TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 W137 2220761-4

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Veröffentlicht am 01.04.2020
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Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W137 2220761-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1117208308/191170798, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan alias Afghanistan, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 17.11.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers (BF) - der sich als afghanischer Staatsangehöriger ausgab - abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf Afghanistan erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde des BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2019 als unbegründet abgewiesen.

Bezüglich des Beschwerdeführers wurde die Schubhaft mit Mandatsbescheid vom 16.11.2019 zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG angeordnet.

2. Am 28.11.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Schubhaft - durch einen begründeten Aktenvermerk - auf § 76 Abs. 6 FPG gestützt. Dieser wurde auch dem BF nachweislich zur Kenntnis zur gebracht (siehe VwGH vom 18. 12. 2008, Zl. 2008/21/0582) und wurde die Tatsache der Änderung darin in einer ihm verständlichen Sprache im Sinne des § 12 Abs. 1 BFA-VG festgehalten.

Eine Beschwerde gegen diese Umstellung der Rechtsgrundlage der Anhaltung ist nicht erfolgt.

3. Mit mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 08.01.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Gegen diesen Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ. W213 2181163-2/3E, vom 15.01.2020, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt.

4. Am 14.01.2020 wurde das Bundesamt von der postalischen Zustellung einer pakistanischen ID-Card an den Beschwerdeführer (in der Schubhaft) informiert. Am 07.02.2020 erfolgte die Vorführung des Beschwerdeführers zu einer afghanischen Delegation zwecks Identitätsabklärung. Diese verwies auf eine erforderliche Überprüfung der Tazkira.

Am 14.02.2020 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für Pakistan eingeleitet; der Beschwerdeführer wurde noch am selben Tag als XXXX , identifiziert. Überdies wurde ein Heimreisezertifikat (HRZ) mit Gültigkeit von 11.03.2020 bis 13.06.2020 ausgestellt. Das Bundesamt konnte auch einen Flug zwecks Abschiebung für den 14.03.2020 buchen.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 05.03.2020 im Rahmen einer amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

6. Am 26.03.2020 legte das Bundesamt den Akt erneut zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor und führte ergänzend aus, dass die für 14.03.2020 geplante Abschiebung aufgrund der Streichung des Fluges im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nicht habe durchgeführt werden können. Derzeit seien keine Abschiebeflüge durchführbar und könnten auch nicht gebucht werden. Das Bundesamt gehe allerdings von der Möglichkeit einer Abschiebung im Verlauf der kommenden drei Monate aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer konnte als XXXX , geboren am XXXX , pakistanischer Staatsangehöriger, identifiziert werden. Pakistan hat für ihn ein bis 13.06.2020 gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt. Eine für 14.03.2020 organisierte Abschiebung nach Pakistan konnte aufgrund der Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden.

Der Beschwerdeführer führte in Österreich erfolglos ein Verfahren zur Erlangung von internationalem Schutz - dabei gab er sich als afghanischer Staatsangehöriger aus. Ein Beleg für die pakistanische Staatsangehörigkeit ergab sich erst am 14.01.2020, als dem Beschwerdeführer (in der Schubhaft) ein pakistanisches ID-Dokument zugestellt werden sollte. Im Asylfolgeverfahren wurde der faktische Abschiebeschutz rechtskräftig aufgehoben; eine rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung liegt vor.

Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht integriert, hat sich dem Verfahren entzogen und ist ausreiseunwillig. Durch bewusst falsche Angaben zur Identität hat er die Feststellung seiner Identität sowie die Erlangung eines Ersatzreisedokuments zumindest massiv erschwert. Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, keinen Wohnsitz und keine finanziellen Mittel. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich dreimal strafrechtlich verurteilt. Der Beschwerdeführer ist nicht kooperativ und nicht vertrauenswürdig.

Soweit es die pakistanische Seite betrifft, ist eine Überstellung bis 13.06.2020 kurzfristig und problemlos durchführbar. Zum Entscheidungszeitpunkt besteht eine realistische Chance, dass der Flugverkehr bis Mai/Juni wieder in einem Umfang aufgenommen wird, der Abschiebungen ermöglicht. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Pakistan für den Fall, dass eine Abschiebung mangels Flugverbindung bis 13.06.2020 nicht erfolgen kann, problemlos ein weiteres HRZ ausstellen wird.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinem Asylverfahren (BVwG-GZ 2181163-1) und den bereits erfolgten Schubhaftprüfungen. Die gilt auch für die Identifizierung als pakistanischer Staatsangehöriger, die Ausstellung des Heimreisezertifikats und die Gründe für den Ausfall der für 14.03.2020 geplanten Abschiebung.

2.2. Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers sowie zur Feststellung seiner Identität ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage.

2.3. Aktenkundig ist, dass sich der Beschwerdeführer seinem Verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz zwischenzeitlich entzogen hatte und ausreiseunwillig ist. Aus der Aktenlage ergibt sich auch zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer erst Ende November 2019 seine tatsächliche Identität gegenüber den Behörden enthüllte - ohne diese allerdings zunächst belegen zu können. Es gibt keinen Hinweis auf Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers, familiäre Anknüpfungspunkte, berufliche oder substanzielle soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Ein gesicherter Wohnsitz wurde nie behauptet; die Mittellosigkeit ist aus der Anhaltedatei ersichtlich. Die strafrechtlichen Verurteilungen sind in einer rezenten Strafregisterabfrage (unter der vorgetäuschten afghanischen Identität) ersichtlich. Aus dem oben Dargestellten ergibt sich zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer als weder kooperativ noch vertrauenswürdig einzustufen ist.

2.4. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Pakistans. Abschiebungen in diesen Staat fanden bis zuletzt regelmäßig statt - es war auch schon eine Abschiebung für 14.03.2020 terminisiert. Ein noch bis 13.06.2020 gültiges HRZ liegt vor. Es besteht gegenwärtig eine realistische Chance, dass Abschiebungen im Mai/Juni 2020 wiederaufgenommen werden können. Die Wiederherstellung des globalen Reiseverkehrs ist dafür nicht Voraussetzung.

Darüber hinaus gibt es keinen Grund für die Annahme, dass Pakistan nach Ablauf der Gültigkeit des aktuellen Heimreisezertifikats die Ausstellung eines neuen HRZ verweigern würde, sollte die Abschiebung bis dahin an Restriktionen im Flugverkehr scheitern.

2.5. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

"§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 16.11.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusst falsche Angaben zu seiner Identität im Rahmen des Asylverfahrens erfüllt.

Soweit die Anhaltung des Beschwerdeführers im Zuge eines Asylfolgeantrags zwischenzeitlich auf die Bestimmung des § 76 Abs. 6 FPG gestützt worden ist, hat der Beschwerdeführer diese nicht bekämpft. In diesem Verfahren wurde überdies der faktische Abschiebeschutz rechtskräftig aberkannt.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu auch die strafrechtlichen Verurteilungen - kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Die Abschiebung am 14.03.2020 scheiterte an Gründen, die weder das Bundesamt noch der Beschwerdeführer zu verantworten haben. Dass das Bundesamt während der laufenden Schubhaft von einem letztlich falschen Herkunftsstaat ausgehen musste - und sich die Abschiebung dadurch verzögerte - ist hingegen sehr wohl dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Er trägt damit zweifelsfrei eine Verantwortung, dass die Schubhaft bis zum Eintritt der Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie andauerte - auch wenn dieser Zusammenfall (ebenso zweifelsfrei) nicht intentional war.

Gegenwärtig wird der Beschwerdeführer rund viereinhalb Monate in Schubhaft angehalten. Derzeit kann realistisch noch von einer Abschiebung innerhalb von sechs Monaten Anhaltedauer (Mitte Mai 2020) ausgegangen werden. Falls sich diese Möglichkeit zerschlagen sollte, wird sich das Bundesamt im Rahmen einer allfälligen nächsten Aktenvorlage mit der Frage der Anwendung des § 80 Abs. 4 FPG zu befassen haben.

Vor dem Hintergrund der §§ 52 Abs. 9 und 10 FPG sowie der Identifizierung des Beschwerdeführers durch die pakistanische Botschaft (samt Ausstellung eines Heimreisezertifikats) erweist sich auch das gegenwärtige Fehlen einer (rechtskräftigen) Rückkehrentscheidung bezüglich Pakistan als unbedenklich. Siehe dazu auch VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0349, und vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0125.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Mittellosigkeit Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Überprüfung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2220761.4.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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