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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des R, in Wien, vertreten durch Dr. Georg Zanger und Mag. Michael Pilz, Rechtsanwälte in Wien I, Neuer Markt 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Jänner 1996, Zl. SD 1405/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 27. Februar 1991 nach Österreich eingereist. Auf Antrag vom 17. April 1991 habe er einen bis 17. Oktober 1991 gültigen Sichtvermerk erhalten. Kurz vor Ablauf dieser Aufenthaltsberechtigung, am 11. Oktober 1991, habe er einen Asylantrag gestellt. Dieser sei im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 14. Juli 1994 abgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei von diesem keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden (Beschluß vom 30. November 1994, AW 94/01/0553), und zwar mit der Begründung, daß der Beschwerdeführer erst nach Ablauf der im Asylgesetz 1991 festgesetzten Frist Asyl beantragt hätte, sodaß ihm bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen wäre. Sohin könne sich der Beschwerdeführer auf eine solche Berechtigung nicht berufen. Gleiches gelte in bezug auf ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach den aufgrund des § 12 AufG erlassenen Verordnungen, weil der Beschwerdeführer sein Heimatland bereits vor Ausbruch der bewaffneten Konflikte verlassen habe. Er halte sich daher seit 18. Oktober 1991 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Aufgrund des relativ langen - wenngleich überwiegend illegalen - Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und im Hinblick auf seine familiären Bindungen sei ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen. Dessen ungeachtet sei die Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenrechtes, dringend geboten. Der seit mehr als vier Jahren unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Hinzu komme, daß dem Beschwerdeführer - mangels Erfüllung der im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG - auch nicht die erforderliche Bewilligung nach diesem Gesetz erteilt werden dürfe. Somit erweise sich die Ausweisung auch im Grunde des § 19 FrG als zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die belangte Behörde habe - so die Beschwerde unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit - verkannt, daß dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zukomme, er sich daher "niemals illegal" im Bundesgebiet aufgehalten habe, weil er seinen Asylantrag binnen einer Woche nach Kenntnis von der Gefahr der Verfolgung, nämlich nach Kenntnis des Briefes seiner Mutter (daß er von der Militärpolizei in Sarajewo gesucht werde), gestellt habe.
1.2.1 Selbst wenn man dem Beschwerdeführer - im Hinblick darauf, daß er sich in seinem Asylantrag vom 11. Oktober 1991 auf einen "beiliegenden Brief" beruft und auch in dem im angefochtenen Bescheid zitierten, den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juli 1994 auf den "beigebrachten Brief Ihrer Mutter" Bezug genommen wird - in seiner Argumentation, was die Rechtzeitigkeit der Antragstellung betrifft, folgte, hätte er damit das Vorliegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht dargetan.
Ein solches Aufenthaltsrecht kommt nämlich nur jenen Asylwerbern zu, die - neben der Rechtzeitigkeit der Antragstellung - die Voraussetzungen des § 6 Asylgesetz 1991 erfüllen. Dies aber trifft auf den Beschwerdeführer nicht zu:
Er ist weder aus dem Staat, in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen (Bosnien-Herzegowina) eingereist (§ 6 Abs. 1 leg. cit.), noch brachte er im Verfahren vor, nicht in den Staat, aus dem er seinen Angaben zufolge (s. Niederschrift der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Dezember 1991) in das Bundesgebiet eingereist ist (Slowenien), zurückgewiesen werden zu dürfen (§ 6 Abs. 2 leg. cit.); auch in seinem Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG vom 7. Februar 1995 machte er eine Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 leg. cit. ausschließlich in bezug auf Bosnien-Herzegowina geltend (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. September 1996, Zl. 95/18/1159, und vom 22. Jänner 1998, Zl. 97/18/0534).
1.2.2. Von daher gesehen macht die verfehlte Bezugnahme der belangten Behörde auf die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die gegen den vorgenannten negativen Asylbescheid vom 14. Juli 1994 erhobene Beschwerde wegen Versäumung der Antragsfrist - der diesbezügliche Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1994, AW 94/01/0553, hatte seine Wirksamkeit mit Erlassung des diesen Bescheid aufhebenden Erkenntnisses des Gerichtshofes vom 22. Februar 1995, Zl. 94/01/0776, verloren - den hier angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig. Im Ergebnis trifft die Ansicht der belangten Behörde zu, daß dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Ausweisungs-Bescheides keine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen sei.
Demnach zeigt die Beschwerde mit ihrem Vorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, dem Beschwerdeführer das Schreiben des Bundesasylamtes vom 1. August 1995, wonach ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz "nicht zuerkannt ist", vorzuhalten, keinen relevanten Verfahrensmangel auf, zumal sich die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdeannahme - zur Stützung ihres Standpunktes nicht auf dieses Schreiben berufen hat.
2.1. Einen weiteren Verfahrensmangel erblickt die Beschwerde darin, daß "kein Ermittlungsverfahren darüber durchgeführt (wurde), daß dem Beschwerdeführer das Aufenthaltsrecht nach § 12 FremdenG iVm BGBl. 368/1994 bzw. BGBl. 1038/94 zukommt". Auch diesbezüglich sei dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
2.2. Auch diese Verfahrensrüge ist nicht zielführend, bestreitet doch der Beschwerdeführer damit nicht das Zutreffen der insoweit maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Bescheid, daß er sein Heimatland bereits vor Ausbruch der bewaffneten Konflikte verlassen habe. Da somit unbestrittenermaßen vom Fehlen der für das Bestehen eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina wesentlichen Voraussetzung auszugehen war, hat die belangte Behörde ein solches Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers in einwandfreier Weise verneint (vgl. jeweils § 1 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 368/1994, der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 und der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995).
3.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid schließlich wegen unrichtiger Anwendung des § 19 FrG für inhaltlich rechtswidrig. Der Beschwerdeführer lebe seit fünfeinhalb Jahren in Österreich. Seine Mutter sei aufgrund der Kriegswirren hierher geflüchtet und als Flüchtling anerkannt. Der Beschwerdeführer lebe bei seiner Tante und seinem Onkel in Wien. Zu seinem Heimatland bestünden keine familiären Bindungen. Der Beschwerdeführer sei unbescholten und gefährde "auch sonst nicht die Interessen der öffentlichen Ordnung"; er beanspruche keine Mittel der öffentlichen Hand, Wolfgang K. habe sich verpflichtet, für seinen gesamten Lebensunterhalt aufzukommen.
3.2. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den etwa fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und seine hier bestehenden familiären Bindungen - zutreffend - einen mit der Ausweisung verbundenen i.S. des § 19 FrG relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat aber ebenso zutreffend das Gewicht des fünfjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers dadurch als stark gemindert angesehen, daß der weitaus überwiegende Teil dieses Aufenthaltes nicht rechtmäßig ist. Auch die Bedeutung der familiären Bindungen erfährt im Hinblick darauf eine Relativierung, daß der Beschwerdeführer schon erwachsen ist. Das den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens wurde von der belangten Behörde hoch veranschlagt. Diese Bewertung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, Zl. 96/18/0222, mwN). Wenn die belangte Behörde diesem maßgeblichen öffentlichen Interesse größeres Gewicht beigemessen hat als dem privaten und familiären Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich, so kann dieser Beurteilung nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wurde doch das besagte Allgemeininteresse durch den schon mehr als vierjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in erheblichem Maß beeinträchtigt, wozu kommt, daß der Beschwerdeführer - von der belangten Behörde richtig erkannt - im Hinblick auf die einschlägigen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes rechtens nicht in der Lage ist, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Demgegenüber sind die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich, wie dargelegt, nicht sehr stark ausgeprägt, sodaß diese hinter das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zurückzutreten haben, zumal letzteres durch die (behauptete) Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und den (behaupteten) Umstand, daß sein Lebensunterhalt gesichert sei, nicht geschmälert wird.
4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996180297.X00Im RIS seit
20.11.2000