TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/25 W137 2226846-4

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Veröffentlicht am 25.03.2020
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Entscheidungsdatum

25.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W137 2226846-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1154116303 / 190829490, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit XXXX - tatsächlich ungeklärt, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte in Österreich unter Behauptung einer algerischen Staatsangehörigkeit erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz. Die diesbezügliche - mit einer Rückkehrentscheidung verbundene Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) erging am 28.08.2019 und wurde vom Beschwerdeführer bekämpft. Das Bundesverwaltungsgericht hat die diesbezügliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen; diese Entscheidung erwuchs im September 2019 in Rechtskraft. Gegen diese Entscheidung wurde kein (außerordentliches) Rechtsmittel an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

2. Der Beschwerdeführer befand sich während des Asylverfahrens fast durchgehend in Justizhaft. In dieser Zeit erfolgte auch eine Einvernahme zur möglichen Anordnung einer Schubhaft und es wurde diese mittels Bescheid vom 29.08.2019 auch angeordnet. Unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft wurde er am 05.09.2019 in die Schubhaft überstellt.

3. Am 20.12.2019 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers sowie das bewusste Verschleiern der Identität. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.12.2019, W137 2226846-1/2E, wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

4. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.01.2020, W112 2226846-2/8E, und vom 27.02.2020, W251 2226846-3/3E, wurden gleichlautende Entscheidungen in Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft getroffen. In der jüngsten Entscheidung wurde insbesondere auf die Suchtmittelkriminalität des Beschwerdeführers und den Versuch, durch Hungerstreik eine Freilassung zu erpressen, hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines mutmaßlichen Herkunftsstaates Algerien vor. Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das im September 2019 eingeleitete HRZ-Verfahren ist aktuell noch im Laufen und bewegt sich im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates. Der Beschwerdeführer konnte am 31.01.2020 - insbesondere auch mangels Kooperationsbereitschaft - nicht als algerischer Staatsangehöriger identifiziert werden. Das HRZ-Verfahren mit Libyen wurde nach Verneinung der Staatsangehörigkeit durch die libysche Botschaft eingestellt.

Aufgrund entsprechender Hinweise seitens der Mitarbeiter der libyschen Botschaft wurde am 18.02.2020 ein HRZ-Verfahren mit Marokko gestartet.

Der Beschwerdeführer war in Österreich ausschließlich in Polizeianhaltezentren und Justizanstalten gemeldet. Seit 16.09.2017 ist er nicht mehr in Freiheit. Der Beschwerdeführer zeigte sich während seines Asylverfahrens nicht kooperativ und machte bewusst tatsachenwidrige Angaben zu seiner Identität (Name, Geburtsdatum) sowie zu seinem Herkunftsstaat. Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Begehung von (qualifizierten) Suchtmitteldelikten 2017 zunächst zu einer teilbedingten und im Dezember zu einer unbedingten (2 Jahre) Freiheitsstrafe verurteilt. Von 13.01.2020 bis 01.02.2020 trat er in Hungerstreik, den er freiwillig beendete.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit einigen Monaten einzustufen. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Das HRZ-Verfahren mit Marokko wurde vor rund einem Monat eingeleitet. Eine Vorführung zur Identifizierung ist aufgrund der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gegenwärtig nicht möglich. Es ist davon auszugehen, dass eine Vorführung im Mai oder Juni 2020 ermöglicht werden kann. Eine Abschiebung im Herbst 2020 ist jedenfalls realistisch.

Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft; sein Barvermögen beträgt gegenwärtig noch 100?. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinem Asylverfahren (BVwG-GZ 2223352-1). Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem rezenten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen sind dem Strafregister entnommen. Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren nachweislich unterschiedliche Angaben zu seiner Identität und seinem Herkunftsstaat gemacht - was aus den Akten, insbesondere der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschwerde im Asylverfahren (I403 2223352-1/5E vom 18.09.2019), ersichtlich ist. Der Hungerstreik ist in der Anhaltedatei vermerkt.

2.2. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden der mutmaßlichen Herkunftsstaaten Algerien und Marokko. Abschiebungen in beide Staaten fanden bis zuletzt regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Angesichts der Einleitung des HRZ-Verfahrens im Februar 2020 mit Marokko ist damit eine HRZ-Ausstellung und eine Abschiebung im Herbst 2020 realistisch.

Die Einleitung dieses weiteren HRZ-Verfahrens und die damit verbundene Verzögerung hinsichtlich einer Abschiebung des Beschwerdeführers beruht auf seiner konsequenten Verweigerung der Kooperation im Zusammenhang mit der Abschiebung. Der realistische Zeithorizont begründet sich auch durch die angeordneten Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Aus diesem Grund ist eine Vorführung vor Ende April nicht möglich. Umgekehrt ist derzeit realistisch, dass eine solche Vorführung im Mai/Juni 2020 erfolgen kann. Bei bestätigter Staatsangehörigkeit sollte ein HRZ dann binnen weniger Monate zu erwirken sein.

2.3. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer im Asylverfahren bewusst getätigten falschen Angaben zu seiner Person und der Begehung qualifizierter Suchtmitteldelikte. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Zudem befand sich der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft nahezu zwei Jahre lang in Strafhaft.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

"§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 05.09.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusst falsche Angaben zu seiner Identität im Rahmen des Asylverfahrens erfüllt. Dazu kommt ein zwischenzeitlicher Hungerstreik, der ebenfalls unter diese Bestimmung zu subsumieren ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu auch die massive Suchtgiftkriminalität - kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise unter Zurücklassung von Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Auch bei den Vorführungen (algerische Botschaft, libysche Botschaft) verweigerte der Beschwerdeführer die Kooperation. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Es wurde auch laufend bei der algerischen Botschaft urgiert beziehungsweise umgehend HRZ-Verfahren gestartet, so sich Hinweise für einen anderen Herkunftsstaat ergeben haben.

Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers die Anhaltung in Schubhaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon vor Wochen hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen ist - hat ebenfalls alleine der Beschwerdeführer zu verantworten. Da die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) aber ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten ist, erweisen sich diese Restriktionen als von nur untergeordneter Relevanz.

Gegenwärtig wird der Beschwerdeführer knapp sieben Monate in Schubhaft angehalten - etwas mehr als ein Drittel der zulässigen Anhaltedauer. Innerhalb dieses Rahmens ist jedenfalls von der realistischen Möglichkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers auszugehen. Die Pandemie-Restriktionen bewirken im gegenständlichen Fall lediglich eine Verzögerung von einigen Wochen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Überprüfung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2226846.4.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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