TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 W133 2162172-4

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Veröffentlicht am 01.04.2020
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Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W133 2162172-4/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 17.08.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 29.10.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerdevorentscheidung vom 29.10.2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Spruch zu lauten hat wie folgt:

"In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid vom 17.08.2018 wegen Unzuständigkeit der Behörde ersatzlos behoben."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) stellte der Beschwerdeführerin am 28.01.2004 auf Grundlage eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 24.01.2004 einen unbefristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) aus.

Am 02.12.2016 stellte die Beschwerdeführerin unter Vorlage neuer Befunde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.04.2017 wurde nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Orthopädie vom 30.01.2017 der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin mit 30 v.H. neu festgesetzt und der Behindertenpass eingezogen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit handschriftlichem Schreiben vom 02.05.2017 unter Vorlage medizinischer Beweismittel fristgerecht eine Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.07.2017 wies die belangte Behörde, nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme durch die mit der Sache befassten Sachverständigen, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 13.04.2017 betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung und Einziehung des Behindertenpasses ab.

Mit Schreiben vom 25.07.2017 beantragte die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch den XXXX , die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Bescheid vom 18.08.2017 wies die belangte Behörde den Vorlageantrag zurück. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass dieser am 27.07.2017 eingebracht worden sei, der angefochtene Bescheid zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits rechtskräftig gewesen sei.

Gegen diesen zurückweisenden Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung fristgerecht ebenfalls Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.11.2017, Zl. W266 2162172-2/3E, wurde der Bescheid vom 18.08.2017, mit welchem der Vorlageantrag als verspätet zurückgewiesen worden war, ersatzlos behoben, da der Vorlageantrag fristgerecht eingebracht worden war.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.04.2018, Zl. W266 2162172-3/4E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 13.04.2017, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 06.07.2017, betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass als unbegründet abgewiesen und der Grad der Behinderung von 30 v.H. bestätigt.

Nach dem vorliegenden Verwaltungsakt holte die belangte Behörde - während der Zeit des immer noch beim Bundesverwaltungsgericht inhaltlich anhängigen Verfahrens über die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass im Frühjahr 2018 nach Vorlage von diversen medizinischen Unterlagen durch die Beschwerdeführerin - ohne neuerlichen Antrag der Beschwerdeführerin offenbar von Amts wegen ein weiteres allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten, datiert mit 05.07.2018, zur Bestimmung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin ein und räumte ihr dazu ein Parteiengehör ein.

Aufgrund der mit Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 20.07.2018 erhobenen Einwendungen und der neu vorgelegten medizinischen Unterlagen erstattete der Gutachter, welcher das Gutachten vom 05.07.2018 erstellt hatte, am 16.08.2018 eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme, worin am Grad der Behinderung von 30 v.H. festgehalten wurde.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.08.2018, OB: XXXX , wies die belangte Behörde "den Antrag vom 25.08.2017" (Datum des Einlangens der Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.08.2017, mit dem der Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 06.07.2017 zurückgewiesen worden war) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. nicht erfüllt seien.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid im Wege ihrer Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 21.09.2018 unter Vorlage neuer Befunde fristgerecht eine Beschwerde.

Nach Einholung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen, welcher das Gutachten vom 05.07.2018 sowie die Stellungnahme vom 16.08.2018 erstellte hatte, vom 29.10.2018 wies die belangte Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsbescheides vom 29.10.2018 diese Beschwerde ab.

Mit Schriftsatz vom 15.11.2018 brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung fristgerecht einen Vorlageantrag ein.

Die belangte Behörde legte am 22.11.2018 die Beschwerde vom 21.09.2018, den Vorlageantrag vom 15.11.2018 und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Da das Aktenstudium durch die Gerichtsabteilung W133 ergab, dass mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.04.2018, Zl. W266 2162172-3/4E, bereits rechtskräftig über die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass abgesprochen worden und der Grad der Behinderung von 30 v.H. bestätigt worden war und auch kein "Antrag vom 25.08.2017" der Beschwerdeführerin, auf welchen die belangte Behörde die Erlassung des Bescheides vom 17.08.2018 aber gestützt hatte, vorliegt, kontaktierte das Bundesverwaltungsgericht am 19.02.2020 die belangte Behörde. Im Zuge dieses Telefonates teilte die belangte Behörde dem erkennenden Gericht mit, dass es gar keinen entsprechenden Antrag gegeben habe, auf welchen die Behörde die Erlassung des Bescheides stützen hätte können, es habe sich vielmehr um eine irrtümliche Systemerfassung gehandelt. Nach dem Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vom 02.12.2016 seien von der Beschwerdeführerin keine weiteren Anträge mehr gestellt worden.

Mit Schreiben vom 20.02.2020 informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens vom vorliegenden Sachverhalt und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Weder die rechtlich vertretene Beschwerdeführerin, noch die belangte Behörde erstatten eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 02.12.2016 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.

Über diesen Antrag wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2018, Zl. W266 2162172-3/4E, rechtskräftig abgesprochen.

Ein weiterer Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde von der Beschwerdeführerin bis zur Erlassung des Bescheides vom 17.08.2018 nicht gestellt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.08.2018 wies die belangte Behörde "den Antrag vom 25.08.2017" (Datum des Einlangens der Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.08.2017, mit dem der Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 06.07.2017 zurückgewiesen worden war) ab. Einen entsprechenden Antrag gab es jedoch nicht, vielmehr handelte es sich dabei um eine "irrtümliche Systemerfassung".

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte und für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt und den eigenen Angaben der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

..."

Die Beschwerdeführerin stellte am 02.12.2016 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, über welchen im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2018, Zl. W266 2162172-3/4E, rechtskräftig abgesprochen wurde.

Ein weiterer Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde von der Beschwerdeführerin nicht gestellt, trotzdem erließ die belangte Behörde den abweisenden Bescheid vom 17.08.2018 sowie die Beschwerdevorentscheidung vom 29.10.2018.

Eine Behörde, welche einen antragsbedürftigen Bescheid erlässt, obwohl kein diesbezüglicher Antrag der Partei vorliegt, verletzt auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung. Die Zurückweisung eines Antrages als unzulässig ist jedenfalls insofern antragsbedürftig, als sie das Vorliegen eines solchen voraussetzt (VwGH 03.10.1997, Zl. 95/19/1019). Dies hat entsprechend auch für die Abweisung eines Antrages zu gelten, da auch die Abweisung eines Antrages das Vorliegen eines solchen voraussetzt (VwGH 25.02.2004, Zl. 2003/12/0105).

Da die Beschwerdeführerin nach ihrem Neufestsetzungsantrag vom 02.12.2016, über welchen im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2018, Zl. W266 2162172-3/4E, rechtskräftig abgesprochen wurde, keinen weiteren Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt hat, war der angefochtene Bescheid vom 17.08.2018 wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos zu beheben und die Beschwerdevorentscheidung entsprechend abzuändern.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß

§ 24 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Abänderung eines Bescheides antragsbedürftiger Verwaltungsakt ersatzlose Behebung Rechtskraft Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2162172.4.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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