, dass er statt dem Wort "Anschlag" einen Schlag auf seinen Kopf durch die Polizei, der ihn bewusstlos machte (AS 115), gemeint hätte. Auch in der mündlichen Verhandlung gab der BF an, dass es keinen Anschlag auf seine Schule gegeben und er das nicht gesagt hätte (NSV, S. 10). Dass hierbei -wie vom BF behauptet- ein Übersetzungsfehler vorläge, konnte er nicht glaubhaft darlegen (NSV, S. 9 f.)

2.2.4. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA schilderte er erstmalig als gänzlich neues Fluchtvorbringen einen Vorfall betreffend die XXXX (AS 114). Seine Angaben, dass er aus Angst seinen Fluchtgrund bei der Erstbefragung nicht umfangreich schildern habe können, erscheinen nicht glaubhaft (AS 113 sowie NSV, S. 9f.)

2.2.4.1. Auch seine Angaben zur geschäftlichen Tätigkeit seiner Mutter waren nicht glaubhaft. Zwar gab er konstant an, dass seine Mutter mit drei Männern zusammengearbeitet (AS 114) und für diese Waren verkauft habe (AS 114, NSV S. 11). Detaillierte Angaben konnte er jedoch nicht machen und es war erkennbar, dass er nicht von selbst wahrgenommenen Eindrücken erzählte. So konnte er weder angeben, an welchem Ort genau das Geschäft sich befunden hätte noch wie lange die Mutter schon mit den Männern zusammengearbeitet habe. Seine Angaben vor dem BFA lassen schließen, dass er den "Chef" des Geschäfts (AS 114) kenne. In der mündlichen Verhandlung führte er jedoch an, den Chef noch nie gesehen zu haben und auch nicht zu wissen, wo seine Mutter das Geld abgeliefert und die Ware geholt habe (NSV S. 12).

2.2.4.2. Beim BFA gab er weiters an, nach der XXXX seinem Koranlehrer von dem Vorfall erzählt zu haben, der jedoch ein geheimer Spion der al Shabaab gewesen sei. Mit ihm sei er befreundet gewesen (AS 114). Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnte er sich jedoch nicht an seinen Namen erinnern und auch keine Angaben zu seiner Familie machen (NSV S. 10f.).

Der BF gab an, dass die Familie seines Koranlehrers ihn verfolgen und töten würde. Er konnte jedoch weder nähere Angaben zu dessen Familienmitgliedern, noch konkrete Verfolger namhaft machen (NSV, S.10). Er gab auch an keinen Kontakt zu der Familie des Koranlehrers zu haben und nicht zu wissen, wo diese aktuell lebt (NSV, S.11). Er konnte nicht angeben, von welchen Personen konkret eine aktuelle Verfolgung im Herkunftsstaat ausgehen würde und woher er das wissen kann.

In einer Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass es sich es sich hierbei um Schutzbehauptungen handelt und keine asylrelevante Verfolgung durch die Familie eines Koranlehrers im Herkunftsstaat vorliegt.

2.2.4.3. Ebenso unglaubwürdig war der BF in Bezug auf sein Vorbringen von den Familien der vermeintlich getöteten Arbeitskollegen der Mutter verfolgt zu werden (AS 115). Auch diesbezüglich befragt, konnte er keine detaillierten Angaben machen (NSV S. 11 sowie S 19), er wusste auch nicht an welchem Ort sich die Familien der zwei getöteten Männer aktuell befinden (NSV S. 16). Selbst bei Wahrunterstellung eines Vorfalles, bei welchem zwei Männer von der al Shabaab getötet worden wären, ist es nicht nachvollziehbar, warum deren Familien den BF verfolgen würden, obwohl, nach seinen eigenen Angaben, der Koranlehrer für die Morde zum Tode verurteilt worden sei (AS 115).

2.2.4.5. Die weiteren Angaben, dass er im Gefängnis gewesen wäre, seine Mutter einen Wachmann bestochen hätte und er deswegen freigekommen wäre (NSV S. 10 und 15) sind nicht glaubhaft und zudem widersprüchlich zu seinen Angaben beim BFA, dass er deswegen freigelassen worden wäre, weil der Koranlehrer vor Gericht ausgesagt hätte, dass der BF unschuldig sei (AS 114). Von einer Verfolgung des BF durch die Familien der vermeintlich getöteten Männer ist somit nicht auszugehen.

2.2.4.6. Die Angaben des BF, von Polizisten in seiner Schule auf den Kopf geschlagen und bewusstlos in ein Gefängnis gebracht worden zu sein (AS 114) sind nicht glaubhaft. Konstant blieb der BF zwar in seinen Angaben dahingehend, dass er sechs Monate inhaftiert gewesen sei (AS 114, NSV S. 13). Er konnte jedoch keine Angaben dazu machen, in welchem Gefängnis er sechs Monate inhaftiert gewesen wäre. Seine Angaben, dass er sich in einem kleinen dunklen Zimmer in Einzelhaft befunden habe (NSV S. 13), sind vor dem Hintergrund der Länderberichte, dass in städtischen Gefängnissen Überbelegung ein großes Problem darstellt (siehe Punkt 1.3.2.), nicht nachvollziehbar. Er konnte auf Nachfrage auch nicht schlüssig begründen, weshalb er sich in Einzelhaft befunden haben soll.

2.2.4.7. Zudem gab er in der mündlichen Verhandlung erstmals an, dass er im Herkunftsstaat zu einer Haftstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt worden wäre und dies einen Fluchtgrund darstelle (NSV S. 10). Die Angaben, dass er verurteilt worden sei, weil die Polizei dachte, dass er al Shabaab Mitglied wäre (NSV S. 19), sind weder glaubhaft und stehen vor dem Hintergrund seiner vermeintlichen Fluchtgeschichte im Widerspruch. Die weiterführenden Angaben, dass ihm das Gericht im Herkunftstaat eine Nummer genannt hätte, er diese seiner Mutter mitgeteilt habe, diese die Nummer wiederum im Radio gehört und daraufhin mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufgenommen hätte und er deshalb wisse, dass er zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt worden wäre (NSV S. 16) entbehren auch vor dem Hintergrund der Angaben, dass die Mutter ihn mittels Bestechung aus dem Gefängnis geholt habe, jeglicher Logik. Es handelt sich hierbei unzweifelhaft um ein gesteigertes Fluchtvorbringen.

Erstmalig gab der BF in der mündlichen Verhandlung auch an, bei seiner Inhaftierung erst dreizehn Jahre und zwei Monate oder 13 Jahre und vier Monate alt gewesen zu sein (NSV S. 14). Der Beschwerdeführervertreter legte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung einen Bericht der Human Rights Watch betreffend die Inhaftierung von Kindern in Somalia vor. Da die Schilderungen des BF zum Gefängnisaufenthalt jedoch nicht glaubhaft sind, vermochte auch dieser Bericht dies nicht zu entkräften.

Widersprüchlich ist auch die zeitliche Einordnung dieser Ereignisse durch den BF. So führte der BF an, XXXX für XXXX inhaftiert gewesen und nach seiner anschließenden Gerichtsverhandlung ausgereist zu sein (NSV S. 20). Jedoch hat er im Verfahren konstant angegeben, am XXXX aus Somalia ausgereist zu sein (AS 5, AS 113). Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, dass der BF nach seiner Angabe noch ca. ein weiteres Jahr in Somalia verblieben sein müsste, gab er an, im Flüchtlingslager in Somalia gewesen zu sein (NSV S. 20). Vor dem BFA gab er jedoch an, nur XXXX im Flüchtlingslager im Herkunftsstaat gelebt zu haben (AS 113). Die Angaben des BF ergeben somit keine nachvollziehbare zeitliche Abfolge. Dies konnte auch sein Vorbringen, dass er im Gefängnis "die Zeit nicht gekannt" und nur geschätzt hätte nicht entkräften, da auch bei Schätzung einer Zeitspanne ein großer Unterschied zwischen drei Monaten und einem Jahr liegt.

2.2.4.8. Die Angaben des BF von der al Shabaab verfolgt worden zu sein, da sie gedacht hätten, dass er ein Spion der Regierung sei und die Schuld an der Verurteilung des Koranlehrers trage (AS 115) sind nicht glaubhaft und zudem widersprüchlich zu dem vom BF geschilderten Ausgangssachverhalt.

2.3.5. In einer Gesamtbetrachtung sind die Angaben des BF in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht konsistent und teilweise sogar widersprüchlich zu jenen in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt hierbei nicht, dass die Erstbefragung sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Nach ständiger Judikatur sind jedoch die Angaben in der Erstbefragung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit im Asylverfahren nicht gänzlich unbeachtlich (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189). Selbst wenn die näheren Fluchtgründe nicht zu erfragen sind, so ist doch zu berücksichtigen, dass Änderungen im Vorbringen die Glaubwürdigkeit des BF massiv erschüttern.

Die Feststellung, dass der BF keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt ist, ergibt sich somit in einer Gesamtbetrachtung daraus, dass das Fluchtvorbringen des BF in keiner Variante glaubhaft ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchteil A)

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

3.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

3.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.5. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt daraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, der BF in Bezug auf seinen vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig war.

Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, ist es dem BF nicht gelungen, einen aus dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund einer aktuell drohenden Verfolgung maßgeblicher Intensität schlüssig darzulegen. Die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens sind nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr überwiegend widersprüchlich. Es ist nicht nachvollziehbar, warum er einer ernstlichen Bedrohung ausgesetzt sei bzw. Gefahr liefe, Übergriffe zu erleiden. Auch ist nicht erkennbar von wem konkret aktuell eine Verfolgungshandlung gegen ihn ausgehen könnte.

Der BF konnte weiters auch nicht substantiiert angeben, dass aktuell eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gegeben ist. Die durch den BF konkret ins Treffen geführten Gründe zentrieren sich im Wesentlichen auf die XXXX durch zwei Männer und die Ermordung der beiden Männer durch seinen Koranlehrer, die zur Verhaftung des BF und des Koranlehrers geführt hätte. Der BF würde somit von den Familien der beiden Männer, der Familie des Koranlehrers und der al Shabaab verfolgt werden. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist dieses Fluchtvorbringen zur Gänze nicht glaubhaft und teilweise in sich widersprüchlich. Der BF konnte durch seine Angaben nicht glaubhaft machen, dass dieser Vorfall tatsächlich passiert ist und er in Somalia aktuell verfolgt wird.

Es sind auch keine Hinweise vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen hervorgekommen, dass konkret der BF in Somalia nach objektiver Wahrscheinlichkeit ernstlichen Bedrohungen ausgesetzt wäre, die als asylrelevant zu qualifizieren sind.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.2. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter II.3.1. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es ist somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Glaubwürdigkeit individuelle Verhältnisse mangelnde Asylrelevanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W277.2148120.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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