TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/30 W226 2203074-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W226 2203070-1/27E

W226 2203072-1/23E

W226 2203068-1/23E

W226 2203074-1/23E

W226 2203075-1/22E

W226 2203065-1/23E

W226 2203063-1/23E

W226 2225893-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX ; 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX ; 3.) XXXX (BF3), geb. XXXX ; 4.) XXXX (BF4), geb. XXXX , 5.) XXXX (BF5), geb. XXXX ; 6.) XXXX (BF6), geb. XXXX und 7.) XXXX (BF7), geb. XXXX , alle StA: Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2018, Zlen. 1.) 503998201-140308353, 2.) 503997901-140308515, 3.) 503998310-140308485, 4.) 607583801-140308523, 5.) 831721409-140308442, 6.) 1044992706-140159242, 7.) 1102825300-160097713, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.03.2020 zu Recht erkannt:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und werden die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX und XXXX wird eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG erteilt. XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (BF8), geb. XXXX , StA: Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2019, Zl. 1248968703-191034720, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.03.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter und die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweit- bis Achtbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2, BF3, BF4, BF5, BF6, BF7 und BF8; alle gemeinsam als BF bezeichnet). Die BF sind Staatsangehörige der russischen Föderation und Angehöre der tschetschenischen Volksgruppe.

1.1. Die BF1, die BF2 und der BF3 reisten illegal per Flugzeug ins Bundesgebiet ein und stellten am 07.11.2009 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 26.07.2010 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF1, der BF2 und des BF3 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.), die Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkte II.) und die BF1, die BF2 und der BF3 gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkte III.). Gegen diese Bescheide haben die BF1, die BF2 und der BF3 fristgerecht Beschwerden erhoben.

1.3. Am XXXX wurde die BF4 im österreichischen Bundesgebiet geboren und wurde für diese am 08.10.2012 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.4. Der Antrag auf internationalen Schutz der BF4 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkte II.) und die BF4 gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkte III.). Gegen den Bescheid der BF4 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

1.5. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 08.07.2013, Zlen.: D13 414777-1/2010/14E (BF1), D13 414779-1/2010/5E (BF2), D13 414778-1/2010/5E (BF3) und D13 430606-1/2012/4E (BF4) wurden die Beschwerden der BF1-BF4 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

1.6. Am XXXX wurde der BF5 im österreichischen Bundesgebiet geboren. Für diesen wurde am 20.11.2013 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.7. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens der BF1 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2014, Zl. W111 1414777-2/4E zurückgewiesen.

1.8. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 17.03.2014 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz des BF5 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil II. wurde dem BF5 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF5 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF5 in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Zudem wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

1.9. Gegen den Bescheid des BF5 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.09.2014, Zl. W111 2007463-1/2E gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 46 iVm 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen wurde.

1.10. Am XXXX wurde der BF6 im österreichischen Bundesgebiet geboren und wurde für diesen am 11.11.2014 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.11. Am 20.12.2014 stellten die BF1-BF5 Folgeanträge auf internationalen Schutz.

1.12. Am XXXX wurde der BF7 im österreichischen Bundesgebiet geboren und wurde für diesen am 20.01.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.13. Die BF1 und die BF2 wurden im Zuge des zweiten Asylverfahrens am 29.05.2018 niederschriftlich einvernommen.

Zu ihrem Leben in Österreich gab die BF1 in dieser Einvernahme an, dass sie nie gearbeitet habe. Sie wolle einen B1 Deutschkurs machen und eine Ausbildung zur Kindergärtnerin machen. Alle Kinder, außer die BF2 und der BF3 würden in den Kindergarten gehen. Der BF3 und die BF2 würden normal Tschetschenisch sprechen, die anderen Kinder würden nur Deutsch sprechen. Die jüngeren Kinder würden Tschetschenisch verstehen, aber nur wenig sprechen. Sie spreche mit ihnen Tschetschenisch, aber sie würden sich auf Deutsch leichter tun. Der BF3 habe den Kindergarten und die Volksschule besucht, jetzt würde er in die erste Klasse Hauptschule gehen. Sie lebe mit ihrem Ehemann ( XXXX ) und den Kindern in einem XXXX . Er dürfe nicht arbeiten und habe einen negativen Bescheid bekommen. Zudem sei noch eine Cousine ersten Grades in Österreich. Sie sei anerkannter Flüchtling und ihr Ehemann habe die Staatsbürgerschaft. Sie habe Freunde, aber keine engen in Österreich. Die meisten kenne sie vom Deutschkurs. In ihrer Freizeit gehe sie mit den Kindern in den Park. Ihren Aufenthalt finanziere sie durch die Grundversorgung. Sie gehöre keinem Verein und keiner sonstigen Organisation an. Von Verwandten werde sie nicht unterstützt. Die Großeltern der ältesten Kinder (BF2 und BF3) würden auch in Österreich leben und seien asylberechtigt. Sie stehe mit ihnen in Kontakt und die Kinder seien am Wochenende immer bei ihnen.

Die BF2 gab zu ihrem Leben in Österreich an, dass sie in die zweite Klasse der Hauptschule gehe. Die Volksschule habe sie in Österreich besucht. Sie lebe mit ihrer Mutter, ihren Geschwistern und ihrem Stiefvater zusammen. Am Wochenende besuche sie manchmal die Großmutter und den Onkel. Auch würde sich eine Cousine der Mutter mit ihren Töchtern und ihrem Sohn in Österreich aufhalten. Sie habe Freunde in Österreich mit denen sie spiele, rede und in den Park gehe. Zudem mache sie Haarbänder für kleine Mädchen. Sie wolle sie Schule fertigmachen und eine Lehre als Näherin (Schulmode) machen. In Tschetschenien spreche man Russisch, dies könne sie nicht. Sie kenne dort nur wenig Leute, nur ihre Familie. Dort müssten die Mädchen zu Hause bleiben. Sie wolle eine Lehre machen und arbeiten gehen.

Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass sie die gleichen Gründe habe wie ihre Mutter. Sie wisse nicht, warum ihre Mutter Tschetschenien verlassen habe. Sie wolle nicht nach Russland. Sie habe die Hälfte ihres Lebens in Österreich verbracht. In Russland sei es gefährlich und es gebe Gewalt.

Im Zuge der Einvernahme legten die BF1 und die BF2 folgende Unterlagen zu ihrer Integration in Österreich vor:

- Schulnachricht der BF2 vom Schuljahr 2017/18 (6. Schulstufe) einer neuen Mittelschule, datiert mit 02.02.2018;

- Schreiben der Klassenlehrerin der BF2, datiert mit 25.05.2018;

- Empfehlungsschreiben eines Grundversorgungsquartiers für die BF;

- Zertifikat, wonach die BF1 die Prüfung ÖSD Zertifikat A1 gut bestanden habe;

- Fotos der Kinder.

1.14. In einer Stellungnahme der BF vom 12.06.2018 wurde im Wesentlichen ausgeführt, die BF1 habe angegeben, um das Leben und die Freiheit ihrer Kinder zu fürchten. Diese seien Großteils in Österreich aufgewachsen, bzw. hätten hier den größten Teil ihres Lebens verbracht und seien hier sozialisiert worden. Die BF2 habe klar ausgeführt, in Österreich ein selbstbestimmtes Leben zu führen und sie ihre weitreichenden Grundrechte in Anspruch nehmen wolle. Sie spreche fließend Deutsch, nur fehlerhaftes Tschetschenisch und verfüge über ein Auftreten, welches in Tschetschenien als "verwestlicht" wahrgenommen werde. Die besonders prägenden Jugendjahre habe sie in Österreich verbracht. Die Zukunftswünsche der BF2 seien unvollständig protokolliert worden. Sie wolle keine Lehre zur Näherin machen, sondern beabsichtige nach Abschluss der Hauptschule die Modeschule XXXX im Schloss XXXX (höhere Lehranstalt mit Matura) zu besuchen. Danach wolle sie Medizin studieren und eine Fachausbildung zur Kinder- und Jugendärztin machen. Ihr Zukunftsängste bei einer allfälligen Rückkehr nach Tschetschenien habe sie klar ausgeführt. Die meisten minderjährigen Kinder seien in Österreich geboren und hätten niemals das Leben in Tschetschenien kennengelernt. Sie würden teilweise ausschließlich Deutsch sprechen und eine freie Erziehung genießen. Bei einer Neuansiedelung in Tschetschenien würde ihnen ein ernsthafter Schaden drohen, da sie mit den kulturellen Gegebenheiten nicht vertraut seien und der Landessprache nicht ausreichend mächtig seien. Eine Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig. Bei den minderjährigen BF habe eine Aufenthaltsverfestigung in ihrem Heimatstaat nie stattgefunden, sie seien mit den örtlichen Begebenheiten nicht vertraut und hätten die prägenden Jugendjahre in Österreich verbracht. Dazu werde auf Judikate des VwGH (ua. vom 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 und vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058) verwiesen.

1.15. Mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 21.06.2018 wurden die zweiten Anträge der BF1 bis BF5 auf internationalen Schutz gemäß § 68 Absatz 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurden die Anträge auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde den BF1 bis BF5 Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und in Spruchpunkt IV. wurden gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen erlassen und in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF1 bis BF5 gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. In Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

Ebenso wurden mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 21.06.2018 die Anträge auf internationalen Schutz des BF6 und BF7 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. diese Anträge auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde dem BF6 und BF7 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF6 und BF7 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF6 und BF7 in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.).

Im Bescheid des BF7 wurde in Spruchpunkt VI. der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und in Spruchpunkt VII. festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

Im Bescheid des BF6 wurde in Spruchpunkt VI. einzig festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 0 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. In der Übersetzung des Spruchs (§ 12 BFA-VG) findet sich ein zusätzlicher Spruchpunkt VIII. und ergibt die Begründung der Entscheidung, dass die belangte Behörde ebenfalls - wie im Verfahren des BF7 - die aufschiebende Wirkung aberkenne wollte.

1.16. Gegen die Bescheide der BF1 bis BF7 wurden fristgerecht vollumfängliche Beschwerden erhoben. Darin wurde hinsichtlich der Integration der BF1 bis BF7 im Wesentlichen ausgeführt, dass diese ein schützenswertes Familienleben in Österreich führen würden. Mit den Großeltern von BF2 und BF3 sowie dem Onkel und der Cousine der Mutter der BF1 bestehe regelmäßiger Kontakt und ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis. Sämtliche minderjährige Kinder seien weder der tschetschenischen, noch der russischen Sprache hinreichend mächtig. Es sei von einer umfassenden Integration und einem schützenswerten Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszugehen. Die Behörde habe die persönlichen Umstände nicht ermittelt und keine abschließenden Fragen gestellt. Es sei auch zu prüfen, ob eine maßgebliche Sachverhaltsveränderung in Hinblick auf das Privat- und Familienleben eingetreten sei. Bei den minderjährigen BF habe eine Aufenthaltsverfestigung in Tschetschenien nie stattgefunden, diese seien mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertraut und hätten ihre besonders prägenden Jugendjahre in Österreich verbracht. Abschließend wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

1.17. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.08.2018 wurde den Beschwerden der BF1 bis BF7 die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs. 4 B-VG zuerkannt.

1.18. Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes an das BFA, teilte dieses am 16.08.2018 mit, dass das Asylverfahren des XXXX bereits im Jahr 2013 rechtskräftig in zweiter Instanz negativ entschieden worden sei. Er habe keinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sei auch kein anderes Verfahren beim BFA anhängig. Er halte sich beharrlich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

1.19. Am 21.08.2018 legte die BF1 ein Schreiben, datiert mit 16.08.2018 vor, wonach der Verein XXXX bestätige, dass der BF1 -im Falle einer Arbeitserlaubnis - eine Arbeitsstelle zugesichert werde.

1.20. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018, Zlen.: W226 2203070-1/9E, W226 2203072-1/8E, W226 2203068-1/8E, W226 2203074-1/8E, W226 2203075-1/8E, W226 2203065-1/8E und W226 2203063-1/8E wurden die Beschwerden der BF1 bis BF7 als unbegründet abgewiesen. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist.

1.21. Gegen diese Erkenntnisse erhoben die BF1 bis BF7 fristgerecht das Rechtsmittel der Außerordentlichen Revision.

1.22. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 28.08.2019, Ra 2018/14/0241 bis 0247-10, wurden die angefochtenen Erkenntnisse der BF1 bis BF7, soweit sich die Beschwerden der BF1 bis BF7 in Bezug auf die gegen sie erlassenen Rückkehrentscheidungen, die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation und die Verweigerung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesenen wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wurden die Revisionen der BF1 bis BF7 mit Beschluss zurückgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung wie folgt:

" Gema¿ß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) kann eine mu¿ndliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde gekla¿rt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der sta¿ndigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn dieser Bestimmung "gekla¿rt erscheint" folgende Kriterien beachtlich:

Der fu¿r die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbeho¿rde vollsta¿ndig in einem ordnungsgema¿ßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualita¿t und Vollsta¿ndigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbeho¿rde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswu¿rdigung in ihrer Entscheidung in gesetzma¿ßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht muss die tragenden Erwa¿gungen der verwaltungsbeho¿rdlichen Beweiswu¿rdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des beho¿rdlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder daru¿ber hinausgehender fu¿r die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbeho¿rde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot versto¿ßt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2018/14/0366, mwN).

Von einem gekla¿rten Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG kann bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nur in eindeutigen Fa¿llen ausgegangen werden, in denen bei Beru¿cksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann fu¿r ihn kein gu¿nstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen perso¿nlichen Eindruck verschafft (vgl. etwa VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0500, mwN).

Von einem solchen eindeutigen Fall kann im gegensta¿ndlichen Fall insbesondere im Hinblick auf den im Entscheidungszeitpunkt knapp dreizehnja¿hrigen Drittrevisionswerber und die

vierzehnja¿hrige Zweitrevisionswerberin, die sich seit 1. November 2009, im Bundesgebiet aufhalten, allerdings nicht gesprochen werden. Die Revisionswerber erstatteten in der Beschwerde substantiiertes Vorbringen im Hinblick auf die im Rahmen der Interessenabwa¿gung zu beru¿cksichtigende Umsta¿nde.

Sohin lagen die Voraussetzungen fu¿r die Abstandnahme von der mu¿ndlichen Verhandlung nicht vor.

Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher, soweit sie die Ru¿ckkehrentscheidungen und die rechtlich davon abha¿ngenden Entscheidungen betreffen, gema¿ß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben."

1.23. Am XXXX wurde der BF8 im österreichischen Bundesgebiet geboren und wurde für diesen am 11.10.2019 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Im Antrag wurde angegeben, dass der BF8 keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe und sich der Antrag ausschließlich auf die Gründe des Vaters bzw. der Mutter beziehe. Als Vater des BF8 wurde XXXX angegeben.

1.24. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 07.11.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF8 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde dem BF8 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF8 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung BF8 in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte fest, dass die Identität des BF8 festgestehe. Er sei der Sohn der BF1 und des XXXX , Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehöre der Volksgruppe der Tschetschenen an und bekenne sich zum muslimischen Glauben. Er wachse innerhalb eines tschetschenischen Familienverbandes auf. Die Muttersprache der Eltern sei Tschetschenisch, diese würden auch Russisch sprechen. Der BF8 befinde sich in Obhut seiner Eltern, welche für ihn sorgen würden. Der BF8 habe keine eigenen Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen. Eine aktuelle und individuell drohende Verfolgung im Herkunftsstaat habe nicht festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF8 oder weitere Familienangehörige in der Russischen Föderation asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt wären bzw. pro futuro ausgesetzt sein werden. Der Mutter oder dem Vater sei weder der Status des Asylberechtigten, noch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Der BF8 würde auch nicht Gefahr laufen in der Russischen Föderation einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG vorliege. Seitens der Mutter seien keine Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen des BF8 ausgeführt worden. Auch dem amtswegigen Ermittlungsverfahren sei nicht zu entnehmen, dass der BF8 eigene Fluchtgründe habe oder konkrete Rückkehrbefürchtungen bestehen würden. Ebenso sei dies aufgrund seiner Minderjährigkeit nicht anzunehmen.

Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der BF8 gesund sei und eine Rückkehr in die Russische Föderation nur mit einem Elternteil möglich sei. Es würden keine Gründe vorliegen, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen würden. Eine Integration in die russische bzw. tschetschenische Gesellschaft sei möglich und zumutbar. Der BF8 stehe am Beginn seiner Sozialisation und sei in einem anpassungsfähigen Alter. Er könne sich mit Hilfe seiner Familie ohne große Schwierigkeiten in die Verhältnisse im Heimatland integrieren, zumal die Eltern mit den kulturellen Werten und Gepflogenheiten der Russischen Föderation vertraut seien. Eine existenzbedrohende Notlage würde bei einer Rückkehr nicht vorliegen.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass sich der BF8 in der Obhut seiner Mutter befinde und mit den Eltern und seinen Geschwistern in einer Betreuungseinrichtung der XXXX lebe. Seine Eltern hätten keinen Schutzstatus nach dem AsylG, sein Vater sei trotz einer aufrechten Rückkehrentscheidung weiterhin illegal im Bundesgebiet aufhältig. Weitere familiäre, private oder sonstige Anknüpfungspunkte seien der Aktenlage nicht zu entnehmen und bestehe die Möglichkeit eine gemeinsames Familienleben in der Russischen Föderation zu führen.

1.25. Gegen den Bescheid des BF8 wurde fristgerecht eine vollumfängliche Beschwerde wegen Rechtwidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Zur weiteren Begründung wurde auf das anhängige Beschwerdeverfahren der Familie des BF8 verwiesen und wurde beantragt, das Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung zusammenzuführen. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

1.26. Am 16.01.2020 brachten die BF folgende Unterlagen in Vorlage:

- Diverse Unterstützungsschreiben von Lehrern der BF2 ;

- Schulnachricht des BF3 für das Schuljahr 2017/18 (1. Klasse, 5. Schulstufe einer Neuen Mittelschule);

- Jahreszeugnis des BF3 für das Schuljahr 2016/17 (4. Klasse, 4. Schulstufe einer Volksschule);

- Schulnachricht der BF2 für das Schuljahr 2017/18 (2. Klasse, 6. Schulstufe einer Neuen Mittelschule);

- Jahreszeugnisse der BF2 für das Schuljahr 2018/19 und 2017/18 (2. und 3. Klasse, 6. und 7. Schulstufe einer Neuen Mittelschule);

- Jahreszeugnis der BF2 für das Schuljahr 2015/16 (4. Klasse, 4. Schulstufe einer Volksschule);

- Unterstützungsschreiben des Grundversorgungsquartiers sowie einer Mitarbeiterin des XXXX Flüchtlingsdienstes für die BF.

1.27. Das erkennende Gericht führte am 05.03.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die BF1, die BF2 und der BF3 ergänzend zu ihrer Integration und ihren Verwandten in Österreich sowie zu ihren Verwandten in der Russischen Föderation befragt wurden.

In der Verhandlung legten die BF folgende Unterlagen vor:

- Empfehlungsschreiben vom Obmann des Vereins XXXX für die BF1, wonach diese seit mehreren Jahren im Verein freiwillig (bei Projekten zu diversen Themen mit Jugendlichen und Kindern) mitarbeite. Weiters wurde darin ausgeführt, dass der BF1 - im Falle der Erteilung einer Arbeitsbewilligung - eine Fixanstellung im Betrieb garantiert sei;

- Bestätigung einer Volksschule, wonach die BF4 die 1. Klasse besuche, gut in die Klassengemeinschaft integriert sei und eine fleißige Schülerin sei;

- Sozialbericht eine Sozialarbeiterin des Magistrats, wonach es im Sinne der Kinder sei, der gesamten Familie einen Aufenthaltstitel zu gewähren;

- Schulnachricht der BF2 für das Schuljahr 2019/20 (4. Klasse, 8. Schulstufe einer Neuen Mittelschule);

- ÖSD-Zertifikat A2 vom 11.07.2018 für die BF1.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte sämtlicher BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA, die Beschwerden, durch Einsicht in die vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen, durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS, IZR und Strafregister und schließlich durch Berücksichtigung aktueller Länderinformationen zum Herkunftsstaat.

1.1. Feststellungen zur Person der BF:

Die BF sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und bekennen sich zum muslimischen Glauben. Die Identitäten der BF1, der BF2 und des BF3 stehen mangels der Vorlage von russischen Identitätsdokumenten nicht fest. Die Identitäten der BF4 bis BF8 stehen infolge der Vorlage von österreichischen Geburtsurkunden fest.

Die BF1 ist die Mutter der minderjährigen BF2 bis BF8 und ist mit XXXX nach islamischem Ritus verheiratet. Er ist der Vater der in Österreich geborenen minderjährigen BF4 bis BF8. Das Asylverfahren des XXXX wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.07.2013 (Zl.: D15 409819-1/2009) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen und wurde dessen Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation für zulässig erachtet (rechtskräftig in zweiter Instanz negativ entschieden). Er hält sich somit seit Jahren unrechtmäßig bzw. illegal im österreichischen Bundesgebiet auf und hat seither auch keinen neuen Antrag gestellt.

Den BF geht es gesundheitlich gut, lediglich die BF2 muss wegen der Schilddrüse und dem Herz regelmäßige Kontrollen (ein bis zweimal pro Jahr) im Krankenhaus durchführen lassen.

Der Ablauf des Verfahrensganges (hinsichtlich sämtlicher BF) wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

1.2. Zu den Fluchtgründen und einer möglichen Rückkehr des BF8 in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der minderjährige BF8 in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale knöpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der minderjährige BF8 im Falle der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass der minderjährige BF8 im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notwendigste Lebensgrundalge entzogen wäre.

Mehrere Familienangehörige der BF (die Mutter, zwei Schwestern und ein Bruder der BF1) leben nach wie vor in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien. Die Mutter der BF1 besitzt in Tschetschenien ( XXXX ) eine Eigentumswohnung, in XXXX besitzt sie ein eigenes Haus. Die BF1 steht mit ihrer Mutter in regelmäßigem Kontakt.

1.3. Zum (Privat) Leben der BF in Österreich:

Die BF1 absolvierte Deutschkurse und hat das ÖSD-Zertifikat A2 am 11.07.2018 erworben. Sie versteht zwar an sie (auf Deutsch) gerichtete Fragen, kann sich in der deutschen Sprache aber nicht hinreichend konkret ausdrücken. Sie bezieht seit ihrer Einreise nach Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sie ist bis dato keiner entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen. Sie hat - bis auf Deutschkurse - keine Ausbildungen absolviert. Die BF1 hilft freiwillig im Verein XXXX (bei diversen Projekten) mit und konnte von diesem Verein Schreiben vorlegen, wonach ihr dort - im Falle einer Arbeitserlaubnis - eine Fixanstellung zugesichert werde. In ihrer Freizeit geht sie mit den Kindern im Park spazieren. Zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zählen andere tschetschenische bzw. muslimische Familien, zudem besteht Kontakt mit Eltern von Schulkameraden der Kinder.

Die BF2 hat in Österreich die Volksschule abgeschlossen, derzeit besucht sie die vierte (letzte) Klasse einer Neuen Mittelschule (8. Schulstufe). Sie erzielt sehr gute Noten, ist in der Klassengemeinschaft integriert und beherrscht die deutsche Sprache fließend. In ihrer Freizeit trifft sie sich mit Freundinnen und geht ins Museum, in den Park oder in Restaurants.

Der BF3 hat in Österreich den Kindergarten besucht und die Volksschule abgeschlossen. Derzeit besucht er die 3. Klasse einer Neuen Mittelschule (Schwerpunkt Informatik). Er beherrscht die deutsche Sprache fließend. In seiner Freizeit macht er gerne Sport (Fußball und Basketball). Er hat auch viele Freunde.

Die BF4 hat in Österreich den Kindergarten besucht, nunmehr wurde sie eingeschult und besucht die erste Klasse einer Volksschule.

Der BF5, der BF6 und der BF7 besuchen einen Kindergarten.

Die BF wohnen nach wie vor mit XXXX in einer Unterkunft der XXXX . Die BF1 unterhält sich mit ihren Kindern auf Tschetschenisch, die Kinder antworten ihr auf Deutsch oder Tschetschenisch. Untereinander sprechen die Kinder Deutsch.

Die BF sind strafrechtlich unbescholten.

In Österreich halten sich Familienangehörige der BF auf. So lebt hier eine Cousine der BF1 (samt Familie), die Großeltern väterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits von BF2 und BF3. Weiters lebt ein Onkel väterlicherseits der BF1 (samt Familie) in Österreich. Sämtliche Angehörigen der BF sind anerkannte Flüchtlinge. Die BF2 und der BF3 sind am Wochenende oft bei ihren Großeltern zu Besuch.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der BF:

Der oben unter Punkt I. angeführte sowie festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der Gerichtsakten zu den Verfahren auf Grund der Anträge bzw. Folgeanträge der BF.

Die Feststellung, dass die Identität der BF1, der BF2 und des BF3 nicht festgestellt werden konnte, ergibt sich daraus, dass diese im Laufe des Verfahrens keine russischen Identitätsdokumente in Vorlage bringen konnten. Die Identitäten der BF4 bis BF8 konnten infolge der Vorlage von österreichischen Geburtsurkunden festgestellt werden.

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF ergibt sich aus ihren gleichbleibenden und glaubhaften Angaben im Verfahren.

Die Feststellungen zum Lebensgefährten der BF1, mit welchem sie nach islamischem Ritus verheiratet ist, ergeben sich aus den Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung, der Einsicht in dessen Akt, der Einholung von aktuellen Auszügen sowie der Auskünfte des BFA. Der Umstand, dass er der Vater der minderjährigen BF4 bis BF8 ist, ergibt sich aus den im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunden bzw. Vaterschaftsanerkenntnissen und den Angaben der BF1 in ihren Asylverfahren.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF ergeben sich aus den Angaben der BF1 und der BF2 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der BF sowie ihrer Integration in Österreich ergeben sich aus Abfragen aus den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem), aus den in den Asylverfahren vorgelegten Unterlagen sowie aus ihren Angaben in den Verfahren vor dem Bundesamt sowie den Angaben von BF1, BF2 und BF3 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich hinsichtlich der BF1, BF2 und des BF3 aus der Einsichtnahme in das Strafregister bzw. hinsichtlich der restlichen BF aus deren Strafunmündigkeit.

2.2. Zu den Fluchtgründen und einer möglichen Rückkehr des BF8 in den Herkunftsstaat:

Die BF1 hat für den 6 Monate alten BF8 im Verfahren vor dem BFA keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern wurde nur auf die Fluchtgründe der Eltern Bezug genommen (vgl. AS 1 im Akt des BF8). Auch in der Beschwerde wurde lediglich auf das anhängige Beschwerdeverfahren der Familie verwiesen (vgl. AS 177 im Akt des BF8). In der mündlichen Verhandlung brachte die BF1 dann vage vor, dass ihre Kinder in der Russischen Föderation Probleme wegen ihres ersten Mannes bekommen würden bzw. es "Blutrache" geben würde (vgl. S. 12 Verhandlungsprotokoll).

Diesbezüglich ist allerdings anzumerken, dass die Fluchtgründe der BF1 wegen ihres ersten Mannes schon in ihrem ersten Asylverfahren und auch im Rahmen ihres Folgenantrages als nicht glaubhaft bewertet wurden und rechtskräftig negativ entschieden wurden. Auch das Asylverfahrens des Vaters des BF8 wurde bereits im Jahr 2013 rechtskräftig negativ entschieden.

Soweit die BF1 in der Verhandlung noch ausführte, dass der BF8 in der Russischen Föderation Probleme mit der Ausbildung haben würde, er die Russische Sprache nicht spreche und die gesellschaftlichen "Übungen" dort nicht kenne (vgl. S. 12 Verhandlungsprotokoll), so geht auch dieses Vorbringen ins Leere. In der Russischen Föderation herrscht - genauso wie in Österreich - die Schulpflicht und liegt es somit an den Eltern, dem BF8 eine Schulausbildung zu ermöglichen. Zudem handelt es sich beim BF8 noch um ein Kleinkind, der noch nicht sprechen kann, in Obhut seiner Eltern aufwächst und dessen Sozialisation erst beginnt. Es ist ihm daher zuzumuten - gemeinsam mit seiner Familie - in die Russische Föderation zurückzukehren und sich dort zu integrieren. Dazu ist auch anzumerken, dass in der Familie nach wie vor auch die Tschetschenische Sprache gesprochen wird bzw. die BF1 mit den Kindern auf Tschetschenisch kommuniziert, weshalb auch davon auszugehen ist, dass der BF8 mit der Tschetschenischen Sprache vertraut gemacht wird. Letztlich wächst der BF8 bereits schon jetzt in einem tschetschenischen Familienverband auf, in welchem der Vater die Moschee besucht, die islamischen Feste wie Ramadan gefeiert werden und sich die BF1 und die BF2 nach wie vor an die tschetschenischen Kleidervorschriften halten (vgl. Aussagen der BF2 in der mündlichen Verhandlung, S. 13 und 16 Verhandlungsprotokoll).

Vom Bundesverwaltungsgericht kann daher nicht erkannt werden, dass für den BF8 zukünftig eine Verfolgung im Sinne der GFK im Herkunftsland bestehen wird.

Auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des BF8 - einem 6 Monate altem Kleinkind, welcher gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in die Russische Föderation zurückkehren könnte - infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist in der Russischen Föderation nicht anzunehmen.

2.3. Zum (Privat) Leben der BF in Österreich:

Die Feststellungen zum derzeitigen Familien- und Privatleben der BF in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben der BF im Laufe des Verfahrens, den vorgelegten Bestätigungen sowie den eingeholten aktuellen IZR, GVS und ZMR-Auszügen. Die vorgelegten Beweismittel sind in ihrer Gesamtschau schlüssig und nachvollziehbar und waren in Zusammenschau mit dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Bild der BF als Nachweis der Integration zuzuerkennen.

2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die vom BFA zur Lage in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien in das Verfahren des BF8 miteinbezogenen Länderinformationen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche dar, weshalb kein Anlass besteht, an deren Richtigkeit bzw. der Aktualität zu zweifeln. Darüber hinaus wurden in der Beschwere und in der mündlichen Verhandlung auch keine Berichte dargetan, die geeignet gewesen wären, entscheidungswesentlichen Änderungen zur den vom BFA getroffenen Länderfeststellungen darzutun.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Asyl (Spruchpunkt I. im Bescheid des BF8):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH v. 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; VwGH v. 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH v. 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vgl. auch VwGH v. 16.02.2000, Zl. 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH v. 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH v. 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH v. 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; VwGH v. 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

Eine Verfolgung, dh. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH vom 27.01.2000, 99/20/0519, VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, VwGH vom 04.05.2000, 99/20/0177, VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203, VwGH vom 21.09.2000, 2000/20/0291, VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153, u.a.).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Eine Bürgerkriegssituation (bzw. die eines sonstigen bewaffneten Konfliktes) in der Heimat des Antragstellers schließt eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung zwar nicht generell aus. Der Antragsteller muss in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 8.7.2000, 99/20/0203).

Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Für den minderjährigen BF8 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht oder festgestellt. Da die von der Mutter (bzw. des Vaters) des minderjährigen BF8 vorgebrachten Fluchtgründe, die auch für den BF8 gelten, als unglaubwürdig gewertet wurden und auch das Vorbringen der Mutter des BF8 in ihrem Folgeantrag keinen glaubwürdigen Kern aufwies (der Folgeantrag der Mutter wurde mittlerweile schon rechtskräftig negativ entschieden, siehe dazu Entscheidung des VwGH), waren auch die gleichartigen Fluchtgründe des BF8 als unglaubwürdig zu werten. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, liegen daher nicht vor. Die gesetzliche Vertreterin des BF8 konnte daher nicht darlegen, dass dieser in ihrem Herkunftsstaat konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätte und sind die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. im angefochtenen Bescheid des BF8 als unbegründet abzuweisen.

3.2. Subsidiärer Schutz (Spruchpunkt II. im Bescheid des BF8):

Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.

§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich).

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer derartigen Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und, dass diese Gründe objektivierbar sind.

Zur Frage, ob es begründete Anhaltpunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des minderjährigen BF8 in dem Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde, war Folgendes zu erwägen:

Weder aus den Angaben der Mutter des BF8 zu den Gründen, die für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen der Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.8.2001, Zl. 2000/01/0443).

Auch sonst gibt es im vorliegenden Fall weder einen Hinweis darauf, dass der minderjährige BF8 nach einer Rückkehr in die Russische Föderation respektive Tschetschenien in eine auswegslose Lage geraten könnte, noch einen Hinweis darauf, dass "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, die eine Abschiebung des minderjährigen BF8 (die gemeinsam mit seiner Familie stattfinden würde) unzulässig machen könnten. Den Länderfeststellungen zur Situation in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien ist nicht zu entnehmen, dass der minderjährige BF8 in eine menschenrechtswidrige Lage im Sinne des § 8 AsylG 2005 geraten könnte. Der minderjährigen BF8 hat (durch seine Mutter) auch keinen auf seine Person bezogenen "außergewöhnliche Umstände" glaubhaft machen können, die ein Abschiebehindernis bilden könnten.

Ausgehend von den dargestellten allgemeinen Länderberichten zum Herkunftsstaat besteht kein Grund davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsangehörige der Russischen Föderation einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Der minderjährige BF8 würde gemeinsam mit seiner Mutter sowie seinen (Halb)Geschwistern und dem Vater in seinen Herkunftsstaat zurückkehren. Es ist daher jedenfalls davon auszugehen, dass die Mutter bzw. der Vater für den BF8 sorgen werden.

Zudem halten sich auch zahlreiche Verwandte des BF8 in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien auf und verfügt die Familie des BF8 somit über ein stabiles familiäres und soziales Auffangnetz an Familienangehörigen im Herkunftsstaat, auf deren (finanzielle) Unterstützung der BF8 bzw. die Mutter zudem zusätzlich zurückgreifen können.

Auch dieses familiäre Umfeld legt nahe, dass eine Rückkehr nicht mit einer existenzbedrohenden bzw. aussichtslosen Notlage verbunden ist und ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die minderjährigen BF - welche gemeinsam mit ihrer Familie in ihren Herkunftsstaat zurückkehren - bei einer Rückkehr völlig auf sich alleine gestellt wären.

Zudem hat die Mutter des BF8 in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien laut den Länderfeststellungen Anspruch auf Sozialleistungen bzw. Kindergeld.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass dem BF8 bei einer Rückkehr nach Tschetschenien ein ernsthafter Schaden drohen würde, da sich dieser in Obhut seiner Familie befindet. Dem minderjährigen BF8 ist eine Integration in die russischen bzw. tschetschenische Gesellschaft jedenfalls möglich und zumutbar, zumal dieser als Kleinkind noch am Anfang seiner Sozialisation steht.

Da der BF8 gemeinsam mit seiner in Österreich aufhältigen Familie in den Heimatstaat zurückkehren könnte, ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich der BF8 ohne größere Schwierigkeiten in die Verhältnisse seines Herkunftsstaates - mit Unterstützung und Hilfe der Familie - integrieren können wird. Die Mutter des BF8, welche selbst in Tschetschenien aufgewachsen und sozialisiert wurde, kann den minderjährigen BF8 mit den tschetschenischen Sitten und Gebräuchen vertraut machen.

Für den erkennenden Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes haben sich unter diesen Aspekten keine Hinweise ergeben, dass der BF8 für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Situation geraten würde.

Unter Verweis auf die zitierten Länderinformationen und jene im angefochtenen Bescheid kann für die Russische Föderation zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlichtweg nicht festgestellt werden, dass dort eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen ließe.

Dem minderjährigen BF8 bzw. seiner Mutter ist es daher nicht gelungen, darzulegen, dass er im Falle einer Abschiebung in die Russische Föderation in eine "unmenschliche Lage" versetzt würde. Daher verstößt eine allfällige Abschiebung nicht gegen Art. 2, Art. 3 EMRK oder gegen die Zusatzprotokolle zur EMRK Nr. 6 und Nr. 13 und auch nicht gegen Art. 15 lit. c StatusRL.

Auch aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens des BF8 gemäß § 34 Abs. 4 iVm. § 2 Z 22 AsylG 2005 war kein anderes Ergebnis begründbar, da keinem seiner Familienangehörigen Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt worden ist.

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. im angefochtenen Bescheid des BF8 als unbegründet abzuweisen.

3.3. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. im Bescheid des BF8):

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Dri

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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