TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/31 W235 2129116-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2020
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Entscheidungsdatum

31.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W235 2129116-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2016, Zl. 1107634410-160351008, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 sowie § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 und § 54 Abs. 1 Z 1 iVm § 54 Abs. 2 AsylG erteilt.

III. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 07.03.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.03.2016 gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er aus XXXX im Bezirk XXXX in Gambia stamme, der Volksgruppe der Mandingo angehöre und sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam bekenne. Er spreche neben Mandingo auch Englisch. Seine Eltern und sein Bruder seien bereits verstorben. Seine Schwester lebe noch in Gambia. Der Beschwerdeführer habe Gambia im Jahr 2010 verlassen und sei über den Senegal, Mauretanien und Marokko nach Spanien gelangt. Von dort aus sei er über Italien nach Österreich gereist.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater ein "erleuchteter Scheich" gewesen sei, der für Menschen gebetet habe, die von bösen Geistern besessen gewesen seien. Sein Vater sei verstorben; es wisse jedoch niemand warum. Da die Spiritualität seines Vaters auf ihn übergegangen sei, werde der Beschwerdeführer nunmehr auch verfolgt. Er werde von den Leuten verfolgt, denen sein Vater hätte helfen sollen, wofür er Geld und Kühe genommen habe, aber seine Hilfe dann nicht erbracht habe. Diese Leute hätten ihr Geld und die Kühe zurück haben wollen, was der Beschwerdeführer aber nicht habe machen können. Die Leute hätten dann gedroht, seinen Bruder zu töten. Sein Bruder sei daraufhin von einer Schlange gebissen worden und daran verstorben. In Afrika sei "dark" an der Tagesordnung. Die Leute würden versuchen, andere mit Hexerei und Zauberei zu töten. Bei einer Rückkehr nach Gambia befürchte der Beschwerdeführer, dass "sie" ihn töten würden. Mit staatlichen Sanktionen habe er nicht zu rechnen.

1.3. Am 01.06.2016 wurde der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Mandingo vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei er zunächst angab, dass es ihm gut gehe und er gesund sei. In Österreich habe er keine Verwandten und werde vom Staat versorgt. In Gambia habe er zuletzt in XXXX gelebt; das sei eine Stadt in der Western Region. Der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos. Gambia habe er im Jahr 2010 verlassen. Probleme mit den Behörden habe er nie gehabt. In Gambia habe er im Haus seines Vaters gelebt, der im Jahr 2010 vor der Ausreise des Beschwerdeführers verstorben sei. Seine Mutter sei gestorben, als der Beschwerdeführer noch ein Kind gewesen sei und auch sein älterer Bruder lebe nicht mehr. Im Herkunftsstaat habe er noch eine ältere Schwester.

Dezidiert zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater ein geistlicher Heiler und ein Medium gewesen sei. Er habe für andere Leute gearbeitet und habe hierfür Häuser oder Ziegen bekommen. Sein Vater habe den Beschwerdeführer in diese Geheimnisse der Heilung eingeweiht und habe der Beschwerdeführer ihn bei seiner Arbeit unterstützt. Einige Leute, von denen sein Vater Häuser und Kühe genommen habe, hätten gemeint, ihre Erwartungen seien nicht erfüllt worden. Es habe dann geheißen, dass man einen Zauber gegen seinen Vater angewendet habe. Dies habe ihn umgebracht. Dann hätten die Behörden interveniert, da man gesagt habe, sein Vater würde die Leute betrügen. Die Regierungsleute hätten seinem Vater dann die Papiere für die Häuser weggenommen und in der Folge auch die Häuser. Auch das Haus, in dem sein Vater gewohnt habe, habe man beschlagnahmt, um es zu verkaufen und das Geld an die Betrogenen zurückzuzahlen. Sein Vater sei ins Gefängnis gesteckt worden, wo er krank geworden sei. Danach sei er wieder entlassen worden. Davor sei der ältere Bruder des Beschwerdeführers, der die gleiche Arbeit wie der Vater gemacht habe, eines Nachts von einer Schlange gebissen worden und hätten die Leute gesagt, er wäre verhext worden. Ein Monat nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis sei sein Vater gestorben. Zu dieser Zeit habe es Kriege zwischen Heilern, Hexern etc. gegeben, worin sein Vater verwickelt gewesen sei und man gesagt habe, er sei deshalb verstorben. Dieser "Krieg" habe sich nur auf geistiger Ebene abgespielt. Man werde durch ein Ritual verflucht und gehe an heilige Orte, um jemanden zu verfluchen. Der Beschwerdeführer habe nicht mehr schlafen können und sei dann krank geworden. Er habe Albträume und Angst gehabt, dass das, was mit seinem Vater und mit seinem Bruder passiert sei, auch ihn töten würde. Die Leute würden einander verhexen. Daher sei er ausgereist. Er habe Angst um sein Leben gehabt.

Sein Vater habe Menschen geheilt, wenn diese krank geworden seien. Er habe auch für Frauen gebetet, die heiraten wollten, damit sie einen Mann finden würden. Auch Elixiere für Schulkinder, dass diese einen besseren Erfolg in der Schule hätten, habe er vorbereitet. Ferner habe sein Vater Talismane für Soldaten, die in den Krieg ziehen, gemacht und auch Zukunftsvorhersagen. Wie viele Menschen sich über seinen Vater beschwert hätten, könne er nicht genau sagen. Es seien sehr viele gewesen. Sein Vater sei auch in den Senegal gefahren, um dort zu heilen. Manche Leute seien direkt zu seinem Vater gegangen und hätten ihn bedroht. Andere seien zu den Behörden gegangen. Es habe Leute gegeben, die den Vater des Beschwerdeführers verbal bedroht und gesagt hätten, sie würden die ganze Familie töten. Andere hätten vor dem Haus Talismane vergraben um die Familie zu verfluchen. Dann sei der Beschwerdeführer krank geworden und habe die rechte Hand einen Monat nicht benutzen können. Sein Vater habe dann ein Elixier zubereitet, mit dem sich der Beschwerdeführer gewaschen habe. Auch ein Bekannter seines Vaters, ein Heiler aus dem Stamm der Fulla, habe dem Beschwerdeführer geholfen. Der Vater des Beschwerdeführers sei sechs bis sieben Monate inhaftiert gewesen. Als er krank geworden sei, sei er entlassen worden. Es hätte auch eine Gerichtsverhandlung geben sollen, aber die habe sein Vater nicht mehr erlebt. Woran er gestorben sei, wisse der Beschwerdeführer nicht. Sein Vater sei nicht ins Spital gegangen. Verletzungen habe der Beschwerdeführer nicht gesehen, aber sein Vater habe ihm gesagt, er habe Schmerzen am ganzen Körper. Von Leuten, die aufgrund der medizinischen Behandlung durch seinen Vater Schaden erlitten habe, wisse der Beschwerdeführer nichts. Ein Mann habe gewollt, dass sein Sohn eine Prüfung bestehe; das sei nicht passiert. Eine Frau habe gewollt, dass ihre Tochter einen bestimmen Mann heirate. Sein Vater habe versprochen, dass die Tochter diesen Mann innerhalb von sieben Monaten heiraten werde; das sei auch nicht passiert.

Bei einer Rückkehr nach Gambia habe der Beschwerdeführer Angst um sein Leben. Die Verwandtschaft dort sei gegen seinen Vater. Diese Verwandten kenne der Beschwerdeführer nicht, weil er nur mit seinem Vater gearbeitet habe. Er habe auch Angst, dass die Albträume wieder kämen und er durch einen Fluch sterben könnte. Auch habe er Angst vor den Menschen, denen sein Vater Häuser schuldig geblieben sei. Diejenigen, deren Papiere man beim Vater des Beschwerdeführers gefunden habe, hätten ihre Häuser zurück bekommen. Die, bei denen es um Ziegen und Ähnliches gegangen sei, hätten das Geld aus den Verkäufen der Besitztümer seines Vaters bekommen. Gefährlich seien die, die nicht zu den Behörden gegangen seien. Gambia sei ein kleines Land und jeder kenne jeden. Der Beschwerdeführer habe auch niemanden mehr, der ihm dort helfen könnte, sich gegen die Zauberei zu verteidigen.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Gambia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde ihm unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Gambia gemäß § 46 FPG zulässig ist. Letztlich wurde unter Spruchpunkt IV. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Gambia sei und an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leide. Die Ausführungen zu den Gründen für das Verlassen des Heimatlandes seien nicht glaubwürdig gewesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in sein Heimatland Verfolgung drohen würde. Es liege in seinem Fall keine Gefährdungslage bei einer Rückkehr vor. Der Beschwerdeführer bestreite seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung, arbeite nicht und spreche nicht deutsch. Er sei strafrechtlich unbescholten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 10 bis 16 des angefochtenen Bescheides unter Anführung von Quellen Länderfeststellungen zur Lage in Gambia.

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer betreffend seinen Angaben zur gambischen Herkunft Glauben geschenkt werde. Zu den Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaats und zur Situation im Fall der Rückkehr wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer nicht unterstellt werde, die Unwahrheit gesagt zu haben; allerdings könne eine Gefährdungslage, die durch einen Zauber bzw. Fluch durch Heiler und Hexen hervorgerufen werde, aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht als reelle Gefahr bewertet werden. Dass dies für den Beschwerdeführer einer glaubhaften Gefahr gleichzusetzen wäre, möge aufgrund seiner Erziehung bzw. der Kultur seines Heimatlandes durchaus zutreffen, könne allerdings von einem halbwegs vernunftbegabten Menschen nicht als real betrachtet werden. Auch sei nicht unglaubwürdig, dass die Behörden aufgrund der Anzeigen von Personen, die von seinem Vater betrogen worden seien, gegen diesen vorgegangen seien. Der Vater des Beschwerdeführer habe Menschen ihrer Besitztümer entledigt, indem er sie in dem Glauben gelassen habe, durch übersinnliche Kräfte ihre Wünsche erfüllen zu können. Dass die Behörden die vom Vater des Beschwerdeführers widerrechtlich erworbenen Häuser beschlagnahmt und an die Eigentümer zurückgegeben hätten, entspreche keiner Verfolgung, sondern einem rechtstaatlichem Prinzip. Die Behörden des Herkunftslandes hätten damit bewiesen, dass sie gegen Kriminelle vorgehen würden, um die Bevölkerung und deren Besitz zu schützen. Dass ein Fluch am Tod seines Vaters schuld sei, der von anderen Hexern ausgesprochen worden sei, sei ebenso wissenschaftlich ausgeschlossen wie die Vermutung, der Tod des Bruders durch einen Schlangenbiss sei ebenso durch einen Fluch eingetreten. Da auch die Gefahr durch andere Hexer oder Heiler lediglich auf geistiger Basis bestünde, könne auch hieraus keine Verfolgung abgeleitet werden, zumal diese auch wenig asylrelevant wäre, da der gambische Staat und seine Behörden offenbar sehr wohl in der Lage und auch gewillt seien, den Bürgern Schutz zu bieten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Privat- und Familienleben werde als glaubhaft angesehen. Die Feststellungen zu Gambia würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, seine Fluchtgründe glaubhaft bzw. auf einer wissenschaftlich fundierten Grundlage darzustellen. Abgesehen davon, dass dem Beschwerdeführer schon aus vernunftbegabtem Ermessen kein Glaube geschenkt werden könne, entspreche die Belegung mit einem Zauber oder Flucht in einer spirituellen Art keinem der Tatbestände der Genfer Flüchtlingskonvention. Zu Spruchpunkt II. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass keine exzeptionellen Umstände im Hinblick auf Gambia festgestellt hätten werden können, die die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Es bestehe auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung unzulässig machen könnten. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass ihm im Fall der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass im Fall des Beschwerdeführers keiner der Gründe für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zutreffe. Er habe keine Familie in Österreich und liege daher auch kein Eingriff in sein Familienleben vor. Der Beschwerdeführer befinde sich erst seit sehr kurzer Zeit in Österreich und regle seinen Aufenthalt im Rahmen des Asylverfahrens. Es sei die Intention des Gesetzgebers, eine Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bloß aufgrund der Asylantragstellung im Bundesgebiet aufhielten, zu verhindern. Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis Abs. 3 BFA-VG zulässig. Gegen den Beschwerdeführer werde mit diesem Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen. Letztlich wurde unter Spruchpunkt IV. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides bzw. im Fall der Einbringung einer Beschwerde mit Zustellung eines abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes festgesetzt.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 23.06.2016 (offensichtlich mit Unterstützung der Rechtsberaterorganisation) fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus einer Familie traditioneller Heiler (sogenannter Marabouts) stamme. Die spirituellen Kräfte seines Vaters seien auf den Beschwerdeführer übergegangen, was auch die Verfolger des Vaters so sehen würden. Der Beschwerdeführer könne nicht ausschließen, dass die Verfolger gegen ihn auch körperliche Gewalt anwenden würden. In Gambia habe er nichts mehr, da die Besitztümer des Vaters zur Entschädigung der Personen, die sich von ihm betrogen fühlten, verwendet worden seien. Der Beschwerdeführer lerne Deutsch und habe trotz der kurzen Aufenthaltsdauer schon viele Kontakte geknüpft. Die Behörde lasse unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer selbst von der spirituellen Gefahr, die von seinen Verfolgern ausgehe, überzeugt sei. Der Beschwerdeführer habe in ständiger Angst gelebt, krank zu werden oder zu sterben.

Man könne Berichten entnehmen, dass in Gambia gegen Hexen und Hexenmeister vorgegangen werde. Dies zeige die Ambivalenz hinsichtlich übernatürlicher Kräfte in Gambia und dass sich die Gefährdungslage je nach Stimmung des als eigenwillig zu bezeichnenden Staatschefs [gemeint: Yahya Jammeh] schnell ändern könne. Es zeige sich auch, dass gegen Heiler, Hexen und dergleichen ebenso von staatlicher Seite vorgegangen werde, wenn das Resultat der "Behandlung" nicht so ausfalle wie versprochen. Es sei weniger eine Ablehnung von Hexerei und Heilern, sondern werde im Fall des Versagens der Heilkünste gegen die Heiler vorgegangen. Ein weiterer Bericht belege die Hexenverfolgung, die 2009 in Gambia stattgefunden habe. Die im angefochtenen Bescheid verwendeten Berichte würden keine Informationen über den Aspekt der Hexenverfolgung und der Hexerei in Gambia enthalten. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung ausgehend von Privatpersonen wegen seiner Zugehörigkeit zu seiner Familie und wegen der von der Gesellschaft in Gambia in ihm gesehenen Eigenschaft als Marabout verlassen. Gambia sei nicht willens den Beschwerdeführer zu schützen bzw. sei nicht vorhersehbar, wie sich die vom Staatspräsidenten gelenkten Sicherheitskräfte im Fall des Beschwerdeführers verhalten würden.

Der Beschwerde beigelegt waren zehn Seiten undatierter Berichte in englischer Sprache ohne Quellenangaben, die sich im Wesentlichen auf den vormaligen Präsidenten Gambias Yahya Jammeh und auf Ereignisse in den Jahren 2007 und 2009 beziehen. Unter anderem wurde auch über die "Hexenjagd" im März 2009 berichtet, derzufolge Präsident Jammeh nach dem Tod seiner Tante, die an "Magie" verstorben sein soll, Hexenjäger ins Land geholt hat, die mehr als 1000 Dorfbewohner in geheime Haftzentren gebracht und diese zum Trinken halluzinogener Kräutermixturen sowie zum Geständnis der Hexerei gezwungen haben (vgl. z.B. AS 179). Ein Vorbringen wurde hierzu allerdings nicht erstattet; auch wurde kein Bezug zur Person des Beschwerdeführers hergestellt.

4. Im Beschwerdeverfahren wurden mit Urkundenvorlagen vom 08.05.2017, vom 14.09.2017 und vom 15.03.2019 nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* Teilnahmebestätigungen an "Deutsch-Lerngruppen" des österreichischen Integrationsfonds vom XXXX .12.2016, vom XXXX .04.2017, vom XXXX .06.2017, vom XXXX .10.2017, vom XXXX .11.2017, vom XXXX .12.2017, vom XXXX .01.2018, vom XXXX .03.2018, vom XXXX .03.2018, vom XXXX .05.2018, vom XXXX .05.2018, vom XXXX .07.2018, vom XXXX .08.2018 und vom XXXX .09.2018;

* Deutschkursbesuchsbestätigung der XXXX vom XXXX .02.2017;

* Deutschkursbesuchsbestätigung einer Privatperson vom XXXX .04.2017;

* ÖSD Zertifikat "Deutsch Österreich B1" mit der Beurteilung "ausreichend bestanden" vom XXXX .04.2018;

* ÖSD Zertifikat A2 mit der Beurteilung "gut bestanden" vom XXXX .11.2017;

* ÖSD Zertifikat A1 mit der Beurteilung "gut bestanden" vom XXXX .05.2017;

* Bestätigung einer niederösterreichischen Straßenzeitung vom XXXX .07.2017, dass der Beschwerdeführer seit XXXX .09.2016 als Straßenzeitungsverkäufer tätig ist;

* Teilnahmebestätigung an einem Unternehmensberatungskurs mit einer Kursdauer von XXXX .08.2017 bis XXXX .12.2018;

* Kursbesuchsbestätigung "Deutsch A2 - Teil 1 und 2 (von 4)" einer Volkshochschule vom XXXX .07.2017;

* Teilnahmebestätigung und Erfolgsnachweis von " XXXX " über ein Projekt zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses mit einer Kursdauer von XXXX .02.2018 bis XXXX .12.2018 und

* Zeugnis über die bestandene Pflichtschulabschlussprüfung vom XXXX .03.2019

5. Am 22.01.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Mandingo statt, an der der Beschwerdeführer und seine bevollmächtigte Vertreterin teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich mit E-Mail vom 12.11.2019 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation in Gambia zur Kenntnis gebracht. Angemerkt wird, dass der Beschwerdeführer in der Lage war, die Verhandlung über weite Strecken hinweg in deutscher Sprache ohne bzw. nur mit geringer Hilfestellung durch die Dolmetscherin zu führen.

Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei. Er befinde sich nicht in medizinischer Behandlung und nehme auch keine Medikamente. Die Niederschriften der Erstbefragung und vor dem Bundesamt seien ihm rückübersetzt worden und er habe die Wahrheit gesagt. Die Dolmetscher in der Erstbefragung und in der Einvernahme habe er gut verstanden. Er sei ledig und habe keine Kinder. Der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Gambia, Zugehöriger zur Volksgruppe der Mandingo und Moslem. Probleme wegen seiner Religion oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er in seinem Herkunftsstaat nicht gehabt. Er beherrsche Englisch, Deutsch und Arabisch in Wort und Schrift; Französisch und Spanisch könne er nur sprechen. Darüber hinaus spreche der Beschwerdeführer Mandingo.

Zu seinen Wohnorten, zu seinen Familienangehörigen und zu seinem Leben in Gambia gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater und seine Mutter schon verstorben seien. Seine Schwester sei verheiratet und lebe noch in XXXX . Der Beschwerdeführer selbst sei auch in XXXX geboren und aufgewachsen. Seine Mutter sei verstorben, als er noch klein gewesen sei. Wer nunmehr in seinem Elternhaus lebe, wisse er nicht. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt mehr nach Gambia. Zehn Jahre lang habe er in Gambia die Schule besucht und danach als Arabischlehrer gearbeitet. Nebenbei sei er gelegentlich als Maurer und Holzfäller tätig gewesen. Seine wirtschaftliche Situation sei "ok" gewesen.

Zu seiner Integration in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich viele Freunde habe. Er habe auch eine Freundin, mit der er jedoch nicht in einer Lebensgemeinschaft lebe. Seit dem Jahr 2017 seien sie zusammen. Seine Freundin sei Österreicherin und 21 Jahre alt. Sie hätten sich in der Stadtbücherei bei der XXXX getroffen. Seine Freundin habe Medizin studieren wollen, habe aber die Zulassungsprüfung nicht geschafft. Normalweise würden sie sich zwei- bis dreimal pro Woche treffen und die Wochenenden miteinander verbringen. Er kenne auch die Eltern seiner Freundin. Ihre Mutter arbeite als Sekretärin bei der Gemeinde und unterstütze ihn auch. Sie kaufe ihm Bücher und motiviere ihn sehr. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch und habe mehrere Kurse gemacht. Zwischendurch habe er gearbeitet und Zeitungen verkauft. Weiters habe er Motivationsschreiben für verschiedene Bereiche verfasst und habe auch freiwillig in der Altenpflege gearbeitet. Er habe auch schon die Aufnahmeprüfung für einen Lehrgang als Heimhilfe gemacht und warte aktuell auf das Ergebnis. Den Pflichtschulabschluss habe er auch gemacht und besuche nunmehr die Bundeshandelsakademie in XXXX . Er habe zuerst ein Jahr lang eine Übergangsstufe besucht und dann die Zulassungsprüfung für die Matura gemacht. Diese habe er geschafft und bereite sich nunmehr auf die Matura vor. Insgesamt werde es sechs Semester dauern; nunmehr sei er im ersten Semester. Zurzeit mach der Beschwerdeführer Schularbeitsprüfungen. Ehrenamtlich mache er freiwillige Dienste bei der XXXX und beim XXXX . Er betreue ältere Leute, beispielsweise besuche er mit ihnen Sehenswürdigkeiten oder gehe mit ihnen einkaufen, mache aber auch Heimhilfe. In Österreich habe er viele Freunde und Bekannte. Er fühle sich gut in Österreich. Der Beschwerdeführer gehe auch laufen. Er treffe manchmal einen Freund, um gemeinsam Hausübungen zu machen. Weiters lese er gerne und besuche oft die Bücherei.

Zu seinen Reisebewegungen und zu seinen Fluchtgründen befragt wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er habe Gambia im Jahr 2010 verlassen und sei zunächst in den Senegal gefahren. Dort habe er eine Zeit lang gearbeitet und sei dann weiter nach Mauretanien gereist, wo er ebenfalls Geld verdient habe. Von Mauretanien sei er nach Marokko gelangt und habe auch dort gearbeitet. Wie lange er jeweils im Senegal, Mauretanien und Marokko gewesen sei, könne er nicht mehr sagen. Von Marokko sei er nach Spanien gereist und dann mit dem Zug über Italien nach Österreich. Schlepperunterstützung habe er nicht in Anspruch genommen.

Sein Vater sei ein "Marabout" gewesen. Das sei ähnlich wie ein "Voodoodoktor", zu dem man gehe, wenn man Sorgen oder Probleme habe. Leute seien zu seinem Vater gekommen, weil sie keine Kinder bekommen könnten oder weil sie krank seien oder wenn man heiraten wolle. Sein Vater habe auch Medikamente gemacht für Kinder, damit sie besser in der Schule werden würden. Dafür hätten ihm die Leute Grundstücke, Häuser, Geld oder Tiere gegeben. Seinem Vater sei vorgehalten worden, dass seine Versprechen nicht in Erfüllung gegangen seien. Dann hätten sie die Sachen zurückgewollt, die sie seinem Vater gegeben hätten. Sein Vater habe sich geweigert und das sei dann zum Problem geworden. Manche Leute hätten seien Vater angezeigt und zur Polizei gebracht. Es seien viele Leute gewesen; wie viele könne der Beschwerdeführer nicht sagen. Die Polizei habe ihm gesagt, dass er den Leuten die Sachen zurückgeben müsse, weil nichts in Erfüllung gegangen sei. Auch hätte die Polizei das Haus des Vaters durchsucht und ihm manche Sachen weggenommen. Dann sei er sechs oder sieben Monate im Gefängnis gewesen. Die Leute hätten gesagt, sie würden ihn entweder bei Gericht oder durch Zauberei "fertigmachen". Sein Vater habe dem Beschwerdeführer gesagt, dass durch Zauberei in der Nacht eine Schlange gekommen sei, die seinen älteren Bruder getötet habe. Das sei gewesen, bevor sein Vater ins Gefängnis gekommen sei. Sein Bruder sein kein Heiler, sondern ein Verkäufer gewesen. Als der Bruder getötet worden sei, hätten "sie" das nicht gesagt, aber der Beschwerdeführer glaube, er sei durch Zauberei gestorben. Nachdem sein Vater aus dem Gefängnis entlassen worden sei, sei er immer krank gewesen und habe geglaubt, das komme durch die Zauberei, die jetzt gegen ihn gerichtet werde. Ein Monat später sei er gestorben. Nach dem Tod seines Vaters sei ein Freund des Vaters zum Beschwerdeführer gekommen und habe ihm gesagt, er müsse hier weg, weil das Problem seines Vaters werde an ihn weitergegeben. Auch seine Schwester habe das gesagt. Er werde durch Zauberei sterben und niemand werde wissen, wer das getan habe. Sein Vater habe diese Probleme "schon immer", auch vor der Geburt des Beschwerdeführers gehabt und zwar immer dann, wenn die Versprechen nicht in Erfüllung gegangen seien. Der Beschwerdeführer wisse es zwar nicht genau, aber er glaube, sein Vater sei durch Zauberei gestorben. Wieso diese Zauberei erst jetzt angewendet worden sei und nicht schon zuvor, als es ebenfalls schon zu Problemen gekommen sei, könne der Beschwerdeführer nicht sagen. Das wisse er nicht. Sein Vater habe ihn auch diese "Geheimnisse der Heilung" gelehrt. Es gebe im Koran Beschreibungen, die wie Rezepte seien und daraus könne man Getränke machen, die dann gewisse Wirkungen hätten wie beispielsweise, dass man ein Kind bekomme oder eben kein Kind oder man könne jemanden kennenlernen, den man dann heirate. Manchmal habe sein Vater mit diesen Tätigkeiten auch Erfolg gehabt. Probleme habe es mit den Leuten gegeben, die ihre Sachen nicht zurückbekommen hätten.

Der Beschwerdeführer sei auch oft persönlich bedroht worden. Die Leute seien zu ihm gekommen und hätten gesagt, dass sein Vater ihre Wünsche nicht erfüllt hätte und sie auch ihm etwas tun würden. Das sei sowohl vor als auch nach dem Tod seines Vaters passiert. Die Polizei habe gesagt, sie würden das Haus verkaufen, das seinem Vater gehört habe und aus dem Erlös die Leute bezahlen. Ob das passiert sei, wisse der Beschwerdeführer allerdings nicht. Eine Entschädigung vom Beschwerdeführer hätten die Leute nicht verlangt, aber jedes Mal, wenn sie ihn bedroht hätten, hätten sie gesagt, dass entweder sein Vater oder er ihnen diese Sachen zurückgeben solle. Er habe sowohl vor körperlichen als auch vor "zauberhaften" Angriffen Angst, weil wenn er hier in Österreich krank sei, denke er immer, dass "sie" kommen würden. Deswegen gehe er laufen, wenn er krank sei, damit er "das" nicht in Gedanken habe. Befragt zu den Talismanen, die vor seinem Elternhaus vergraben worden seien, gab der Beschwerdeführer an, damals habe ihm sein rechter Arm ein ganzes Monat lang wehgetan, der Daumen sei geschwollen gewesen und er habe den Arm nicht bewegen können. Ein Freund seines Vaters, der auch Zauberer sei, habe ihm gesagt, das sei wegen der Talismane passiert. Dieser Freund habe ihm dann geholfen und habe den Beschwerdeführer geheilt. Probleme mit den Behörden in Gambia habe der Beschwerdeführer nie gehabt. Auf Vorhalt der Ansicht des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid, eine Gefährdungslage durch Zauber bzw. Heiler oder Hexen könne nicht als reelle Gefahr bewertet werden, antwortete der Beschwerdeführer wörtlich: "Was das BFA gesagt hat, kann ich nicht verneinen. Das ist das, was sie glauben. Das ist das, was in meinem Land passiert und was ich glaube. Deswegen habe ich das gesagt und ich habe Angst davor." Er glaube auch, wenn er ein bisschen krank sei oder einen schlechten Traum habe, dass das durch Zauberei sei. Deshalb sei er aus Gambia weggegangen; aus Angst vor Zauberei. Auf Vorhalt der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.01.2015, derzufolge es nach 2009 nur einen Vorfall mit einer Hexe im Jahr 2014 gegeben habe, brachte der Beschwerdeführer vor, es passiere jeden Tag, aber es werde nicht immer geschrieben, wenn es passiere. Damals sei noch der alte Präsident an der Macht gewesen, der habe alle Hexen und Heiler vertreiben wollen. Der neue Präsident kümmere sich nicht darum, da er nicht daran glaube. Der Beschwerdeführer kenne nur XXXX , wo er gewohnt habe. Er könne nicht an einen anderen Ort ziehen, weil er in XXXX geboren und aufgewachsen sei. Dort kenne er sich aus. Gambia sei klein und jeder kenne jeden. Wenn man in eine andere Stadt in Gambia ziehe, müsse man auch nach XXXX , weil dort die gesamte Infrastruktur sei. Obwohl Gambia so klein sei, finde er seine Schwester nicht, da die Kontakte, die er habe, seine Schwester nicht kennen würden. Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich integriert und gearbeitet. Er wolle die Ausbildung zur Heimhilfe machen und vermute, dass er im nächsten oder in den nächsten beiden Monaten schon ein Praktikum machen könne.

Neben der Vollmacht für die vertretende Rechtsberaterorganisation legte der Beschwerdeführer in der Verhandlung nachstehende, bis dato noch nicht im Akt befindliche, Unterlagen vor:

* ÖSD Zertifikat B2 mit der Beurteilung "bestanden" vom XXXX .07.2019;

* Teilnahmebestätigung des österreichischen Integrationsfonds am "Werte- und Orientierungskurs" vom XXXX .10.2018;

* Bestätigung des Abschlusses des Lehrgangs "Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch" einer Bundeshandelsakademie vom XXXX .06.2019 mit ausschließlich positiven Benotungen samt Schulbesuchsbestätigung vom XXXX .03.2019, dass der Beschwerdeführer seit November [2018] Vollzeitstudent an der vom Unterrichtsministerium für Flüchtlinge und Asylsuchende bewilligten Übergangsklasse 1 ist;

* Schulbesuchsbestätigungen einer Bundeshandelsakademie für Berufstätige vom XXXX .11.2018, vom XXXX .09.2018 und vom XXXX .01.2020, dass der Beschwerdeführer seit 12.11.2018 diese Schule besucht;

* Information dieser Bundeshandelsakademie für Berufstätige vom XXXX .06.2019 zum Unterrichtsbeginn des Schuljahres 2019/2020;

* Motivationsschreiben samt Anmeldeformular zum Lehrgang für Heimhilfe für das Schuljahr 2019/2020 vom XXXX .08.2019;

* Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom XXXX .03.2019;

* drei Empfehlungsschreiben für den Beschwerdeführer und

* ein Klassenfoto vom Schuljahr 2019/2020

6. Am 05.02.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zu Gambia beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher ausgeführt wurde, dass das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.10.2018 nicht aktuell sei. Es gebe in Gambia immer wieder Proteste gegen den aktuellen Präsidenten und für die Rückkehr des abgewählten Diktators. Am 26.01.2020 seien durch gewaltsames Vorgehen der Sicherheitskräfte 137 oppositionelle Demonstranten festgenommen worden, was von Amnesty International verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei in Österreich gut integriert, gehe hier zu Schule, habe eine [namentlich genannte] österreichische Partnerin und ein soziales Leben in Österreich. Die Integrationsumstände würden die vom Verwaltungsgerichtshof normierten Kriterien übertreffen. Der Beschwerdeführer beherrsche Deutsch auf dem Niveau B2, mache eine Ausbildung mit Matura und habe sich für einen Lehrgang zur Heimhilfe angemeldet. Eine Rückkehrentscheidung sei daher auf Dauer unzulässig.

Der Stellungnahme beigelegt war der erwähnte Bericht von Amnesty International (undatiert, in englischer Sprache) sowie ein Foto, auf dem der Beschwerdeführer mit seiner Freundin zu sehen sein soll (auf dem Foto ist außer schemenhafter Konturen nichts erkennbar).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Gambia, Zugehöriger der Volksgruppe der Mandingo und moslemischen Glaubens. Er stammt aus XXXX in der Western Region von Gambia, wo er geboren und in seinem Elternhaus aufgewachsen ist. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Er verließ Gambia im Laufe des Jahres 2010 und reiste zunächst in den Senegal, von dort aus nach Mauretanien und schließlich nach Marokko, wo er jeweils mehrere Monate oder Jahre gearbeitet und Geld verdient hat. Von Marokko aus gelangte er nach Spanien und fuhr von dort aus mit dem Zug über Italien nach Österreich, wo er nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 07.03.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.2. Der Beschwerdeführer hat Gambia verlassen, da er Angst hat, Zauberei oder Hexerei zum Opfer zu fallen, die von Personen ausgeht, die von seinem verstorbenen Vater - der behauptet hat, ein spiritueller Heiler, ein sogenannter "Marabout" zu sein - aufgrund von nichterfüllten Wünschen für ihre vorab erbrachten Leistungen Entschädigung verlangten und diese nicht - auch nicht mit behördlicher Hilfe - erhalten haben. Körperlichen Angriffen im Sinne von Schlägen oder Attacken mit Waffen war der Beschwerdeführer von Seiten dieser Personen nicht ausgesetzt. Ebenso wenig haben diese Leute eine finanzielle Entschädigung vom Beschwerdeführer verlangt. Nicht festgestellt wird, dass der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers aufgrund von Zauberei oder Hexerei verstorben sind. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall von tatsächlichen körperlichen Angriffen den Schutz des gambischen Staates in Anspruch nehmen könnte.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Gambia aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Mandingo und/oder aus Gründen seines moslemischen Glaubens einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Gambia aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er befindet sich weder in medizinischer Behandlung noch nimmt er Medikamente.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine gesicherte Existenzgrundlage in Gambia. Er besuchte in Gambia zehn Jahre lang die Schule, hat danach als Arabischlehrer gearbeitet und war nebenbei gelegentlich als Maurer sowie Holzfäller tätig. Seine wirtschaftliche Situation bezeichnete er selbst als "ok". Der Beschwerdeführer beherrscht neben seiner Muttersprache Mandingo Englisch, Deutsch und Arabisch in Wort und Schrift und kann sich in Spanisch und Französisch mündlich verständigen. Er ist erwerbsfähig und hat eine Schwester in Gambia, zu der zwar aktuell kein Kontakt besteht, es ihm allerdings zumutbar ist, diesen Kontakt zu seiner Schwester wieder herzustellen.

Festgestellt wird sohin, dass der durchaus gebildete Beschwerdeführer, der mehrere Sprachen beherrscht, über eine abgeschlossene Schulausbildung sowie über Berufserfahrung sowohl als Arabischlehrer als auch als Handwerker (Maurer und Holzfäller) verfügt und arbeitsfähig ist sowie, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Gambia sein (bestehendes) familiäres bzw. soziales Netz wieder aufbauen kann und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würde.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerde-führers nach Gambia eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.1.4. Seit Beginn seines Aufenthalts hat der Beschwerdeführer zahlreiche Maßnahmen zu seiner Integration gesetzt und ist in jeglicher Hinsicht als überdurchschnittlich in die österreichische Gesellschaft integriert anzusehen. Der Beschwerdeführer hat zahlreiche Deutschkurse - zuletzt auf der Niveaustufe B2 - absolviert und ist in der Lage, sich in Deutsch auf einem hohen Niveau zu verständigen. Der mündlichen Verhandlung konnte er über weite Strecken ohne Zuhilfenahme der Dolmetscherin folgen sowie an dieser aktiv teilhaben. Ferner hat der Beschwerdeführer den Werte- und Orientierungskurs absolviert. Der Beschwerdeführer ist arbeitswillig und ist seit XXXX .09.2016 als Verkäufer eine Straßenzeitung tätig. Darüber hinaus arbeitet er freiwillig bzw. ehrenamtlich in der Altenpflege bzw. bei der Betreuung älterer Menschen und hat bereits die Aufnahmeprüfung für einen Lehrgang als Heimhilfe gemacht. Der Beschwerdeführer hat in Österreich seinen Pflichtschulabschluss nachgeholt, hat danach einen Übergangslehrgang für den Besuch einer Handelsakademie im Juni 2019 positiv abgeschlossen und besucht aktuell eine Handelsakademie für Berufstätige, die nach sechs Semestern mit Matura abschließt. An weiteren Ausbildungsmaßnahmen hat der Beschwerdeführer in Österreich von XXXX .08.2017 bis XXXX .12.2018 einen Unternehmensberatungskurs besucht. Seit dem Jahr 2017 führt der Beschwerdeführer in Österreich eine altersentsprechende, partnerschaftliche Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Er sieht seine - in etwa gleichaltrige - Freundin mehrmals wöchentlich, verbringt mit ihr seine Freizeit und hat auch Kontakt zu ihrer Familie. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über zahlreiche Freunde und Bekannte im Bundesgebiet. Ferner verbringt er gerne Zeit in der Bücherei und geht laufen. Daher ist der Beschwerdeführer in gesellschaftlicher, sozialer, sprachlicher und - bezogen auf seine Arbeit als Zeitungsverkäufer bzw. auf seine ehrenamtliche, freiwillige Tätigkeit in der Altenpflege - wohl auch in beruflicher Hinsicht als außerordentlich gut integriert anzusehen. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Weiters wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer aufgrund der von ihm gesetzten, überdurchschnittlichen Integrationsmaßnahmen in mehrfacher (beruflicher, sozialer, gesellschaftlicher, sprachlicher) Hinsicht einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Privatleben darstellt. Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" erfüllt.

1.2. Zur Lage in Gambia:

1.2.1. Politische Lage:

Gambia ist eine Präsidialrepublik. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Präsident Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 18.9.2018). Präsident Barrow war Anfang 2017 in sein Amt eingeführt worden, nachdem er die Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2016 gegen den langjährigen Gewaltherrscher Yahya Jammeh gewonnen hatte (AA 3.8.2018).

Seit den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet werden (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018; FH 1.2018), befindet sich das Land in einem tief greifenden und anhaltenden demokratischen Transformations- und Demokratisierungsprozess. Der seit 22 Jahren autoritär regierende Präsident, Yaya Jammeh, wurde abgewählt und durch Adama Barrow ersetzt.

Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia (KAS 16.5.2018; vgl. FH 1.2018; HRW 18.1.2018), um die Sicherheit des Transformationsprozesses und der aktuellen Regierung zu gewährleisten (KAS 16.5.2018). Die internationale Gemeinschaft hat der Barrow - Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung gewährt, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung vergangener Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018).

Barrow spricht von einem "neuen Gambia" - öffnet seither das Land nach außen und reformiert es nach innen (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Direkt nach seiner Amtsübernahme erklärte Barrow sein Land zur Republik und ließ den Zusatz "Islamische Republik" streichen. Er stärkt die Freiheit der Bürger, indem Militär- und Polizei-Checkpoints im Land reduziert werden und der Stellenwert von Meinungs- und Pressefreiheit öffentlich beteuert wurde (KAS 16.5.2018). Am 13. 12.2017 wurde das Gesetz der Wahrheits-, Versöhnungs- und Reparationskommission (TRRC) von der Nationalversammlung verabschiedet und vom Präsidenten am 13.1.2018 bestätigt (LHG 2018). Darüber hinaus soll die Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC) ihre Arbeit aufnehmen, um das in zwei Jahrzehnten Diktatur begangene Unrecht zu sammeln und aufzuarbeiten (AA 3.8.2018; vgl. KAS 16.5.2018; LHB 2018). In den meisten Fällen gab es keine wirksamen Ermittlungen und die Täter wurden nicht vor Gericht gestellt. Das TRRC-Gesetz sieht die Erstellung einer historischen Aufzeichnung über Art, Ursachen und Ausmaß der im Zeitraum Juli 1994 bis Januar 2017 begangenen Verstöße und Verletzungen der Menschenrechte und die Gewährung einer Entschädigung für die Opfer vor (LHG 2018).

Ein wichtiges Reformvorhaben der Regierung Barrow ist der am 6.2.2018 vorgestellte nationale Entwicklungsplan (The Gambia National Development Plan), der als Grundlage der Beratung der Geberkonferenz am 22.5.2018 in Brüssel gilt. Der Entwicklungsplan betont die Wichtigkeit von Demokratie, guter Regierungsführung, Menschenrechte, sowie Sicherheit und Wohlstand für alle (KAS 16.5.2018). Die innenpolitische Reformbereitschaft Barrows in Gambia wird auch durch das Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe deutlich, das am 18.2.2018 in Kraft trat. Vorerst wurden keine Hinrichtungen mehr vorgenommen, die Abschaffung der Todesstrafe soll noch folgen (KAS 16.5.2018).

In Gambia fanden am 12.4.2018 und am 12.5.2018 Lokal- und Kommunalwahlen statt. Die Wahlen verliefen friedlich ohne Zwischenfälle (KAS 16.5.2018; vgl. UNSC 29.6.2018). Als Bürgermeisterin in der Hauptstadt Banjul wurde mit Rohey Malick Lowe, erstmals eine Frau gewählt (KAS 16.5.2018). Die Vereinigte Demokratische Partei unter der Leitung von Außenminister Ousainou Darboe gewann die Mehrheit der Sitze, während die Alliance for Patriotic Reorientation and Construction of Ex-Präsident Yahya Jammeh weniger als 15 % der Sitze erlangte. In der Zwischenzeit hat die Regierung weitere Fortschritte gemacht bei der eine Reihe von Reformprozessen, unter anderem in den Bereichen Sicherheitssektor Reform und Übergangsjustiz, durchgeführt wurden (UNSC 29.6.2018).

Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Gambias ähneln einer Herkulesaufgabe und stehen unter Zeitdruck. Die Bevölkerung erwartet sichtbare Resultate in der Dezentralisierung des Landes, in der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie in der Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation. Dazu gehört auch ein Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, die Reform des Sicherheitsapparates, die Aufarbeitung der Schreckenstaten während des Jammeh-Regimes und die sichtbare Entwicklung der Infrastruktur des Landes (KAS 16.5.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624#content_0, Zugriff 18.9.2018;

* AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): AA-Bericht Gambia,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442719/4598_1536326072_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-gambia-stand-juli-2018-03-08-2018.pdf, Zugriff 18.9.2018;

* FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/281635/411922_de.html, Zugriff 18.8.2016;

* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html, Zugriff 18.9.2018;

* KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500,

Zugriff 4.9.2018;

* LHB - Law Hub Gambia (2018): Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC) Act, https://www.lawhubgambia.com/truth-reconciliation-reparations-commission/, Zugriff 27.9.2018;

* UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff 6.9.2018 und

* USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Gambia, The,

http://www.ecoi.net/local_link/322484/461961_de.html, Zugriff 22.8.2016

1.2.2. Sicherheitslage:

Laut France Diplomatie wird im gesamten Staatsgebiet zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen (FD 18.9.2018; vgl. BMEIA 18.9.2018), vor allem in entlegenen Teilen entlang der südlichen Grenze zum Senegal (BMEIA 18.9.2018). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont. Angesichts möglicher terroristischer Aktivitäten in der ganzen Region Westafrika können jedoch auch in Gambia Anschläge gegen westliche Einrichtungen oder Staatsangehörige nicht ausgeschlossen werden (AA 18.9.2018). Im Rest des Landes wird ein erhöhtes Sicherheitsrisiko ausgerufen (BMEIA 18.9.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624#content_0, Zugriff 18.9.2018;

* BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (18.9.2018): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 18.9.2018 und

* FD - France Diplomatie (18.9.2018): Conseils par pays, Gambie, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/gambie/, Zugriff 18.9.2018

1.2.3. Rechtsschutz / Justizwesen:

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz (USDOS 20.4.2018). Die Verfassung garantiert allen Bürgern den Zugang zu einer unabhängigen Justiz und das Recht auf Verteidigung (EASO 12.2017).

Nach dem Regierungswechsel Anfang 2017 kündigte Barrow an, dass er Jammehs Entscheidung, Gambia den Internationalen Strafgerichtshof zu verlassen, rückgängig machen werde (EASO 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Er ernannte einen ehemaligen Sonderbeauftragten und Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda auf die höchste Position der gambischen Justiz. Barrow erklärte, dies seien Zeichen der Unabhängigkeit der Justiz und Schritte auf dem Weg zur institutionellen und rechtlichen Reform (EASO 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018).

Im ersten Amtsjahr hat die Regierung Barrows eine Justiz- und Verfassungsreform angestoßen (AA 3.8.2018). Auch Amnesty International forderte Ende April 2017 die Regierung auf, Reformen durchzuführen und mehr Mittel in folgenden Bereichen der Justiz bereitzustellen: die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz zu stärken; Organisationen wie die National Agency for Legal Aid (NALA), die Gambia Bar Association und die Female Lawyers Association Gambia zu unterstützen; sicherzustellen, dass Folter als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird (EASO 12.2017).

Die Justiz wird durch Korruption und Ineffizienz behindert und die Exekutive dominiert die gerichtlichen Verfahren. Von Februar bis November 2017 ernannte Barrow neue Richter am Obersten Gerichtshof (FH 1.2018; vgl. EASO 12.2017; HRW 18.1.2018; USDOS 20.4.2018), ein Schritt, welchen die Gambia Bar Association lobte (FH 1.2018). Die Richter verpflichteten sich, das Justizsystem zu reformieren und seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018;

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - The Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428746.html, Zugriff 18.9.2018;

* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html Zugriff 18.9.2018 und

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - The Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430134.html, Zugriff 18.9.2018

1.2.4. Sicherheitsbehörden:

Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Das Militärpersonal der ECOWAS bleibt auf Einladung des Präsidenten weiterhin im Land (USDOS 20.4.2018).

Die Gambia Armed Forces - GFA (Streitkräfte) ist für die externe Verteidigung zuständig und steht unter der Aufsicht des Oberbefehlshabers der Streitkräfte und Verteidigungsminister, eine Position, die der Präsident innehat (USDOS 20.4.2018; vgl. EASO 12.2017). Der Nationale Geheimdienst untersteht direkt dem Präsidenten (EASO 12.2017). Das Innenministerium ist für die Gambia Police Force (GPF) verantwortlich, die die innere Sicherheit gewährleistet (USDOS 20.4.2018; vgl. EASO 12.2017). Die Abteilung für Einwanderung fällt in die Zuständigkeit des Innenministeriums und ist für Migration und Grenzkontrolle zuständig. Straflosigkeit war unter dem Jammeh-Regime weit verbreitet. Ehemalige Beamte der NIA (Geheimdienst) stehen wegen Foltervorwürfen vor Gericht (USDOS 20.4.2018).

Im Februar 2017 wurde die National Intelligence Agency (NIA), die unter der früheren Regierung Folter und willkürliche Inhaftierung praktizierte, in State Intelligence Services (SIS) umbenannt und ihre Haftbefugnisse wurde aufgehoben (AI 22.2.2018; vgl. EASO 12.2017; USDOS 20.4.2018). Laut Menschenrechtsorganisationen unterhielt die NIA ihre eigenen Haftanstalten. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition warfen der NIA wiederholt Verbrechen wie übermäßige Gewaltanwendung, illegale Verhaftung, Folter und Tötung vor. Der neue Präsident Barrow ließ die Führungsspitzen der NIS verhaften und kündigte an, die Vorwürfe zu untersuchen (EASO 12.2017). Auch die Leiter von Polizei, Gefängnis und Militär wurden ausgetauscht (AI 22.2.2018). Selbst nach dem Regierungswechsel gibt es Berichte über die Anwendung von Gewalt durch die Polizei. Innerhalb des Innenministeriums wurde eine Stelle geschaffen, die Vorwürfe wegen Fehlverhaltens und Menschenrechtsverletzungen durch Polizeibeamte untersucht (EASO 12.2017).

Quellen:

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Gambia,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425363.html, Zugriff 18.9.2018;

* EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018 und

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - The Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430134.html,

Zugriff 18.9.2018

1.2.5. Allgemeine Menschenrechtslage:

Der neue Präsident Adama Barrow machte deutlich, dass ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung darin bestehen würde, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten (EASO 12.2017).Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen; mangelnde Verantwortlichkeit in Fällen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich Vergewaltigung und FGM; Menschenhandel und Kinderarbeit (USDOS 20.4.2018).

Das Menschenrechtsklima in Gambia hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barrow deutlich verbessert (HRW 18.1.2018). Die neue Regierung versprach, Gambia zur "Menschenrechtshauptstadt Afrikas" zu machen, ließ zahlreiche politische Gefangene frei und begann, die Justiz zu stärken und die Sicherheitsdienste zu reformieren. Die internationale Gemeinschaft leistete der Regierung Barrow erhebliche finanzielle Unterstützung, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung früherer Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018). Mitglieder des Jammeh-Regimes werden nicht systematisch verfolgt (EASO 12.2017).

Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Verfassung garantiert und seit Amtsübernahme der Regierung durch Barrow werden diese staatlicherseits respektiert und gewährleistet (AA 3.8.2018; vgl. FH 1.2018; HRW 18.1.2018; USDOS 20.4.2018). Die neue Regierung unternahm mehrere bedeutende Anstrengungen, um ein günstigeres Umfeld für die Meinungsfreiheit zu schaffen. Die Verfassung und das Gesetz sehen die Meinungsfreiheit, auch für die Presse, vor, und die Regierung respektierte dieses Recht (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018; HRW 18.1.2018). Tageszeitungen veröffentlichten regierungskritische Artikel, ohne Angst vor Vergeltung. Radiosender strahlen regelmäßig Sendungen mit politischem und zivilen Diskursen aus (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Radioprogramme, Nachrichten-Websites und Fernsehsender sind in Gambia online zugänglich. Internationale Sender wie die BBC, Voice of America und Nachrichten-Websites aus der Diaspora, die der Regierung Jammeh sehr kritisch gegenüberstanden, bleiben eine wichtige Informationsquelle (EASO 12.2017).

Die gesetzlichen Regelungen aus der Jammeh-Ära, welche die Pressefreiheit stark eingeschränkt haben, wurden im Mai 2018 vom Obersten Gerichthof weitestgehend für verfassungswidrig erklärt. Die Barrow-Regierung hat das Gesetz seit Amtsantritt nicht angewendet. Seit dem Regierungswechsel liegen auch keine Hinweise auf Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Die Regierung sucht den Austausch mit Journalisten und der "Gambia Press Union". In Kooperation mit der Menschenrechts-NGO Article 19 erarbeitet die Regierung aktuell ein neues Mediengesetz (AA 3.8.2018). Allerdings hat die Regierung noch keine Gesetzesänderungen vorgenommen, die eine Genehmigung für öffentliche Kundgebungen erfordern, was eine Verletzung der Versammlungsfreiheit darstellt (HRW 18.1.2018). Die Regierung verpflichtete sich zur Reform mehrerer repressiver Mediengesetze. Eine Reihe von Journalisten kehrten in das Land zurück, nachdem sie wegen Schikanen oder drohender Inhaftierungen unter der früheren Regierung ins Exil geflohen waren (AI 22.2.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): AA-Bericht Gambia,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442719/4598_1536326072_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-gambia-stand-juli-2018-03-08-2018.pdf, Zugriff 18.9.2018;

* -EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018;

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - The Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428746.html, Zugriff 18.9.2018;

* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html, Zugriff 18.9.2018 und

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - The Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430134.html, Zugriff 18.9.2018

1.2.6. Grundversorgung:

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Das staatliche "Social Welfare Service" bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40 % der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 3.8.2018).

Gambia ist wirtschaftlich schwach. Etwa drei Viertel der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Familien bauen auch in kleinem Umfang Produkte für den Eigenbedarf an. Viele führen kleine Einzelhandelsgeschäfte (EASO 12.2017).

Die Wirtschaft des Landes ist aufgrund von Rückschlägen abgewürgt (KAS 16.5.2018). Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91 % der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. $) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018).

Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4 % des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018). Laut Medien sei das Land "fast bankrott". Niedrige Ernteerträge, ängstliche Touristen und Investoren sowie wachsende Staatsverschuldung tragen zur weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei (EASO 12.2017). Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Die externe Schuldenlast beläuft sich auf über 1 Mrd. US-Dollar (20 % des BIP). Aufgru

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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