TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/26 G303 2212514-1

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Veröffentlicht am 26.03.2020
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Entscheidungsdatum

26.03.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G303 2212514-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva Wendler und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX,

geboren am XXXX, gegen den vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, mit Schreiben vom 17.12.2018 ausgestellten Behindertenpass mit Bescheidcharakter, OB: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Behindertenpass dahingehend abgeändert, dass der Grad der Behinderung achtzig von Hundert (80 v.H.) beträgt und die bis zum 30.11.2020 eingetragene Befristung entfällt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit E-Mail vom 17.09.2018 beantragte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) die Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpasses, da sein bisheriger Behindertenpass bis zum 30.11.2018 befristet war.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein fachärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, vom 23.11.2018, welches auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 22.11.2018 basiert, eingeholt. Danach wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 70 von Hundert festgestellt. Des Weiteren wurde ein fachärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie, vom 07.12.2018, welches ebenfalls auf einer persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag basiert, eingeholt. Danach wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 von Hundert festgestellt.

2.1. In der Gesamtbeurteilung der Sachverständigen Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 12.12.2018, wird auf Grundlage der unter Pkt. 2. angeführten Sachverständigengutachten folgender Gesamtgrad der Behinderung eingeschätzt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hüftgelenksarthrose beidseits. Unveränderter Rahmensatzwert zum Vorgutachten. Zwischenzeitlich wurde keine Operation durchgeführt. Eine Nachuntersuchung sollte in 24 Monaten erfolgen, da eine Besserung nach wie vor lediglich durch eine Prothesenimplantation beidseits zu erwarten ist.

02.05.12

60

2

Cervikobrachialgie beidseits und lumbales Schmerzsyndrom. Unveränderter oberer Rahmensatzwert bei unveränderter funktioneller Einschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Sensibilitätsstörung an beiden oberen Extremitäten.

02.01.02

40

3

Affektive Störungen; depressive Störung, Dysthymie Mittlerer Rahmensatzwert, soziale Rückzugstendenz, keine Behandlung, kein stationärer Aufenthalt

03.06.01

30

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

 

 

 

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die Gesundheitsschädigung (GS) 1 führend sei. Die GS 2 steigere aufgrund ungünstiger Wechselwirkung um eine Stufe. Bezüglich der depressiven Störung werde derzeit keine Behandlung durchgeführt und sei bisher kein stationärer Aufenthalt notwendig gewesen, eine weitere Steigerung ergebe sich somit nicht.

Eine Nachuntersuchung wurde für November 2020 vorgemerkt, da in Bezug auf die Gesundheitsschädigung 1 eine Besserung durch eine Hüft-TEP beidseits zu erwarten sei.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.12.2018 wurde dem BF mitgeteilt, dass ein Grad der Behinderung von 70 % festgestellt wurde und die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen: "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" vorliegen würden. Der Behindertenpass wurde mit 30.11.2020 befristet, weil nach diesem Zeitpunkt eine Überprüfung des Gesundheitszustandes des BF erforderlich sei.

3.1. Mit weiterem Schreiben der belangten Behörde vom 17.12.2018 wurde dem BF der beantragte Behindertenpass übermittelt.

4. Gegen den oben genannten Behindertenpass, dem Bescheidcharakter zukommt, richtet sich die bei der belangten Behörde fristgerecht per E-Mail vom 19.12.2018 eingebrachte Beschwerde gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung von 80 % auf 70 %. Begründend führte der BF im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er im Gespräch mit Frau Dr. XXXX angegeben habe, dass er seit zwei Jahren regelmäßig Alkohol konsumiere, er täglich unter sehr heftigen Kopfschmerzen sowie unter massiven Schlafstörungen leide, Medikamente wie Neurapas Filmtabletten, Antidepressiva, Schmerzmittel und Pantoloc einnehme sowie unter massiven Existenzängsten (finanzieller Art) leide, da seine Gattin im Alter von 53 Jahren arbeitslos und der BF Alleinverdiener sei und Alimente für seine Tochter bezahle. Diese Angaben seien unter der laufenden Nr. 3 nicht berücksichtigt worden. Wenn man die beiden psychischen Gutachten vom 13.01.2017 und vom 12.12.2018 vergleiche, so erkenne man ganz eindeutig, dass sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert, sondern verschlechtert habe. Der BF ersuche um eine neuerliche Bewertung seines Grades der Behinderung. Weiters erscheint es für den BF als absurd, dass er trotz seiner Funktionsbeeinträchtigungen (Taubheitsgefühl in beiden Händen, massive Schmerzen in Hüfte, Kreuz, Nacken sowohl beim Gehen als auch beim Sitzen, schwere depressive Störung, Einnahme von Antidepressiva, erhöhter Konsum von Alkohol und massive Schlafstörungen) als arbeitsfähig eingestuft werde.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt, wo sie am 09.01.2019 einlangten.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, mit der Begutachtung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

6.1. Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 21.08.2019 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF 14.08.2019, im zusammengefassten Ergebnis folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Chronische Dysthymie (ICD-10 F34.1) Rahmensatz unter dem oberen Rahmensatz der Einschätzungsverordnung entsprechend der Schwere des psychischen Störbildes. Es liegt eine chronifizierte, leicht- bis mäßiggradige, depressiv-dysthyme Störung vor. Der BF nimmt schon seit Jahren weder eine medikamentöse noch eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch - der BF ist gegen schulmedizinische Medikamente eingestellt, dennoch besteht ein Leidensdruck. Somit keine Kalkülsänderung zum Gutachten Dris. LAUCHARDXXXX vom 07.12.2018.

03.06.01

30

2

Cervikales und lumbales Wirbelsäulensyndrom oberer Rahmensatz der Einschätzungsverordnung entsprechend des Schweregrades der Wirbelsäulenbeschwerden, vornehmlich im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich. Es liegt ein chronisches Schmerzbild vor. Es treten pseudoradikuläre Schmerzausstrahlungen auf, sowie intermittierende sensible Reizsymptome. Der BF nimmt immer wieder entsprechende physiotherapeutische Maßnahmen in Anspruch bzw. bei Bedarf auch Schmerzmedikamente. Somit keine Kalkülsänderung zum orthopädischen Gutachten Dr. KRUSCHITZXXXX vom 22.11.2018.

02.01.02

40

3

Hüftgelenksarthrose bds. siehe orthopädisches Gutachten Dr. Hubert KRUSCHITZXXXX vom 22.11.2018

02.05.12

60

Gesamtgrad der Behinderung 80 v. H.

 

 

 

Zum Gesamtgrad der Behinderung führte die Sachverständige aus, dass orthopädischerseits ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. eingeschätzt werde. Neuropsychiatrisch erhöhe sich der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe, da das neuropsychiatrische Beschwerdebild, trotz fehlender entsprechender therapeutischer Maßnahmen, chronifiziert und ausreichend schwer sei, um den Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe zu steigern bzw. auch eine negative Wechselwirkung mit den körperlichen Beschwerden nach sich ziehe. Es sei zu keiner Besserung des psychischen Störbildes seit der Einschätzung von 2017 gekommen.

Als Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung wurde angegeben, dass diese aus einer Berücksichtigung des psychiatrischen Störbildes bei der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung, trotz fehlender Änderung der Einzeleinschätzungen resultiere.

Es liege ein Dauerzustand vor.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien vom erkennenden Gericht mit Schreiben vom 29.08.2019 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

7.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung wurde dazu seitens der Verfahrensparteien nicht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF hat einen Wohnsitz im Inland. Er ist derzeit im Besitz eines befristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 70 von Hundert.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

- Chronische Dysthymie (Grad der Behinderung: 30%)

- Cervikales und lumbales Wirbelsäulensyndrom (Grad der Behinderung: 40%)

- Hüftgelenksarthrose bds. (Grad der Behinderung: 60%)

Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes des BF stehen die orthopädischen Leiden, die aufgrund gegenseitiger negativer Wechselwirkung zusammen einen Gesamtgrad der Behinderung von 70 % bilden. Dieser Grad der Behinderung wird durch die psychische Erkrankung um eine Stufe angehoben.

Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt somit 80 von Hundert.

Der Gesundheitszustand des BF wird als dauerhaft eingestuft.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der Beschwerde sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Ebenso ergibt sich daraus, dass der BF im Besitz eines befristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 70 von Hundert ist.

Die Feststellung zum Wohnsitz ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegisters.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 21.08.2019, ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellte psychische Erkrankung ergibt sich daraus. Die Sachverständige berücksichtigte in ihrem Gutachten auch die vorliegenden orthopädischen Leiden, die anhand des Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, vom 23.11.2018 festgestellt und in das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX übernommen wurden. Es wurde auf die Leiden des BF, deren Ausmaß und deren Wechselwirkungen zueinander ausführlich eingegangen.

Die Einschätzungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen bezüglich der Höhe des Grades der Behinderung erfolgten entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt und nachvollziehbar. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen darauf.

Im Vergleich zur medizinischen Gesamtbeurteilung von Dr. XXXX vom 12.12.2018 wurde im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX festgestellt, dass die psychische Erkrankung aufgrund negativer Wechselwirkung mit den orthopädischen Leiden den Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe steigert. Die Sachverständige begründete dies auch damit, dass die psychische Erkrankung trotz fehlender entsprechender therapeutischer Maßnahmen dauerhaft und ausreichend schwer ist und es seit der Einschätzung im Jahr 2017 zu keiner Besserung des psychischen Leidens gekommen ist.

Insgesamt konnte aus dem vorliegenden Sachverständigengutachten ein Gesamtgrad der Behinderung von 80 von Hundert (vH) objektiviert werden.

Aus dem Sachverständigengutachten von Dr. XXXX ergibt sich auch, dass der Gesundheitszustand des BF als dauerhaft einzuschätzen ist.

Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF noch von der belangten Behörde erstattet. Das eingeholte Sachverständigengutachten blieb damit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keinerlei Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX. Dieses Gutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die fachärztliche Begutachtung von Dr. XXXX basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 in der geltenden Fassung, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

In der vorliegenden Rechtssache wurde dem BF ein bis zum 30.11.2020 befristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 % ausgestellt. Mit der gegenständlichen Beschwerde wird insbesondere die eingetragene Höhe des Grades der Behinderung bekämpft.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesverwaltungsgericht unter Mitwirkung der fachärztlichen Sachverständigen Dr. XXXX den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung nochmals eingeschätzt. Danach konnte ein Gesamtgrad der Behinderung von 80 vH festgestellt werden.

Alle in der Beschwerde angeführten Gesundheitsschädigungen des BF, insbesondere die vorgebrachte depressive Störung, wurden in dem vorliegenden Sachverständigengutachten berücksichtigt; für jedes einzelne behinderungsrelevante Leiden wurde ein Grad der Behinderung nach der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt.

Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 19.11.1997, Zl. 95/09/0232; 04.09.2006, Zl. 2003/09/0062).

Der Gesundheitszustand des BF ist als dauerhaft anzusehen, daher ist keine Befristung des Behindertenpasses erforderlich.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Behindertenpass spruchgemäß insofern abzuändern, dass der Grad der Behinderung 80 von Hundert beträgt und die bis zum 30.11.2020 eingetragene Befristung entfällt.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2212514.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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