Entscheidungsdatum
31.03.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L517 2220443-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX vertreten durch Mag.a Michaela KERBL, Gewerkschaft Privatangestellter gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX , beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idgF, § 9 BVwGG, BGBl I Nr 10/2013 idgF, iVm § 1 Abs 4 Z 3 Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl II Nr 495/2013 idgF, soweit sie sich auf Nichtvornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ bezieht, mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in dieser Angelegenheit zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1.0 Kurzsachverhalt:
Der beschwerdeführenden Partei (in Folge „bP“) wurde 2015 ein bis 2016 befristeter Parkausweis ausgestellt. 2016 wurde die Nachfrist bis 2018 verlängert. Im Zuge des Nachuntersuchungsverfahrens wurde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und die „Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ bei der bP festgestellt.
Am 17.08.2019 beantragte die bP noch einmal die Vornahme der Eintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass beim Sozialministerium, Landesstelle XXXX (in Folge „belangte Behörde“ bzw. „bB“).
Daraufhin wurde von der bB ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten und in weiterer Folge aufgrund einer Stellungnahme der bP ein orthopädisches Gutachten eingeholt. Beide Gutachten kamen in Übereinstimmung zum Ergebnis, dass bei der bP die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht vorliegen.
Am XXXX erging der den Antrag der bP abweisende Bescheid der bB.
Dagegen erhob die bP in rechtsfreundlicher Vertretung am 21.06.2019 Beschwerde und brachte inhaltlich zusammengefasst vor: Aufgrund ihrer körperlichen Leiden sei der bP auf ihren Antrag hin mit 19.11.2015 ein Parkausweis gemäß § 29 b StVO befristet bis Ende Oktober 2016 zuerkannt worden. Ihr Antrag auf Weitergewährung im Frühjahr 2016 sei geprüft worden und der Parkausweis für Behinderte aufgrund des unveränderten schlechten Gesundheitszustandes weiterhin gewährt worden und zwar befristet bis 31.5.2018. Am 20.4.2018 habe die bP erneut einen Antrag auf Verlängerung gestellt. Danach seien einige ärztliche Untersuchungen durchgeführt worden. Ihre Einwände, dass ihr das Zurücklegen von längeren Wegstrecken nicht mehr möglich sei und es wiederholt zu Stürzen komme, seien jedoch nicht berücksichtigt worden. Im letzten Gutachten sei sogar festgehalten worden, dass ihre Gesamtmobilität und Gangbild unauffällig seien und auch der Vorfußheber klinisch unauffällig sei. (Seite 2 des Gutachtens) Das sei jedoch nicht richtig. Sie habe nachweislich seit 2009 eine Vorfuß- und Zehenhebeparese rechts im Grad 3-4, wodurch sich eine erhöhte Stolper- und Sturzgefahr ergebe. (Beilage./G und ./H) Aufgrund ihrer Leiden, den Bandscheibenproblemen und mehrmaligen Operationen (2010, 2015) sei ihr 2015 der Parkausweis wegen der geminderten Gehleistung zuerkannt worden. Sie könne keine längeren Wegstrecken gehen, weil sie durch die Probleme mit den Bandscheiben enorme Schmerzen in den Beinen habe. Durch die Vorfußheberschwäche sei es ihr auch nicht möglich Verkehrsmittel zu benutzen, die über eine Stiege bzw. Treppe zu besteigen seien. Lediglich die Benutzung von eben zu besteigenden Verkehrsmitteln würde gehen. Diese würden jedoch im ländlichen Raum nicht angeboten. Ihr Gesundheitszustand habe sich in den letzten Jahren nicht verbessert. Im Gegenteil. Die bP sei ja bereits drei Mal an der Lendenwirbelsäule operiert worden. Laut ihren behandelnden Ärzten sei eine neuerliche Operation in nächster Zeit unumgänglich, weil sich ihr Gesundheitszustand erneut verschlechtert habe. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und/oder fremde Hilfe auch unter Verwendung der zweckmäßigen Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel und Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittel angegebenen Bedingungen auswirke. Da die Voraussetzungen gemäß § 42 und § 45 BBG vorliegen würden, habe die bP Anspruch auf die zusätzliche Eintragung in den Behindertenpass und den Parkausweis für Behinderte.
Am 25.06.2019 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.
2.0. Beweiswürdigung:
Bezugnehmend auf die Ausführungen der bP in Antrag und Beschwerde - geht das erkennende Gericht davon aus, dass sich die vorliegende Beschwerde ihrem Inhalt nach auch auf die Nichtausstellung des beantragten Parkausweises gem. § 29b StVO bezieht.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl Nr 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl Nr 283/1990 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl I Nr 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl II Nr 495/2013
3.2. Gemäß Art 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt 3.1. im Generellen und die unter Pkt 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 9 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Laut den Bestimmungen des BBG ist das genannte Gericht neben dem Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses auch für Verfahren auf Einschätzung des Grades der Behinderung oder auf Vornahme von Zusatzeintragungen berufen.
Gegenständliche Beschwerde richtet sich ihrem Inhalt nach ua. gegen die Nichtvornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" des Rechtsmittelverfahrens vor dem Verwaltungsgericht – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl dazu für viele VwGH 30.06.2016, Ra2016/11/0044, mwN).
Die Zuständigkeit setzt voraus, dass eine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt. Bedingt durch den Umstand, dass keine bescheidmäßige Absprache über den Antrag gem. § 29b StVO erfolgte, ist das ho Gericht mangels entsprechender Kognitionsbefugnis unzuständig und war von einer inhaltlichen Prüfung in der Sache selbst Abstand zu nehmen.
Soweit sich die Beschwerde in ihren Beschwerdepunkten auf die Nichtvornahme der Eintragung der „Unzumutbarkeit“ bezog, wurde diese seitens des BVwG mit Erkenntnis 2220443-1 abgewiesen.
Aufgrund der Beschränkung der Sache des Beschwerdeverfahrens ist das Verwaltungsgericht nicht befugt, über von der Behörde nicht behandelte Anträge abzusprechen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde mangels Zuständigkeit des BVwG als unzulässig zurückzuweisen.
3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Kognitionsbefugnis Parkausweis Unzuständigkeit ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L517.2220443.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
15.10.2020