Entscheidungsdatum
27.03.2020Norm
AuslBG §18 Abs12Spruch
W178 2229612-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Maga Nina KESSELGRUBER und Erika SCHMIDT als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX . gegen den Bescheid des AMS Tulln vom 05.02.2020, GZ. ABB-Nr: 4048534, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 25.02.2020 betreffend EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung nach § 18 Abs 12 AuslBG für Herrn XXXX , StA Bosnien-Herzegowina, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin hat am 28.01.2020 an die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen - Zentrale Koordinationsstelle, kurz ZKO, eine Meldung über die beabsichtigte Entsendung des Dienstnehmers XXXX , StA Bosnien- Herzegowina, zur XXXX GmbH zu einem Bauprojekt nach Tulln erstattet.
2. Nach der Anforderung weiterer Unterlagen und Gewährung von Parteiengehör hat das AMS Tulln die Entsendung mit Bescheid vom 05.02.2020 untersagt, mit der Begründung, dass die notwendigen Dokumente nicht vorgelegt wurden, um die "Vertragskette" im Hinblick auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt zu prüfen. Es könne eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegen.
3. Dagegen hat die XXXX Beschwerde erhoben und darin vorgebracht, dass sämtliche angeforderten Unterlagen vorgelegt worden seien, es würden alle Voraussetzungen für die Entsendebewilligung vorliegen.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.02.2020 wurde die Beschwerde mangels rechtlichen Interesses mit der Begründung zurückgewiesen, dass anhand der ZKO-Meldung vom 28.01.2020 ersichtlich sei, dass die Entsendung nach Österreich für den Zeitraum 29.01.2020 bis 07.02.2020 erfolgen sollte. Angesichts dieser Tatsache könne seitens der Beschwerdeführerin kein rechtliches Interesse an der Beschwerdeerhebung begründet werden, da der Zeitraum dieser Entsendung bereits vergangen sei. Um die betreffende Person an der angeführten Anschrift beschäftigen zu können, hätte eine neue ZKO-Meldung für den zukünftigen Zeitraum zu erfolgen.
5.Die Bf hat einen Vorlageantrag eingebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin (Bf) hat ihren Sitz in Slowenien und betreibt ein Unternehmen für Industriemontage. Die Bf übernahm einen Auftrag der XXXX , Oberwart, für eine Baustelle in Tulln, XXXX .
Herr XXXX , StA Bosnien- Herzegowina, geboren am 01.01.1992, hat seinen Wohnsitz in Slowenien. Die Entsendung war für die Zeit vom 29.01.2020 bis 07.02.2020 vorgesehen.
Herr XXXX ist in Slowenien zur Sozialversicherung gemeldet, vgl. A1 Bescheinigung des slowenischen Sozialversicherungsträgers.
Er hat eine aufrechte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in Slowenien; laut vorgelegtem Scan der auch in Englisch ausgestellten Genehmigung (single residence and work permit) ist diese bis 23.09.2021 gültig.
Die Tätigkeit war die eines Schlosser-Monteur (Stahlschlosser), das Entgelt war mit monatlich ? 2.690, vgl. Entsendevereinbarung vom 27.01.2020 festgelegt. Es war der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe anzuwenden, mit der Einstufung als qualifizierter Arbeiter (Lohnstufe 4).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, einschließlich der von der Bf vorgelegten Unterlagen. Es wurde nicht bestritten, dass die vorgelegten Bestätigungen und sonstigen Urkunden echt und richtig sind.
Das A1 Formular (Bescheinigung über den für die Sozialversicherung zuständigen Mitgliedsstatt nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004) ist insofern auch im slowenischen Original lesbar, als es auch auf Deutsch verfügbar (www.sozialversicherung.at) ist und in jeder Sprachfassung der Mitgliedsstaaten in denselben Zeilen und Spalten dieselbe Kategorie von Angaben einzutragen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Zum Verfahren
Nach dem Erk vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026 hat dann, wenn die Beschwerde zulässig ist, sie aber mit der Beschwerdevorentscheidung zurückgewiesen wurde, das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen (und den Ausgangsbescheid zu bestätigen, zu beheben oder abzuändern), wobei seine Entscheidung an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, ohne dass diese explizit behoben werden muss.
3.2 Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 18. AuslBG bedürfen Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.
Nach Abs. 12 dieser Bestimmung ist für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt oder überlassen werden, keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn
1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung oder Überlassung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind,
2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Abs. 3 bis 6, § 4 Abs. 2 bis 5 und § 5 des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG), BGBl. Nr. 44/2016, im Fall der Überlassung gemäß § 10 AÜG, § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und 5 und § 6 LSD-BG sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden und
3. im Fall der Überlassung kein Untersagungsgrund gemäß § 18 Abs. 1 AÜG vorliegt.
Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen (Zentrale Koordinationsstelle) hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter oder überlassener Ausländer gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber oder Beschäftiger, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung oder Überlassung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG sowie sonstiger Pflichten nach dem AÜG, darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung begonnen werden.
3.3 Zur Zurückweisung der Beschwerde:
Da die Beschäftigung nur bei Vorliegen der im § 18 Abs 12 AuslBG Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung begonnen werden darf, liegt es im rechtlichen Interesse der Bf, dass festgestellt werde, ob die Voraussetzungen für eine EU-Entsendebestätigungen vorlagen.
Es wird dazu auch auf die Wendung im angefochtenen Bescheid verwiesen:
"Die Entsendung trotz Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG ist unabhängig von der Rechtskraft der Untersagung strafbar (§ 28 Abs. 1 Z 5 AuslBG)".
Es besteht ein rechtliches Interesse der Bf an einer Entscheidung.
Die Zurückweisung der Beschwerde erfolgte nicht zu Recht.
3. 4 In der Sache:
3.4.1 Entsendung oder Arbeitskräfteüberlassung
Eine Entsendung liegt vor, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für eine befristete Dauer in einem anderen Staat Arbeitsleistungen für ihren Arbeitgeber erbringen. Nach den vorliegenden Unterlagen handelt es sich um eine Entsendung.
Der Wortlaut des § 18 Abs. 12 AuslBG idgF BGBl I Nr. 78/2007 zeigt, dass mit diesem die Regelungen für die Entsendung ausländischer Arbeitskräfte durch Unternehmen aus EWR-Mitgliedstaaten nunmehr vollständig an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden sollten, vgl. VwGH Ra 2017/09 vom 12.09.2017/0023.
Von der Richtlinie 96/71/EG erfasst ist sowohl (Art. 1 Abs. 3 lit. a) die grenzüberschreitende Entsendung eines Arbeitnehmers durch ein Unternehmen, um einen von diesem Unternehmen eingegangenen Werkvertrag zu erfüllen, als auch (Art. 1 Abs. 3 lit. c) - insoweit im Einklang mit dem AÜG - die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung, nämlich die grenzüberschreitende Entsendung eines Arbeitnehmers durch ein Unternehmen zum Zwecke (lediglich) der Überlassung an ein anderes (den Arbeitnehmer verwendendes) Unternehmen (vgl. auch VwGH-Erk vom 6. November 2012, 2012/09/0130, und vom 19. März 2014, 2013/09/0159).
Beide Unternehmen (das entsendende Unternehmen und die in Österreich angesiedelte Leistungsempfängerin) haben ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU. Der Beschäftigte ist Drittstaatsangehöriger. Die Richtlinie ist auch auf Drittstaatsangehörige anzuwenden.
§ 18 Abs 12 AuslBG ist entsprechend der Entsenderichtlinie sowohl auf Arbeitskräfteüberlassung als auch auf eine Entsendung im engeren Sinn anzuwenden. Es ist in beiden Fällen eine Bestätigung auszustellen, vgl. den Gesetzestext.
Das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung allein schließt die rechtmäßige Beschäftigung ohne Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung - nur mit Meldung an die ZKO - nicht aus.
3.4.2 Prüfung der Voraussetzungen:
Unter Anwendung dieser Kriterien ergibt sich im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des oben festgestellten Sachverhaltes Folgendes:
Eine Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers im Rahmen einer Entsendung zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung in Österreich durch ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums ist gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG nur dann ohne Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung zulässig, wenn die in Z 1 und 2 leg.cit. genannten Kriterien erfüllt sind, und zwar:
3.4.2.1 Es ist die ordnungsgemäße Zulassung zur Beschäftigung im Entsendestaat und rechtmäßige Beschäftigung im Unternehmen über die Entsendung oder Überlassung nach Österreich hinaus zu prüfen. Diese Voraussetzungen sind nach den oben angeführten Feststellungen erfüllt.
3.4.2.2 Weiters ist die Einhaltung der österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen und der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen zu prüfen.
Die vereinbarte Entlohnung entspricht dem kollektivvertraglichen Mindestlohn, das wurde auch seitens des AMS nicht in Frage gestellt.
Das vereinbarte Monatsentgelt von 2.690,- übersteigt den Mindestlohn (2020) für qualifizierte Tätigkeit laut Kollektivertrag für qualifizierte Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe, da die LG 4 "Besonders qualifizierter Arbeitnehmer" einen Mindestlohn ? 2.115,09,- (2020) vorsieht und der AN überkollektivvertraglich eingestuft worden wäre.
3.4.2.3 Auch liegt kein Hinweis auf das Bestehen eines Unterlassungsgrunds nach § 18 AÜG vor.
3.5 Zusammengefasst ist festzustellen, dass die Untersagung der Entsendung/Überlassung nicht rechtmäßig war.
Nach § 18 Abs. 12 vorletzter Satz AuslBG ist Normadressat auch der inländische Auftraggeber (vgl. B 19. März 2014, Ro 2014/09/0031).
3.5 Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte nach § 24 VwGVG unterbleiben, weil der wesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt ist.
Zu B) Zu Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
EU-Entsendebestätigung rechtliches Interesse VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2229612.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020