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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §21 Abs1 idF 1996/201;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/08/0001Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, 1. über den Antrag des Dipl. Ing. GP in Graz, vertreten durch Dr. Kurt Klein, Dr. Paul Wuntschek und Dr. Berit Mayerbrucker, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Grazbachgasse 39/III, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 5. August 1997, Zl. LGS600/LA2/1218/1997-Mag.Ed/S, betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes und 2. über die Beschwerde der selben Partei gegen diesen Bescheid,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Zum Wiedereinsetzungsantrag:
In der gegen den genannten Bescheid erhobenen, zur hg. Zl. 97/08/0539 protokollierten, am 23. September 1997 zur Post gegebenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, der anzufechtende Bescheid sei ihm am 13. August 1997 zugestellt worden.
Die belangte Behörde wies in ihrer Gegenschrift darauf hin, daß laut dem Rückschein der angefochtene Bescheid bereits am 7. August 1997 zugestellt und sohin die Beschwerde verspätet erhoben worden sei.
Die Gegenschrift wurde dem Beschwerdeführer am 9. Dezember 1997 zugestellt. Mit dem am 19. Dezember 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz führte der Beschwerdeführer dazu aus, daß er das Schriftstück (gemeint den angefochtenen Bescheid) erst nach seiner Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt an diesem Tage (13. August 1997) behoben habe und davon ausgegangen sei, daß die Zustellung an diesem Tag als bewirkt gelte. Er habe sich zum Zeitpunkt der Hinterlegung in der Bundesrepublik Deutschland befunden, weil er auf Stellensuche gewesen sei. Am Tage der Rückkehr habe er von der Hinterlegung Kenntnis erhalten und die hinterlegte Sendung behoben.
In der mit dem Schriftsatz vorgelegten eidesstättigen Erklärung bekräftigte der Beschwerdeführer, daß er sich zum Zeitpunkt der Hinterlegung des bekämpften Bescheides nicht in Österreich aufgehalten, sondern sich in Deutschland zur Stellensuche befunden habe.
Die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gemäß § 46 VwGG u.a. voraus, daß die antragstellende Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Frist versäumt hat.
Aufgrund des glaubwürdigen Vorbringens im Antrag liegt eine Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den genannten Bescheid nicht vor:
Gemäß § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG) ist ein Schriftstück dann, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in der selben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
Nach § 17 Abs. 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen.
Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
Eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Zustellung durch Hinterlegung unzulässig machen bzw. die Anwendung des dritten Satzes des § 17 Abs. 3 ZustG nach sich ziehen würde, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie z.B. im Falle einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes (vgl. etwa den Beschluß vom 30. September 1997, Zlen. 97/08/0127, 0128, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers über den Tag der Hinterlegung hinaus bis zum 13. August 1997 die Zustellung des angefochtenen Bescheides durch Hinterlegung unzulässig gemacht hat; es kommt daher der dritte Satz des § 17 Abs. 3 ZustG zur Anwendung. Die Rückkehr des Beschwerdeführers an die Abgabestelle und die Behebung der hinterlegten Sendung am 13. August 1997 bewirkte die Zustellung mit diesem Tag. Damit wurde die Beschwerdefrist in Gang gesetzt. Die zur Zl. 97/08/0539 protokollierte Beschwerde ist somit jedenfalls rechtzeitig. Für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages bleibt daher kein Raum.
2. Zur Beschwerde:
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom 23. Juni 1997 wurde ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 4. April 1997 ab diesem Tag "der Bezug des Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 300,20 zuerkannt" worden sei. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer vom 15. Februar 1996 bis 31. März 1997 im Inland beschäftigt gewesen sei, woraus sich eine Bezugsdauer von 20 Wochen ergebe. Da die Antragstellung am 4. April 1997 erfolgt sei, sei die Jahresbeitragsgrundlage aus dem Jahr 1995 für die Höhe des Arbeitslosengeldes heranzuziehen gewesen. Nachdem keine Jahresbeitragsgrundlage aus diesem Jahr vorliege, sei die Jahresbeitragsgrundlage des zuletzt vorliegenden Kalenderjahres heranzuziehen. Im vorliegenden Fall hätte daher die Jahresbeitragsgrundlage 1984 berücksichtigt und aufgewertet werden müssen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde ausgeführt, daß für die Festsetzung der Lohnklasse bei der Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen sei. Im Falle des Beschwerdeführers wäre dies das Jahr 1995 gewesen. Für dieses Jahr sei doch keine Jahresbeitragsgrundlage vorgelegen, weil der Beschwerdeführer von 1991 bis 1995 in den USA beschäftigt gewesen sei. Davor sei er ab 1986 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen. Diese Beschäftigungs- bzw. Versicherungszeiten seien nicht auf die Anwartschaft anzurechnen, da der Beschwerdeführer diese schon durch seine Tätigkeit bei der Andritz-AG erfüllt habe. Lägen jedoch keine Jahresbeitragsgrundlagen des vorletzten Kalenderjahres vor, so seien jeweils die Jahresbeitragsgrundlagen des zuletzt vorliegenden Kalenderjahres heranzuziehen. Dies sei laut Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 22. April 1997 die Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Nettingsdorfer Papierfabrik im Jahre 1984. Die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse würden vom Gesetz dergestalt berücksichtigt, daß, wenn die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes älter als ein Jahr seien, diese mit dem Aufwertungsfaktor gemäß § 108 Abs. 4 ASVG des betreffenden Jahres aufgewertet würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, daß die Festsetzung der Lohnklasse gemäß § 21 Abs. 7 AlVG nach dem letzten, bei der Firma Andritz Maschinenfabrik AG bezogenen Entgelt berechnet hätte werden müssen. § 21 AlVG habe nach den erläuternden Bemerkungen jedenfalls "EU-rechtskonform" angepaßt werden sollen. Die EU-Verordnung 1408/71 gehe jedenfalls davon aus, daß für die Bemessung des Arbeitslosengeldes der letzte im Mitgliedstaat gelegene Bezug heranzuziehen sei. Die Behörde hätte bei richtiger Festsetzung der Lohnklasse ausschließlich die in Österreich, hilfsweise aber die in Deutschland zurückgelegten Beschäftigungszeiten für die Einstufung heranziehen müssen. Keinesfalls hätte aber ein Rückgriff auf die Ferialpraxis im Jahr 1984 erfolgen dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld im ersten Halbjahr des Jahres 1997 geltend gemacht hat, aber auch, daß für das Jahr 1995 keine Beitragsgrundlagen beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger aufscheinen.
Weiters ergibt sich aus der unbedenklichen Aktenlage, daß in dem Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Stand vom 22. April 1997 (AS 4) die Beschäftigung des Beschwerdeführers im Jahr 1996 und 1997 enthalten ist sowie die Beitragsgrundlagen für 1996 darin bereits aufscheinen und sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. August 1997 vom Leistungsbezug mit Wirkung vom 18. August 1997 abmeldete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/08/0474, dem ein gleichgelagerter Sachverhalt zugrundelag, ausgesprochen, daß im Falle einer Antragstellung bis 30. Juni als Jahresbeitragsgrundlage des "zuletzt vorliegenden Kalenderjahres" schon nach der Wortbedeutung dieser Wendung auch das der Antragstellung unmittelbar vorangehende Kalenderjahr in Betracht kommt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen.
Dadurch, daß die belangte Behörde nicht die der Antragstellung unmittelbar vorangehende Jahresbeitragsgrundlage 1996 berücksichtigte, sondern auf die Beitragsgrundlage des Jahres 1984 zurückgriff, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Diese Entscheidung konnte in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat, jene über den Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG, erfolgen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997080539.X00Im RIS seit
18.10.2001