Entscheidungsdatum
25.03.2020Norm
ASVG §18bSpruch
W178 2210229-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Landesstelle Salzburg vom 15.11.2018, Zl. VR/SPLR-5/18, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (Bf) hat mit Antrag vom 27.03.2018 die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres Vaters XXXX nach § 18b ASVG ab 01.03.2018 begehrt.
2. Mit Bescheid vom 15.11.2018 wurde der Antrag von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Landesstelle Salzburg bescheidmäßig mit der Begründung abgelehnt, dass ihre Arbeitskraft von der Pflege des nahen Angehörigen nicht erheblich beansprucht werde; ein Sachverhalt wurde nicht festgestellt.
3. Frau XXXX hat dagegen Beschwerde erhoben und darin vorgebracht, dass der Verbleib ihres Vaters in seiner gewohnten Umgebung, wo er von 2 sich abwechselnden 24-Stunden-Kräften gepflegt werde, nur möglich sei, weil sie die notwendige Unterstützung leiste. Sie besorge die Rezepte und Medikamente, tätige die Einkäufe und erledige Behörden- und Bankgänge. Die Fahrzeiten habe sie bei der Erhebung des zeitlichen Aufwandes nicht eingerechnet. Außerdem unterstütze sie die Pflegerinnen und ihren Vater psychisch. Sie leiste mehr als 14 Stunden pro Woche für ihren Vater weshalb ihr unter Hinweis auf das Erk des VwGH Ro 2014/08/0845 die Selbstversicherung zustehe.
4. Die PVA hat die Beschwerde mit Stellungnahme vom 17.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht und bei diesem Anlass die Begründung des Bescheides nachgeholt.
5. Diese Stellungnahme wurde mit Schreiben vom 29.01.2019 der Bf zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt, sie hat davon nicht Gebrauch gemacht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Vater der Beschwerdeführerin, Herr XXXX , geboren am XXXX , bezieht ab 01.02.2018 Pflegegeld der Stufe 3. Es wurde durch einen von der PVA beauftragten Gutachter ein Pflegebedarf in der Höhe von 133 Stunden monatlich festgestellt. Dabei wurde u.a. angenommen, dass für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten 10 Stunden im Monat durch eine Pflegekraft notwendig seien. Für Motivationsgespräche wurde kein zeitlicher Aufwand angenommen.
Weiters wurden für die tägliche Körperpflege 25 Stunden, für die Zubereitung von Mahlzeiten 30 Stunden, für das An- und Auskleiden 20 Stunden, für die Einnahme von Medikamenten 3 Stunden, für die Mobilitätshilfe im engeren Sinn 15 Stunden, für die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gegenstände 10 Stunden, für die Pflege der Leib- und Bettwäsche 10 Stunden und für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn 10 Stunden, jeweils monatlich, als Pflegebedarf festgestellt.
Herr XXXX wird durch 24-Stundenkräfte betreut, es besteht ein Vertrag mit dem Pflegewerk Austria vom 22.01.2018 (selbstständige Personenbetreuerinnen). Weiters wurde jeweils ein Vertrag mit Frau XXXX und Frau XXXX (Personenbetreuerinnen) vom 22.01.2018 geschlossen. Der Vertrag enthält unter Punkt VI das Recht der Genannten auf 2 Stunden Pause am Tag.
Die Bf wohnt 3 km vom Wohnort des Vaters entfernt.
Die Bf besucht ihren Vater und unterstützt ihn auch psychisch. Sie organisiert die Betreuung durch die Pflegerinnen. Sie erledigt neben den Pflegerinnen Bank- und Behördenwege und besorgt die Medikamente.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der PVA, insbesondere aus dem Antrag, den Fragebögen, die die Bf ausgefüllt hat, und dem Vorbringen der PVA in der Stellungnahme zur Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Gesetzliche Grundlagen:
(1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.
3.1.2 Die Einstufungsverordnung zum Pflegegeldgesetz, BGBl. II Nr. 37/1999 idF des BGBl. II Nr. 453/2011-EinstV- lautet auszugsweise wie folgt:
§ 1.
(1) Unter Betreuung sind alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre.
(2) Zu den im Abs. 1 genannten Verrichtungen zählen insbesondere solche beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und der Mobilitätshilfe im engeren Sinn.
(3) Bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes ist von folgenden - auf einen Tag bezogenen - Richtwerten auszugehen:
An- und Auskleiden:
2 x 20 Minuten
Reinigung bei inkontinenten Patienten:
4 x 10 Minuten
Entleerung und Reinigung des Leibstuhles:
4 x 5 Minuten
Einnehmen von Medikamenten: (auch bei Sondenverabreichung)
6 Minuten
Anus-praeter-Pflege:
15 Minuten
Kanülen- oder Sondenpflege:
10 Minuten
Katheter-Pflege:
10 Minuten
Einläufe:
30 Minuten
Mobilitätshilfe im engeren Sinn:
30 Minuten
(4) Für die nachstehenden Verrichtungen werden folgende - auf einen Tag bezogene - zeitliche Mindestwerte festgelegt:
Tägliche Körperpflege:
2 x 25 Minuten
Zubereitung von Mahlzeiten: (auch bei Sondennahrung)
1 Stunde
Einnehmen von Mahlzeiten: (auch bei Sondenernährung)
1 Stunde
Verrichtung der Notdurft:
4 x 15 Minuten
Abweichungen von diesen Zeitwerten sind nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Betreuungsaufwand diese Mindestwerte erheblich überschreitet.
§ 2. (1) Unter Hilfe sind aufschiebbare Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die den sachlichen Lebensbereich betreffen und zur Sicherung der Existenz erforderlich sind.
(2) Hilfsverrichtungen sind die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche, die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial und die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn.
(3) Für jede Hilfsverrichtung ist ein - auf einen Monat bezogener - fixer Zeitwert von zehn Stunden anzunehmen.
§ 4. (1) Die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen ist der Betreuung und Hilfe gleichzusetzen.
(2) Sind mit geistig oder psychisch behinderten Menschen zur selbständigen Durchführung von in den §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen Motivationsgespräche zu führen, so ist für diese Betreuungsmaßnahme von einem - auf einen Monat bezogenen - zeitlichen Richtwert von insgesamt zehn Stunden auszugehen.
3.2 Judikatur
Wie die Bf richtig anführt, hat der VwGH im Erkenntnis vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0082 und auch im Erk vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084 die Kriterien für die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffen der "erheblichen" Beanspruchung der Arbeitskraft festgelegt.
Bei der Beurteilung, was unter einer "erheblichen" Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege zu verstehen ist, kommt es auf die Anzahl der von der pflegenden Person für den pflegebedürftigen nahen Angehörigen durchschnittlich zu leistenden Pflegestunden an, wobei eine "erhebliche" Beanspruchung der Arbeitskraft bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw. 60 Stunden monatlich anzunehmen ist.
Was die Ermittlung der Anzahl der Pflegestunden betrifft, so sind - wie im Erkenntnis vom 19. Jänner 2017, Ro 2014/08/0084, ausgeführt wurde - nur jene Zeiten zu berücksichtigen, in denen tatsächlich notwendige Leistungen der Betreuung und Hilfe erbracht werden. Um welche Verrichtungen es sich dabei handelt und welcher zeitliche Aufwand damit jeweils verbunden ist, ist an Hand der Regelungen des Bundespflegegeldgesetzes und der dazu ergangenen Einstufungsverordnung -EinstV, BGBl. II Nr. 37/1999, zu beurteilen. Dies gilt auch für Fälle, in denen im Pflegegeldverfahren keine funktionsbezogene Beurteilung des Pflegebedarfs (Anzahl der Pflegestunden) nach § 4 BPGG, sondern eine - im § 4a BPGG für bestimmte Behindertengruppen vorgesehene - diagnosebezogene Mindesteinstufung erfolgt ist bzw. zu erfolgen hätte. Auch in jenen Fällen bedarf es der Ermittlung des konkreten funktionsbezogenen Pflegebedarfs, um das von § 18b Abs. 1 ASVG vorausgesetzte Vorliegen einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege beurteilen zu können. Dabei kann - wie schon im genannten Erkenntnis - als Grundlage für die Ermittlung der Pflegestunden auch ein im Pflegegeldverfahren eingeholtes - soweit noch aktuelles bzw. sonst entsprechendes - Sachverständigengutachten (§ 8 EinstV) dienen.
Nach der Judikatur des VwGH zu § 18b ASVG ist demnach die Einstufungsverordnung zur Beurteilung des Pflegebedarfes und damit im Wesentlichen nur die dort angeführten Pflegeleistungen heranzuziehen. Wenn durch das Gutachten im Pflegegeldverfahren keine Motivationsgespräche als notwendig erachtet wurden, weil die Voraussetzung dafür (psychische Erkrankung) nicht vorliegt, dann kann auch für die Beurteilung des Pflegeausmaßes eine psychische Betreuung nicht in das Stundenmaß einbezogen werden. Wenn die Besorgung von Medikamenten und Einkäufen durch das Pflegegutachten 10 Stunden veranschlagt werden, ist auch hier von dieser Zahl auszugehen. Für die Mobilität im weiteren Sinn wurden 10 Stunden angenommen.
Selbst wenn - außerhalb der Pflegemaßnahmen, die in der Einstufungsverordnung vorgesehen sind - die Organisation der 24-Stunden-Pflege mit monatlich 10 Stunden angenommen wird, kann die Grenze von 40 Stunden, die notwendig sind, damit die Beanspruchung als erheblich gilt, nicht erreicht werden.
Es wird nicht verkannt, dass die Bf für ihren Vater Zeit aufwendet, um ihn emotional zu unterstützen und sie auch der Pflegekraft zur Seite steht; dieser Zeitaufwand ist aber keiner, der nach dem Pflegegeldgesetz und der Einstufungsverordnung für die Beanspruchung zu zählen ist.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es besteht eine ständige Judikatur zur Auslegung des § 18b Abs 1 ASVG (vgl. Erk Ro 2014/08/0082, Ro 2014/08/0084).
Schlagworte
Arbeitskraft Pensionsversicherung Pflege SelbstversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2210229.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020